Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21.04.2006

LSG Shs: beendigung, minderung, obliegenheit, befristung, merkblatt, abmeldung, unverzüglich, kenntnisnahme, besuch, gesetzestext

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 21.04.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Schleswig S 4 AL 284/04
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 3 AL 135/05
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. September 2005 aufgehoben
und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) wegen verspäteter Meldung.
Der 1954 geborene Kläger arbeitete vom 9. März 1992 bis 31. Mai 2003 als Erzieher bei einer Einrichtung der S -
Heime in R. Am 1. Juni 2003 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit seiner Unterschrift
bestätigte er den Erhalt und die inhaltliche Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose. Die Beklagte bewilligte
dem Kläger antragsgemäß Alg in Höhe von wöchentlich 264,74 EUR nach einem gerundeten wöchentlichen
Bemessungsentgelt in Höhe von 715,00 EUR (ungerundet: 712,62 EUR) für eine Anspruchsdauer von maximal 660
Tagen (Bescheid vom 4. September 2003). Der Kläger bezog Alg bis 30. November 2003. Am 19. Dezember 2003
teilte er der Beklagten telefonisch mit, dass er ab dem 1. Dezember 2003 bei der I (I GmbH) als Erzieher tätig sei. Am
1. Dezember 2003 bestand noch ein Restanspruch des Klägers auf Alg für 477 Tage.
Am 1. Juli 2004 meldete der Kläger sich bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.
Aus der dem Antrag beigefügten Arbeitsbescheinigung vom 7. Juli 2004 ergab sich, dass der Kläger vom 1.
Dezember 2003 bis 30. Juni 2004 bei der I als Lehrkraft in einem bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages
befristeten Arbeitsverhältnis tätig gewesen und der befristete Arbeitsvertrag am 28. November 2003 abgeschlossen
worden war.
Mit Bescheid vom 13. August 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei seiner Verpflichtung, sich unverzüglich
bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, nicht rechtzeitig nachgekommen. Er hätte sich spätestens am 1.
April 2004 arbeitsuchend melden müssen. Dieser Tag sei der erste Tag mit Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit
nach dem Tag der Kenntnisnahme (28. November 2003) von der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses.
Er habe sich jedoch erst am 1. Juli 2004 gemeldet. Die Meldung sei somit um 91 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140
Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mindere sich sein Alg-Anspruch um 50,00 EUR für jeden Tag der
verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In seinem Fall errechne sich somit ein Minderungsbetrag in
Höhe von insgesamt 1.500,00 EUR. Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung
angerechnet werde, d.h. ihm werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die
Minderung zustehenden Leistung ausgezahlt. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung betrage 19,36 EUR.
Die Minderung beginne am 1. Juli 2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 16. September 2004 beendet.
Mit Bescheid vom 3. September 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 1. Juli 2004 nach einem gerundeten
wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 715,00 EUR (ungerundet: 712,62 EUR) und nahm die angekündigte
Minderung vor. Hiergegen erhob der Kläger am 14. September 2004 Widerspruch. Zur Begründung führte er im
Wesentlichen aus: Er habe sich vor Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrages mit der I bei der Agentur für
Arbeit in R bezüglich seines Status nach Beendigung des Zeitvertrages erkundigt; in diesem Zusammenhang habe er
um die Notierung des Datums der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebeten. Diesem Anliegen sei auch
nachgekommen worden. Er sei daher davon ausgegangen, seiner Meldepflicht genügt zu haben. Ferner teilte er mit,
dass er ab 1. September 2004 wieder bei der I tätig sei.
Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit in R (dort: Frau S ) vom 3. November 2004
ein. Diese gab an, dass eine persönliche Vorsprache des Klägers zwecks Abmeldung in Arbeit und Weiterführung als
Arbeitsuchender nicht stattgefunden habe. Die Abmeldung in Arbeit sei auf Grund des Eingangs der
Veränderungsmitteilung erfolgt. Sofern eine persönliche Vorsprache stattgefunden hätte, wäre der Kläger auf jeden
Fall auf die dreimonatige Meldepflicht hingewiesen worden und hätte nicht fälschlicherweise davon ausgehen können,
dass er sich erst beim Eintritt der Arbeitslosigkeit wieder melden müsse. Der erste Kontakt nach der Abmeldung in
Arbeit habe bei der Arbeitsuchendmeldung am 1. Juli 2004 stattgefunden. Hierbei sei der Kläger darauf hingewiesen
worden, dass er sich noch am selben Tag in der Arbeitsagentur Schleswig arbeitslos melden müsse.
Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2004 den Widerspruch des Klägers als
unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Vorschrift des § 37b SGB III und führte aus, dass der Kläger
zu dem Personenkreis gehöre, für den die Meldepflicht gelte. Das Arbeitsverhältnis sei am 28. November 2003 bis
zum 30. Juni 2004 befristet worden. Da zwischen dem Abschluss des Arbeitsvertrages und dem Ende des befristeten
Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von mehr als drei Monaten gelegen habe, sei die Meldepflicht spätestens drei
Monate vor dem vereinbarten Ende, also am 31. März 2004, entstanden. Tatsächlich habe sich der Kläger aber erst
am 1. Juli 2004 gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Insoweit werde auf die
eingeholte Stellungnahme der Agentur für Arbeit R verwiesen. Nach § 140 SGB III ergebe sich eine Minderung von
50,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung. Nach § 140 Satz 3 SGB III sei die Minderung auf den Betrag
begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechne. Der sich daraus errechnende Betrag von 1.500,00
EUR sei auf die zustehende Leistung anzurechnen, wobei dem Kläger die Hälfte des Betrages verbleibe, der ihm als
Leistung zustehe (§ 140 Satz 4 SGB III).
Hiergegen hat der Kläger am 25. November 2004 bei dem Sozialgericht (SG) Schleswig Klage erhoben. Zur
Begründung hat er ausgeführt, dass er weder zu Beginn noch am Ende des Arbeitsverhältnisses von seinem
ehemaligen Arbeitgeber auf seine Verpflichtung zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung hingewiesen worden sei.
Diese Pflicht für den Arbeitgeber ergebe sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Es scheide vorliegend eine
Minderung aus. Die Dienstanweisung der Beklagten zu § 37b SGB III sehe vor, dass bei befristeten
Arbeitsverhältnissen spätestens eine Meldung drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen habe. Diese
Dienstanweisung stehe im Widerspruch zum Gesetz, wo es heiße, dass die Meldung frühestens drei Monate vor
dessen Beendigung zu erfolgen habe. Unverzüglich im Sinne des § 37b SGB III bedeute ohne schuldhaftes Zögern.
Daraus folge, dass eine Verletzung dieser Vorschrift nur dann anzunehmen sei, wenn die verspätete Meldung
schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt worden sei. Dies setze wiederum voraus, dass die dem
Versicherten auferlegte Obliegenheit hinreichend bestimmt sei. Außerdem müsse sie dem Versicherten auch bekannt
sein, was sich aus der an den Arbeitgeber gerichteten Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III ergebe. Eine
entsprechende Unkenntnis könne ihm nicht vorgeworfen werden. Insofern könne auch nicht auf eine Kenntnisnahme
aus Presse, Funk und Fernsehen verwiesen werden, da ansonsten die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III
überflüssig sei. Ein Verschulden bei der Arbeitsuchendmeldung nach befristeten Arbeitsverhältnissen könne schon
deshalb nicht festgestellt werden, weil sich aus dem Gesetz nicht ergebe, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung zu
erfolgen habe. Normiert sei lediglich, dass die Meldung frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen
habe. Bis wann die Meldung spätestens vorzunehmen sei, sei nicht bestimmt. Da § 37b SGB III nicht mit der
erforderlichen klaren Formulierung entnommen werden könne, bis wann die Arbeitsuchendmeldung in befristeten
Arbeitsverhältnissen spätestens zu erfolgen habe, könne ihm auch eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen
werden. Insofern könne auch die Sanktionsfolge des § 140 SGB III bei befristeten Arbeitsverhältnissen generell nicht
eintreten. Im Übrigen trage die Beklagte die objektive Beweislast für die verspätete Meldung. Zudem könne er seinen
Anspruch auf Gewährung von Alg in ungeminderter Höhe für den Zeitraum ab 1. Juli 2004 auf das Rechtsinstitut des
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs stützen, denn im Zusammenhang mit der Abklärung seines Status nach
Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages sei von der Beklagten das Enddatum des Beschäftigungsverhältnisses
notiert worden. In diesem Zusammenhang sei keine Belehrung durch die Beklagte erfolgt. Die Beklagte sei damit
pflichtwidrig ihrer Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide vom 13. August 2004 und 3. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.
November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Alg ab dem 1. Juli 2004 in ungekürzter Höhe zu
gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen
Widerspruchsbescheid bezogen. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass dem Vortrag, der Kläger habe nicht
gewusst, dass er sich frühzeitig arbeitsuchend melden müsse, nicht gefolgt werden könne. Der Kläger habe in dem
von ihm unterschriebenen Alg-Antrag bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis
genommen zu haben. Auf Seite 16 dieses Merkblattes (Stand: April 2003) werde er auf die Obliegenheit zur
frühzeitigen Arbeitsuche ausdrücklich hingewiesen. Dort heiße es nämlich wie folgt: "Stehen Sie in einem befristeten
Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden." Weiter sei in dem
Merkblatt der Hinweis enthalten, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Alg führe.
Insofern habe sie sehr frühzeitig auf die Regelungen der §§ 37b und 140 SGB III hingewiesen. Auch der an den Kläger
ergangene Aufhebungsbescheid, mit dem die Alg-Bewilligung wegen der Arbeitsaufnahme zum 1. Dezember 2003
aufgehoben worden sei, habe einen entsprechenden Hinweis enthalten.
Nach mündlicher Verhandlung vom 9. September 2005, in der der Kläger persönlich angehört worden ist, hat das SG
der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 13. August 2004 und 3. September
2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2004 verurteilt, dem Kläger Alg in ungeminderter
Höhe ab dem 1. Juli 2004 zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe einen
Anspruch auf ungekürztes Alg für den Zeitraum vom 1. Juli bis 16. September 2004. Eine Minderung des
Zahlbetrages nach § 140 Satz 1 SGB III sei schon deshalb nicht eingetreten, da der strittige Anspruch erst nach der
verspäteten Meldung im Sinne des § 37b SGB III entstanden sei. § 140 SGB III weise ausdrücklich auf einen nach
der verspäteten Pflichtverletzung entstandenen Anspruch hin, womit zudem nur das Stammrecht gemeint sein könne.
Im Übrigen liege auch keine Pflichtverletzung der in § 37b SGB III normierten Obliegenheit vor, da die Verletzung der
Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung nicht schuldhaft erfolgt sei. Die Formulierung des § 37b Satz 2 SGB
III sei derart unklar, dass der Arbeitslose nicht erkennen könne, was von ihm gefordert werden könne.
Gegen dieses ihr am 18. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. November 2005 bei dem Schleswig-
Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie vor: Das
erstinstanzliche Urteil halte einer Überprüfung nicht stand. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom
20. Oktober 2005 (B 7a AL 50/05 R) entschieden, dass § 37b Satz 2 SGB III inhaltlich nicht so unbestimmt sei, dass
bei einem von vornherein befristeten Arbeitsverhältnis für den Versicherten in einer verfassungsrechtlich nicht mehr
hinnehmbaren Weise unklar bleibe, zu welchem Zeitpunkt die Obliegenheit der Arbeitsuchendmeldung einsetze. Einer
Anwendung des § 140 SGB III stehe auch nicht entgegen, wenn es sich um einen wieder bewilligten Restanspruch
auf Alg handele, denn § 140 SGB III meine mit dem Begriff Anspruch den Zahlungsanspruch und nicht das
Stammrecht. Vorliegend komme es daher maßgeblich darauf an, ob dem Kläger an der verspäteten
Arbeitsuchendmeldung ein Verschulden treffe. Der Kläger könne vorliegend nicht eine unverschuldete Unkenntnis von
der Obliegenheitspflicht für sich in Anspruch nehmen. Wie schon das SG festgestellt habe, sei er durch das Merkblatt
Nr. 1 für Arbeitslose über seine Pflichten hinreichend unterrichtet worden. Dieses Merkblatt habe er anlässlich der
Arbeitslosmeldung und Alg-Antragstellung zum 1. Juni 2003 erhalten, und er habe den Empfang mit seiner
Unterschrift quittiert. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger anlässlich der Arbeitsaufnahme vom 1.
Dezember 2003 ausweislich des der Leistungsakte vorgehefteten Zahlungsnachweises vom 22. Dezember 2003 einen
Aufhebungsbescheid entsprechend des Vordruckes BA II DV 028 erhalten habe. Diese Vordruckversion sei in der Zeit
vom 1. Juli 2003 bis 25. Juni 2004 benutzt worden und habe unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" eine Belehrung
über die Pflicht zur frühzeitigen Meldung nach § 37b SGB III enthalten. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass
dieser Aufhebungsbescheid dem Kläger zugegangen sei, da ein Postrücklauf nicht zu verzeichnen sei. Die
Belehrungen im Aufhebungsbescheid und im Merkblatt seien auch nicht widersprüchlich, sondern hätten die
Rechtslage zutreffend und verständlich wiedergegeben. Hierfür spreche gerade die Tatsache, dass nicht lediglich der
unklare Gesetzestext wiederholt worden sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger den Gesetzestext
überhaupt zur Kenntnis genommen habe und dadurch, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit § 37b SGB III in
der Vergangenheit unterschiedlich ausgelegt hätten, irritiert worden sei. Bei Verständnisschwierigkeiten hätte er
zudem Grund zur Nachfrage gehabt und hätte sich nicht auf eine eigene Gesetzesinterpretation verlassen dürfen. Für
die von dem Kläger behauptete Vorsprache verbunden mit der Bitte, den Termin der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses aufzunehmen, ergäben sich keine Anhaltspunkte. Die Arbeitsaufnahme sei telefonisch am 19.
Dezember 2003 mitgeteilt worden, eine Befristung sei nicht aufgenommen worden. Die BewA-Vermerke und die
Stellungnahme der Geschäftsstelle R der Agentur für Arbeit Neumünster vom 3. November 2004 (Frau S ) bestätigten
die Angaben des Klägers nicht. Der Kläger habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass sie, die Beklagte, allein
deshalb über die Aufnahme einer befristeten Beschäftigung unterrichtet gewesen sei, weil er auf die
Beschäftigungsmöglichkeit bei der I über ihr Stelleninformationssystem aufmerksam gemacht worden sei. Eine
förmliche Mitteilung über das Auslaufen der Befristung wäre allenfalls entbehrlich gewesen, wenn er anlässlich der
Abmeldung in Arbeit auf eine solche Befristung hingewiesen hätte. Dies sei jedoch ausweislich des BewA-Vermerks
vom 22. Dezember 2003 nicht erfolgt. Aus dem genannten Vermerk ergebe sich ferner, dass die vom Kläger
behauptete Vorsprache vom 28. November 2003 nicht dokumentiert sei. Das am linken Rand hervorgehobene Datum
vom 27. Oktober 2003 weise lediglich auf eine persönliche Vorsprache des Klägers an diesem Tage hin. Die Notiz
vom 22. Dezember 2003 sei demgegenüber ohne Anwesenheit des Klägers erfolgt. Zwischenzeitlich sei kein weiterer
Vorgang vermerkt. Dahinstehen könne ferner, ob ein Besuch durch einen ihrer Mitarbeiter bei der I stattgefunden habe
und hierbei der Arbeitsvertrag des Klägers eingesehen worden sei. Ein solcher Besuch hätte jedenfalls nicht der
individuellen Betreuung des Klägers gedient, so dass dieser nicht mit einer Belehrung hinsichtlich der Befristung oder
einer Registrierung rechnen habe können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Schleswig vom 9. September 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt er vor: Er habe die Informationen über die seinerzeitige
Stelle bei der I (Urlaubsvertretung) aus dem bei der Beklagten eingerichteten Stelleninformationssystem erhalten. Die
Beklagte hätte daher unter Berücksichtigung ihres eigenen Stelleninformationssystems Kenntnis von der Befristung
haben können und müssen. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er keinen Aufhebungsbescheid anlässlich
seiner befristeten Beschäftigung ab dem 1. Dezember 2003 erhalten. Es stehe auch nicht fest, dass ihm der von der
Beklagten erwähnte Aufhebungsbescheid zugegangen sei. Ein Absendungsvermerk sei nicht aktenkundig, so dass
die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) keine Anwendung finden könne. Zudem
seien die dortigen Angaben widersprüchlich zur gesetzlichen Regelung in § 37b SGB III formuliert. Dies gelte auch für
das von der Beklagten erwähnte Merkblatt, dass er ebenfalls nicht erhalten habe. Darüber hinaus sei vorliegend
insbesondere zu berücksichtigen, dass er vor Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrages am 28. November
2003 bei der Außenstelle R der Agentur für Arbeit Neumünster nachgefragt habe, wie sein Status nach Beendigung
des befristeten Arbeitsvertrages sei, so dass der Beklagten sowohl der Beginn des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.
Dezember 2003 als auch dessen Beendigung am 30. Juni 2004 bekannt gewesen sei. Ferner habe er den befristeten
Arbeitsvertrag einem Mitarbeiter der Beklagten anlässlich eines Arbeitgeberbesuches im Wege einer sog.
Maßnahmebetreuung zur Kenntnisnahme bzw. Überprüfung vorgelegt, so dass dessen Befristungsende am 30. Juni
2004 der Beklagten auch dadurch bekannt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund wäre eine erneute
Arbeitsuchendmeldung am 1. April 2004 eine reine "Förmelei" gewesen, so dass die Anwendung der Regelungen der
§§ 37b, 140 SGB III ausscheide. Die Tatsache, dass die Beklagte nunmehr behaupte, er hätte sich lediglich am 19.
Dezember 2003 ihr gegenüber telefonisch dahingehend eingelassen, dass er ab dem 1. Dezember 2003 für die I tätig
sei, ohne auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2004 hinzuweisen, könne von seiner Seite nicht
mehr aufgeklärt werden, da er den befristeten Arbeitsvertrag bereits am 28. November 2003 der Beklagten zwecks
Überprüfung vor Unterzeichnung vorgelegt habe.
Die Beklagte hat ergänzend als Muster die Kopie eines Aufhebungsbescheides entsprechend des Vordrucks BA II DV
028, wie er von ihr in der Zeit vom 1. Juli 2003 bis 25. Juni 2004 verwendet worden ist, vorgelegt. Des Weiteren hat
sie einen Auszug aus dem Merkblatt für Arbeitslose (Stand: April 2003) sowie die den Kläger betreffenden BewA-
Vermerke für die Zeit vom 27. Oktober 2003 bis 6. September 2005 zu den Gerichtsakten gereicht.
In der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2006 hat der Senat den Kläger persönlich angehört.
Dem Senat haben die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Diese
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des
Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Minderung des Alg ist zu Recht erfolgt. Das angefochtene
Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Höhe des Anspruchs auf Alg im streitigen Zeitraum (1. Juli 2004 bis - wegen der Arbeitsaufnahme des Klägers
zum 1. September 2004 - 31. August 2004) hat die Beklagte mit den Bescheiden vom 13. August 2004 und 3.
September 2004 geregelt, die eine rechtliche Einheit bilden (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18. August 2005, B 7a/7 AL
80/04 R, veröffentlicht in juris). Während der Bescheid vom 3. September 2004 in seinem Verfügungssatz die Höhe
des (geminderten) Zahlbetrages der ab 1. Juli 2004 gezahlten Leistung bestimmt, regelt der Bescheid vom 13. August
2004 den maximalen Minderungsbetrag. Da das Ziel der Klage ein Anspruch auf ungeminderte Leistung ist, ist die
kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz SGG) die dem Begehren des Klägers
entsprechende Klageart, wie das SG zutreffend angenommen hat.
Nach § 37b Satz 1 SGB III in der im Jahre 2004 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungsverhältnis
endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit
arbeitsuchend zu melden. In § 37b Satz 2 SGB III ist bestimmt, dass im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses
die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen hat. Entgegen der noch vom SG
vertretenen Rechtsansicht hat das BSG in seinen Urteilen vom 20. Oktober 2005 (B 7a AL 28/05 R und B 7a AL 50/05
R, jeweils veröffentlicht in juris) nunmehr entschieden, dass § 37b Satz 2 SGB III nicht so widersprüchlich bzw.
unbestimmt ist, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen kann.
Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Das BSG hat in den zuvor
zitierten Entscheidungen darauf hingewiesen, dass § 37b Satz 2 SGB III als unselbstständige Begrenzung des § 37b
Satz 1 SGB III anzusehen ist. Dies bedeutet, das "an sich" auch der befristete Beschäftigte unverzüglich nach
Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch erst drei Monate vor Beendigung
des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt
ist. Das BSG hat jedoch zugleich eingeräumt, dass § 37b Satz 2 SGB III mit der Verwendung des Begriffes
"frühestens" unglücklich gefasst worden ist. Bei strikter Wortlautinterpretation könnte die Obliegenheit des § 37b Satz
2 SGB III nämlich so auszulegen sein, dass bei einem befristeten Arbeitsvertrag mit einer Dauer von mehr als drei
Monaten "frühestens" drei Monate vor dessen Beendigung - aber eben auch später - eine ordnungsgemäße
Arbeitsuchendmeldung erfolgen könnte. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 37b Satz 2 SGB III ist die Norm
nach Auffassung des BSG aber so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten
Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat. Dieser Obliegenheit ist der Kläger nicht nachgekommen, indem er
sich nicht bereits am 31. März 2004, also drei Monate vor Beendigung des bis zum 30. Juni 2004 befristeten
Arbeitsverhältnisses, bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat, sondern erst am 1. Juli 2004.
Der Kläger hat diese Obliegenheit auch schuldhaft verletzt. Bei der Prüfung des Verschuldens im Rahmen des § 37b
SGB III ist ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzuwenden (vgl. BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.).
Rechtlicher Ansatzpunkt hierzu ist § 121 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der eine Legaldefinition der
Unverzüglichkeit enthält. Danach ist ein Verstoß gegen die Obliegenheit, sich arbeitsuchend zu melden, nur dann zu
verneinen, wenn der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne
schuldhaftes Zögern gehandelt hat (BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.). Dabei ist auch die Kenntnis des
Arbeitslosen über das Bestehen der Obliegenheit von Bedeutung, so dass im Rahmen des Kriteriums "ohne
schuldhaftes Zögern" auch zu prüfen ist, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war, wobei
wiederum ein subjektiver Maßstab anzuwenden ist (BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.).
In diesem Zusammenhang hat das BSG in seinen Urteilen vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) betont, dass im Rahmen
der Fahrlässigkeitsprüfung zu beachten ist, dass § 37b Satz 2 SGB III hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens der
Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gerade in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse klarer und
eindeutiger hätte formuliert werden können. Bei der Prüfung der "subjektiven Vorwerfbarkeit" einer
Obliegenheitsverletzung durch einen Versicherten ist es nach Auffassung des BSG deshalb angemessen, zu dessen
Gunsten zu berücksichtigen, dass die Norm des § 37b Satz 2 SGB III von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
unterschiedlich ausgelegt worden ist und teilweise die Meinung vertreten wurde, § 37b Satz 2 SGB III sei so
verworren und unklar, dass eine eindeutige Obliegenheit aus dieser Norm nicht abgeleitet werden könne.
Vorliegend hat der Kläger in dem von ihm am 15. Juni 2004 unterschriebenen Alg-Antrag bestätigt, das Merkblatt für
Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Auf Seite 16 dieses Merkblattes (Stand:
April 2003) wurde er von der Beklagten auf seine Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuche ausdrücklich hingewiesen.
Dort heißt es unter der Überschrift "Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche" wie folgt: "Ab dem 1.7.2003 sind Sie
verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung
Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen ... Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich
drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden." Weiter ist in diesem Merkblatt in Fettdruck der Hinweis
enthalten, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Alg führe. Insofern hat die Beklagte
sehr frühzeitig und nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.) auch zutreffend auf den
Bedeutungsgehalt der Regelungen der §§ 37b und 140 SGB III hingewiesen. Ergänzend hat die Beklagte vorgetragen,
dass der Kläger anlässlich der Arbeitsaufnahme vom 1. Dezember 2003 ausweislich des der Leistungsakte
vorgehefteten Zahlungsnachweises vom 22. Dezember 2003 einen Aufhebungsbescheid entsprechend des
Vordruckes BA II DV 028 erhalten haben müsse (siehe den dortigen Hinweis "Aufhebungsbescheid - BA II DV 028 -
erstellt"). Diese Vordruckversion, die nach Angaben der Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 2003 bis 25. Juni 2004 von
ihr benutzt wurde, enthielt unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" ebenfalls eine Belehrung über die Pflicht zur
frühzeitigen Meldung nach § 37b SGB III und eine mögliche Minderung eines zukünftigen Leistungsanspruchs nach §
140 SGB III bei einer verspäteten Meldung. Diese Belehrung war im Wesentlichen wortgleich mit der im Merkblatt.
Zwar bestreitet der Kläger den Zugang eines solchen Aufhebungsbescheides. Ob dem Kläger der
Aufhebungsbescheid tatsächlich zugegangen ist, kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben und bedarf keiner
weiteren Aufklärung, da der Kläger jedenfalls mit seiner Unterschrift die inhaltliche Kenntnisnahme des Merkblattes
bestätigt hat. Die Belehrungen im Merkblatt (und im Aufhebungsbescheid) sind weder widersprüchlich noch unklar,
sondern geben die - vom BSG (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.) nunmehr bestätigte - Rechtslage bezüglich der
Meldeobliegenheit bei befristeten Arbeitsverhältnissen zutreffend und einfach verständlich wieder. Dies folgt
insbesondere daraus, dass in den entsprechenden Hinweisen nicht lediglich der unklare Gesetzestext formelhaft
wiederholt wird (vgl. zu den Anforderungen derartiger Belehrungen: BSG, Urteil vom 25. Mai 2005, B 11a/11 AL 81/04
R, veröffentlicht in juris). Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger den konkreten Gesetzestext
überhaupt zur Kenntnis genommen hat und dadurch, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit § 37b Satz 2 SGB III
in der Vergangenheit unterschiedlich ausgelegt hatten, in Bezug auf den Zeitpunkt seiner Meldeobliegenheit irritiert
worden ist. Bei inhaltlichen Verständnisschwierigkeiten hätte er zudem bei der Beklagten, deren Rechtsauffassung
zum Regelungsgehalt des § 37b Satz 2 SGB III vom BSG (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.) letztlich bestätigt
worden ist, nachfragen können und hätte sich nicht auf seine eigene (fehlerhafte) Gesetzesinterpretation verlassen
dürfen.
Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis lässt auch nicht daraus ableiten, dass er sich am 19. Dezember 2003 mit
Wirkung vom 1. Dezember 2003 aus dem Leistungsbezug abgemeldet und die Aufnahme der Beschäftigung bei der I
angezeigt hatte, da nicht ersichtlich ist, dass der Kläger dabei der Beklagten auch die Befristung des
Arbeitsverhältnisses bis zum 30. Juni 2004 mitgeteilt hatte. Für die von dem Kläger behaupteten Vorsprachen
verbunden mit der Bitte, den Termin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. dessen Befristung aufzunehmen,
ergeben sich keine objektivierbaren Anhaltspunkte. Hätte der Kläger die Beklagte - wie er behauptet - rechtzeitig
darüber informiert, dass er eine befristete Beschäftigung bei der I aufnimmt, und auch auf deren konkreten
Endzeitpunkt (30. Juni 2004) hingewiesen, so hätte die Beklagte durch diese Meldung bereits die Kenntnisse erlangt,
auf die die Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung in § 37b SGB III abzielt. Mit der frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung
soll die Beklagte nämlich in die Lage versetzt werden, den potentiell Arbeitslosen aus einer Arbeit in eine neue Arbeit
zu vermitteln ("Job to Job"), ohne dass eine zwischenzeitliche Arbeitslosigkeit eintritt. Kennt die Beklagte aber den
Beendigungszeitpunkt eines befristeten Arbeitsverhältnisses auf Grund einer ordnungsgemäßen Abmeldung oder einer
sonstigen Mitteilung des Arbeitslosen, so wäre eine Pflicht zur nochmaligen Arbeitsuchendmeldung (durch persönliche
Vorsprache) nach § 37b SGB III, mit der der Versicherte nochmals das Datum der Beendigung des befristeten
Arbeitsverhältnisses anzeigen müsste, eine bloße Förmelei (BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.).
Vorliegend ist die zum 1. Dezember 2003 erfolgte Arbeitsaufnahme bei der I vom Kläger am 19. Dezember 2003
telefonisch der Beklagten mitgeteilt worden, eine Befristung wurde dabei nicht aufgenommen. Die Spalte auf der
entsprechenden Veränderungsmitteilung "bei befristeter Tätigkeit bis ..." ist nicht ausgefüllt worden. Auch der BewA-
Vermerk vom 22. Dezember 2003 und die Stellungnahme der Geschäftsstelle R (dort: Frau S ) der Agentur für Arbeit
Neumünster vom 3. November 2004 bestätigen die Angaben des Klägers, dass er die Befristung des
Arbeitsverhältnisses bei der I der Beklagten mitgeteilt habe, nicht. Die vom Kläger behauptete persönliche Vorsprache
vom 28. November 2003 ist nicht dokumentiert. Eine persönliche Vorsprache des Klägers ergibt sich aus den
aktenkundigen BewA-Vermerken lediglich für den 27. Oktober 2003. Nach dem über diese Vorsprache gefertigten
Vermerk hatte sich der Kläger an diesem Tage jedoch lediglich nach Möglichkeiten, Nebenverdienst zu erzielen,
erkundigt. Der Vermerk am 22. Dezember 2003 erfolgte demgegenüber in Abwesenheit des Klägers. Der Kläger
konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte allein deshalb über die Aufnahme einer befristeten
Beschäftigung unterrichtet war, weil er von der Beschäftigungsmöglichkeit bei der I über ihr Stelleninformationssystem
erfahren hatte. Eine förmliche Mitteilung über das Auslaufen der Befristung wäre allenfalls entbehrlich gewesen, wenn
er bei der Abmeldung in Arbeit oder zu einem anderen Zeitpunkt recht- bzw. frühzeitig persönlich, schriftlich oder
fernmündlich auf eine solche Befristung hingewiesen hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen. Unerheblich ist daher
auch, ob ein Besuch durch einen Mitarbeiter der Beklagten bei der I stattgefunden hat und hierbei tatsächlich auch -
wie vom Kläger behauptet - sein Arbeitsvertrag eingesehen wurde. Ein solcher Besuch hätte jedenfalls nicht der
individuellen Betreuung des Klägers gedient, so dass dieser nicht mit einer Belehrung hinsichtlich der Befristung oder
mit deren Registrierung rechnen konnte.
Entgegen der Auffassung des SG spielt es für die Rechtsfolge des § 140 SGB III keine Rolle, dass der Kläger bereits
im Alg-Bezug gestanden hat und ab 1. Juli 2004 lediglich der wiederbewilligte Rest-Anspruch auf Alg gemindert wurde.
§ 140 Satz 1 SGB III bestimmt insofern, dass sich das Alg mindert, das dem Arbeitslosen auf Grund des Anspruchs
zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Aus diesem Wortlaut wurde zum Teil der Schluss gezogen, ein
wiederbewilligter Alg-Anspruch könne nicht nach § 140 SGB III gemindert werden, weil er eben nicht nach der
Pflichtverletzung entstanden sei. Dieser Auffassung hat das BSG (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O.) mit der
Begründung widersprochen, diese Rechtsansicht verkenne, dass mindern im Sinne einer betragsmäßig bezifferten
Minderung - wie sie § 140 Satz 2 SGB III im Einzelnen normiere sich nur der konkrete Zahlungsanspruch bzw.
Einzelanspruch auf Alg könne. Der Begriff Anspruch in § 140 Satz 1 SGB III könne daher nicht im Sinne des
Stammrechts auf Alg verstanden werden. Deshalb sei § 140 Satz 1 SGB III so zu verstehen, dass sich jeweils der
nach der Pflichtverletzung nächste Einzelanspruch auf Auszahlung von Alg in der von § 140 Satz 2 SGB III
vorgesehenen Höhe mindert. Dieser Rechtsansicht des BSG schließt sich der Senat an. Vorliegend steht mithin der
Minderung des Alg-Anspruchs ab 1. Juli 2004 nach § 140 SGB III nicht entgegen, dass es sich hier um einen
wiederbewilligten Anspruch gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die nunmehr vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung zu den §§ 37b, 140 SGB III
keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).