Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 27.06.2007

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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lübeck S 3 KR 1/03
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 5 KR 24/06
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 10. November 2005 insoweit
aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger die Kosten für die Photodynamische Therapie des
linken Auges im Juli 2002 zu erstatten. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung wird
zurückgewiesen. Die Beklagte trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte
Verfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung der Kosten einer Photodynamischen Therapie (PDT) seines linken
Auges.
Der 1924 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Er befindet sich seit vielen Jahren in augenärztlicher
Behandlung, bei Dr. H seit September 1997 zunächst wegen einer geringgradigen Kurzsichtigkeit mit
Hornhautastigmatismus. Im Mai 2002 kam es zu einer langsam voranschreitenden Verschlechterung der Sehschärfe
des rechten Auges aufgrund einer epiretinalen Gliose. Im gleichen Monat wurde von der Augenarztpraxis Dres. K und
M beim linken Auge der Verdacht auf eine feuchte Makulopathie geäußert. Dieser Verdacht wurde am 27. Juni 2002
im Universitätsklinikum L (UKL) bestätigt. Konkret wurde eine chorioidale Neovaskularisation in juxtafovealer Lage
diagnostiziert und seitens der Klinik am gleichen Tag die Empfehlung ausgesprochen, eine PDT durchzuführen, um
nicht nur einen weiteren Abfall des Sehvermögens zu verhindern, sondern dieses auch zu verbessern. Es bestehe
allerdings keine Indikation für die Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung. Einen
entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme von der Augenklinik des UKL legte der Kläger der Beklagten am selben
Tage vor. Dieser Antrag wurde ihm am selben Tage zunächst zurückgegeben, da die Sachbearbeiterin davon
ausgegangen war, dass die streitige Behandlung in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen gewesen sei, mithin
die Abrechnung über die Krankenversicherungskarte erfolge. Nach telefonischer Klärung des Sachverhaltes mit einem
der behandelnden Ärzte (Dr. Ma ) wurde dem Kläger seitens der Beklagten mitgeteilt, eine Kostenübernahme sei doch
nicht möglich. Vor dem Aufsuchen der Geschäftsstelle der Beklagten hatte der Kläger bei der Apotheke am Klinikum
auf das Privatrezept von Prof. Dr. L , Direktor der Augenklinik, das Medikament Visudyne inklusive Schutzbrille in
Höhe von 1.702,10 EUR erworben.
Am 28. Juni 2002 erhielt die Beklagte Befundberichte vom UKL, den Antrag auf Kostenübernahme, eine Beschreibung
der Therapie und Bilder der Augen. Die Sachbearbeiterin der Beklagten leitete den Antrag intern mit der Anfrage
weiter, ob im Einzelfall einer vorzeitigen Kostenübernahme zugestimmt werden könne. Dies wurde nach einem
Vermerk der Beklagten vom 1. Juli 2002 abgelehnt. Ebenfalls am 1. Juli 2002 (einem Montag) erfolgte die PDT des
linken Auges am UKL. Am 5. Juli 2002 beantragte der Kläger schriftlich bei der Beklagten die Kostenübernahme, legte
Nachweise über seine Ausgaben an die Apotheke (1.702,10 EUR) und das UKL für die Erstbehandlung am 27. Juni
2002 (562,42 EUR) vor und schilderte den Verlauf seiner Erkrankung. In den letzten Jahren habe er zunehmend
Schwierigkeiten mit der nachlassenden Sehkraft seines rechten Auges gehabt, was durch entsprechende Brillen nicht
zu beheben gewesen sei. Bei der Untersuchung der Verschlechterung des rechten Auges sei dann die Erkrankung
des linken Auges am 23. Mai bzw. der Verdacht auf eine solche durch Dr. M festgestellt worden. Wegen der
gebotenen Eile habe er sich um einen schnellen Termin – als Privatpatient - beim Leiter der UKL Augenklinik Prof. L
bemüht, der aber erst am 4. Juli einen Termin frei gehabt habe. Die Vorstellung am 27. Juni 2002 in dem UKL sei ein
Notfall gewesen, da er eine deutliche Verschlechterung seines Sehvermögens festgestellt habe. Dort habe ihm die
Oberärztin Dr. Mb mitgeteilt, dass die Behandlung möglichst umgehend zu erfolgen habe, um weitere – nicht heilbare
– Schäden zu vermeiden. Die erste PDT sei am 1. Juli durchgeführt, die zweite (Anschlussbehandlung) für den 9.
September vorgesehen. Dafür beantrage er Kostenübernahme. Mit Bescheid vom 12. Juli 2002 lehnte die Beklagte
den Antrag ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2002
zurück. Darin führte sie aus, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe in seiner Sitzung am 16.
Oktober 2000 beschlossen, dass die PDT bei altersabhängiger feuchter Makuladegeneration mit subfoveolärer
klassischer choriodaler Neovaskularisation als anerkannte Behandlungsmethode gelte. Daher könne die PDT mit
Visudyne grundsätzlich zu Lasten der Kasse durchgeführt werden. Bei dem Kläger liege jedoch eine juxtafoveale,
klassische chorioidale Neovaskularisation vor. Damit fehle es an der medizinischen Indikation für die
Kostenübernahme. Den Widerspruchsbescheid übersandte die Beklagte an die Anschrift des Klägers in Spanien mit
der Rechtsmittelbelehrung, dass Klage innerhalb von 3 Monaten möglich sei.
Der Kläger hat am 2. Januar 2003 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die
Ärzte hätten ihm dringend angeraten, die aufgetretene Krankheit mit der PDT zu behandeln. Dies sei die einzige Erfolg
versprechende Behandlungsmethode. Alles andere führe nicht zu einer Besserung des schon vorhandenen
Krankheitsbildes, vielmehr hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen, innerhalb
weniger Monate praktisch blind zu werden. Auf den ersten Blick weiche seine Erkrankung für einen Laien lediglich im
Hinblick auf die Lokalisation am Auge von der Erkrankung ab, bei der die Behandlung anerkannt sei und die Kosten
übernommen würden. Dann aber sei die Unterscheidung nicht nachvollziehbar. So habe die Beklagte ihm zu
verstehen gegeben, dass sie wohl zahlen müsse, wenn die Krankheit noch weiter fortgeschritten wäre und praktisch
zur Erblindung geführt hätte. Nach seinen Informationen sei gerade in der Universitätsklinik Schleswig-Holstein vor
einigen Jahren ein Forschungsprogramm in Bezug auf die erfolgreiche Wirkung der PDT aufgelegt worden. Der
behandelnde Prof. Dr. L habe ihm ausdrücklich erklärt, dass es für ihn keine Behandlungsalternative mit hinreichender
Erfolgsaussicht gebe. Der Behandlungserfolg gebe Prof. Dr. L Recht. Die Alternativbehandlung der klassischen
Lasertherapie hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Verlust der Sehschärfe bei ihm geführt.
Die Beklagte hat ein Gutachten des MDK Schleswig-Holstein (Dr. O ) vorgelegt und vorgetragen: Es sei nach wie vor
festzustellen, dass der besondere Stellenwert der PDT für die Erkrankung beim Kläger in den bisherigen
wissenschaftlichen Studien nicht an ausreichend großer Patientenzahl mit ausreichend langer Nachbeobachtungszeit
und mit ausreichend hoher Evidenz habe gezeigt werden können. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
BSG könne daher dem Erstattungsanspruch nicht entsprochen werden.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Augenarztes Dr. H mit weiteren Berichten des UKL über
Nachuntersuchungen nach den weiteren Behandlungen am 22. August 2002 und 6. Februar 2003 eingeholt sowie ein
schriftliches Gutachten des Augenarztes Dr. B mit zwei ergänzenden Stellungnahmen. Nach Auffassung des Klägers
ist dem Gutachten zu entnehmen, dass nach den inzwischen vorliegenden medizinischen Erkenntnissen die
überwiegenden Erfolge der PDT auch außerhalb des Kernbereiches des Auges feststünden, so das demnächst mit
einer Anerkennung im Bundesausschuss zu rechnen sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2005 hat das Sozialgerichtes den Sachverständigen ergänzend
angehört. Mit Urteil vom 10. November 2005 hat es der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Bei der
Behandlung habe es sich wegen der festgestellten rasch zunehmenden Verschlechterung des Sehvermögens um eine
unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 1. Altern. Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) gehandelt. Daneben
lägen auch die Voraussetzungen der 2. Alternative der Vorschrift vor, da die Beklagte zu Unrecht die Gewährung der
PDT abgelehnt habe. Diese Therapie sei zum Zeitpunkt der streitigen Behandlung zugelassen gewesen. Zwar habe
bei dem Kläger keine subfoveale, sondern eine juxtafoveale klassische chorioidale Neovaskularisation vorgelegen.
Beide Krankheitsformen unterschieden sich je¬doch lediglich durch die Lokalisation der Erkrankung. Während bei der
subfovealen Form die Gefäßneubildung mitten im Bereich bzw. unter dem Bereich des schärfsten Sehens liege, liege
sie bei der juxtafovealen Form knapp neben dieser Stelle. Für die Indikation der PDT habe jedoch die Lage der
Erkrankung nach den Behandlungsrichtlinien der augenärztlichen Fachgesellschaft keine Bedeutung. Beide
Erkrankungen seien nach den nunmehr vorliegenden aktuellen Studien als gleichwertig zu behandeln. Nach der
Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, der Retinologischen Gesellschaft und des
Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands sei bei beiden Erkrankungsformen die Indikation zu einer Behandlung
mittels PDT mit Verteporfin gegeben. Unterschiede in der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Behandlung seien
nicht beschrieben. Unter Be¬rücksichtigung dieser Stellungnahme bestehe ein sachlicher Grund dafür, auch die
juxtafoveale Form der Neovaskularisation als medizinische Indi¬kation im Sinne von Nr. 8 der Anlage A der BuB-
Richtlinien zu werten. Dabei berücksichtige das Gericht auch, dass der Beschluss des Bundesausschusses vom 16.
Oktober 2000 u. a. auf die Forschungsergebnisse zurückzuführen sei, die in der Augenklinik des UKL erarbeitet
worden seien. In demselben Institut seien zeitgleich auch Studien über die Anwendung der PDT bei der juxtafovealen
Form der Neovaskularisation durchgeführt worden. Diese hätten im Wesentlichen das gleiche Ergebnis wie die
Arbeiten über die subfoveale Form ergeben. Gleiches gelte für die Verwendung von Verteporfin. Die Frage eines
sogenannten "Off-Label-Use" stelle sich damit hier nicht. Diese Feststellungen auf medizinischem Gebiet treffe das
Gericht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen. Das Gutachten des MDK sei von einer Erkrankung
ausgegangen, die bei dem Kläger gar nicht vorgelegen habe.
Gegen das ihr am 6. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim
Sozialgericht Lübeck am 2. März 2006. Zur Begründung trägt sie vor: In einem persönlichen Gespräch am 28. Juni
2002 und später mit Bescheid vom 12. Juli 2002 habe sie eine Kostenübernahme dem Kläger gegenüber abgelehnt.
Da die Behandlung am 27. Juni und 1. Juli 2002 durchgeführt worden sei, stehe dem Anspruch bereits die
Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung entgegen. Auch habe sich der Kläger bereits am 27. Juni durch Zahlung
des Vorschusses und Einlösung einer Privatverordnung in der Apotheke auf die begehrte Behandlung festgelegt und
diese begonnen. Erst danach habe er bei der Beklagten bezüglich einer möglichen Kostenübernahme nachgefragt. Im
Übrigen habe er auch keinen Sachleistungsanspruch auf die Behandlung, da die durchgeführte PDT für seine
Erkrankung keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe. Der Beschluss des
Bundesausschusses habe sich vielmehr auf einen anderen Sachverhalt bezogen. Soweit in einem weiteren Beschluss
vom 21. Februar 2006 der Gemeinsame Bundesausschuss weitere Indikationen mit aufgenommen habe, erfassten
diese nicht die hier streitgegenständliche juxtafoveoläre Form. Die Rechtsprechung des BSG zu sehr seltenen
Erkrankungen finde keine Anwendung, da die hier streitige Erkrankung des Klägers nicht eine singuläre sei. Der
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 führe ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis,
weil es sich bei der Erkrankung nicht um eine lebensbedrohliche oder sogar regelmäßig tödliche Erkrankung handele.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 10. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor: Von einem verspäteten Antrag könne hier nicht ausgegangen werden. Sei von vornherein klar, dass eine
Ablehnung erfolgen werde, erscheine es nicht notwendig, einen sofortigen Antrag vor Behandlungsbeginn auf
Kostenübernahme stellen zu müssen. Dies sei Grundsatz des Zivilrechts. Die Alternativbehandlung mit dem Laser
hätte nach Aussage des Gutachters zwar eine bessere Sehschärfe als ohne Behandlung ermöglicht. Gleichwohl wäre
es zu einer erheblichen Zerstörung des zentralen Sehvermögens gekommen. Notwendige Krankheitsbehandlungen
müssten dann übernommen werden, wenn eine ganz erhebliche Lebensqualität ohne entsprechende Behandlung
konkret gefährdet sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Bundesverfassungsgericht die Kostenübernahmepflicht
im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des BSG erheblich erweitert habe.
Zum Ablauf der Behandlung im Juli 2002 führt der Kläger aus, am 27. Juni habe er das Medikament um 11.53 Uhr in
der Apotheke gekauft, nachdem er die Vorauszahlung an das UKL i. H. v. 562,42 Euro habe leisten müssen. Dieses
Mittel sei in den Apotheken in der Regel nicht vorrätig und müsse erst bestellt werden. Lediglich bei der Apotheke in
der Nähe der Klinik sei das Mittel mit Sicherheit vorrätig. Es könne ihm kein Vorwurf gemacht werden, zunächst zur
Apotheke und dann zur Beklagten gefahren zu sein. Für die Behandlung seien insgesamt 6.943,26 Euro Kosten
entstanden.
Der Senat hat vom Gemeinsamen Bundesausschuss eine Auskunft eingeholt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Die Ablehnung einer Kostenerstattung durch die
Beklagte in den angefochtenen Bescheiden war lediglich hinsichtlich der PDT des linken Auges im Juli 2002
rechtmäßig. Insoweit ist das zusprechende Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Darüber hinaus hat das
Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger die Kosten für die nachfolgenden PDT des linken Auges zu
erstatten. Der Kläger hat nämlich einen entsprechenden Erstattungsanspruch für die der Behandlung im Juli 2002
nachfolgenden PDT des linken Auges.
Hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs verweist das Sozialgericht zutreffend auf § 13 Abs. 3
Satz 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung
nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die
selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu
erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Um eine so genannte Notfallbehandlung im Sinne der 1. Alternative der
Vorschrift handelt es sich nur, wenn eine dringliche Bedarfslage vorliegt, in der eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur
Verfügung steht. Auf die Unfähigkeit der Krankenkasse, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen, kann
ein Kostenerstattungsanspruch jedoch nur gestützt werden, wenn es dem Versicherten nicht möglich oder nicht
zumutbar war, sich vor der Leistungsbeschaffung mit der Kasse in Verbindung zu setzen (BSG, SozR 3 2500 § 13 Nr.
22). Von einer solchen Unaufschiebbarkeit kann dann gesprochen werden, wenn bei einem Notfall die Behandlung
durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar ist und in anderen vergleichbaren dringlichen
Bedarfslagen, die keinen Aufschub dulden, oder aber die Eilbedürftigkeit infolge einer langen Sachbehandlung durch
den Versicherungsträger eingetreten ist. Solche Fälle lagen hier indes nicht vor. Sie setzen sämtlich voraus, dass es
dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, den regulären Beschaffungsweg einzuhalten. Hierbei ist zu berücksichtigen,
dass die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V gegenüber den
Krankenkassen grundsätzlich einen Sachleistungsanspruch haben; § 13 Abs. 3 SGB V erlaubt nur in einem eng
begrenzten Rahmen, hiervon abzuweichen. Ein derartiges Eilbedürfnis bestand bei der PDT des Klägers nicht. Dabei
verkennt der Senat nicht die sich aus den vorliegenden medizinischen Äußerungen ergebende notwendige zügige
Behandlung des Klägers nach Diagnosestellung. So spricht etwa die vom Kläger vorgelegte Patientenaufklärung zur
PDT des UKL vom 20. August 2001 von einer erheblichen Verschlechterung des zentralen Sehvermögens in einem
Zeitraum von wenigen Wochen oder Monaten. Dieser Zeitraum war für den Kläger jedoch nicht zu kurz, um sich
zunächst mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, dort einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen und das
Ergebnis abzuwarten. Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte grundsätzlich in der Lage ist, innerhalb weniger
Tage über einen solchen Kostenübernahmeantrag zu entscheiden. So ist es auch im Falle des Klägers gewesen.
Diesem gegenüber ist nach zunächst irrtümlicher mündlicher Zusage der Kostenübernahme am 27. Juni 2002 einen
Tag später am 28. Juni 2002 in einem persönlichen Gespräch eine Übernahme der Kosten abgelehnt worden. Diese
zeitliche Abfolge hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 2. November 2006 insoweit bestätigt, als der Irrtum
hinsichtlich der Kostenübernahme am 27. oder 28. Juni aufgeklärt worden sei. Die Mitteilung, dass die PDT bei ihm
keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei, ist dem Kläger im Übrigen auch von Seiten der
behandelnden Ärzte gemacht worden. Eine Notfallbehandlung ist daher nicht erkennbar.
Die Voraussetzungen der 2. Fallalternative des § 13 Abs. 3 SGB V liegen hinsichtlich der Behandlung im Juli 2002
nicht vor, für die Behandlungen danach besteht ein Erstattungsanspruch des Klägers nach dieser Vorschrift.
Hinsichtlich der PDT im Juli 2002 fehlt es nämlich an der Voraussetzung, dass die Beklagte den Leistungsantrag
nicht im Sinne dieser Vorschrift zu Unrecht abgelehnt hat. Voraussetzung des Erstattungsanspruchs ist, dass
zwischen der Leistungsablehnung und den entstandenen Kosten ein Ursachenzusammenhang besteht. Dies macht
bereits der Wortlaut der Regelung durch die Verwendung des Wortes "dadurch" deutlich. Nach ständiger
sozialgerichtlicher Rechtsprechung setzt ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch
im Sinne des § 13 Abs. 3 2. Altern. SGB V voraus, dass der Versicherte die Krankenkasse einschaltet und ihre
Entscheidung abwartet, bevor er sich die Leistung besorgt. Dies folgt neben dem Wortlaut auch daraus, dass diese
Vorschrift in dem Sachleistungssystem des SGB V einen Ausnahmefall darstellt und dem Versicherten einen
Anspruch auf Kostenerstattung nur dann einräumt, wenn sich das Leistungssystem der Krankenversicherung im
Einzelfall als mangelhaft erwiesen hat (BSG, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Daran fehlt es hier für die Behandlung im Juli
2002. Gerade in seinem letzten Schriftsatz vom 3. Mai 2007 bestätigt der Kläger, dass er sich vor Aufsuchen der
Geschäftsstelle der Beklagten zunächst "privat" an die Ambulanz der Augenklinik gewandt und das für die
Behandlung notwendige Medikament Visudyne auf Privatrezept des Prof. Dr. L zu einem Preis von 1.702,10 Euro
erworben habe. Auch die für die an diesem Tag erfolgte Behandlung/Beratung erstandenen Kosten in Höhe von 562,42
Euro hatte der Kläger noch am selben Tage vor Antragstellung bei der Beklagten an die Kasse des
Universitätsklinikums L ausweislich der Quittung vom 27. Juni 2002 gezahlt. Damit hatte er den gesamten Betrag
einschließlich der später erfolgten Operation vor Antragstellung bei der Beklagten bereits aufgewendet und damit die
nach § 13 Abs. 3 Altern. 2 SGB V zwingend einzuhaltende Zeitabfolge für die Antragstellung und die
Inanspruchnahme der Leistung nicht gewahrt.
Dass die Behandlung selbst nach Antragstellung und Ablehnung erfolgte, ist in diesem Zusammenhang ohne
Bedeutung. Jedenfalls muss die Beratung und der Erwerb des Medikaments und die Verabreichung durch die Ärzte
des UKL als einheitliche Behandlung angesehen werden mit der Folge, dass nach der Ablehnung vorgenommene
Behandlungsschritte (hier die Applikation des Medikaments und die Laserbeleuchtung) gleichwohl ebenfalls nicht
erstattungsfähig sind (vgl. BSG, Urt. v. 22. März 2005 B 1 KR 3/04 -). Bereits aus diesem Grund scheitert ein
Kostenerstattungsanspruch des Klägers für die PDT im Juli 2002.
Ohne Bedeutung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urt. v. 14. Dezember 2006 - B 1 KR
8/06 R -) der Umstand, ob unabhängig von der Einhaltung des Beschaffungsweges die Beklagte ohnehin einen
Erstattungsanspruch abgelehnt hätte. In dieser Entscheidung hat das BSG sich ausdrücklich von seiner
entgegengesetzten Rechtsprechung vom 28. September 1993 (SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) gelöst und eine vorherige
Entscheidung der Krankenkasse auch dann als nicht entbehrlich angesehen, wenn die Ablehnung des
Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht (Rz. 12 der
Entscheidung). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung als Folge der eindeutigen Regelung des § 13
Abs. 3 SGB V, mit der der früheren Rechtsprechung des BSG die Grundlage entzogen worden war, angeschlossen.
Hinsichtlich der Behandlungen im August 2002 und Februar 2003 hat der Kläger hingegen den von § 13 Abs. 3 Altern.
2 SGB V vorgeschriebenen Beschaffungsweg eingehalten. Zu diesen Zeitpunkten lag eine ablehnende Entscheidung
der Beklagten vor. Auch die weiteren Voraussetzungen des in dieser Vorschrift geregelten
Kostenerstattungsanspruchs liegen vor, denn der Kläger hatte auf die streitige Behandlung grundsätzlich einen
Sachleistungsanspruch gemäß § 28 SGB V, so dass die Ablehnung seines Antrages, die Kosten zu übernehmen, zu
Unrecht erfolgte.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die PDT mit Visudyne grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung durchgeführt werden kann. Die entsprechende Zulassung ist vom Gemeinsamen
Bundesausschuss am 18. Januar 2001 beschlossen worden, die Spitzenverbände der Krankenkassen haben auf der
Grundlage der Empfehlung eine Qualitätsvereinbarung zur PDT getroffen, die am 1. August 2001 in Kraft getreten ist
(Nr. 6332 des EBM). Allerdings bezog sich der Beschluss auf die Behandlung der subfovealen klassischen
choriodaler Neovaskularisation und nicht, wie beim Kläger, auf die juxtafoveale Form. Diese Abweichung führt nach
Auffassung des erkennenden Senats jedoch nicht dazu, dass der Erstattungsanspruch des Klägers abzulehnen ist.
Sowohl die Gutachten des MDK als auch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B machen
deutlich, dass Grundlage für die Ablehnung der Kostenübernahme allein die Lage der behandelten Gefäßneubildung
ist. Nur wenn diese mitten, in oder unter der Stelle des schärfsten Sehens liegt, werden nach dieser Beschlusslage
die Kosten übernommen, nicht jedoch, wenn sie, wie im Falle des Klägers, neben der Stelle des schärfsten Sehens
liegt, also im juxtafovealen Bereich. Dabei sind, so der Sachverständige Dr. B , die genannten Formen der Erkrankung
in Bezug auf die Therapie medizinisch als gleichwertig einzustufen. Vor diesem Hintergrund kommt der Senat zu dem
Ergebnis, dass der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für die Behandlung im August 2002 und Februar 2003
besteht. Diesen Anspruch leitet der Senat aus der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, auch des BSG, zum sog. "Off-
Label-Use" ab, deren Voraussetzungen durch den Kläger erfüllt werden. Danach müssen (kumulativ) vorliegen:
1. Die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohenden oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig
beeinträchtigenden) Erkrankung. 2. Es ist keine andere Therapie verfügbar. 3. Aufgrund der Datenlage besteht die
begründete Aussicht, dass mit dem betreffenden Präparat ein kurativer oder palliativer Behandlungserfolg erzielt
werden kann.
Diesem Ansatz des BSG (dort im Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R -) hat der Senat in seiner Entscheidung
vom 8. Oktober 2002 (L 1 KR 5/02) zugestimmt. Die aufgezählten Voraussetzungen sind bei der Erkrankung des
Klägers erfüllt. Nach Auskunft der Ärzte hätte die Makuladegeneration zu einer Erblindung des linken Auges geführt.
So weist Dr. B in seinem Gutachten vom 19. Juli 2005 darauf hin, dass bei unbehandeltem Krankheitsverlauf das
zentrale Sehvermögen des Klägers zerstört worden wäre mit einer Sehschärfe unter 0,05. Auch die
Patienteninformation seitens des UKL spricht von einer Zerstörung des größtenteils zentralen Sehvermögens über
einen Zeitraum von wenigen Wochen oder Monaten ohne Behandlung. Muss der Versicherte mit der Erblindung eines
Auges rechnen, so handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine schwerwiegende (lebensbedrohliche oder die
Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende) Erkrankung, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 19.
Oktober 2004 (B 1 KR 27/02 R) zutreffend festgestellt hat. Hinzu kommt beim Kläger noch, dass nicht nur mit einer
Erblindung des linken Auges aufgrund der Makuladegeneration zu rechnen war, sondern es darüber hinaus bereits
schon vorher im Mai 2002 zu einer voranschreitenden Verschlechterung der Sehschärfe des rechten Auges aufgrund
einer epiretinalen Gliose gekommen war.
Die zweite Voraussetzung, Fehlen einer Alternativbehandlung, liegt ebenfalls vor. Die Laserbehandlung, die insoweit
von der Beklagten als Alternativbehandlung angeführt wird, stellt eine solche nicht dar. Denn sämtliche medizinischen
Äußerungen einschließlich der des MDK gehen davon aus, dass eine Laserkoagulation aufgrund der Nähe zum
Zentrum des schärfsten Sehens zu einer Sehverschlechterung beim Kläger geführt hätte. So führt der gerichtliche
Sachverständige Dr. B hierzu aus, dass die Alternative zur Therapie der PDT die klassische Laserbehandlung
gewesen wäre, bei der das Gefäß ebenfalls verödet, jedoch die umliegende Netzhaut dabei zerstört werde, was einen
massiven Sehverlust zur Folge habe. Und Dr. O vom MDK legt dar, dass, sollte eine Laserkoagulation aufgrund der
Nähe zum Zentrum der fovealen avasculären Zone nicht möglich sein, eine gesicherte alternative
Behandlungsmöglichkeit im vertragsärztlichen Bereich nicht bestehe, eine Sehverschlechterung nicht auszuschließen
sei. Und die von Dr. B vorgelegte Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, der
Retinologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands zu der aktuellen Therapie der
neovaskulären AMD vom Mai 2005 differenziert überhaupt nicht erst zwischen der juxta- und der subfoveolaren Läsion
und empfiehlt für beide Formen die hier streitgegenständliche PDT. Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom
11. November 2005 bestätigt Dr. B nochmals, dass bei der Lokalisation der Läsion des Klägers die klassische
Laserkoagulation zu einer sofortigen Sehverschlechterung geführt hätte. Überdies weist er auf eine Rezidivquote von
etwa 50 % hin.
Auch die dritte Voraussetzung für die Kostenerstattung im Sinne der Rechtsprechung zum sog. "Off-Label-Use" liegt
vor, nämlich die aufgrund der Datenlage begründete Aussicht, dass mit der betreffenden Behandlung ein Erfolg erzielt
werden könne. Zwar mag es zutreffen, dass, wie vom MDK behauptet, die Datenlage der PDT bei der juxtafovealen
Form nicht so umfassend ist wie bei der subfovealen Form. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Therapieerfolg
bei beiden Formen als gleichwertig einzustufen ist, worauf Dr. B in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. August
2005 hinweist. Die Behandlungsform ist die gleiche, lediglich der Ort der Behandlung ist unterschiedlich. In dem Fall
vermag der Senat keinen Grund dafür zu finden, dass für die hier streitige Behandlung bei fehlender Alternative die
Zulassung versagt wird. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist offensichtlich auch nicht bereit, eine Überprüfung der
Aufnahme der PDT bei der juxtafoveolären CNV vorzunehmen, allein deshalb, weil für das Medikament Visudyne
keine arzneimittelrechtliche Zulassung vorliegt.
Liegen die Voraussetzungen der Kostenerstattung im Rahmen des sog. "Off-Label-Use" mithin vor, besteht ein
Anspruch des Klägers auf die Erstattung der Kosten der Behandlung im August 2002 und Februar 2003. Mit dieser
Einschätzung steht der Senat auch im Einklang mit der neuen Rechtsprechung des BSG im Rahmen des "Off-Label-
Use". So hat das BSG in seiner Entscheidung vom 26. September 2006 (B 1 KR 14/06 R, dort Rz. 11) nochmals
betont, dass die aufgeführten engen Grenzen vor dem Hintergrund der Güterabwägung zu sehen seien zwischen dem
durch die arzneimittelrechtlichen Zulassungserfordernisse bewirkten Patientenschutz auf der einen Seite und den
Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden Bedarfs auf
der anderen Seite. Ein solcher Bedarf lag hier beim Kläger unzweifelhaft vor, der durch andere Behandlungsformen
(Laserkoagulation) nicht befriedigt werden konnte. Aufgrund der bereits anerkannten Wirkweise der PDT bei im Prinzip
der gleichen Krankheit war von einer Gefährdung des Klägers durch die anerkannte Form der PDT nicht auszugehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zu.