Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 10.12.2008

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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.12.2008 (rechtskräftig)
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 KR 86/08 KL
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen. Der
Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Genehmigung einer Satzungsänderung.
Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss am 2. Juli 2008 in seiner Satzung u. a. in einem neuen § 13f einen
Wahltarif für die integrierte Versorgung nach § 140a Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). In § 13f Abs. 1 ist
vorgesehen, dass die Teilnahme an dieser Versorgung für die Versicherten freiwillig ist. In dem hier
streitgegenständlichen Abs. 3 heißt es: "Die BKK regelt in dem o. a. Verzeichnis auch die Höhe der Prämie, die der
Versicherte, der an der integrierten Versorgung nach § 140a SGB V teilnehmen möchte, monatlich für die Dauer der
Teilnahme zahlen bzw. erhalten soll." Den Antrag der Klägerin, diese Satzungsänderung zu genehmigen, lehnte die
Beklagte mit Bescheid vom 19. August 2008 ab. Die Worte "zahlen bzw." in Abs. 3 seien zu streichen. Zur
Begründung gab sie an, dass im Rahmen von § 53 Abs. 3 SGB V nur Prämienzahlungen an die Versicherten möglich
seien, um die Teilnahme an den besonderen Versorgungsformen zu fördern. In einem Telefonat mit der Klägerin vom
26. August 2008 bestätigte die Beklagte ihre Auffassung, der Wortlaut des § 53 Abs. 3 SGB V sehe lediglich eine
Prämienzahlung "für" die Versicherten im Gegensatz zu z. B. § 53 Abs. 5 SGB V vor, der eine Prämienzahlung
"durch" die Versicherten ermögliche. Auch sei der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass die Teilnahme an der
besonderen Versorgungsform ausdrücklich gefördert werden und daher der Teilnehmer Vergünstigungen erhalten solle.
Seine Kostenbeteiligung wäre kontraproduktiv. Die Beklagte wies in dem Telefonat darauf hin, dass der in § 53 Abs. 3
SGB V verwendete Begriff der Prämienzahlung in der privaten Versicherungswirtschaft stets eine Zahlung an das
Versicherungsunternehmen beinhalte.
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung mit ihrer am 4. September 2008 beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingereichten Klage. Zur Begründung trägt sie vor: Der Gesetzgeber habe mit der
Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG)
die Krankenkassen in § 53 SGB V verpflichtet, so genannte Wahltarife einzuführen. Dem sei sie auf Basis des Abs. 3
der Vorschrift mit dem hier streitigen Satzungsnachtrag nachgekommen. Die Beklagte lege den in dieser Vorschrift
enthaltenen Begriff der "Prämienzahlung" entgegen dem üblichen Wortsinn dahingehend aus, dass dieser
ausschließlich als Prämie an die Versicherten gemeint sei, während unter dem Begriff der Versicherungsprämie
allgemein eine (Beitrags )Zahlung des Versicherten an die Versicherung verstanden werde. Sie, die Klägerin,
beabsichtige eine telemedizinische Versorgung für Versicherte mit coronaren Erkrankungen, der ein von ihr
geschlossener Vertrag zur integrierten Versorgung mit der P. H. T. S. GmbH zugrunde liege. In Frage komme die
geplante Versorgung für Versicherte mit diversen Herzerkrankungen. Sie würden mit einem mobilen EKG-Mess¬gerät
ausgestattet, welches deren Vitalparameter zu vorher festgelegten Zeiten oder bei Bedarf an das telemedizinische
Zentrum übermittle. Neben einer verbesserten Versorgung der Patienten führe dies zu einer Kosteneinsparung auf
Seiten des Kostenträgers, letzteres aber nur, wenn die Versicherten diese telemedizinische Behandlungsmöglichkeit
auch tatsächlich nutzten. Sie, die Klägerin, habe auf der Basis der Absprachen mit dem Leistungserbringer für jeden
teilnehmenden Versicherten eine jährliche Pauschalvergütung in Höhe von 1.950,00 EUR zu leisten. Ließen sich die
Versicherten das Gerät nur liefern, ohne es tatsächlich zu nutzen, erweise sich die Versorgung als unwirtschaftlich.
Die beabsichtigte "symbolische Kostenbeteiligung der Versicherten", sei in einer Höhe von 8,50 EUR pro Monat
geplant. Die Prämie diene dazu, die Inanspruchnahme von Leistungen im Sinne des § 12 SGB V auf das notwendige
und wirtschaftliche Maß zu begrenzen. Aufgrund von Gesprächen mit der Beklagten sei sie zunächst von einer
Genehmigung ausgegangen, der ablehnende Bescheid habe sie überrascht. Das Gesetz selbst enthalte keine
Legaldefinition des Begriffs der Prämie. § 33 Versicherungsvertragsgesetz verwende diesen Begriff selbstverständlich
und ausschließlich nur für das vom Versicherten zu zahlende Entgelt als Gegenleistung für den vertraglichen
Versicherungsschutz. Dies entspreche auch dem allgemeinen Sprachgebrauch im Rahmen des deutschen
Rechtssystems, in dem die Prämie als das im Rahmen des Versicherungsvertrages vom Versicherungsnehmer zu
zahlende Entgelt für die Vertragsleistung bezeichnet werde. Entsprechend werde der Begriff in der freien Enzyklopädie
Wikipedia benutzt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber hiervon habe abweichen wollen. Während die
Mitglieder grundsätzlich keine Wahl hätten, ob sie einer gesetzlichen Krankenversicherung angehörten und
Mitglieder grundsätzlich keine Wahl hätten, ob sie einer gesetzlichen Krankenversicherung angehörten und
zwangsweise Beiträge entrichten müssten, handele es sich bei den Wahltarifen um freiwillige Versicherungsoptionen.
Diese entsprächen damit inhaltlich eher dem Charakter einer privaten Zusatzversicherung, sodass auch hier das
Verständnis im Sinne einer Prämienzahlung des Versicherten als Gegenleistung für einen besonders hochwertigen
Versicherungsschutz sachgerecht und logisch sei. Der Hinweis der Beklagten darauf, dass mit der Prämienzahlung in
§ 53 Abs. 3 SGB V die Teilnahme an der besonderen Versorgungsform gefördert werden solle, finde im Gesetz und in
den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Umfragen hätten im Übrigen ergeben, dass ein großer Teil der Versicherten
durchaus bereit sei, eine monatliche Prämie in Höhe von 8,50 EUR zu zahlen, um ihren Gesundheitszustand trotz
schwerwiegender coronarer Erkrankung dauerhaft zu verbessern oder mindestens erhalten zu können. Selbst wenn
man den Begriff der Prämie nicht zwingend als eine den Versicherten belastende Zahlung verstünde, könne er
jedenfalls nicht so ausgelegt werden, dass er nur einen entlastenden Charakter beinhalte. Dass der Gesetzgeber kein
Verbot einer Prämienerhebung durch die Krankenkasse in § 53 Abs. 3 SGB V schaffen wolle, werde dadurch
untermauert, dass es sich um eine Kann-Bestimmung handele. Im Rahmen einer historischen Auslegung verbiete
sich ein Vergleich mit § 65a Abs. 2 SGB V a. F., da der Gesetzgeber mit der Einführung von Wahltarifen in der GKV
bewusst neue Wege gegangen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den 15.
Sat¬zungsnachtrag der Klägerin in Bezug auf Art. 1 Nr. 3 § 13 f Abs. 3 der Satzung wie beantragt zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Bereits der Wortlaut spreche für ihre Auffassung, weil die Prämienzahlung nur "für" und nicht "durch" die
Versicherten zu zahlen seien. Außerdem sei eine explizite gesetzliche Regelung schon aus Gründen des
Gesetzesvorbehaltes erforderlich. Hätte der Gesetzgeber die Krankenkassen dazu ermächtigen wollen, auch eine
Prämienzahlung durch die Versicherten zu regeln, so hätte er dies deutlich zum Ausdruck gebracht wie etwa in § 53
Abs. 4, 5 und 6 SGB V. Dass der Begriff der Prämie nicht im Sinne einer Belastung der Versicherten ausgelegt
werden könne, verdeutlichten die Abs. 1 und 2 des § 53 SGB V. Ihre, der Beklagten, Auslegung werde durch die
Gesetzesbegründung untermauert, nach der der Gesetzgeber allein von einer Prämienberechtigung der Versicherten
ausgegangen sei und nicht von einer Prämienverpflichtung. Zudem sei für die Auslegung die Vorläufervorschrift des
65a Abs. 2 SGB V zu berücksichtigen. Danach sei es den Kassen möglich gewesen, für Versicherte, die an einer
besonderen Versorgungsform teilgenommen hätten, einen Bonus in Form von Zuzahlungs- oder Beitragsermäßigung
zu gewähren. Diese Möglichkeit der Bonifizierung sei in § 53 Abs. 3 SGB V überführt worden, wie sich aus der
Begründung des GKV-WSG zu § 65a SGB V n. F. ergebe. Dass der Gesetzgeber in dieser Norm nun nicht mehr den
Begriff der Beitragsermäßigung verwende, folge aus dem Gesamtzusammenhang des § 53 SGB V n. F. bzw. der
Einführung des Gesundheitsfonds. So habe die Änderung der Bezeichnung von "Beitragsrückerstattung" in
"Prämienzahlung" ausschließlich redaktionelle Gründe, wie sich aus der Begründung zu § 53 Abs. 2 SGB V ergebe.
Sie, die Beklagte, habe der Klägerin nicht zugesichert, dass die strittige Satzungsregelung genehmigt werde. Vielmehr
sei die Klägerin frühzeitig im Rahmen der Vorprüfung über den Ablehnungsgrund unterrichtet worden, wie sich etwa
aus einem Telefonvermerk vom 20. Juni 2008 ergebe. Die Beklagte sei die einzige Kasse, die § 53 Abs. 3 SGB V in
dem von ihr vertretenen Sinne auslege.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten vor, auf die wegen weiterer Einzelheiten
verwiesen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts für den Rechtsstreit folgt aus § 29
Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach entscheidet das
Landessozialgericht im ersten Rechtszug u. a. über Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der
Sozialversicherung und ihren Verbänden. Um eine solche Aufsichtsangelegenheit handelt es sich hier.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten, mit dem diese die von der Klägerin
vorgesehene Satzungsergänzung in Art. 1 Nr. 3 § 13f Abs. 3 teilweise abgelehnt hat, ist rechtmäßig, weil diese
Regelung den Vorschriften des SGB V widerspricht.
Rechtsgrundlage der vorgesehenen Satzungsbestimmung ist § 53 Abs. 3 SGB V in seiner ab 1. April 2007 durch das
GKV-WSG eingeführten Fassung. Danach hat die Krankenkasse in ihrer Satzung zu regeln, dass für Versicherte, die
an besonderen Versorgungsformen nach § 63, § 73b, § 73c, § 137f oder § 140a teilnehmen, Tarife angeboten werden.
Für diese Versicherten kann die Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigung vorsehen. Entgegen
der Auffassung der Klägerin steht diese Regelung der von ihr begehrten Fassung des Art. 1 Nr. 3 § 13f Abs. 3 ihrer
Satzung entgegen. Denn sie schließt eine Prämienregelung zu Lasten der Versicherten aus.
Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung beinhaltet der
Begriff der Prämie nicht eine grundsätzlich den Versicherten belastende Verpflichtung. Soweit die Klägerin insoweit
den Prämienbegriff der privaten Versichertenwirtschaft heranzieht, steht dem bereits entgegen, dass das SGB V
anstelle der Prämie den Begriff des Beitrags verwendet. Zudem beinhaltet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der
Begriff der Prämie, der sich aus dem lateinischen praemium ableitet und damit Vorteile, Anteile oder Gewinne
bezeichnet, einen vom Grundsatz her positiven Ansatz für den Betroffenen.
Im Vergleich mit den übrigen Absätzen des § 53 SGB V fällt zudem in der systematischen Auslegung der Vorschrift
auf, dass darin der Begriff der Prämie bzw. Prämienzahlung in beiderlei Hinsicht, sowohl als Verpflichtung als auch
als Begünstigung des Versicherten, verwendet wird. Dabei verdeutlicht das Gesetz, dass immer dann, wenn es sich
um eine Zahlungsverpflichtung des Versicherten handelt, dies durch entsprechende Zusätze deutlich gemacht wird.
Zu Recht hat hier die Beklagte auf die Absätze 4, 5 und 6 hingewiesen, in denen jeweils die Krankenkasse ermächtigt
wird, Prämienzahlung durch die Versicherten vorzusehen. Verwendet der § 53 SGB V hingegen diesen Be¬griff als
Begünstigung der Versicherten, verdeutlicht dies die Vorschrift in ihren Absätzen 1 und 2 durch den Zusatz für diese
Mitglieder. Daraus folgt, da Absatz 3 von einer Prämienzahlung "für diese Versicherten" spricht, dass der
Gesetzgeber allein von einer Prämienberechtigung ausgeht und eine Prämienverpflichtung ausschließen will.
Die Entstehungsgeschichte des § 53 SGB V bestätigt diese Auslegung. Zutreffend weist die Beklagte auf die
Vorgängerregelung des § 65a SGB V in seiner alten Fassung hin. Dieser sah ausdrücklich und allein einen Bonus in
Form von Zuzahlungs- oder Beitragsermäßigungen für den Versicherten vor. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der
Gesetzgeber hiervon mit der Neuregelung in § 53 Abs. 3 SGB V durch die Aufnahme einer Verpflichtung der
Versicherten abweichen wollte. Damals wie jetzt sollte gerade die Teilnahme der Versicherten an besonderen
Versorgungsformen wie etwa die in § 140a SGB V vorgesehene integrierte Versorgung durch Bonuslösungen gefördert
werden (BT-Drucks. 15/1525 S. 95 zu Nr. 43). Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber des GKV-WSG
hiervon abweichen wollte.
Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 53 Abs. 3 SGB V stützt die Auslegung der Beklagten, wenn es
dort heißt (BT-Drucks. 16/3100 S. 108 zu Nr. 33, zu Abs. 3): " ... Die Krankenkasse kann Prämienzahlungen oder
Zuzahlungsermäßigungen mit dem Tarif verbinden. Prämienberechtigt sind alle Versicherten; zu berücksichtigen ist
jedoch die Kappungsgrenze je Mitglied nach Absatz 7". Der Gesetzgeber geht danach allein von einer Begünstigung
des Versicherten aus und nicht von einer Verpflichtung.
Im Übrigen ist eine neben dem Beitrag zu zahlende Prämie, Zuzahlung oder Ähnliches durch den Versicherten im
SGB V die Ausnahme. Diese wird im Gesetz stets ausreichend deutlich gemacht, wie dies auch der
Gesetzesvorbehalt des § 31 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches vorschreibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a, 184 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwertes auf 5.000,00 EUR folgt aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz, da der Sach- und
Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
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