Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 13.01.2011

LSG San: witwenrente, beweis des gegenteils, anspruch auf bewilligung, gesetzliche vermutung, tod, wirtschaftliches interesse, versorgung, heirat, hochzeit, krankheit

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom 13.01.2011 (rechtskräftig)
Sozialgericht Magdeburg S 9 R 41/06
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 3 R 422/09
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer großen Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
(Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Bei dem am ... 1948 geborenen und am ... 2005 verstorbenen G. E. Sch., im Folgenden "der Versicherte", wurde im
Januar 2004 nach einer zunächst konservativen Behandlung seiner Magen-/Darmbeschwerden die Diagnose eines
stenosierenden Adenokarzinoms des Zökums mit multiplen Lebermetastasen gestellt. Auf den Bericht des Klinikums
Q. bewilligte die zuständige Krankenkasse dem Versicherten eine Anschlussheilbehandlung in der
Rehabilitationsklinik B. S. vom 4. Februar bis zum 1. März 2004. Nach dem Entlassungsbericht dieser
Rehabilitationsklinik vom 3. März 2004 befand sich der Versicherte dort in einem Zustand mit ausgeprägtem
Konditions- und Kraftmangel, aber ohne Schlaf- oder Ernährungsprobleme. Auf Grund des ausgedehnten
Tumorleidens unter fortlaufender palliativer Therapie sei dem Versicherten keine Tätigkeit mehr zuzumuten.
Der Versicherte verfügte über abgeschlossene Berufsausbildungen als Gärtner und Schlosser, war zunächst als
Zeitsoldat und ab Januar 1972 bis September 1990 als Berufssoldat bei der Nationalen Volksarmee (zuletzt als
Stabsfähnrich in der Lagerverwaltung) tätig. Er war Vater von einem im Jahr 1974 geborenen Sohn und einer im Jahr
1980 geborenen Tochter; nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Jahr 1986 bezog er große Witwerrente von der
früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit einem Zahlbetrag ab dem 1. April 2004 von 407,28
EUR. Zuletzt stand er seit dem 1. Oktober 2003 in einem zum 31. März 2004 befristeten Beschäftigungsverhältnis bei
einer Baufirma (Versorgung von Baustellen, Materialeinkauf etc.). Vom 7. bis zum 14. November 2003 und ab dem 5.
Januar 2004 war der Versicherte arbeitsunfähig. Die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, deren
Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, teilte ihm mit Schreiben vom 17. März 2004 mit, sein Antrag auf Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben vom 26. Januar 2004 werde in einen Rentenantrag umgedeutet; es liege eine volle
Erwerbsminderung vor. Im Juni 2004 bewilligte die LVA dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung mit
einem Zahlbetrag von 860,08 EUR. Die Pflegekasse der BKK Gesundheit bewilligte dem Versicherten mit Bescheid
vom 21. Juli 2005 auf seinen Antrag vom 7. Juni 2005 ab dem 1. Juni 2005 Pflegegeld nach der Pflegestufe III.
Die am ... 1946 geborene Klägerin steht nach ihren Angaben in einem ungekündigten Anstellungsverhältnis als
Berufsschullehrerin. Zeitweise hat sie nebenberuflich auch in der Erwachsenenqualifizierung und als
Versicherungsvertreterin gearbeitet. Sie bezog von der BfA bzw. der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 1.
August 2003 bis zum 31. Dezember 2008 aus der eigenen Versicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung
mit einem Zahlbetrag von 937,51 EUR. Sie hat aus ihrer ersten Ehe drei in den 70er-Jahren geborene Kinder. Sie und
der Versicherte heirateten am 29. Juni 2005 (einem Mittwoch). Mit einem von der Klägerin geschriebenen und von
dem Versicherten unterschriebenen Schreiben vom 12. Juli 2005 informierte der Versicherte die LVA, er habe "seine
langjährige Verlobte" geheiratet.
Die Klägerin beantragte am 8. August 2005 bei der LVA die Bewilligung einer Witwenrente. In der Anlage zum
Rentenantrag gab sie (durch Ankreuzen) an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des
ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Ehegatten sei bei Eheschließung auf absehbare
Zeit nicht zu erwarten gewesen.
Die LVA richtete zunächst eine Anfrage an die Hausärztin des Versicherten, Dr. H., die in ihrer Stellungnahme vom 4.
November 2005 ausführte, die Diagnosestellung sei am 12. Januar 2004 erfolgt. Der Versicherte sei an den Folgen
eines Zäkumkarzinoms verstorben. Im Anschluss an ihren letzten Hausbesuch am 18. Juli 2005 habe sie den
Versicherten auf Grund einer allgemeinen Befundverschlechterung stationär einweisen müssen. Sowohl der
Versicherte als auch seine Ehefrau seien über die Ernsthaftigkeit des Krankheitsbildes, aber auch über die eventuell
schlechte Prognose aufgeklärt gewesen. Der Versicherte habe sich nach der Operation gut erholt und die zur
Sicherheitsbehandlung durchgeführte Chemotherapie gut toleriert. Die weiteren diagnostischen Verlaufskontrollen
hätten trotz Chemotherapie und des Zustands nach der Operation eine zunehmende Metastasierung ergeben; seit
Juni 2005 sei dann eine akute Verschlechterung mit voraussehbarer infauster Prognose eingetreten.
Die LVA lehnte den Antrag der Klägerin auf Witwenrente mit Bescheid vom 5. September 2005 ab. Der Tod ihres
Ehegatten sei vor der Mindestehedauer von einem Jahr eingetreten. Es lägen auch keine besonderen Umstände vor,
die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprächen.
Hiergegen legte die Klägerin am 22. September 2005 Widerspruch ein. Sie sei bereits seit dem Jahr 1987 mit dem
Versicherten befreundet gewesen und habe mit ihm seit dem Jahr 1989 eine gemeinsame Wohnung bewohnt. Sie
habe die beiden Kinder des Versicherten nach dem Tod seiner ersten Ehefrau während seiner berufsbedingten
Abwesenheit versorgt. Nach der Wende habe der Versicherte große berufliche Probleme gehabt, sodass ihr Gehalt
oftmals die finanzielle Basis gebildet habe. Anlass für ihre Hochzeit mit dem Versicherten sei gewesen, dass im
Sommer 2005 "das letzte Kind" seine Ausbildung beendet gehabt habe. Man habe nun endlich die lange
Zusammengehörigkeit besiegeln wollen. Niemand habe ahnen können, dass ihr Mann nur noch so kurze Zeit leben
würde. Für September 2005 sei noch eine Reise gebucht gewesen. Der Versicherte sei, bevor er verstorben sei, stark
pflegebedürftig gewesen (Stufe III). Auch diese Pflege habe sie - mit Ausnahme der Krankenhausaufenthalte -
durchgeführt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2006 als unbegründet zurück. Nach den
Angaben von Dr. H. vom 4. November 2005 sei davon auszugehen, dass die Klägerin trotz der bei dem Versicherten
erhofften Heilung mit einer tödlichen Folge der schweren Krebserkrankung zu rechnen gehabt habe. Demzufolge habe
die Annahme einer "Versorgungsehe" von der Klägerin nicht widerlegt werden können, sodass die Regelung in § 46
Abs. 2a SGB VI der Gewährung einer Witwenrente entgegen stehe.
Mit ihrer am 30. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren
weiterverfolgt. Sie wolle nun die Vermutung einer "Versorgungsehe" widerlegen. Die Beklagte habe den Verlauf ihrer
Beziehung von 18 Jahren mit dem Versicherten nicht berücksichtigt. Vorwiegend sie habe den Lebensunterhalt - auch
der fünf Kinder - und deren Ausbildung finanziert. Auch nach dem Tod des Versicherten seien dessen Kinder, die
beide Hartz IV-Empfänger seien, auf ihre Hilfe und Unterstützung angewiesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung habe
sie daran geglaubt, ihr Ehemann werde die Krankheit überstehen. Sie beide seien nicht davon ausgegangen, dass er
bald sterben werde. Sie selbst habe eine Krebserkrankung überstanden und wisse daher, welche große Bedeutung die
Psyche für eine Heilung habe. Von daher habe sie dem Versicherten durch die Heirat einen psychischen Beistand
geben wollen. Sie sei mit dem Versicherten bereits seit 1988 verlobt gewesen. Sie hätten schon immer heiraten
wollen; es sei aber immer etwas dazwischen gekommen. Zeitweise sei sie von diesem Gedanken auch nicht so
begeistert gewesen, da er zeitweilig Alkoholprobleme und Probleme mit seinen Arbeitsstellen gehabt habe. Ihr
Arbeitsverhältnis als Berufsschullehrerin bestehe ungekündigt fort, sodass sie im Fall der Ablehnung einer Rente
wegen Erwerbsminderung aus ihrer eigenen Versicherung wieder arbeiten könne.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. November 2009 abgewiesen. Die Klägerin habe nach § 46 Abs. 2a
SGB VI keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten habe nur
knapp einen Monat angedauert, sodass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe bestehe. Diese habe von
der Klägerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden können. Die Heirat habe hier am Ende des
Monats (Juni 2005) stattgefunden, in dem eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten
mit voraussehbarer infauster Prognose eingetreten gewesen sei. Damit habe zum Zeitpunkt der Eheschließung ein
sehr hoher Grad der Lebensbedrohlichkeit und der Offenkundigkeit bestanden. Die volle richterliche Überzeugung, also
ein der Gewissheit nahe kommender Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Ehe nicht in Versorgungsabsicht, sondern
zur Dokumentation der Verbundenheit und des Beistandes geschlossen worden sei, habe die Kammer nicht erlangen
können.
Gegen das ihr am 5. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Dezember 2009 Berufung bei dem
Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Ihr Begehren werde durch die Rechtsprechung insbesondere
des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil vom 27. August 2009 (- B 13 R 101/08 R -), die eine ähnliche Sachlage
betreffe, gestützt. Sie habe sich aber sogar 18 Jahre lang um die Halbwaisenkinder des Versicherten gekümmert,
davon ein Jahr allein. Selbst in Zeiten, in denen der Versicherte kein oder sehr wenig Einkommen hatte, habe sie ihn
und seine Kinder finanziell versorgt. Sie sei auf den Versicherten auch während des Bezuges ihrer Rente nicht
finanziell angewiesen gewesen. Die Eheschließung sei nicht im Sinne einer "Versorgungsehe" zu sehen, sondern
nach vielen gemeinsamen Jahren ein Liebesbeweis gewesen, in der Hoffnung, dass sich über die Psyche der
Gesamtzustand bessere, wie sie es bei ihrer eigenen Erkrankung erlebt habe, als sie gehört habe, "Oma" zu werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5.
September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihr ab dem 1. August 2005 große Witwenrente zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. In der Gesamtabwägung der Einzelumstände sei die
Versorgungsabsicht zu Gunsten der Klägerin als überwiegendes Heiratsmotiv anzusehen.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat die Klägerin dem Senat Kopien der Bescheide über die Weiterbewilligung
ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung bis Dezember 2008 und über die Bewilligung von Pflegegeld für den
Versicherten (Antragstellung am 7. Juni 2005) sowie das diesen betreffende Gutachten zur Feststellung der
Pflegebedürftigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 15. Juli 2005
übersandt. In dem auf Grund des am 15. Juli 2005 durchgeführten Hausbesuchs erstellten Gutachten wird im
Wesentlichen festgestellt, der Versicherte erhalte hoch dosierte Medikamente, benutze einen geborgten
Toilettenstuhl, da er den Weg zum WC nicht mehr schaffe. Seit der Feststellung von Leber- und Knochenmetastasen
mit Zustand nach Entfernung von zwei Dritteln der Leber bestehe ein kontinuierlicher Leistungsabbau bei infauster
Prognose. Der Versicherte habe massiv abgenommen und habe häufige Halluzinationen bei der palliativen Therapie.
Wegen Entkräftung sei er zu keiner selbstständigen Verrichtung in der Lage. Eine Pflege erfolge durch die Klägerin im
Umfang von mehr als 28 Stunden in der Woche. Gegenstand der Pflege sei u.a. eine vollständige pflegerische
Übernahme der Körperwäsche und des An- bzw. Entkleidens. Der Versicherte verwende zwei Unterarmgehstützen,
einen Rollstuhl und einen Sitzring. Die Mahlzeiteinnahme sei wegen Inappetenz sehr zeitaufwändig.
Auf Befragen des Senats hat die Klägerin - nach ihrer Belehrung über die Freiwilligkeit ihrer Angaben - mitgeteilt, die
Eheschließung mit dem Versicherten sei von ihrer Seite nach einem Zusammenleben von 18 Jahren erfolgt, um ihm
zu zeigen, dass sie ihn liebe, zu ihm stehe und die - bei ihr bis zuletzt tatsächlich nicht erloschene - Hoffnung auf
Genesung nicht aufgegeben habe. Die Hochzeit habe bei ihnen Zuhause mit der (ausschließlichen) Anwesenheit der
Standesbeamtin und einer Zeugin von der Stadt stattgefunden. Der Versicherte habe dabei nicht im Bett gelegen,
sondern am Tisch gesessen. Nach der nachfolgenden Mitteilung über die Eheschließung in der Familie habe in
diesem Kreis ein gemeinsames Kaffeetrinken stattgefunden. Am 5. Juli 2005 habe der Versicherte auch noch ihrer
Geburtstagsfeier in größerer Runde beigewohnt. Ein Testament habe der Versicherte nicht gemacht. Nach den
Bestattungskosten sei ihr als Bezugsberechtigter noch ein Betrag aus der in den 90er Jahren abgeschlossenen
Lebensversicherung des Versicherten verblieben.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die den
Versicherten betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von großer Witwenrente. Der angefochtene Bescheid der Beklagten
ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten (§ 54 Satz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG)).
Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten
Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Diese
Voraussetzungen sind hier gegeben, da der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes die allgemeine Wartezeit von
fünf Jahren erfüllte und die Klägerin - seine Witwe - nicht wieder geheiratet hat. Unter den genannten Voraussetzungen
haben Witwen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden und damit hier
anwendbaren Fassung Anspruch auf die unbefristet geleistete große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr
vollendet haben. Die Witwenrente wird nach § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu
dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die im Juli 1946 geborene Klägerin erfüllt die genannten
Voraussetzungen einer großen Witwenrente damit ab dem 1. August 2005.
Nach § 46 Abs. 2a SGB VI besteht ein Anspruch auf Witwenrente nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr
gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es
der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat hier vom 29. Juni bis zum 24. Juli 2005, d.h. nicht mindestens ein
Jahr, angedauert. Auf Grund der gesetzlichen Vermutung in § 46 Abs. 2a SGB VI wird damit zunächst unterstellt,
dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war und somit ein Anspruch auf Witwenrente
ausscheidet. Dieser mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der
gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens vom 21. März
2001 (BGBl. I S. 403) eingeführten Vorschrift entsprechen vergleichbare Regelungen im Recht der gesetzlichen
Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung sowie in den Vorschriften über die Beamtenversorgung (vgl. hierzu das
Urteil des Senats vom 20. September 2007 - L 3 RJ 126/05 - NZA-RR 2008, 207, 208). Hierdurch soll ein Anspruch
auf Witwen- bzw. Witwerrente bei einer Versorgungsehe ausgeschlossen sein, wenn zumindest überwiegendes Ziel
der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung ist. Dabei wird unterstellt, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn
ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstirbt (vgl. die Gesetzesbegründung, Bundestags-
Drucksache 14/4595 S. 44). Die Versorgung des überlebenden Ehegatten soll auch für die Partner einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausgeschlossen sein, die sich vor der Erkrankung bewusst gegen eine
Eheschließung entschieden hatten.
Der Senat ist davon überzeugt, dass nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles die Annahme
gerechtfertigt ist, dass die Ehe der Klägerin zum überwiegenden Zweck der Hinterbliebenenversorgung geschlossen
wurde. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Versorgungsehe erfordert nach § 202 SGG, § 292
Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils anhand objektiver Feststellungen (vgl. z.B. BSG, Urteil
vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 ff.).
Zunächst lassen sich aus dem tatsächlichen Geschehensablauf hier keine Rückschlüsse auf eine überwiegend nicht
in Versorgungsabsicht erfolgte Eheschließung ziehen. Solche Rückschlüsse erlauben, z.B. der Eintritt eines
Unfalltodes, das mit der erfolgten Eheschließung sichergestellte Sorgerecht für gemeinsame Kinder oder die
Legitimation einer vorher nach deutschem Eherecht ungültigen Ehe (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08
R - a.a.O.; Urteil des Senats vom 20. September 2007, a.a.O.). In diesem Zusammenhang sprechen für solche
objektiven Umstände u.a. auch ein vor der Diagnose der zum Tod des Versicherten führenden Erkrankung
feststehender Hochzeitstermin (Schleswig-Holsteineinisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - L 7 R 58/09 - juris).
Auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen subjektiven Beweggründe für die erfolgte
Eheschließung hat sich hier ein mindestens gleichwertiges anderes Motiv für die Eheschließung als die Versorgung
der Klägerin als Witwe zur Überzeugung des Senats nicht feststellen lassen.
Anerkannt sind in diesem Zusammenhang überwiegend religiöse Motive für eine Legitimation des Zusammenlebens
(vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg, Beschl. v. 28. Oktober 2004 - 1 Bf 189/04 - NVwZ-RR 2006, 196) oder
der Wunsch, dem Partner neuen Lebensmut in der Überwindung einer Erkrankung zu geben (vgl. Schleswig-
Holsteinisches LSG, Urteil vom 7. März 2007 - L 8 R 207/06 - NZS 2007, 665 (nur Leitsatz), juris; Urteil des Senats
vom 20. September 2007 - L 3 RJ 126/05 - NZA-RR 2008, 207, 209). Dabei hat der Senat insoweit die Motive beider
Ehegatten zu berücksichtigt (vgl. zu diesem Maßstab BSG, Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 - BSGE 60,
204, 206; BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.). Keines der vorgenannten Heiratsmotive, die gegen
eine Versorgungsehe sprechen, kann hier näher in Betracht gezogen werden. Vielmehr ist aus dem Vorbringen der
Klägerin deutlich erkennbar, dass es den Ehegatten hier bei der Eheschließung zumindest auch in wesentlichen
Umfang um die Kompensation der besonderen Leistungen der Klägerin bei der Erziehung der Kinder des Versicherten
und dessen aufwändiger Pflege vor seinem Tod ging. Da diese Kompensation hier durch die Leistungen aus der
Versicherung des Verstorbenen erfolgen soll, wird konkret das Vorliegen der Gründe für einen Rentenausschluss im
Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI von der Klägerin selbst vorgetragen.
Die im Übrigen von der Klägerin vorgebrachten Gründe der Eheschließung sind mit dem Gesichtspunkt der
finanziellen Kompensation nicht als gleichwertig anzusehen, da der Senat unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben hat.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer
lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel von einer so genannten Versorgungsehe
auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.). In Bezug auf die Lebensbedrohlichkeit
der Erkrankung in diesem Sinne kommt es nicht darauf an, ob der Zeitpunkt des Todes bei der Eheschließung genau
oder begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum feststeht. Auch bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung ist die
Widerlegung der Vermutung, dass die Eheschließung zumindest aus gleichwertigen oder überwiegenden Gründen der
Versorgung erfolgte, nicht völlig ausgeschlossen. Bei der abschließenden Gesamtbewertung müssen diejenigen
besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, dann aber umso gewichtiger
sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung war
(vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats war der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung lebensbedrohlich erkrankt und
sowohl der Versicherte als auch die Klägerin waren hierüber informiert und haben die Hochzeit vor diesem Hintergrund
forciert betrieben. Der Antrag auf Pflegegeld (Pflegestufe III) für den Versicherten lag hier drei Wochen vor der
Eheschließung. Bei dem nur ca. zwei Wochen nach der Eheschließung erfolgten Hausbesuch des MDK zur
Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Versicherten litt dieser erkennbar unter Halluzinationen und war zu schwach,
um die Toilette aufzusuchen. Die Kraftlosigkeit war auch durch den über Monate hinweg eingetretenen starken
Gewichtsverlust dokumentiert. Aus den Feststellungen des MDK ergeben sich von der Klägerin verrichtete
Pflegeleistungen im Sinne des Sozialgesetzbuch Elftes Buch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) im Umfang von
mehr als 28 Stunden in der Woche, wobei der tatsächliche Umfang der Pflege oberhalb dieses Schwellenwertes nicht
abgefragt wurde. Die Klägerin hatte insbesondere das Waschen und das An- und Auskleiden des Versicherten
vollständig übernommen. Die Pflegestufe III wurde dann rückwirkend ab dem 1. Juni 2005, d.h. auch für einen drei
Wochen vor der Hochzeit liegenden Zeitraum, zuerkannt. Soweit die Klägerin vorträgt, das baldige Ableben des
Versicherten sei nicht vorhersehbar gewesen, ist dies angesichts des schlechten Zustands des Versicherten deshalb
nicht glaubhaft. Auch der Umstand, dass für September 2005 noch eine Reise gebucht war, steht dem nicht
entgegen. Denn diese Reise ist nach den vorliegenden Unterlagen im April 2005 gebucht worden, zu einem Zeitpunkt,
als sich der Gesundheitszustand noch besser dargestellt hatte. Spätestens im Juni 2005 ist es nach den Angaben der
Hausärztin zu einer akuten Verschlechterung mit infauster Prognose und einer erforderlichen Rund-um-die-Uhr-
Betreuung gekommen.
Nach dem Vorbringen der Klägerin über diese Pflege und ihre jahrelange finanzielle Absicherung des Versicherten und
seiner Kinder sind ihre - erstmals vor dem Senat gemachten - Angaben zu dem durch die Eheschließung allein
bezweckten Liebesbeweis nicht überzeugend. Vor dem Hintergrund der Aufopferung der Klägerin in der Sicherung des
Familienunterhalts und der Pflege des Versicherten ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Versicherte Zweifel
an der Zuneigung und dem Zugehörigkeitswillen der Klägerin gehabt haben sollte. Insgesamt vermitteln hier die
Umstände der Trauung zu Hause ohne Hinzuziehung von Familienangehörigen auch nicht den Eindruck eines
feierlichen Ereignisses zur Besiegelung der Zusammengehörigkeit.
Schließlich besteht auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Klägerin, eine Hinterbliebenenversorgung von
der Beklagten zu erhalten. Die Klägerin stand selbst zumindest bis Dezember 2008 im Rentenbezug und gehört einem
rentennahen Geburtsjahrgang an. Unter Berücksichtigung des höchsten aktenkundigen monatlichen Zahlbetrags ihrer
Rente wegen voller Erwerbsminderung von unter 950,00 EUR würde die dauerhaft mit dem Rentenartfaktor 0,55
geleistete Rente aus der Versicherung des Verstorbenen eine Erhöhung des der Klägerin dauerhaft zur Verfügung
stehenden Renteneinkommens um ca. 50 v.H. bedeuten. Der Senat hat auch die weiteren objektiven finanziellen
Umstände der Klägerin und des Versicherten nicht außer Acht lassen können, die auf eine gezielte "Optimierung" der
Leistungen gegenüber der Sozialversicherung hindeuten. Im diesem Zusammenhang sicherte das unverheiratete
Zusammenleben der Klägerin mit dem Versicherten über Jahre die Weitergewährung der von ihm bezogenen
Witwerrente aus der Versicherung seiner ersten Ehefrau. Der Senat hat nicht abschließend ermittelt, auf welcher
Grundlage die Klägerin selbst Mitte des Jahres 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen hat. Aus ihren
Angaben zur Pflege des Versicherten "rund um die Uhr" drängen sich aber auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Inanspruchnahme dieser Leistungen aus der Sozialversicherung durch die Klägerin auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine
Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160
Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.