Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

LSG Schleswig-Holstein: getrennt lebender ehegatte, planwidrige unvollständigkeit, schweigen des gesetzes, erlass, minderung, unternehmer, freibetrag, erwerbseinkommen, abgabe, betrug

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Landessozialgericht
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 LW 9/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 1 FELEG, § 8 Abs 1
FELEG vom 15.12.1995, § 8
Abs 2 FELEG vom 15.12.1995,
§ 3 Abs 4 S 1 ALG, § 3 Abs 4
S 2 Nr 1 ALG
Alterssicherung der Landwirte - Produktionsaufgaberente -
Zusammentreffen mit Erwerbsunfähigkeitsrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung - freiwillige
Beitragsleistung - Anrechenbarkeit - Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz
Erwerbsunfähigkeitsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind als
Erwerbsersatzeinkommen auf die Produktionsaufgaberente anrechenbar, auch wenn sie
auf freiwilligen Beiträgen beruhen.
Hierin liegt weder ein Verstoß gegen Art. 3 oder Art. 14 GG noch gegen das
Sozialstaatsprinzip.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. Juli
2003 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Bewilligung
einer Produktionsaufgaberente (PAR) mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise
aufzuheben und die Erstattung von Leistungen in Höhe von 12.195,98 € zu
verlangen sowie darüber, ob sie dem Kläger ab Juli 2001 höhere PAR zu gewähren
hat.
Der 1938 geborene Kläger war vom 1. April 1955 bis zum 31. Dezember 1970
versicherungspflichtig beschäftigt und entrichtete Pflichtbeiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV). Anschließend war er als selbstständiger Landwirt
Mitglied der Beklagten, entrichtete jedoch - seinen Angaben zufolge - von Januar
1971 bis Februar 1997 freiwillige Beiträge zur GRV, um seine Anwartschaft auf
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) aufrecht zu erhalten. Mit Wirkung vom 30.
September 1996 verpachtete er seine landwirtschaftlichen Flächen
strukturverbessernd an zwei landwirtschaftliche Unternehmer. Eine
Flächenstilllegung i. S. d. § 2 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der
landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 26. September 1996, eingegangen am 1. Oktober 1996, stellte
der Kläger bei der Beklagten formlos einen Antrag auf PAR. Mit Schreiben vom 9.
Oktober 1996 übersandte ihm daraufhin die Beklagte einen Antragsvordruck.
Abschließend heißt es in dem Schreiben:
"Sie sind verpflichtet, sämtliche Veränderungen, die sich nach dem Zeitpunkt der
Antragstellung ergeben, der Alterskasse unverzüglich mitzuteilen, wenn diese
Veränderungen für die Leistungsgewährung erheblich sind."
Das Antragsformular selbst enthält unter Punkt c (Angaben zum Erwerbs- und
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Das Antragsformular selbst enthält unter Punkt c (Angaben zum Erwerbs- und
Erwerbsersatzeinkommen) zunächst die Belehrung:
"Die Produktionsaufgaberente kann ganz oder teilweise ruhen, wenn sie oder ihr
nicht getrennt lebender Ehegatte zugleich Erwerbs- oder
Erwerbsersatzeinkommen beziehen. Sie sind deshalb verpflichtet, die folgenden
Fragen sorgfältig zu beantworten und der LAK alle Änderungen zu melden, die sich
nach der Antragstellung ergeben".
Alsdann wird unter Ziffer 1 nach derzeitigem Erwerbseinkommen und unter Ziffer 2
nach derzeitigem Erwerbsersatzeinkommen, u. a. nach Renten aus der
gesetzlichen Rentenversicherung des Antragstellers und seines Ehegatten gefragt.
Hierzu kreuzte der Kläger jeweils die Antwort „nein" an. In der abschließenden, von
dem Kläger unterzeichneten Erklärung heißt es:
"Ich nehme davon Kenntnis, dass ich nach den Mitwirkungspflichten der §§ 60 ff.
des Sozialgesetzbuches (SGB I) verpflichtet bin, der Alterskasse unverzüglich alle
Änderungen mitzuteilen, die die Höhe der Leistung oder den Anspruch selbst
beeinflussen können. Hierzu gehören insbesondere Änderungen bei Bezug von
Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen oder auch erstmaliger Bezug derartiger
Einkommen".
Mit Bescheid vom 13. Januar 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger PAR ab 1.
Oktober 1996. Bestandteil des Bescheides war ein Merkblatt über Mitwirkungs- und
Meldepflichten, in welchem es heißt:
"Als Empfänger einer Produktionsaufgaberente sind Sie gemäß §§ 60 ff. des
Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) verpflichtet, der Alterskasse
unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen, die die Höhe der Leistung oder den
Anspruch selbst beeinflussen können. Hierzu gehören insbesondere:
Änderungen bei Bezug von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen bzw.
erstmaliger Bezug derartiger Einkommen (auch des Ehegatten)".
Ein Flächenzuschlag im Sinne des § 6 Abs. 3 FELEG wurde weder beantragt, noch
gewährt. Mit Bescheid vom 17. April 1997 bewilligte die Beklagte der seit 1967 mit
ihm verheirateten Ehefrau des Klägers Rente wegen EU ab 1. Juli 1996. Deren
Höhe betrug anfänglich 432,33 DM, ab 1. Juli 1997 439,55 DM, ab 1. Juli 1998
441,55 DM, ab 1. Juli 1999 447,37 DM, ab 1. Juli 2000 449,98 DM, ab 1. Juli 2001
458,61 DM, ab 1. Juli 2002 239,53 € und ab 1. Juli 2003 241,94 €. Der hiervon
gemäß § 6 Abs. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 FELEG auf die PAR anrechenbare Anteil
(Differenz zwischen dem aus dem PAR-Grundbetrag für Unverheiratete zuzüglich
der EU-Rente gebildeten Minuenden und dem aus der PAR-Grundbetrag für
Verheiratete gebildeten Subtrahenden) betrug ab 1. Juli 1997 81,62 DM, ab 1. Juli
1998 82,00 DM, ab 1. Juli 1999 83,08 DM, ab 1. Juli 2000 83,56 DM, ab 1. Juli 2001
85,17 DM, ab 1. Juli 2002 43,54 € und ab 1. Juli 2003 44,93 €.
Mit Bescheid vom 18. April 1997 stellte die Beklagte den Grundbetrag der PAR des
Klägers auf Grund des Rentenbezuges seiner Ehefrau mit Wirkung ab 1. Oktober
1996 neu fest. Auf dieser Grundlage gewährte sie von Juli 1997 bis Juni 2001 PAR i.
H. v. insgesamt 16.450,38 DM.
Mit Bescheid vom 17. Juli 1997 bewilligte die Landesversicherungsanstalt
Schleswig-Holstein (LVA) dem Kläger ab 1. März 1997 Rente wegen EU. Deren
Höhe betrug anfänglich 1043,68 DM, ab 1. Juli 1997 1060,90 DM, ab 1. Juli 1998
1065,60 DM, ab 1. Juli 1999 1079,91 DM, ab 1. Juli 2000 1086,39 DM, ab 1. Juli
2001 1107,19 DM, ab 1. Juli 2002 578,31 € und ab 1. Juli 2003 584,35 €. Die
Beklagte erhielt hierüber keine Mitteilung.
Mit Bescheid vom 24. September 1998 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (BfA) der Ehefrau des Klägers Rente wegen EU ab 1. Juni 1996.
Deren Höhe betrug anfänglich 1012,34 DM, ab 1. Juli 1996 1021,98 DM, ab 1. Juli
1997 1038,84 DM, ab 1. Juli 1998 1062,49 DM, ab 1. Juli 1999 1086,42 DM, ab 1.
Juli 2000 1112,37 DM und ab 1. Juli 2001 1133,62 DM, ab Juli 2002 592,13 € und ab
1. Juli 2003 598,31 €.
Im März 2000 übersandte die Beklagte dem Kläger zwecks Überprüfung der Höhe
der PAR einen Fragebogen zur Einkommensüberprüfung. Mit Schreiben vom 25.
April 2001 und 29. Januar 2002 erinnerte sie an die Abgabe. Mit Ablauf des Monats
Juni 2001 stellte sie die Auszahlung von PAR ein. Daraufhin ging der - auf den 26.
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Juni 2001 stellte sie die Auszahlung von PAR ein. Daraufhin ging der - auf den 26.
Mai 2001 datierte - Fragebogen am 4. Februar 2002 bei der Beklagten ein. Hierin
gab der Kläger an, dass sowohl er selbst, als auch seine Ehefrau eine Rente aus
der GRV bezögen.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2002 teilte daraufhin die Beklagte dem Kläger mit,
dass das anzurechnende Einkommen nach vorläufiger Berechnung mindestens
seit dem 1. Juli 2000 den geltenden Freibetrag von 1.394,00 DM übersteige und
gab ihm gemäß § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X)
Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Bescheid vom 21. März 2002 stellte die Beklagte die PAR des Klägers unter
Anrechnung der EU-Renten des Klägers und seiner Ehefrau ab 1. Juli 1997 neu fest
und forderte die Erstattung des als überzahlt angesehenen Betrages in Höhe von
12.195,98 €. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Ehefrau des
Klägers erhalte seit dem 1. Juni 1996 von der BfA und seit dem 1. Juli 1996 von der
Beklagten EU-Rente. Diese Renten allein überschritten nicht die zulässigen
Freibeträge. Im Fragebogen zum Erwerbseinkommen 2000 habe jedoch der Kläger
erstmalig mitgeteilt, dass auch er eine Rente wegen EU von der LVA beziehe.
Dadurch würden die geltenden Freibeträge erstmalig zum 1. März 1997
überschritten. Es ergebe sich ab 1. Juli 1997 eine Neuberechnung der PAR. In der
Zeit von Juli 1997 bis April 2002 habe dem Kläger PAR i. H. v. 4.284,40 DM
zugestanden. Tatsächlich seien ihm jedoch 16.450,38 DM gezahlt worden.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.
Mai 2002 zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf § 8 Abs. 1 FELEG i. V. m. § 3
Abs. 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und führte im
Wesentlichen aus: Zum auf die PAR anrechenbaren Erwerbsersatzeinkommen
gehörten insbesondere Renten aus der GRV. Dabei werde nicht differenziert, ob
und in welchem Umfang diese Renten auf Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen
basierten. Folglich sei auch die EU-Rente des Klägers auf die PAR anzurechnen.
Durch den Bescheid der LVA vom 17. Juli 1997 sei mithin eine wesentliche
Änderung in den bei Erlass des Bescheides vom 18. April 1997 bestehenden
Verhältnissen eingetreten. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X solle in einem
solchen Fall der Leistungsbescheid ab dem Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse aufgehoben werden. Die zu Unrecht gewährte PAR in Höhe von
12.165,98 € sei gemäß § 50 SGB X zu erstatten.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2002 setzte die Beklagte die PAR ab 1. Juli 2002 neu
fest.
Wegen dieser Bescheide hat der Kläger am 20. Juni 2002 Klage bei dem
Sozialgericht Lübeck (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
vorgetragen: Seine EU-Rente resultiere aus Pflichtbeiträgen vom 1. April 1955 bis
zum 31. Dezember 1970 und freiwilligen Beiträgen vom 1. Januar 1971 bis zum 28.
Februar 1997. Renten, die auf Grund freiwilliger Beiträge entstanden seien,
unterlägen jedoch nicht der Anrechnung auf die PAR. Sinn und Zweck dieser Rente
sei die Reduzierung der landwirtschaftlichen Betriebe und landwirtschaftlich
genutzten Flächen. Um hierfür einen Anreiz und einen finanziellen Ausgleich für
entgangenen Gewinn zu schaffen, sei nur Erwerbsersatzeinkommen anzurechnen,
das nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Rentenberechtigten stamme. So
seien z. B. verrentete Lebensversicherungsansprüche nicht anrechenbar.
Außerdem seien die im Bescheid vom 13. Januar 1997 enthaltenen Erläuterungen
zu den Mitwirkungs- und Meldepflichten nicht verständlich und nicht auf seinen Fall
bezogen gewesen. Schließlich sei der Kläger entreichert, da er die bezogenen
Leistungen für sich und seine Familie verwandt habe.
Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2002 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2002 und den Bescheid vom
11. Juni 2002 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine
Produktionsaufgaberente ohne Anrechnung seiner Rente wegen EU zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat mit undatiertem
Bescheid aus Juni 2003 die PAR ab 1. Juli 2003 neu festgesetzt. In der Sache hat
sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend
ausgeführt: Bei der Anrechnung von Renten aus der GRV sei unerheblich, ob oder
ggf. in welchem Umfang diese Renten auf Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen
beruhten.
Mit Urteil vom 3. Juli 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
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Mit Urteil vom 3. Juli 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei berechtigt gewesen, den
Bewilligungsbescheid vom 18. April 1997 mit Wirkung für die Vergangenheit
teilweise aufzuheben und Erstattung von überzahlten Leistungen zu fordern. Die
Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 8 Abs. 1
FELEG und § 3 Abs. 4 ALG seien erfüllt. Die von dem Kläger und seiner Ehefrau
bezogenen EU-Renten seien Erwerbsersatzeinkommen, welches die Freibeträge
überschritten und deshalb zur Minderung des Anspruchs auf PAR geführt habe.
Weder in § 8 Abs. 1 FELEG, noch in § 3 Abs. 4 ALG werde zwischen Renten, die auf
Grund von Pflichtbeiträgen entrichtet werden und Renten, die auf der Zahlung von
freiwilligen Beiträgen beruhen, unterschieden. Gründe, die EU-Rente des Klägers
entgegen dem Wortlaut dieser Vorschriften Renten nicht zu berücksichtigen, seien
nicht ersichtlich. Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 FELEG sei es, eine Doppel- bzw.
Mehrfachversorgung mit Einkommen bzw. Erwerbsersatzeinkommen zu
vermeiden. Dieser Zweck gebiete es nicht, Rentenzahlungen, die auf der
Entrichtung freiwilliger Beiträge beruhten, von der Anrechnung auszunehmen.
Gegen dieses am 23. September 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung
des Klägers, welche am 20. Oktober 2003 bei dem Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht (LSG) eingegangen ist. Der Kläger trägt vor: Hintergrund der
PAR sei die gesetzgeberische Absicht, die Anzahl der selbstständigen
landwirtschaftlichen Unternehmer zu reduzieren mit dem Zweck, durch Schaffung
größerer Wirtschaftseinheiten eine Produktivitätserhöhung und somit Erhöhung der
Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu erreichen. Renten auf Grund
freiwillig gezahlter Rentenversicherungsbeiträge seien von der Anrechnung
auszunehmen. Würde man diese anrechnen, so würde sich eine
Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen ergeben, die keine freiwilligen
Leistungen erbracht hätten. Auch derjenige, der freiwillig in eine private
Rentenversicherung (Lebensversicherungsvertrag mit Verrentungsanspruch)
eingezahlt habe, unterliege nicht der Anrechnung. Ein sachlicher Grund für eine
unterschiedliche Behandlung von freiwilligen Beiträgen zur privaten Versicherung
und freiwilligen Beiträgen zur GRV bestehe nicht. Er sei am 30. September 1996
durch einen Mitarbeiter des Bauernverbandes P wissentlich falsch beraten worden.
Dieser habe ihm geraten, sofort einen Antrag auf EU-Rente bei der LVA zu stellen.
Die freiwillige private Altersvorsorge bei LVA und BfA habe nichts mit der PAR zu
tun. Bekanntlich sei aber die Beklagte für richtige Beratung verantwortlich.
Der Kläger beantragt, 1. das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 3. Juli 2003
sowie den Bescheid vom 21. März 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2002 aufzuheben und den Bescheid vom 11.
Juni 2002 sowie den undatierten Bescheid über Produktionsaufgaberente aus Juni
2003 (wirksam ab 1. Juli 2003) zu ändern, 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm die
Produktionsaufgaberente ohne Anrechnung von Renten aus den
Rentenversicherungen zu gewähren. 3.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie bezieht sich auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die
Gerichtsakte haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird wegen weiterer
Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (vgl. § 143 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und bedarf keiner Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes
500.- € übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Berufungsfrist (vgl. § 151
Abs. 1 SGG) ist gewahrt.
B. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil hält einer
Überprüfung stand. Das SG hat die Klage zu Recht und mit richtiger Begründung
abgewiesen. Der Bescheid vom 21. März 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2002, der Bescheid vom 11. Juni 2002 und
der undatierte Bescheid aus Juni 2003 sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat
rechtsfehlerfrei entschieden, dass der PAR-Bewilligungsbescheid vom 18. April
1997 ab 1. Juli 1997 teilweise aufzuheben ist und der Kläger erbrachte Leistungen
in Höhe von 12.195,98 € zu erstatten hat. Desgleichen hat sie mit Bescheid vom
11. Juni 2002 und dem Bescheid aus Juni 2003 die Höhe der dem Kläger ab 1. Juli
2002 zustehenden PAR zutreffend berechnet.
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1. Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung (Bescheid vom 21. März 2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2002) ist § 48 Abs. 1 Satz 1 und
2 Nr. 3 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein - ursprünglich rechtmäßiger –
Verwaltungsakt (VA) mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben,
soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr.
3 SGB X soll der VA soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse
an aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des
Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall
oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen
liegen hier vor.
a) Der Bescheid vom 18. April 1997 war ein VA mit Dauerwirkung, da durch ihn
monatlich wiederkehrende Ansprüche auf Geldleistungen zuerkannt wurden.
b) In den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass
vorgelegen haben, ist auch ab 1. Juli 1997 eine wesentliche Änderung getreten.
Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder
Höhe der bewilligten Leistung auswirkt. Ob eine solche Änderung eingetreten ist,
richtet sich nach dem für die jeweilige Leistung maßgeblichen materiellen Recht,
im vorliegenden Falle also nach den Vorschriften des FELEG. Danach ergibt sich
folgendes:
aa) Bei Erlass des Bescheides vom 18. April 1997 stand dem Kläger PAR in Form
des Grundbetrages (vgl. § 6 Abs. 1 FELEG) zu. Dessen Höhe war - nachdem für
seine seit 1967 mit ihm verheiratete Ehefrau ab 1. Juli 1996 ein Anspruch auf
Rente wegen EU gegen die Beklagte entstanden war - dadurch zu berechnen, dass
als Steigerungszahl der Umrechnungsfaktor für Unverheiratete zugrunde gelegt
wurde, der für die der Rente zugrunde liegende Anzahl an Beitragsjahren
maßgebend war (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 FELEG i. V. m. § 98 Abs. 3 Satz 1 ALG).
Hieraus ergab sich ein Grundbetrag i. H. v. 705,23 € brutto bzw. – nach Abzug der
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung – i. H. v. 650,58 € netto. Ein Ruhen
gem. § 8 Abs. 1 FELEG in der hier maßgeblichen, ab 1. Juli 1996 geltenden Fassung
durch Art. 2 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes v. 15. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 1814)
i. V. m. § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Nr. 1 ALG trat nicht ein, weil bei Erlass des
Bescheides vom 18. April 1997 ausschließlich die EU-Rente der Ehefrau des
Klägers von der Beklagten bewilligt war (Bescheid vom 17. April 1997) und diese
den monatlichen Freibetrag (s. dazu unten) nicht überschritt.
bb) In der Folgezeit kamen jedoch die dem Kläger von der LVA rückwirkend ab 1.
März 1997 bewilligte EU-Rente (Bescheid vom 17. Juli 1997) und die seiner Ehefrau
von der BfA rückwirkend ab 1. Juni 1996 bewilligte EU-Rente (Bescheid vom 24.
September 1998) hinzu. Dies führte zumindest ab 1. Juli 1997 zu einem teilweisen
Ruhen der PAR gem. § 8 Abs. 1 FELEG. Nach dieser Vorschrift ruht, wenn eine PAR
mit Erwerbsersatzeinkommen i. S. d. § 3 Abs. 4 ALG zusammentrifft, das der
Leistungsberechtigte und sein nicht dauernd von ihm getrennt lebender Ehegatte
erzielt, der Grundbetrag der PAR in Höhe von 60 v.H. des Betrages, um den das
monatliche Einkommen das 58fache des allgemeinen Rentenwertes nach § 23
Abs. 4 ALG überschreitet. Diese Voraussetzungen waren erfüllt.
(1) Die EU-Renten des Klägers und seiner Ehefrau waren Erwerbsersatzeinkommen
i. S. d. § 3 Abs. 4 ALG. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 4 Satz 1 ALG sind
Erwerbsersatzeinkommen Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender
Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht werden, um
Erwerbseinkommen zu ersetzen. Hierzu zählen gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 ALG
insbesondere Renten aus der GRV, also auch Renten wegen Erwerbsminderung i.
S. d. § 33 Abs. 1 und 3, § 43 SGB VI (vgl. beispielhaft LSG Nds. 22. Januar 1998 - L
1 LW 16/97; nachgehend BSG SozR 3-5864 § 22 Nr. 1). Ob diesen ausschließlich
(hälftige) Pflichtbeiträge oder auch freiwillige Beiträge des Rentenbeziehers
zugrunde liegen, begründet nach dem Wortlaut des Gesetzes keinen Unterschied.
Eine Ausnahmeregelung etwa in dem Sinne, dass ein dem Verhältnis der
Entgeltpunkte für freiwillige Beiträge zu der Summe der Entgeltpunkte für freiwillige
Beiträge, Pflichtbeiträge, Ersatzzeiten, Zurechnungszeiten und Anrechnungszeiten
entsprechender Teil der Rente außer Ansatz zu bleiben hat, ist nicht vorgesehen.
Hingegen fallen Kapitalauszahlungen aus privatwirtschaftlichen Versicherungen
eindeutig nicht unter § 8 Abs. 1 FELEG i.V.m. § 43 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Nr. 1 ALG,
weil sie nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, sondern aufgrund
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weil sie nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, sondern aufgrund
privatrechtlicher Vereinbarung erbracht werden und aus privaten Mitteln stammen
(vgl. GLA-Verbandskommentar zur Alterssicherung der Landwirte, § 3 ALG, S. 7.1;
in anderem Zusammenhang auch BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 9).
Diese unterschiedliche Behandlung wirft zunächst die Frage auf, ob insoweit eine
von der Rechtsprechung (Rspr.) zu schließende planwidrige Unvollständigkeit
vorliegt. Das ist jedoch nicht der Fall. Eine planwidrige Unvollständigkeit ist nur
anzunehmen, wenn das Gesetz schweigt, weil der Gesetzgeber der Rspr.
überlassen wollte, das Recht in Detailfragen zu finden oder wenn das Schweigen
des Gesetzes auf einem Versehen bzw. dem Übersehen eines Tatbestandes
beruht oder wenn sich nach Erlass des Gesetzes Veränderungen der
Lebensverhältnisse ergeben, die der Gesetzgeber noch nicht berücksichtigen
konnte (vgl. BSGE 78, 149 m. w. N.). Keine dieser drei Konstellationen ist gegeben.
Für die Annahme, der Gesetzgeber habe es der Rspr. übertragen wollen,
hinsichtlich der Berücksichtigung von Renten aus der GRV über die in § 8 Abs. 1
FELEG i. V. m. § 3 Abs. 4 ALG getroffenen Regelungen hinaus Differenzierungen
vorzunehmen, findet sich nirgends ein Hinweis. Im Gegenteil heißt es in der
Gesetzesbegründung ausdrücklich, der Landwirtschaftliche Unternehmer solle
grds. so gestellt werden, als wäre er unter Inanspruchnahme der gesetzlichen
Sozialversicherungssysteme aus dem Erwerbsleben ausgeschieden (vgl. BT-
Drucks. 11/2972, S. 11 zu A. II. 2.). Für die Mutmaßung, der Gesetzgeber habe
versehentlich außer Acht gelassen, dass Renten aus der GRV auch auf der
Einzahlung freiwilliger Rentenbeiträge beruhen und dass diese nicht nur die
besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch
bewahren, sondern auch dessen Höhe beeinflussen können, bestehen keine
Anhaltspunkte. Spätere Veränderungen der Lebensverhältnisse, die der
Gesetzgeber noch nicht berücksichtigen konnte, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Bei einer solchen Ausgangslage darf die Rspr. von vornherein nicht im Wege der
Lückenausfüllung die Rolle des Gesetzgebers übernehmen, eine klare Regelung
durch eine inhaltlich andere zu ersetzen. Denn dadurch würde sie sich ihrer
Bindung an Recht und Gesetz (vgl. Art 20 Abs. 2 und 3 GG) entziehen. Das Gericht
hat vielmehr nur die Möglichkeit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) einzuholen, wenn es von der
Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugt ist (vgl. BVerfGE 4, 219 m. w. N.;
BverfGE 87, 273 m. w. N.). Indes ist nach Auffassung des Senats die dargestellte
einfachgesetzliche Rechtslage mit höherrangigem Recht vereinbar.
Ein den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzender Eingriff liegt
weder in Bezug auf die Erwerbsminderungsrenten des Klägers und seiner Ehefrau,
noch in Bezug auf die PAR des Klägers vor.
Das Recht auf Erwerbsminderungsrente stellt nach feststehender Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zwar eine Rechtsposition dar, die den
Schutz der Eigentumsgarantie genießt (vgl. BVerfGE 75, 78 m. w. N.). § 8 Abs. 1
FELEG lässt diese Rechtsposition jedoch unberührt. Die Vorschrift nimmt weder auf
die wertbestimmenden Faktoren der Rente Einfluss, noch schränkt sie die
Auszahlung ein.
Der Anspruch auf den Grundbetrag der PAR begründet hingegen bereits keine
durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte eigentumsrechtliche Position. Die PAR
ist kein Entgelt für die Abgabe des Unternehmens und auch keine Entschädigung,
die in erster Linie dazu bestimmt wäre, Einbußen im monatlichen Einkommen
infolge der Hofabgabe wirtschaftlich auszugleichen. Es handelt sich vielmehr um
eine bedarfsabhängige Sozialleistung, welche allein aus öffentlichen Mitteln
finanziert wird, von ihrer Konzeption her überwiegend auf staatlicher Gewährung
und nicht auf adäquaten eigenen Vorleistungen beruht und dem
landwirtschaftlichen Unternehmer wegen ihrer Bedarfsabhängigkeit auch nicht
privatnützig zugeordnet ist. Sie hat die Funktion, lebensälteren aktiven
landwirtschaftlichen Unternehmern die Entscheidung für die Abgabe bzw.
Stilllegung der Flächen zu erleichtern, die nach der Einkommenslage in ihrem
bäuerlichen Haushalt ohne die im FELEG vorgesehenen Leistungen und
Sicherungen wirtschaftlich gezwungen wären, ihr Unternehmen weiterhin zu
betreiben (vgl. BSG SozR 3-5864 § 8 Nr. 2). Damit ist sie Teil der Bemühungen um
die Wiederherstellung des Marktgleichgewichtes auf den Agrarmärkten der EG, um
die Begrenzung der Marktordnungsausgaben sowie um die Verbesserung der
Struktur von im Markt verbleibenden landwirtschaftlichen Betrieben durch
Erweiterung ihrer Möglichkeiten zur Flächenaufstockung und damit einer Stärkung
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Erweiterung ihrer Möglichkeiten zur Flächenaufstockung und damit einer Stärkung
ihrer Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Weitere Nebenzwecke sind die
Förderung von Pflegemaßnahmen insbesondere im Interesse des Umweltschutzes
und Belange der Verbesserung der Wirtschafts- und Infrastruktur (vgl. BT-Drucks
11/2972, S. 1 zu A. und B., S. 11 f. zu A. II., S. 16 zu § 8). Selbst wenn aber von
einer Unterschutzstellung des Anspruchs auf PAR unter Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG
auszugehen wäre, so hätte der Gesetzgeber mit der Anordnung der Anrechnung
von Renten aus der GRV seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung
des Eigentums (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht überschritten. Denn er ist grds.
berechtigt, in das Leistungsgefüge des Sozialrechts ordnend einzugreifen, solange
der Eingriff (hier: die einkommensabhängige Reduzierung der PAR) durch Gründe
des öffentlichen Interesses (hier: an der Vermeidung einer Doppelversorgung aus
öffentlichen Kassen bzw. an Mitnahmeeffekten und zweckwidriger
Mittelverwendung) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr. 2 m. w.
N.).
Ein Verstoß gegen das aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG
herzuleitenden Willkürverbot liegt ebenfalls nicht vor. Die Norm enthält für den
Gesetzgeber die allgemeine Weisung, „Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart
entsprechend verschieden" zu behandeln (stRspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 3, 58;
18, 38). Allerdings unterfällt es grds. der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers,
diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er
also im Rechtssinn als gleich behandelt ansehen will (vgl. BVerfGE 53, 313; 90, 226
m. w. N.). Auch ist er - insbesondere im Bereich des Sozialversicherungsrechts -
grds. berechtigt, verwaltungsvereinfachende Typisierungen und Pauschalierungen
an die Stelle gesetzlicher Differenzierung und Individualisierung treten zu lassen
(vgl. BVerfGE 90, 226 m. w. N.). Ob er jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste
und gerechteste Lösung gefunden hat, ist von der Rspr. nicht nachzuprüfen.
Vielmehr endet der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum erst dort, wo sich ein
vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche
Ungleichbehandlung wesentlich gleicher bzw. die gesetzliche Gleichbehandlung
wesentlich ungleicher Sachverhalte nicht finden lässt, wenn also die Bestimmung
als willkürlich bezeichnet werden muss (vgl. BVerfGE 1, 14; 12, 341; 14, 142; 15;
36, 102; 76, 256; 90, 226 m. w. N.). Nach diesen Maßstäben war der Gesetzgeber
nicht gehalten, den in einer EU-Rente aus der GRV verkörperten Gegenwert
freiwilliger Beitragsleistungen einerseits und die aus einer privatrechtlichen
Versicherung erlangte Kapitalauszahlung andererseits hinsichtlich ihrer
Anrechnung auf die PAR gleichzubehandeln.
Sinn und Zweck der Anrechnung i. S. d. § 8 Abs. 1 FELEG i.V.m. § 3 Abs. 4 Sätze 1
und 2 Nr. 1 ALG ist es, die PAR effektiv auf den Kreis derjenigen
landwirtschaftlichen Unternehmer zu konzentrieren, für die sie den
entscheidenden Anreiz zur strukturverbessernden Abgabe bzw. Stilllegung bieten
kann, Mitnahmeeffekte hingegen auszuschließen. Dahinter steht die Überlegung,
dass derjenige keiner Förderung durch PAR bedarf, dem für seine Lebensführung
sonstige Einkünfte so ausreichend zur Verfügung stehen, dass für ihn die Einkünfte
aus dem landwirtschaftlichen Unternehmen nur eine untergeordnete Bedeutung
haben (vgl. BSG SozR 3-5864 § 8 Nr. 2). Diese Zielsetzung und Ausgestaltung der
PAR macht - wie in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 11/2972, S. 16 zu § 8)
ausgeführt wird - eine Anrechnung anderer Einkommen erforderlich. Vor diesem
Hintergrund ist nicht nur der Bezug von - letztlich ebenfalls freiwillig erzieltem -
Erwerbseinkommen, sondern auch der Bezug einer auf freiwillige Beiträge
zurückgehenden EU-Rente ein sachgerecht ausgewählter Umstand für die
Ermittlung des Förderungsbedarfs.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Kapitalauszahlungen aus
privatwirtschaftlichen Versicherungen - ebenso wie z. B. Pacht- und
Mieteinnahmen, Kapitaleinkünfte oder Verkaufserlöse (vgl. BT-Drucks. a. a. O.) -
nicht der Anrechnung unterworfen worden sind. Denn abgesehen von gewissen
Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Freiwilligkeit, die der Gesetzgeber im Rahmen
seiner Gestaltungsfreiheit vernachlässigen durfte, handelt es sich nicht um
wesentlich gleiche und deshalb mit gleichen Rechtsfolgen zu versehende
Sachverhalte. Für diese Feststellung kann offen bleiben, ob der Kläger – wie er
unterstellt, aber nicht weiter belegt – tatsächlich in der Lage gewesen wäre, mit
den als freiwillige Beiträge zur GRV aufgewendeten Beträgen eine
privatwirtschaftliche Versicherung aufzubauen, aus welcher er zu demselben
Zeitpunkt, in derselben Höhe und mit derselben Dauer Leistungen hätte beziehen
können. Selbst wenn dies nämlich der Fall gewesen sein sollte, so hat der Kläger
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können. Selbst wenn dies nämlich der Fall gewesen sein sollte, so hat der Kläger
mit seiner Entscheidung für die GRV weitere in seinem wohlverstandenen Interesse
liegende Vorteile gegenüber einer privatwirtschaftlichen Versicherung erworben.
Allerdings sind die Leistungen beider Versicherungszweige rein rechnerisch schwer
vergleichbar. Es handelt sich um verschiedene Systeme, in denen sich die
Annahmen über die persönlichen Verhältnisse der Versicherten in Gegenwart und
Zukunft ebenso wie die Prognosen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung
verschieden auswirken. Einzelne Vor- und Nachteile sind mathematisch überhaupt
nicht erfassbar. Ein wichtiges und ohne weiteres erkennbares Privileg der GRV liegt
aber seit jeher darin, dass sich nicht nur die Arbeitgeber zur Hälfte an der
Beitragslast beteiligen, sondern auch Bundeszuschüsse an die
Versicherungsträger gewährt werden, während eine privatwirtschaftliche
Versicherung allein auf die Prämieneinnahmen angewiesen ist. Weitere Vorzüge
der GRV bestehen in der Dynamisierung der Renten zur Anpassung an das
laufende Lohnniveau und der durch die historische Erfahrung erwiesenen
Sicherheit der Ansprüche. Ins Gewicht fällt ferner auch die Anrechnung
beitragsloser Zeiten. Hinzu kommen schließlich die für den Versicherten
kostengünstige Krankenversicherung der Rentner (KVdR), die Maßnahmen zur
Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ohne zusätzliche
Beitragsleistungen sowie die Vorsorge für Hinterbliebene. Dass demgegenüber die
privatwirtschaftlichen Versicherungen andere Vorteile bieten (z. B. Übernahme des
Versicherungsschutzes ohne Wartezeit, Erhöhung der Versicherungssumme bei
Eintritt bestimmter Risiken, Wahl des Ablaufalters, Unverfallbarkeit der Leistung,
Rückkaufs- und Beleihungsfähigkeit, Wahlmöglichkeit zwischen Kapital und Rente,
Vererbbarkeit des Kapitals), spricht nicht für ihre Gleichbehandlung mit der GRV,
sondern betont zusätzliche Unterschiede. Zudem bedingen diese Vorteile
wiederum Nachteile, die der GRV fehlen (z. B. unkontrollierte Verwendbarkeit zu
anderen als Versorgungszwecken, Pfändbarkeit) und wiegen daher, im ganzen
gesehen, deren Vorzüge nicht auf. Zusammenfassend rechtfertigen alle diese
Erwägungen die Feststellung, dass sich die durch die GRV gebotene soziale
Sicherung mit den Mitteln und Möglichkeiten einer privatwirtschaftlichen
Versicherung nicht in gleicher Weise erreichen lässt (vgl. BVerfGE 18, 257; 29,
245). Auch der Kläger hat sich aufgrund einer entsprechenden Abwägung dafür
entschieden, nicht in eine privatwirtschaftliche Versicherung zu investieren,
sondern freiwillige Beiträge zur GRV zu leisten. Die daraus in Bezug auf die PAR
entstehenden Nachteile beruhen folglich nicht auf gesetzlichem Zwang, sondern
auf der freien Entscheidung des Klägers. Zweck des Art. 3 GG ist es aber nicht,
ihm alle eingegangenen Risiken abzunehmen.
Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG steht der
Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen schließlich ebenfalls nicht entgegen.
Der sich hieraus ergebenden Verpflichtung des Staates, ein menschenwürdiges
Dasein zu ermöglichen, wird - abgesehen davon, dass insoweit dem einzelnen
keine subjektiven Rechte auf eine bestimmte soziale Regelung eingeräumt sind
(vgl. BVerfGE 55, 115; 82, 60) - bereits durch die Gewährung von Sozialhilfe
hinreichend Rechnung getragen (vgl. BSG 7. 2. 2002 - B 7 AL 42/01 R).
(2) Zur Höhe und Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens verweist § 8
Abs. 2 FELEG auf § 18b Abs. 1 bis 4, § 18c und § 18e des Vierten Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB IV). Danach ist bei Renten wegen Erwerbsminderung
vom laufenden monatlichen Einkommen auszugehen (vgl. § 18b Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Mehrere Einkommen sind zusammenzurechnen (vgl. § 18b
Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Der Nachweis erfolgt durch Bescheinigung bzw. Mitteilung
der Zahlstelle (vgl. § 18c Abs. 3, § 18e Abs. 3 SGB IV). Maßgeblich sind die
Bruttobezüge. Eine Minderung um Beiträge zur KVdR und zur Pflegeversicherung
findet nicht statt (vgl. GLA-Verbandskommentar zur Alterssicherung der Landwirte,
§ 3 ALG, S. 7.4). Mithin bezogen der Kläger und seine Ehefrau – wie in der Anlage
zum Bescheid vom 21. März 2001 zutreffend aufgeführt - ab 1. Juli 1997
zusammen folgende auf den Grundbetrag der PAR anrechenbare Leistungen: Ab
1. Juli 1997 2.181,36 DM, ab 1. Juli 1998 2.210,09 DM, ab 1. Juli 1999 2.249,41 DM,
ab 1. Juli 2000 2282,32 DM und ab 1. Juli 2001 2325,98 DM.
(3) Der nach § 8 Abs. 1 FELEG durch das 58fache des allgemeinen Rentenwertes
(21,91 ab 1. Juli 1997, 22,01 ab 1. Juli 1998, 22,30 ab 1. Juli 1999 22,43 ab 1. Juli
2000 und 22,96 ab 1. Juli 2001) gebildete Freibetrag belief sich im Jahre 1997 auf
1270,78 DM, im Jahre 1998 auf 1276,58 DM, im Jahre 1999 auf 1293,40 DM, im
Jahre 2000 auf 1300,94 DM und im Jahre 2001 auf 1325,88 DM.
(4) Nach Abzug der Freibeträge von dem zu berücksichtigenden Einkommen
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(4) Nach Abzug der Freibeträge von dem zu berücksichtigenden Einkommen
verblieben ab 1. Juli 1997 910,58 DM, ab 1. Juli 1998 933,51 DM, ab 1. Juli 1999
956,01 DM, ab 1. Juli 2000 981,38 DM und ab 1. Juli 2001 1000,10 DM.
Die hieraus durch Multiplikation mit 60 v. H. zu errechnenden monatliche
Anrechnungsbeträge betrugen ab 1. Juli 1997 546,35 DM, ab 1. Juli 1998 560,11
DM, ab 1. Juli 1999 573,61 DM, ab 1. Juli 2000 588,83 DM und ab 1. Juli 2001
600,06 DM. In dieser Höhe ruhte der Grundbetrag der PAR des Klägers. Statt der in
der Zeit von Juli 1997 bis zur Zahlungseinstellung im Juni 2001 bewilligten
16.450,38 DM standen ihm daher lediglich 4.284,40 DM zu. Die Differenz i. H. v.
12.165,98 DM hat er hingegen zu Unrecht erhalten.
c) Der Bezug der den Freibetrag überschreitenden EU-Renten ist auch ein unter §
48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zu subsumierender Tatbestand. Zwar ist die
Vorschrift nicht unmittelbar anzuwenden, da sie ausdrücklich nur den Fall nennt,
dass das erzielte Einkommen zum Wegfall oder zur Minderung und nicht lediglich
zum Ruhen des durch Bescheid bewilligten Anspruchs führt. Jedoch ist eine
entsprechende Anwendung auf Ruhensfälle jedenfalls insoweit angezeigt, als das
Ruhen durch nachträglich erzieltes Einkommen oder Entgelt eingetreten ist (vgl.
BSG 26. Oktober 1998 - B 2 U 35/97 R).
d) Bei dieser Sachlage hat die Beklagte zu Recht die Bewilligung von PAR ohne
Ermessensausübung aufgehoben. Wird - wie hier - ein VA gemäß § 48 Abs. 1 Satz
1, Satz 2 Nr. 2 SGB X aufgehoben, so ist der Behörde nach stRspr.(vgl. z. B. BSG
SozR 1300 § 48 Nr. 44) kein Ermessen eingeräumt, wenn ein typischer Fall vorliegt.
Denn das in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vom Gesetzgeber bewusst verwendete Wort
„soll" bedeutet, dass die Verwaltung den VA im Regelfall mit Wirkung für die
Vergangenheit aufzuheben hat und lediglich in atypischen Fällen hiervon absehen
darf. Einen solchen atypischen Fall hat die Beklagte hier zu Recht nicht
angenommen. Der Fall, dass der durch den VA Begünstigte nach dessen Erlass
Einkommen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des in dem VA
zuerkannten Anspruchs führt, ist gerade ein vom Gesetz ausgestalteter Regelfall
(vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 33). Auch ansonsten weist der vorliegende
Sachverhalt keine Besonderheiten auf, aufgrund derer die Beklagte Ermessen zu
betätigen hätte. Denn die Beklagte hat sich nicht fehlerhaft verhalten.
Insbesondere hat sie entgegen dem Vorbringen des Klägers weder Haupt-, noch
Nebenpflichten zur Auskunft und Beratung verletzt. Die angebliche Falschberatung
des Klägers durch einen Mitarbeiter des Bauernverbandes P muss sie sich nicht
zurechnen lassen. Sie hat den Kläger mehrfach auf seine Pflicht hingewiesen,
Änderungen der Einkommensverhältnisse mitzuteilen. Darüber hinaus war sie
nicht verpflichtet, ohne entsprechende Anhaltspunkte weitere Überprüfungen
vorzunehmen. Vielmehr oblag es gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ersten Buches
des Sozialgesetzbuches dem Kläger, die Änderungen anzeigen.
e) Die Beklagte hat auch die für die rückwirkende Aufhebung maßgeblichen
gesetzlichen Fristen eingehalten. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 48 Abs. 4
Satz 1 SGB X kann ein VA zu Lasten des Betroffenen bis zum Ablauf von zehn
Jahren nach der Änderung zurückgenommen werden (vgl. dazu Freischmidt in
Hauck, SGB X/1,2 § 48 Rz 28). Gemäß § 45 Abs. 4 S. 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 Satz 1
SGB X hat die Aufhebung innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Behörde von den
zur Aufhebung berechtigenden Tatsachen zu erfolgen (vgl. BSGE 77, 295). Diese
Fristen sind gewahrt. Die wesentliche Änderung ist – wie ausgeführt - ab 1. Juli
1997 eingetreten. Kenntnis hiervon hat die Beklagte frühestens mit dem Eingang
des Fragebogens zur Einkommensprüfung am 4. Februar 2002 erhalten. Bereits
am 21. März 2002 ist der Aufhebungsbescheid erlassen worden. Auf die
materiellen Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Satz 3 bzw. Abs. 4 Satz 1 SGB X
kommt es bei der entsprechenden Anwendung der Vorschrift im Rahmen des § 48
Abs. 4 SGB X nicht an (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 22).
f) Der Bescheid vom 21. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. Mai 2002 ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung i. S. d. § 24
SGB X rechtswidrig. Zwar heißt es in dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom
13. Februar 2002, dass das anzurechnende Einkommen den geltenden Freibetrag
mindestens seit 1. Juli 2000 übersteige, während im Bescheid 21. März 2002
Aufhebung und Rückforderung mit Wirkung ab 1. Juli 1997 verfügt worden sind.
Dieser Mangel ist jedoch nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X im
Widerspruchsverfahren geheilt worden (vgl. dazu z. B. BSG SozR 3-4100 § 177 Nr.
11 m.w.N.).
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2. Rechtsgrundlage der mit dem Aufhebungsbescheid verbundenen, ihm rechtlich
nachgeordneten Entscheidung über die Erstattung der ab 1. Juli 1997 zu Unrecht
gezahlten PAR (ebenfalls Bescheid vom 21. März 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2002) ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach
dieser Vorschrift sind, soweit ein VA aufgehoben worden ist, erbrachte Leistungen
zu erstatten. Ist daher - wie hier - der Aufhebungsbescheid sachlich richtig, so
beschränkt sich die Prüfung des Erstattungsbescheides nur noch darauf, ob dem
Erstattungsverlangen selbst gegenüber Einwendungen entgegengesetzt werden
können (vgl. dazu im einzelnen BSG SozR 1300 § 48 Nr. 53 m. w. N.). Hierfür ist
nichts ersichtlich. Der Kläger ist daher zur Erstattung der von Juli 1997 bis Juni 2001
zu Unrecht bezogenen PAR i. H. v. 12.165,98 DM verpflichtet.
3. Rechtsgrundlage der Neufestsetzungen der PAR ab Juli 2002 und Juli 2003
(Bescheide vom 11. Juni 2002 und aus Juni 2003) ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V.
m. § 8 Abs. 1 FELEG. Hinsichtlich der eingetretenen Einkommensänderungen wird
auf den Tatbestand, hinsichtlich ihrer rechtlichen Relevanz auf die
vorangegangenen Ausführungen verwiesen. Hinsichtlich der sich ergebenden
Berechnungen nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den
angefochtenen Bescheiden und macht sie sich zu Eigen. Anhaltspunkte für
mathematische Unrichtigkeiten zu Lasten des Klägers sind nicht vorgetragen
worden und auch nicht ersichtlich. C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs.
1 und 4 SGG.
D. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, ob der in einer EU-
Rente aus der GRV verkörperte Gegenwert freiwilliger Beitragsleistungen auf den
Grundbetrag der PAR angerechnet werden darf, grundsätzliche Bedeutung i. S. d. §
160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.