Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 13.01.2006

LSG Shs: private krankenversicherung, treu und glauben, nachforderung von beiträgen, krankenkasse, rechtskräftiges urteil, verwirkung, anschlussberufung, mitgliedschaft, versicherungsvertrag

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.01.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lübeck S 8 P 82/03
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 3 P 9/05
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. April 2005 geändert und wie folgt
neu gefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.153,32 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank (EZB) auf 1.755,02 EUR seit dem 7. August 2002 sowie in Höhe desselben Zinssatzes auf
weitere 345,55 EUR seit dem 15. März 2003 zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen. Der Beklagte trägt
die Kosten des Mahnverfahrens. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Beitragsforderungen des Klägers.
Der 1922 geborene Beklagte ist nach Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers seit dem 1. Januar 1981
bzw. nach eigenen Angaben bereits seit 1952 bei dem Kläger, einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in
der Form des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, privat krankenversichert. Die Beiträge für die private
Krankenversicherung wurden und werden vom Beklagten regelmäßig und fortlaufend gezahlt.
In Folge des In-Kraft-Tretens des Pflegeversicherungsgesetzes zum 1. Januar 1995 informierte der Kläger den
Beklagten mit Schreiben vom Oktober 1994 über seine Pflicht, bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen
zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen entsprechenden Versicherungsvertrag abzuschließen. Das
Schreiben enthielt neben den einschlägigen Bedingungen, Tarifen und gesetzlichen Bestimmungen den Hinweis, dass
der Beklagte bis 30. Juni 1995 die Möglichkeit habe, eine private Pflegeversicherung auch bei jedem anderen
Pflegeversicherer abzuschließen. Zugleich wurde dem Beklagten eine vierwöchige Widerspruchsfrist gegen den
Vertragsschluss eingeräumt. Unter dem Datum vom 1. November 1994 übersandte der Kläger dem Beklagten einen
Versicherungsschein über das Bestehen einer Pflegeversicherung ab 1. Januar 1995 mit einem entsprechenden
Informationsschreiben. Der Beklagte reagierte auf diese Schreiben nicht.
Der Beklagte leistete in der Folge keine Beiträge zur Pflegeversicherung. Aufgrund einer Einzugsermächtigung
versuchte der Kläger den Monatsbeitrag für Januar 1995 (umgerechnet 29,91 EUR) einzuziehen. Am 9. Januar 1995
erfolgte jedoch eine Rücklastschrift über diesen Betrag, so dass eine Zahlung ausblieb. Unter dem 1. Juli 1995
versuchte der Kläger erneut mit der dort vorliegenden Einzugsermächtigung die bis zu diesem Zeitpunkt fälligen
Beiträge in einer Gesamthöhe von umgerechnet 209,37 EUR (7 x 29,91 EUR) einzuziehen. Unter dem 7. Juli 1995
erfolgte wiederum eine Rücklastschrift. Letztmalig versuchte der Kläger einen Monat später am 1. August 1995 von
der dort vorliegenden Einzugsermächtigung Gebrauch zu machen. Auch hier erfolgte eine Rücklastschrift (8. August
1995). Die monatlichen Beiträge für die Pflegeversicherung des Beklagten beliefen sich ab 1. Januar 1995 auf
(umgerechnet) 29,91 EUR, ab 1. Juli 1996 auf (umgerechnet) 52,15 EUR, ab 1. Januar 1997 auf (umgerechnet) 53,46
EUR, ab 1. Januar 1998 auf (umgerechnet) 54,76 EUR, ab 1. Januar 1999 auf (umgerechnet) 55,41 EUR, ab 1. Januar
2000 auf (umgerechnet) 56,07 EUR, ab 1. Januar 2001 auf (umgerechnet) 56,71 EUR, ab 1. Januar 2002 auf 57,38
EUR und ab 1. Januar 2003 auf 58,65 EUR.
Auf Antrag des Klägers erließ das Amtsgericht Lüneburg gegen den Beklagten am 31. Juli 2002 einen Mahnbescheid
über 1.755,02 EUR für die Beiträge zur Pflegeversicherung von Januar 2000 bis 31. Juli 2002 zuzüglich 6,5 % Zinsen
ab dem 1. August 2002 und 36,50 EUR Gerichtskosten, insgesamt also 1.791,52 EUR. Gegen diesen ihm am 7.
August 2002 zugestellten Mahnbescheid legte der Beklagte am 21. August 2002 beim Amtsgericht Lüneburg
Widerspruch ein, in dem er zur Begründung mitteilte, dass ihm zwar bewusst sei, dass er Beiträge zur
Pflegeversicherung zu zahlen habe, er aber nicht mit der Höhe einverstanden sei. Daraufhin gab das Amtsgericht
Lüneburg mit Beschluss vom 2. Oktober 2003 das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Lübeck ab. Zuvor hatte der
Kläger noch mit Schreiben vom 17. Dezember 2002 und 24. Januar 2003 die Beitragsrückstände beim Beklagten
erfolglos angemahnt.
Zur Begründung seiner Forderung beruft sich der Kläger auf den zwischen ihm und dem Beklagten bestehenden
privaten Pflegeversicherungsvertrag. Die jeweilige Beitragshöhe lasse sich aus den maßgeblichen
Versicherungsscheinen entnehmen. Die Beitragshöhe sei korrekt bemessen worden, und die Beitragsraten seien am
Ersten eines Monats fällig.
Der Beklagte hat erwidert, dass die an den Kläger zu zahlenden Beiträge für seine Pflegepflichtversicherung auf
Grundlage seines Renteneinkommens bemessen werden müssten. Danach sei lediglich ein monatlicher Betrag von
6,58 EUR zu zahlen. Darüber hinaus würde er auch niemals freiwillig einer privaten Pflegeversicherung beitreten, da er
bei der Beitragsfestsetzung schwer benachteiligt werde.
Nach entsprechender Antragserweiterung des Klägers mit Schriftsatz vom 18. Februar 2003, dem Beklagten
zugestellt am 15. März 2003, um die Beiträge bis einschließlich Januar 2003 hat das SG den Beklagten durch Urteil
vom 26. April 2005 antragsgemäß zur Zahlung von 2.100,57 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank (EZB) seit dem 6. August 2002 sowie zur Kostentragung des Verfahrens verurteilt. Zur
Begründung hat das SG ausgeführt: Der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der
Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit von Januar 2000 bis einschließlich Januar 2003 ergebe sich aus dem
geschlossenen Pflegeversicherungsvertrag i.V.m. § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die
private Pflegeversicherung (Bedingungsteil MB/PPV 1996), die Bestandteil des Pflegeversicherungsverhältnisses
zwischen den Beteiligten seien, i.V.m. § 60 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Die Höhe der vom
Beklagten geschuldeten Monatsbeiträge ergebe sich aus dem zwischen den Beteiligten geschlossenen
Versicherungsvertrag i.V.m. den Tarifvorgaben des Klägers und den Beitragsvorgaben des SGB XI. Die Beiträge für
die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Januar 2003 seien nach § 8 Abs. 1 Bedingungsteil MB/PPV 1996 auch fällig.
Schließlich sei eine Erfüllung oder teilweise Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs nicht eingetreten, da
Zahlungen von Seiten des Beklagten auf die Beitragsansprüche nicht erfolgt seien. Der Zinsanspruch des Klägers
folge aus § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Gegen dieses ihm am 14. Juli 2005 zugestellte Urteil richtet sich die bereits am 19. Mai 2005 bei dem SG Lübeck
eingegangene Berufung des Beklagten.
In der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2005 hat der Kläger sein Begehren auf die Zahlung der Beiträge von
Februar 2003 bis einschließlich Dezember 2005 auf der Basis eines monatlichen Beitragsatzes von 58,65 EUR
(insgesamt 2.052,75 EUR = 35 Monate x 58,65 EUR) erweitert.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte unter Wiederholung und Bekräftigung seines bisherigen
Vorbringens ergänzend vor: Er sei Mitglied der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse. In
puncto Pflegeversicherung habe er mit dem Kläger nichts zu tun. Er sei durchaus gewillt, Beiträge zur
Pflegeversicherung zu zahlen, nicht aber in der Höhe von 60,00 EUR.
Der Beklagte hat (u.a.) einen Beitragsbescheid der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse vom
April 1981 und Beitragsrechnungen der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse vom 30.
November 1984 und 30. April 1985 sowie Schreiben der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse
vom 1. Dezember 1981 und 4. April 1985 zu den Gerichtsakten gereicht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die erweiterte
Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie klageerhöhend an ihn weitere 2.052,75 EUR zu zahlen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt er vor: Habe der Beklagte erstinstanzlich noch eine
fehlende Abhängigkeit der Beiträge von seinem Renteneinkommen gerügt, so trage er nunmehr vor, es bestünde
anderweitiger (Kranken-)Versicherungsschutz. Unabhängig davon, dass der Beklagte bis heute auch den von ihm
selbst zugestandenen Beitrag in Höhe von 6,58 EUR monatlich nicht ausgeglichen habe, für die Zeit seit Januar 2000
also eine Zahlungsverpflichtung schon nach dem eigenen Verständnis des Beklagten in Höhe von 368,48 EUR (6,58
EUR × 56 Monate) bestünde, sei die Klage nach wie vor in vollem Umfange begründet. Es werde bestritten, dass der
Beklagte bei der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse kranken- und/oder pflegeversichert sei.
Zudem sei der Beklagte bereits außergerichtlich aufgefordert worden, eine aktuelle Mitgliedsbescheinigung eines
Versicherers über eine anderweitig bestehende Pflegeversicherung vorzulegen, um bedingungsgemäß eine
Beendigung der aktuellen Mitgliedschaft herbeizuführen, was aber nichts an den bereits aufgelaufenen
Beitragsrückständen ändere.
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Landwirtschaftliche Krankenkasse Schleswig-Holstein und Hamburg mit
Schreiben vom 14. September 2005 mitgeteilt, dass der Beklagte dort zu keiner Zeit kranken- oder pflegeversichert
gewesen sei. Ergänzend hat sie mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 ausgeführt, dass der Beklagte unmittelbar nach
In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (KVLG) von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich nach der Vorschrift des § 94 KVLG endgültig und unwiderruflich von der
Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Krankenversicherung der Landwirte befreien zu
lassen. Eine Mitgliedschaft bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse habe für ihn mithin zu keinem Zeitpunkt
bestanden. Dass die Befreiung des Beklagten von der Versicherungspflicht seinerzeit rechtswirksam erfolgt sei, sei
durch rechtskräftiges Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 14. März 1995 (Az.: L 1
KR 128/94) festgestellt worden. Der anschließend vom Beklagten gestellte Antrag auf Wiederaufnahme dieses
Verfahrens sei mit Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 22. August 2000 (Az.: L 1 KR 43/99 WA) als
unzulässig verworfen worden. Darüber hinaus sei aber auch das Begehren des Beklagten im Rahmen eines
Überprüfungsantrages, die Aufhebung des Befreiungsbescheides zu erwirken, mit rechtskräftigem Urteil des SG
Lübeck vom 6. Februar 2001 (Az.: S 7 KR 28/99) zurückgewiesen worden. Eine Mitgliedschaft des Beklagten in der
Krankenversicherung der Landwirte ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem von ihm vorgelegten
Beitragsbescheid der Landwirtschaftlichen Krankenkasse vom April 1981 oder den Beitragsrechnungen vom 30.
November 1984 und 30. April 1985. Anlass für den dem Beklagten im April 1981 übersandten Beitragsbescheid sei
eine von Beginn des Monats an vorgenommene Umstellung des Beitragssystems, von der alle landwirtschaftlichen
Unternehmer, deren Flächen eine Existenzgrundlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG bildeten, betroffen gewesen
seien. Versehentlich seien darüber auch diejenigen informiert worden, die sich von der Versicherungspflicht hatten
befreien lassen. Für letzteren Personenkreis, zu dem auch der Beklagte gehört habe, habe der Bescheid keinerlei
Rechte oder Pflichten begründet, sondern sei wegen seiner offensichtlichen Unrichtigkeit nichtig gewesen. Die
Beitragsrechnungen vom 30. November 1984 und 30. April 1985 hätten dagegen ausschließlich die Beiträge betroffen,
die der Beklagte als landwirtschaftlicher Unternehmer für seine mitarbeitende Familienangehörige R.D. zu entrichten
gehabt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG den
Beklagten verurteilt, die entstandenen und bereits fällig gewordenen Beitragsrückstände für die private
Pflegeversicherung für den Zeitraum Januar 2000 bis einschließlich Januar 2003 in Höhe von 2.100,57 EUR
einschließlich der aufgelaufenen Verzugszinsen an den Kläger zu zahlen. Lediglich der Verzugsbeginn war
korrigierend hinsichtlich des Betrages von 1.755,02 EUR auf den 7. August 2002 (Datum der Zustellung des
Mahnbescheides vom 31. Juli 2002) und hinsichtlich des die erstinstanzliche Klageerweiterung umfassenden
Betrages von 345,55 EUR auf den 15. März 2003 (Datum der Zustellung des die Klageerweiterung geltend machenden
Schriftsatzes des Klägers vom 18. Februar 2003) festzusetzen. Im Wege zulässiger (§ 202 Sozialgerichtsgesetz
[SGG] i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung) Anschlussberufung, die auch zum Zwecke der Klageerweiterung und bis
zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden kann (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl., § 145 Rz. 5b und 5c), ist der Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, weitere Beiträge für die Zeit von
Februar 2003 bis Dezember 2005 in Höhe von 2.052,75 EUR zu zahlen. Für die gerichtliche Geltendmachung der
Beiträge zur privaten Pflegeversicherung sind - wovon das SG ebenfalls zu Recht ausgegangen ist - die
Sozialgerichte zuständig; lediglich das Mahnverfahren erfolgt im Beitragsstreit vor dem Amtsgericht.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte dem Kläger die fällig gewordenen und noch nicht entrichteten
Beiträge für die Zeit von Januar 2000 bis Januar 2003 aus der seit Anfang Januar 1995 für ihn beim Kläger
bestehenden privaten Pflegeversicherung zu zahlen hat. Diese Zahlungspflicht folgt aus dem zwischen den
Beteiligten bestehenden Pflegeversicherungsvertrag. Der Beklagte war zur Abschließung dieses Vertrages mit dem
Kläger nach § 23 SGB XI verpflichtet, weil er bei diesem gegen das Risiko der Krankheit versichert war und ein
anderweitiges Wahlrecht im Sinne des § 23 Abs. 2 SGB XI nicht ausgeübt hatte. Insbesondere war bzw. ist der
Beklagte bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Schleswig-Holstein und Hamburg weder kranken- noch
pflegeversichert, wie diese auf Anfragen des Berichterstatters mit Schreiben vom 14. September 2005 und 31.
Oktober 2005 mitgeteilt hatte. Solange die private Krankenversicherung bei dem Kläger besteht, ist der Beklagte
verpflichtet, bei dem Kläger den Versicherungsvertrag gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit aufrechtzuerhalten
(vgl. Udsching, SGB XI, 2. Aufl., § 23 Rz. 2).
Auch die Einwände des Beklagten gegen die Beitragshöhe greifen nicht durch. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass die Privatversicherten für sich eine Prämie zu bezahlen haben, die im Einzelfall höher sein kann
als der Beitrag, der im Falle der Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung zu erbringen wäre. Die
unterschiedliche Beitragsbelastung in der sozialen und der privaten Pflegeversicherung ist verfassungskonform.
Insbesondere verlangt Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht, dass Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung
einerseits und die Prämien in der privaten Pflegeversicherung andererseits gleich bemessen werden
(Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 3. April 2001, 1 BvR 1681/94 u.a., SozR 3 3300 § 23 Nr. 3; Urteil des
erkennenden Senats vom 31. Januar 2003, L 3 P 5/02, in juris veröffentlicht; LSG Saarland, Urteil vom 17. November
erkennenden Senats vom 31. Januar 2003, L 3 P 5/02, in juris veröffentlicht; LSG Saarland, Urteil vom 17. November
2004, L 2 PB 5/02, in juris veröffentlicht). Die unterschiedlich hohe Belastung ist eine Folge daraus, dass sich die
Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung am Einkommen des Versicherten ausrichten, in der privaten
Pflegeversicherung dagegen risikobezogen sind. Dass der Gesetzgeber dabei typisierend unterstellt, dass privat
Krankenversicherte in der Regel wirtschaftlich zur Zahlung der Prämie in der Lage sind, ist ebenfalls nicht zu
beanstanden. Wenn die Zuordnung krankenversicherter Personen zu einem der beiden Versicherungszweige
verfassungsrechtlich unbedenklich ist, dann ist es auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die in der privaten
Pflegeversicherung Versicherten Prämien zahlen, die im Einzelfall die entsprechenden Beiträge in der sozialen
Pflegeversicherung überschreiten (BVerfG, a.a.O.; Urteil des erkennenden Senats, a.a.O.; LSG Saarland, a.a.O.). Der
Gesetzgeber hat im Übrigen zugunsten derjenigen, die ihre Entscheidung für die private Krankenversicherung vor dem
In-Kraft-Treten des SGB XI getroffen haben, festgelegt, dass die Prämienhöhe des Versicherten für die private
Pflegeversicherung den Höchstbetrag der sozialen Pflegeversicherung nicht überschreiten darf (§ 110 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. e SGB XI).
Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Erfüllung der Beitragsverpflichtung in der privaten
Pflegeversicherung gefährde ihn wirtschaftlich existenziell. Der Gesetzgeber hat - wie schon dargelegt - Personen, die
sich - wie der Beklagte - vor dem Inkrafttreten des SGB XI gegen Krankheit privat versichert hatten, zum Abschluss
einer privaten Pflegeversicherung verpflichtet. Dabei hat er typisierend unterstellt, dass diese in aller Regel
wirtschaftlich zur Zahlung der - ohnehin durch § 110 Abs. 1 und 2 SGB XI sozial gestalteten - Beiträge in der Lage
sind. Zu einer solchen Typisierung ist der Gesetzgeber bei Massenerscheinungen verfassungsrechtlich befugt
(BVerfG, a.a.O.).
Hinsichtlich der errechneten Höhe der Beiträge hat der Kläger unter Vorlage der entsprechenden
Versicherungsscheine ausgeführt, dass sich diese nach § 110 SGB XI und § 8a MB/PPV 1996 richten. Fehler bei der
nach den Vorgaben des SGB XI zu errechnenden und vom Kläger auch errechneten Beitragshöhe sind nach
Aktenlage nicht ersichtlich. Insbesondere überschreiten die vom Beklagten zu entrichtenden Monatsbeiträge nicht die
jeweils geltenden Höchstbeiträge der sozialen Pflegeversicherung (vgl. dazu Wagner, in Hauck/ Noftz, SGB XI,
Stand: IV/04, § 110 Rz. 23).
Die Klageforderung und die im Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung zusätzlich geltend gemachte
Forderung des Klägers betreffen den Zeitraum von Januar 2000 bis Dezember 2005. Vom SG wurden Beiträge bis
Januar 2003 berücksichtigt. Insgesamt schuldet der Beklagte dem Kläger folgende Beiträge aus dem Vertrag zur
Pflegeversicherung:
Beitragsraten von Januar bis Dezember 2000 in Höhe von je 109,66 DM (= 56,07 EUR) = 672,84 EUR Beitragsraten
von Januar bis Dezember 2001 in Höhe von je 110,92 DM (= 56,71 EUR) = 680,52 EUR Beitragsraten von Januar bis
Dezember 2002 in Höhe von je 57,38 EUR = 688,56 EUR Beitragsrate für Januar 2003 = 58,65 EUR Zwischensumme
= 2.100,57 EUR Beitragsraten von Februar 2003 bis Dezember 2005 in Höhe von je 58,65 EUR = 2.052,75 EUR
Gesamtsumme = 4.153,32 EUR
Hiervon hat das SG bereits 2.100,57 EUR zugesprochen, so dass der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten,
der in Form der Anschlussberufung geltend gemacht wurde, 2.052,75 EUR beträgt. Die vom Beklagten zu zahlende
Gesamtsumme für die Beitragsrückstände von Januar 2000 bis Dezember 2005 beläuft sich mithin auf 4.153,32 EUR.
Der für die Zeit ab Januar 2000 geltend gemachte Beitragsanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Der zwischen den
Beteiligten geschlossene Pflegeversicherungsvertrag ist - ebenso wie derjenige über die private Krankenversicherung
- privatrechtlicher Natur. Dies gilt auch für die Beitragszahlungspflicht. Anzuwenden sind die Vorschriften des
Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), wobei allerdings zwingendes Recht des SGB XI den privatrechtlichen Normen
vorgeht.
Nach § 12 Abs. 1 VVG verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag - mit Ausnahme einer
Lebensversicherung - in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung
verlangt werden kann. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 MB/PVV 1996 werden die Monatsbeiträge am ersten eines jeden
Monats fällig. Da der Kläger die hier ab Januar 2000 streitigen Beitragsrückstände mit Mahnbescheid des
Amtsgerichts Lüneburg vom 31. Juli 2002, dem Beklagten zugestellt am 7. August 2002, sowie mit aktenkundigen
Mahnschreiben vom 17. Dezember 2002 und 24. Januar 2003 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hatte, kann
sich dieser nicht auf die Verjährungseinrede berufen.
Die Beitragsforderung des Klägers ist auch nicht durch Verwirkung erloschen. Eine Verwirkung kann insbesondere
nicht damit begründet werden, dass der Kläger die Beiträge für die Zeit von Januar 1995 bis Dezember 1999
gegenüber dem Beklagten nicht zeitnah - ggf. auch gerichtlich - geltend gemacht hat. Das im bürgerlichen Recht als
Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist im
Sozialrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen anerkannt. Danach entfällt eine Leistungspflicht,
wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere
besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden
Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als
illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge
eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht
nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das
Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und
Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein
unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Januar 1997, 5 RJ 52/94, BSGE
80, 41). An das Verwirkungsverhalten des Berechtigten sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen, weil dem
Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in
angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die kurze Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG hinreichend
Rechnung getragen wird. Daher reicht das bloße "Nichtstun" als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus, es muss
darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte
Erwartung erweckt hat, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde. Ein Unterlassen
kann ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner
das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSG, Urteil vom 29.
Januar 1997, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt, zumal der Beklagte nach
seinem eigenen Vorbringen in der Berufungsverhandlung sogar seit 1995 in monatlichen Abständen vom Kläger
Mahnungen über seine Beitragsrückstände erhalten hat.
Der vom Kläger geltend gemachte und vom Senat nach den oben genannten Maßstäben zugesprochene
Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Verzug des Beklagten und ergibt sich aus §§ 247, 286, 288 und 291 BGB. Für
die im Wege der Anschlussberufung geltend gemachten Beitragsforderungen hat der Kläger hingegen keine
Verzugszinsen beansprucht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Entgegen der Auffassung des SG besteht jedoch keine Möglichkeit,
dem Beklagten außergerichtliche Kosten des Klägers aufzuerlegen. Für das Verfahren ist das am 2. Januar 2002 in
Kraft getretene Kostenrecht in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 2144) anzuwenden, da die
Klage nach dem In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes anhängig geworden ist. Nach § 193 Abs. 4 i.V.m. §
184 Abs. 1, 183 SGG i.d.F. des 6. SGG-Änderungsgesetzes sind u. a. private Pflegeversicherungsunternehmen nicht
mehr zur Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten berechtigt (vgl. BSG, Beschluss vom 8. Juli 2001, B 3 P
3/02 R, SozR 3-1500 § 164 Nr. 13). Demgegenüber hat der Beklagte die Kosten des vorhergehenden Mahnverfahrens
zu tragen (§ 193 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.