Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 07.09.2005

LSG Shs: selbständige erwerbstätigkeit, versicherungspflicht, unternehmer, krankenversicherung, landwirtschaft, unternehmen, forstwirtschaft, arbeitsentgelt, abgrenzung, aufwand

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.09.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Schleswig S 8 KR 57/03
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 KR 74/04
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. April 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für die zweite Instanz zu erstatten. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als selbständiger Landwirt und zugleich in Teilzeit abhängig
Beschäftigter in der landwirtschaftlichen Krankenkasse versichert ist.
Der 1951 geborene Kläger bewirtschaftet einen ca. 98 ha Grünland umfassenden und auf Milchviehhaltung und -
aufzucht ausgerichteten landwirtschaftlichen Betrieb. Daneben übt er eine abhängige Beschäftigung als Lagerarbeiter
mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden und einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von im Oktober
2002 1.160,00 EUR bei der Beigeladenen zu 2) aus. Nach dem gemeinsamen Flächenkataster hält er in der
Landwirtschaft ca. 50 Milchkühe, 37 Mutterkühe und 115 Kälber und Färsen. Auf dem "Fragebogen zur Überprüfung
der Versicherungsvoraussetzungen und zur Abgrenzung der Kassenzuständigkeit" der Beklagten gab der Kläger, der
seit 1973 bei der Beigeladenen zu 1) gesetzlich krankenversichert ist, an, im landwirtschaftlichen Unternehmen ca. 7
Wochenstunden tätig zu sein. Er beschäftige regelmäßig keine Arbeitnehmer gegen Arbeitsentgelt. Gegenüber der
Beklagten gab der Kläger am 13. Dezember 2002 an, dass er neben dem Milchviehbetrieb 20 ha Ackerbau betreibe.
Die Arbeiten im Betrieb führe die gesamte Familie durch. Maschinenarbeiten erledige hauptsächlich ein
Lohnunternehmen. In der Landwirtschaft erziele er nur geringe Einkünfte, den Lebensunterhalt für sich und seine
Familie verdiene er aus der Arbeitnehmertätigkeit.
Auf die Beanstandung der Kassenzuständigkeit durch die Beklagte hin erklärte die Beigeladene zu 1), die
Landwirtschaft sei nicht Mittelpunkt des Erwerbslebens des Klägers, da er für seine landwirtschaftliche Tätigkeit
lediglich 7 Stunden wöchentlich aufwende und er seinen Gewinn mit 3.000,00 EUR jährlich beziffere. Damit sei ihre,
der Beigeladenen, Zuständigkeit weiterhin gegeben. Ergänzend dazu legte der Kläger der Beklagten die Gewinn- und
Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 mit einem ausgewiesenen Gewinn von 3.000,00 EUR vor.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2003 teilte die Beklagte dem Kläger ihre Absicht mit, ihn ab 1. Januar 2003 in der
Krankenversicherung als landwirtschaftlicher Unternehmer zu führen und gab ihm Gelegenheit, sich bis zum 20.
Februar hierzu zu äußern. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass anhand des korrigierten Wirtschaftswertes analog
§ 32 Abs. 6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) der Betrieb einen Gewinn von 32.594,41 EUR
pro Jahr erwirtschaften könne. Der Kläger verwies weiterhin auf den tatsächlichen Gewinn nach dem
betriebswirtschaftlichen Jahresabschluss von 3.000,00 EUR. Der steuerliche Gewinn liege mit rund 6.000,00 EUR
etwas höher. Eine Nachfrage beim Steuerberater habe ergeben, dass der Grund dafür in der Auflösung rein
steuerlicher Sonderposten zu suchen sei, die mit der Ertragskraft des Betriebes aber nichts zu tun hätten. Für das
laufende Wirtschaftsjahr werde der Gewinn infolge stark gesunkener Erzeugerpreise voraussichtlich noch niedriger
ausfallen.
Mit Bescheid vom 13. März 2003 stellte die Beklagte eine Versicherungspflicht des Klägers bei ihr in der Kranken-
und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2003 fest und forderte Beiträge für die Zeit Januar bis März 2003 in Höhe von
931,56 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Nach der gefestigten Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) werde eine selbständige Erwerbstätigkeit nur dann als hauptberuflich angesehen, wenn
sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen
deutlich übersteige und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Davon könne hinsichtlich seines
landwirtschaftlichen Betriebes nicht die Rede sein, den er mit 7 Wochenstunden betreibe. Nach dem gemeinsamen
Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherer vom 21. November 1988 werde vermutet, dass für eine
hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit kein Raum mehr verbleibe, wenn ein Arbeitnehmer mindestens 18
Stunden in der Woche arbeite und ein monatliches Arbeitsentgelt von mehr als der Hälfte der monatlichen
Bezugsgröße erziele. Bei ihm, dem Kläger, liege das Einkommen mit 5,00 EUR nur knapp unter der Hälfte der
monatlichen Bezugsgröße. Berücksichtige man auch seine Erwerbsminderung von 30 GdB, bleibe für eine
hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit neben seiner abhängigen Beschäftigung kein Raum. Nach den
Grundsätzen der BSG-Rechtsprechung komme es auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung an. Soweit andere
Arbeitskräfte Arbeiten in der Landwirtschaft verrichteten, seien diese nicht dem Unternehmer zuzurechnen. Und die
meisten der körperlichen Tätigkeiten sowie die Buchhaltung erledigten seine Ehefrau und die drei Kinder. Hinzu kämen
Arbeiten von Lohnunternehmern in erheblichem Umfange. Das Ackerland werde komplett durch einen
Lohnunternehmer bewirtschaftet. Zwar habe das BSG in dem von der Beklagten zitierten Urteil darauf hingewiesen,
dass die Gewinnermittlung anhand des korrigierten Wirtschaftswertes einschlägig sein könne. Das BSG habe aber
auch deutlich gemacht, dass dies nur dann eine Alternative sei, wenn eine Gewinnermittlung nach
Durchschnittssätzen gemäß § 13a Einkommensteuergesetz (EStG) für die steuerliche Beurteilung vorgenommen
werde. Das sei bei ihm nicht der Fall. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2003 den
Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 8. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung ergänzend
vorgetragen, es könne nicht sein, für die Frage der Versicherungspflicht auf tatsächlich vielleicht mögliche Erwerbs-
und Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen abzustellen. Maßgebend könne nur sein, was dem tatsächlichen
Tätigkeitsschwerpunkt entspreche. Zudem sei der Wirtschaftswert ein seit der letzten Hauptfeststellung im Jahre
1962 historischer Wert, der den heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht werde. Wenn überhaupt, spiegele er
lediglich ein sehr grobes Bild der Ertragskraft wider. Zudem sei die bisherige Rechtsprechung des BSG praktikabel.
Der angefochtene Bescheid sei auch formell rechtswidrig, da die Beigeladene zu 1) gemäß § 28h Sozialgesetzbuch 4.
Buch (SGB IV) für diese Feststellung zuständig sei.
Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen: In seiner Entscheidung vom 29. September 1997 habe das BSG eine
gewisse Relativierung der bisherigen Rechtsprechung erkennen lassen, was auch nach dem gesetzlichen Zweck der
Regelung des § 5 Abs. 5 SGB V notwendig sei. Diese Vorschrift diene nämlich auch der Missbrauchsabwehr. Zudem
stoße die Rechtsprechung des BSG auf Bedenken insoweit, als bezahlte Arbeit unberücksichtigt zu bleiben habe.
Denn die steigende Wirtschaftskraft eines Unternehmens zeige sich doch gerade darin, dass der Unternehmer
zunehmend Arbeitskräfte beschäftige und sich damit entlaste. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Tätigkeit könne
nicht deshalb als gering eingeschätzt werden, weil der Unternehmer andere Personen an dem Unternehmensertrag
teilhaben lasse. Um ein realistisches Bild hinsichtlich der Frage, welche der ausgeübten Tätigkeiten den Mittelpunkt
der Erwerbstätigkeit darstelle, zu erhalten, halte sie, die Beklagte, den Rückgriff auf objektivierbare
Abgrenzungskriterien wie z. B. den korrigierten Wirtschaftswert des Unternehmens als maßgebenden Faktor nicht nur
für gerechtfertigt, sondern vielmehr auch für notwendig.
Die Beigeladene zu 1) hat vorgetragen: Sie sei diejenige, die über Versicherungspflicht und Beitragshöhe zu
entscheiden habe. Nachdem der Kläger eine Tätigkeit als Arbeitnehmer verrichte, sei auch sie, die Beigeladene zu 1),
diejenige, die zu prüfen habe, ob sich Änderungen ggf. auf Grund der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen
Unternehmens ergäben oder nicht.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 5. April 2004 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung
ausgeführt: Unter Zugrundelegung der glaubhaften Angaben des Klägers, der die landwirtschaftliche Tätigkeit
gegenüber der Arbeitnehmertätigkeit als "Hobby" bezeichnet habe, sei dieser nur etwa sieben Stunden wöchentlich für
den landwirtschaftlichen Betrieb tätig. In Anbetracht dieses doch sehr geringen zeitlichen Einsatzes erscheine der laut
Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 während dieses Zeitraums erwirtschaftete Gewinn
von 3.000,00 EUR plausibel. Die Tatsache, dass der Kläger den Großteil seiner Arbeitskraft nicht in den eigenen
Betrieb, sondern vielmehr in die Arbeitnehmertätigkeit einbringe, und dass neben vier Familienangehörigen auch
Lohnunternehmer in die Bewirtschaftung des Betriebes einbezogen würden, korreliere mit dem niedrigen Gewinn.
Keinesfalls könne unter Feststellung eines fiktiven Gewinnes unter Zugrundelegung des korrigierten Wirtschaftswertes
eine die Arbeitnehmertätigkeit übersteigende wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmertätigkeit konstruiert werden.
Maßgebend für die wirtschaftliche Bedeutung sei allein der tatsächlich vom Kläger erzielte Gewinn.
Gegen das ihr am 15. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim
Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 1. Juli 2004. Zur Begründung trägt sie vor: Vorteil der
Gewinnermittlung mit Hilfe des Wirtschaftswertes sei, dass so ein Ergebnis mit größerer Objektivität erlangt werde
ohne Einflüsse durch das mehr oder weniger ausgeprägte unternehmerische Geschick des Landwirtes. Zudem dürfe
sich der Unternehmer nicht mit bezahlter Arbeit "freikaufen", Mitarbeiter seien also bei der Frage der
Hauptberuflichkeit einer selbständigen Tätigkeit zu berücksichtigen. Um dieses aufzuzeigen, müsse das BSG mit den
in der Praxis aufgetretenen Problemen nochmals konfrontiert werden. Bei dem Betrieb des Klägers handele es sich
mit Sicherheit nicht um einen klassischen Nebenerwerbsbetrieb. Hinsichtlich ihrer Zuständigkeit zu den oben
getroffenen Feststellungen sei es zwar zutreffend, dass letztlich nur einheitlich darüber entschieden werden könne, ob
die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 SGB V vorlägen. Keinesfalls sei jedoch die von der Beigeladenen zu 1)
getroffene Entscheidung für sie, die Beklagte, in der Weise bindend, dass sie selbst von ihrer behördlichen
Regelungsbefugnis keinen Gebrauch mehr machen und ihre Rechtsauffassung nur noch im Wege einer gegen die
Beigeladene zu 1) gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage hätte weiterverfolgen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. April 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend trägt er vor: Die Beklagte nehme eine Fehlinterpretation der Entscheidung des BSG vom 29. September
1997 vor. Darin habe das BSG sich erkennbar nur auf solche Landwirte bezogen, die nicht buchführungspflichtig seien
und deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a EStG ermittelt werde. Hierfür spreche zum Einen, dass
ansonsten die Ausführungen des Gerichts zu § 15 Abs. 1 SGB IV überflüssig wären, zum Anderen der Wortlaut der
Vorschrift selbst. Nach deren Abs. 1 sei Einkommen nämlich als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches
nach dem Einkommenssteuerrecht zu bewerten sei. Die Ausnahme regele dagegen der zweite Absatz, wonach bei
Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a EStG ermittelt werde, als Arbeitseinkommen der
sich aus § 32 Abs. 6 ALG ergebende Wert anzusetzen sei. Das BSG habe beide Alternativen des § 15 SGB IV
erwähnt, weil es entsprechende Feststellungen hierzu in der vorinstanzlichen Entscheidung vermisst habe. Solange
die Vorschrift nicht geändert werde, komme auch keine andere Rechtsprechung hierzu in Frage. Von einer "sinnvollen
Fortentwicklungsmöglichkeit" der Rechtsprechung des BSG könne daher keine Rede sein.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Der dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Verwaltungsakt der Beklagten sei nicht nur rechtswidrig,
sondern mangels sachlicher Zuständigkeit nichtig. Der Kläger sei seit August 1973 Mitglied der Beigeladenen zu 1).
Seit September 1977 bestehe auf Grund seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 2)
Versicherungspflicht als Arbeitnehmer. Versicherungspflicht bei der Beklagten könne daher nur vorliegen, wenn die
Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 SGB V gegeben seien. Sie, die Beigeladene zu 1) und die Beklagte, hätten per
Bescheid entsprechend ihren Auffassungen entschieden. In derselben Sache könne jedoch nur eine Entscheidung
ergehen. Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag sei nach § 28i SGB IV die
Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt werde. Diese entscheide gemäß § 28h Abs. 2 SGB IV
auch über die Versicherungs- und Beitragspflicht. Sie, die Beigeladene zu 1), sei eindeutig die zuständige
Einzugsstelle, nur sie könne daher die Entscheidung über das Versicherungsverhältnis des Klägers treffen. Die
Beklagte dürfe diese Entscheidung nicht mit einem eigenen Bescheid "überdecken". Vielmehr hätte die Beklagte
gegen ihre Entscheidung Anfechtungsklage erheben müssen. Es liege der Fall der absolut sachlichen Unzuständigkeit
gemäß § 40 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) vor.
Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.
Auf Anforderung des Senats hat der Kläger die Gewinn- und Verlustrechnungen der Wirtschaftsjahre 2002/2003 und
2003/2004 vorgelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren und in der der Kläger angehört wurde, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht die
angefochtenen Bescheide aufgehoben, da keine Versicherungspflicht des Klägers bei der Beklagten besteht.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des 2. Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte von 1989 (KVLG 1989) sind
Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft in der Krankenversicherung der Landwirte versicherungspflichtig, wenn ihr
Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße
erreicht, die gemäß des 2. Halbsatzes der Vorschrift in § 1 Abs. 5 ALG definiert ist. Nach dieser Vorschrift erreicht ein
Unternehmen der Landwirtschaft dann die Mindestgröße, wenn sein Wirtschaftswert ein von der Landwirtschaftlichen
Alterskasse im Einvernehmen mit dem Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen unter Berücksichtigung
der örtlichen und regelnahen Gegebenheiten den festgesetzten Grenzwert erreicht, wobei der Ertragswert für
Nebenbetriebe unberücksichtigt bleibt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der landwirtschaftliche Betrieb,
den der Kläger betreibt, diese Voraussetzungen erfüllt.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 ist derjenige jedoch nicht in der Krankenversicherung der Landwirte versichert, der
nach anderen gesetzlichen Vorschriften versicherungspflichtig ist. Daraus folgt allerdings nicht bereits, dass die
Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr.
1 KVLG 1989 verdrängt. Ob die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V greift, ist zuvor am Maßstab des §
5 Abs. 5 SGB V zu überprüfen. Gemäß dieser Vorschrift ist nach Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 nicht
versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Einerseits soll § 5 Abs. 5 SGB V damit
verhindern, dass es wegen des Nachrangs der landwirtschaftlichen Unternehmerversicherung zu einer
Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erst dann kommt, wenn ein landwirtschaftlicher Unternehmer
seinen Lebensunterhalt ganz oder überwiegend aus der selbständigen Tätigkeit bestreitet. Andererseits wäre es mit
ihrer grundsätzlichen Nachrangigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989) nicht zu vereinbaren, wenn der landwirtschaftlichen
Krankenversicherung durch eine weite Auslegung der Ausschlussregelung des § 5 Abs. 5 SGB V faktisch ein Vorrang
eingeräumt würde. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu dieser Vorschrift (BT-Drucks. 11/2493 S. 159)
und der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa BSG SozR 3-5420 § 3 Nr. 2) ist eine selbständige
Erwerbstätigkeit dann hauptberuflich, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her
die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.
Maßgebliche Kriterien für die Abgrenzung sind danach der Zeitaufwand und das erzielte Entgelt aus den Tätigkeiten,
die gegeneinander abgewogen werden müssen. Dabei sind für die Überprüfung der wirtschaftlichen Bedeutung der
Beschäftigung und der Unternehmertätigkeit das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und das Arbeitseinkommen
im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV miteinander zu vergleichen. Hinsichtlich der Arbeitszeit ist allein auf die Person des
Versicherten bzw. Unternehmers abzustellen; der Zeitaufwand von mithelfenden Familienangehörigen oder fremdem
Personal einschließlich der Arbeitszeit von Lohnunternehmen im Rahmen eines Maschinenrings sind nach der
Rechtsprechung des BSG (SozR 3-5420 § 3 Nr. 3) nicht berücksichtigungsfähig.
Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger allein versicherungspflichtig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, da seine
selbständige Erwerbstätigkeit als Landwirt nicht als hauptberuflich im Sinne des § 5 Abs. 5 SGB V anzusehen ist. In
wirtschaftlicher Hinsicht überwiegt das Arbeitsentgelt aus der abhängigen Beschäftigung mit im Jahr 2002 monatlich
1.160,00 EUR das Arbeitseinkommen aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit bei weitem. Dieses lag für das
Wirtschaftsjahr 2001/2002 bei einem Gewinn von 3.000,00 EUR, der sich nach den nunmehr vorgelegten Gewinn- und
Verlustrechnungen der beiden Folgejahre sogar weiter reduzierte, und zwar auf Verluste von 12.200,00 EUR für das
Wirtschaftsjahr 2002/2003 und 700,00 EUR für das Wirtschaftsjahr 2003/2004. Der Hinweis der Beklagten auf ein bei
dieser Betriebsgröße mögliches Arbeitseinkommen, und zwar nach § 32 Abs. 6 ALG ermittelt auf ein Einkommen in
Höhe von 32.594,41 EUR, vermag nicht zu überzeugen. Der Hinweis auf einen möglichen Gewinn widerspricht bereits
dem oben zur Vorschrift des § 5 Abs. 5 SGB V dargestellten Sinn und Zweck, die tatsächliche Bedeutung der
selbständigen Erwerbstätigkeit und der Beschäftigung festzustellen, gegeneinander abzuwägen und danach die
Versicherungspflicht zu bestimmen. Die Auffassung der Beklagten widerspricht darüber hinaus der Gesetzesfassung
des § 15 SGB IV, der in seinem Absatz 2 nur auf die Gewinnermittlung nach § 32 Abs. 6 ALG verweist, wenn es sich
um Landwirte handelt, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a EStG ermittelt wird. Diese Möglichkeit
besteht also nur bei Kleinbetrieben der in dieser Vorschrift näher umschriebenen Größenordnung. Der Kläger liegt mit
seinem Hof unstreitig (weit) über den dortigen Werten, so dass diese Gewinnermittlungsmethode für ihn nicht in
Betracht kommt. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 29. September 1997 (SozR 3-5420 § 3 Nr. 3) ausgeführt,
dass nach § 13a EStG der Wirtschaftswert des Unternehmens auch nach Durchschnittswerten errechnet werden
kann. In dem dort zu entscheidenden Fall enthielt das landessozialgerichtliche Urteil jedoch keine Angaben über die
Größe des landwirtschaftlichen Betriebes, so dass das BSG nur auf die Möglichkeit der Anwendung des § 15 Abs. 2
SGB IV hinwies.
In diesem Urteil hat das BSG unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung zu der Ermittlung der aufgewendeten
Arbeitszeit betont, dass allein maßgebend die Person des Beschäftigten bzw. Unternehmers sei, nicht jedoch der
Zeitaufwand von mithelfenden Familienangehörigen oder Fremdpersonal. Hintergrund hierfür ist die Überlegung, dass
der Personaleinsatz und der Kostenaufwand in die betriebliche Gesamtrechnung des landwirtschaftlichen
Unternehmens bereits eingeflossen sind. Das gilt insbesondere auch bei Familienangehörigen. Denn ihr -
unentgeltlicher - Einsatz schlägt sich auf den Gewinn des Unternehmens und damit auch indirekt auf die Bedeutung
für den Unternehmer nieder.
Der Arbeitseinsatz als abhängiger Beschäftigter überwog mit 19 Wochenstunden gegenüber den vom Kläger
angegebenen sieben Wochenstunden für das landwirtschaftliche Unternehmen. Selbst wenn der Kläger für den
landwirtschaftlichen Betrieb den gleichen Zeitaufwand wie für die abhängige Beschäftigung hätte, führte dies nicht zu
einem anderen Ergebnis. Denn in dem Fall käme es allein auf die wirtschaftliche Bedeutung für ihn an, die, worauf
oben hingewiesen wurde, im Schwerpunkt bei der Beschäftigung liegt.
Nicht zur Rechtswidrigkeit, geschweige denn zur Nichtigkeit, führt indes der Umstand, dass die Beklagte die
Entscheidung über die Versicherungspflicht getroffen hat und hierzu nach Auffassung der Beigeladenen zu 1) nicht
befugt gewesen sei. Die Versicherungspflicht tritt kraft Gesetzes ein; sofern ein Versicherungsträger hierüber einen
feststellenden Verwaltungsakt erlässt, hat dieser lediglich deklaratorische, nicht aber konstitutive Bedeutung. Mit
Wirkung für die Zukunft kann eine Versicherungspflicht und die Mitgliedschaft bei einem Versicherungsträger daher
jederzeit von diesem festgestellt werden, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, nachdem das BSG, teilweise
mehrfach, über die hier im Wesentlichen streitigen Fragen entschieden hat.