Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 22.09.2009

LSG San: zuschuss, zuwendung, erlass, prämie, verfügung, ankauf, bestreitung, halle, bezahlung, kaufvertrag

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 22.09.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Halle (Saale) S 19 AS 3421/09 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AS 315/09 B ER
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die am ... 1971 geborene Antragstellerin bezieht von der Antragsgegnerin laufende Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Am 28. Januar 2009 bestellte die Antragstellerin bei einem Autohaus in E. einen Personenkraftwagen (Pkw) der Marke
"Kia", Typ "Picanto LX" mit einer "Tageszulassung" im Januar 2008 zum "Hauspreis" von 8.700,00 EUR. Zusammen
mit der Bestellung beauftragte die Antragstellerin das Autohaus, in ihrem Namen einen Zuschuss (die sogenannte
Umweltprämie) nach der Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 20. Februar 2009
über die Förderung des Absatzes von Pkw (Umweltprämie) zu beantragen, wobei die Überweisung des
Zuschussbetrages direkt auf ein Konto des Autohauses erfolgen sollte. Einen Nachweis über die Verwertung (=
Verschrottung) ihres alten Pkw (einen Pkw Opel Corsa mit Erstzulassung im Jahre 1992) fügte die Antragstellerin für
den Antrag bei. Hinsichtlich der Bezahlung des Kaufpreises für das bestellte Fahrzeug vereinbarte die Antragstellerin
mit dem Autohaus, dass ein Teilbetrag von 2.500,00 EUR mit dem beantragten Zuschuss verrechnet werden und der
restliche Kaufpreis bar gezahlt werden sollte. Für den Fall der Nichtzahlung des Zuschusses verpflichtet sich die
Antragstellerin zur Zahlung des Betrages von 2.500,00 EUR an das Autohaus. Den Anspruch auf den beantragten
Zuschuss trat die Antragstellerin an das Autohaus ab. Auf dieser Basis kam zwischen der Antragstellerin und dem
Autohaus ein Kaufvertrag zustande und der Pkw wurde der Antragstellerin übergeben und sie als Halterin in den
Fahrzeugschein und den Kraftfahrzeugbrief eingetragen.
Mit Bescheid vom 23. April 2009 bewilligte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle der Klägerin "für die
Verschrottung des Altfahrzeuges und den Erwerb des Neufahrzeuges" einen Zuschuss in Höhe von 2.500,00 EUR,
der auf das angegebene Konto des Autohauses überwiesen wurde (wegen der näheren Einzelheiten des
Bewilligungsbescheides wird auf Blatt 387 der Verwaltungsakten Bezug genommen). Den Restkaufpreis von 6.200,00
EUR zahlte die Antragstellerin vereinbarungsgemäß an das Autohaus. Zu diesem Zweck hatte die Antragstellerin
4.700,00 EUR von ihrem Girokonto abgehoben. Einen Betrag von 1.500,00 EUR hatte die Antragstellerin von einer
privaten Darlehensgeberin (ihrer Tante) erhalten.
Mit einem Bescheid vom 8. Juli 2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragsstellerin für den Zeitraum vom 1.
August bis zum 30. September 2009 auf einen Fortzahlungsantrag hin Leistungen in einer monatlichen Höhe von
88,91 EUR (statt bisher 588,91 EUR monatlich). Dabei ging die Antragsgegnerin von einem monatlichen Bedarf der
Antragstellerin von 588,91 EUR aus (359,00 EUR Grundbedarf und 229,91 EUR für Unterkunfts- und Heizkosten) und
setzte davon anzurechnendes Einkommen in Höhe von 500,00 EUR monatlich ab. Dabei berücksichtigte die
Antragsgegnerin monatliches Einkommen der Antragstellerin aus einer Beschäftigung in Höhe von 70,00 EUR netto
monatlich und 500,00 EUR im Monat anteilig für den der Klägerin vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
bewilligten Zuschuss (= der Umweltprämie) und kam nach Absetzung von Freibeträgen - rechnerisch nicht
nachvollziehbar - zu einer Anrechnungssumme von genau 500,00 EUR monatlich.
Die Antragstellerin hat am 22. Juli 2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht
Halle (SG) gestellt und zugleich Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Juli 2009 erhoben. Sie hat den Antrag
gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen in Höhe von 588,91 EUR monatlich zu gewähren. Das SG
hat der Antragstellerin aufgegeben, Belege über den aktuellen Wert des neu angeschafften Pkw vorzulegen. Dem ist
die Antragstellerin nachgekommen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (Blatt 47 bis 52)
verwiesen. Das Girokonto der Antragstellerin wies nach den mit dem Prozesskostenhilfeantrag vorgelegten Unterlagen
Anfang August 2009 noch ein Guthaben von 1.290,39 EUR aus; sonstiges Vermögen war nicht vorhanden.
Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 7. August 2009 vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin für den
Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2009 zusätzlich zu dem bereits bewilligten Betrag von monatlich 88,91
EUR weitere 470,00 EUR monatlich zu zahlen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. In den Gründen wird
ausgeführt: Zwischen den Beteiligten sei der monatliche Bedarf der Antragstellerin in Höhe von insgesamt 588,91
EUR unstreitig. Das monatliche Einkommen der Antragstellerin von 100,00 EUR liege unter dem zu
berücksichtigenden Grundfreibetrag und sei anrechnungsfrei. Die Umweltprämie sei nicht als Einkommen zu
berücksichtigen. Es handele sich um eine zweckbestimmte Einnahme, die auch die Lage der Leistungsempfängerin
nicht so günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt seien. Der von der
Antragstellerin erlangte Vorteil liege hauptsächlich darin, dass sie den neuen Pkw als Vermögensgegenstand erlangt
habe. Der Verkauf des Pkw sei der Antragstellerin wirtschaftlich nicht zuzumuten. Im Hinblick darauf, dass es um
eine nur vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gehe, werde diese auf
die Leistung der zusätzlichen 470,00 EUR monatlich begrenzt.
Gegen den ihr am 12. August 2009 zugestellten Beschluss hat nur die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Sie ist
der Auffassung: Die der Antragstellerin gewährte Umweltprämie sei als einmalige Einnahme auf den Bedarf
anzurechnen. Die Prämie werde durch den Staat für die Verschrottung eines Altfahrzeuges gewährt. Die
Antragstellerin habe durch die Gewährung der Umweltprämie in dieser Höhe Aufwendungen zur Tilgung des
Kaufpreises für den neuen Pkw erspart. Die Umweltprämie sei rund siebenmal so hoch wie die monatliche
Regeleistung für alleinstehende Personen. Folglich trete durch die Gewährung der Umweltprämie immer eine
Besserstellung der begünstigten Leistungsempfänger ein. Die Anrechnung der Umweltprämie sei auch vom
Gesetzgeber gewollt.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 7. August 2009 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung insgesamt abzulehnen.
Die Antragsstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, durch die Zubilligung der Umweltprämie sei keine Besserstellung für sie eingetreten und
verweist darauf, dass sie für den Ankauf des Pkw ihr vorher insoweit verwertungsgeschütztes Vermögen verbraucht
habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Antragsgegnerin auszugsweise in Kopie
vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Ein gesetzlicher
Ausschluss der Beschwerde greift nicht ein. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nicht einschlägig, weil in der Hauptsache (bei
unterstelltem Klageverfahren) die Berufung bei einem Beschwerdewert von 940,00 EUR (470,00 EUR monatlich bei
zwei Monaten) zulässig wäre.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Antragstellerin hat Anspruch auf vorläufige Leistungsgewährung
zumindest in dem Umfang, wie er sich aus dem Tenor der nur von der Antragsgegnerin angefochtenen Entscheidung
des SG ergibt.
Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist als Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen.
Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen
sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine
Regelungsanordnung in Betracht, weil die Antragstellerin höhere Leistungen begehrt, als die zuerkannten. Die
Anordnung kann erlassen werden, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht
gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und dass er ohne den Erlass der begehrten Anordnung
bei Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens (hier zunächst des noch anhängigen Widerspruchsverfahrens)
wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).
Die Antragstellerin hat zunächst die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht.
Der Antragstellerin sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Antragsgegnerin für den Zeitraum
vom 1. August bis zum 30. September 2009 in Höhe von monatlich 88,91 EUR bewilligt worden. Leistungen in dieser
Höhe reichen auch unter Berücksichtigung des Erwerbseinkommens der Antragstellerin in Höhe von monatlich 70,00
EUR netto nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus. Die Antragstellerin hat einstweiligen Rechtsschutz bereits
mit ihrem am 22. Juli 2009 beim SG eingegangenen Antrag begehrt. Es entspricht der überwiegenden Spruchpraxis
der Sozialgerichte, die rückwirkende Verpflichtung eines Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung für die
Zeit ab Eingang des Eilantrags beim SG bis zum Entscheidungszeitpunkt (auch im Beschwerdeverfahren) nicht von
der gesonderten Glaubhaftmachung eines zum Entscheidungszeitpunkt noch aktuell vorliegenden Nachholbedarfs
abhängig zu machen (siehe die Rechtsprechungshinweise bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum
SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 29 a am Ende und 35a). Dem hat der erkennende Senat sich für die Fälle
angeschlossen, in denen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in der Zeit ab Eingang des Rechtsschutzantrages
bis zum Entscheidungszeitraum Veränderungen in den Verhältnissen bezogen auf die Hilfebedürftigkeit eingetreten
sind. Denn dann rechtfertigt allein die Feststellung, dass zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmte Leistungen
nicht oder nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen erbracht worden sind, in der Regel die Bejahung des
Anordnungsgrundes. Dies gilt dann auch für den zurückliegenden Zeitraum ab Eingang des Rechtsschutzantrags,
ohne dass der Hilfebedürftige z. B. nachweisen muss, einen Nachholbedarf wegen des unterbliebenen Ersatzes
verschlissener Kleidung oder des unterbliebenen Ankaufs von Wasch- und Reinigungsmitteln zu haben (Beschluss
vom 9. Juli 2009 - L 2 AS 194/09 B ER). Daran hält der Senat fest. In solchen Fällen erstreckt sich die Annahme der
für den Anordnungsgrund erforderlichen Notlage auch auf die vor der Antragstellung liegenden Tage des Monats, in
dem der Rechtsschutzantrag gestellt wird, wenn die angefochtene Entscheidung des Leistungsträgers sich auch auf
diesen Zeitraum bezieht.
Die Antragstellerin hat auch die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin ist erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II. Sie ist auch hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II. Im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann ohne weitere Nachprüfungen von dem zwischen den Beteiligten
unstreitigen Bedarf der Antragstellerin in Höhe von 588,91 EUR monatlich ausgegangen werden. Dem stehen nur
Einkünfte in Höhe von monatlich 70,00 EUR netto aus der geringfügigen Beschäftigung der Antragstellerin gegenüber,
die in dieser Höhe aufgrund des nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II vom Einkommen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
abzusetzenden Betrages von monatlich 100,00 EUR nicht zu berücksichtigen sind.
Der der Antragstellerin als Zuschuss mit Bescheid vom 23. April 2003 bewilligte Betrag von 2.500,00 EUR ist nicht als
Einkommen zu berücksichtigen.
Bei der der Antragstellerin als Zuschuss bewilligten Umweltprämie handelt es sich nach Auffassung des Senats um
Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert als
Einkommen zu berücksichtigen. Gegen die Berücksichtigung spricht hier nicht, dass die Antragstellerin den Anspruch
auf die Umweltprämie bereits vor der Bewilligung und der Auszahlung bzw. Überweisung des Betrages an das
Autohaus abgetreten hatte. Die Antragstellerin bezog auch zum Zeitpunkt der Abtretung bereits laufende Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Vorausabtretung steht wertungsmäßig einer Verfügung
über die bewilligte Summe gleich, so dass die auf Wunsch der Antragstellerin erfolgte Gutschrift der Summe auf dem
Konto des Autohauses, die eine Befreiung von der Kaufpreisschuld der Antragstellerin in dieser Höhe bewirkte, im
Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II als der Antragstellerin zugeflossene Einnahme in Geldeswert in Höhe von 2500,00 EUR
zu werten ist. Dabei kommt es hier auf das genaue Datum der Gutschrift nicht an, die hier jedenfalls vor dem Beginn
des streitigen Zeitraums vom 1. August bis 30. September 2009 erfolgt ist. Bei dem Prämienbetrag handelt es sich
um eine Einmalzahlung, bei der die Berücksichtigung als Einkommen nicht auf den Monat des Zuflusses begrenzt ist.
Die Anrechnung kann anteilig über mehrere Monate, den so genannten Verteilzeitraum erfolgen, wie sich aus § 2 Abs.
3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung (Alg II-VO) ergibt. Der Verteilzeitraum beginnt zwar grundsätzlich mit
dem Zeitpunkt des Zuflusses der einmaligen Einnahme; eine Ausnahme ist nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-VO
zulässig, wenn für den Monat des Zuflusses Leistungen bereits im Voraus erbracht worden sind. Die später
zufließenden einmaligen Einnahmen können dann ab dem Folgemonat berücksichtigt werden. Wenn auch dies
verwaltungstechnisch nicht mehr umsetzbar ist, kann die Anrechnung auch in einem späteren Monat beginnen
(Bundessozialgericht - BSG -, Urteil v. 13. Mai 2009 – B 4 AS 49/08 R – zitiert nach juris). Grundsätzlich kommt hier
somit eine Einkommensanrechnung auch in den Monaten August und September 2009 in Betracht.
Bei der der Antragstellerin zugeflossenen Umweltprämie handelt es sich aber um zweckbestimmte Einnahmen im
Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II (so auch SG Magdeburg, Beschl. v. 15. April 2009 – S 16 AS 907/09 ER – zitiert
nach juris). Nach dieser Vorschrift sind Einnahmen nicht als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen,
soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die
Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt
wären. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Senats hier vor. Gegen die Bewertung der Umweltprämie
als zweckbestimmte Einnahme und eine direkte Anwendung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II spricht nicht, dass die
Prämie auch ein Hilfebedürftiger erhalten kann, der nach der von ihm bezahlten Verschrottung des Altfahrzeuges auch
die Kaufpreisverpflichtung aus dem Kaufvertrag für das Neufahrzeug zunächst vollständig mit eigenen Mitteln (aus
seinem Schonvermögen) erfüllt hat und dann nach dieser "Vermögensumschichtung" nachträglich mit der Zuwendung
"prämiert" wird. Zwar kann der Hilfebedürftige dann den Zuwendungsbetrag ohne Bindung verwenden (Labrenz in NJW
2009, S. 2245, 2248 hält deshalb eine nur entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II für geboten).
Dennoch erfolgte die Gewährung der Zuwendung mit einer erkennbaren Zweckbestimmung im Sinne des § 11 Abs. 3
Nr. 1a SGB II. Sinn der Vorschrift ist es zu verhindern, dass die besondere Zweckrichtung einer Leistung durch die
Berücksichtigung (als anzurechnendes Einkommen) im Rahmen des SGB II verfehlt wird (BSG, Urteil vom 3. März
2009 - B 4 AS 47/08 R – zitiert nach juris). Es muss eine Zweckbestimmung der Leistung erkennbar sein, wonach
diese einem anderen Zweck dient als die zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährten SGB II-Leistungen. In der für
die Gewährung der Umweltprämie maßgeblichen Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen von
20. Februar 2009 (BAnz. S. 835, 1056) wird zum "Zuwendungszweck" ausgeführt, die Bundesregierung habe sich zum
Ziel gesetzt, mit Hilfe einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personenwagen zu fördern.
Deshalb werden die nachzuweisende Verschrottung des Altfahrzeugs und der Erwerb eines Neufahrzeuges zu
Voraussetzungen für die Gewährung der Zuwendung gemacht. Die Zuwendungsempfänger sollen zu solchen
Handlungen motiviert werden. Diese Zweckbestimmung kann im Falle einer Gewährung der Zuwendung an
Hilfebedürftige nach dem SGB II nur erreicht werden, wenn diese den Zuwendungsbetrag nicht vorrangig vor den
ansonsten nach dem SGB II gewährten Leistungen für die Bestreitung des Lebensunterhalts einsetzen müssen. Denn
dann würde der Prämienbetrag wirtschaftlich dem Träger der Grundsicherungsleistungen zugute kommen und nicht
den Hilfebedürftigen, die dann in der ganz überwiegenden Anzahlt der Fälle auch nicht zum Einsatz ihres
Schonvermögens für die Verschrottung ihres Altfahrzeuges und den Ankauf eines Neuwagens motiviert werden
könnten. Dies gilt jedenfalls unter der aus rechtsstaatlichen Gründen anzunehmenden Prämisse, dass es nicht als
Erreichung des Zuwendungszwecks angesehen werden kann, wenn die Hilfebedürftigen auf Grund der falschen
Vorstellung von einer "Anrechnungsfreiheit" der Prämie zur Anschaffung einer Neufahrzeuges motiviert würden.
Mit Recht wird auch darauf hingewiesen, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die rechtliche Konstruktion für die
Gewährung der Umweltprämie gewählt hat, um den damit verbundenen Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu
halten. Denn die Gewährung in der Form einer im Sinne des Zuwendungsrechts herkömmlichen zweckgebundenen
Leistung wäre mit einem weitaus größeren Verwaltungsaufwand verbunden gewesen. Im Einzelfall wäre dann die
zweckentsprechenden Verwendung einer vorab für die Kaufpreiszahlung bewilligten Summe nachzuweisen und zu
überprüfen gewesen (vgl. Labrenz, a. a. O., S. 2248). Die konkrete Ausgestaltung spricht somit nicht gegen die
Zweckbestimmung der Zuwendung.
Dieser Annahme einer erkennbaren öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung kann nicht entgegen gehalten werden,
dass seitens der Bundesregierung nach Erlass der für die Gewährung der Umweltprämie maßgeblichen Richtlinie auf
parlamentarische Anfragen Antworten in dem Sinne gegeben worden sind, dass die zugeflossene Umweltprämie von
den Hilfebedürftigen zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen sei (so die Antworten des Staatssekretär
Scheele vom 5. und 20. Februar 2009 (siehe BT-Drucksachen 16/11845, S. 38 und 16/12073, S. 32). Diese Antworten
stellen, ebenso wie entsprechende Einschätzungen von Parlamentariern, nur Meinungsäußerungen zur bestehenden
Rechtslage nach Inkrafttreten der Richtlinie dar, sagen aber nichts über die mit der Gewährung der Umweltprämie
intendierte Zweckbestimmung aus. Beim Erlass der maßgeblichen Richtlinie ist sich der Gesetzgeber bzw. die für die
untergesetzliche Umsetzung durch Verordnung zuständige Bundesregierung der Frage nach der
Berücksichtigungsfähigkeit der Umweltprämie bei Leistungen nach dem SGB II überhaupt nicht bewusst gewesen
(Labrenz, a. a. O., S. 228). Dafür, dass Hilfebedürftige nach dem SGB II nicht in den Genuss der Umweltprämie
kommen sollten, gibt es keine Anhaltspunkte. Wenn dies aber so ist, erstreckt sich die erkennbare Zweckbestimmung
der Leistung auch auf diesen Personenkreis.
Eine Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen ist auch nicht deshalb geboten, weil die Leistung die Lage
des Empfängers so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Der
gegenteilige Auffassung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – LSG NRW - (Beschluss vom 3.
Juli 2009 – L 20 B 66/09 AS – zitiert nach juris) schließt sich der erkennende Senat nicht an. Das LSG NRW stellt
darauf ab, dass dem Leistungsempfänger erhebliche Geldmittel in mehrfacher Höhe einer monatlichen Regelleistung
letztlich für ein Verbrauchsgut (= den Ankauf des neuen Pkw) und damit für den privaten Konsum zur Verfügung
gestellt werden. Dem kann überzeugend entgegen gehalten werden, dass dem Hilfebedürftigen im Ergebnis keine
Mittel zufließen, die er für seinen Unterhalt oder sonst frei verwenden kann. Bei der Erfüllung der Voraussetzungen für
die Gewährung der Umweltprämie nimmt der Hilfebedürftige eine Umschichtung von Schonvermögen vor, dass er nun
für den Ankauf des neuen Fahrzeuges verwendet. Die staatliche Prämie fließt dabei wirtschaftlich betrachtet in die
Bezahlung ein, ohne für andere Zwecke zur Verfügung zu stehen (so SG Lüneburg, Beschl. v. 22. August 2009 – S
75 AS 125/09 ER – zitiert nach juris). Dies gilt jedenfalls für solche Konstellation bei denen – wie im hier zu
entscheidenden Fall – im Verhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Verkäufer des Neufahrzeuges geregelt
ist, dass die Auszahlung der Prämie unmittelbar an diesen zu erfolgen hat und dann erfüllungshalber auf die
Kaufpreisschuld anzurechnen ist. Darauf, dass dies dem Hilfebedürftigen ansonsten anders zu finanzierende
Aufwendungen erspart, kommt es nicht an, weil dieser im Hinblick auf die ihm für den Lebensunterhalt zur Verfügung
stehenden Mittel nicht besser gestellt wird.
Die Antragstellerin konnte auch nicht darauf verwiesen werden, zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts im streitigen
Zeitraum verwertbare Vermögensgegenstände zu veräußern. Nach den im Antragsverfahren vorgelegen Bewertungen
zum aktuellen bei einem Verkauf zu realisieren Wert des neu angeschafften Pkw der Antragstellerin betrug dieser
Anfang August 2009 unter Berücksichtigung des inzwischen erreichten Kilometerstandes nach einer Bewertung der
"Schwacke Fahrzeugbewertung" nur noch 4.960,00 EUR. Damit lag der Wert unter der vom BSG bei 7.500,00 EUR
angenommenen Angemessenheitsgrenze (vgl. dazu BSG, Urteil v. 6. September 2007 – B 14/7b AS 66/06 R – zitiert
nach juris). Der Pkw war daher nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Das aktuelle
Guthaben auf dem Girokonto der Antragstellerin von 1290,39 EUR lag unter dem der Antragstellerin entsprechend
ihres Lebensalters nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II zugebilligten Vermögensfreibetrag von 5.700,00 EUR
zuzüglich des Freibetrages von 750,00 EUR nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II, also einem
verwertungsgeschützten Betrag von insgesamt 6.450,00 EUR.
Die Kostenentscheidung erfolgt entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.