Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 06.10.2009

LSG San: ratenzahlung, zivilprozessordnung, nettoeinkommen, verfügung, unterdeckung, anpassung, freibetrag, bekanntmachung, anteil, heizung

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 06.10.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Dessau-Roßlau S 13 AS 1271/06
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 5 B 303/08 AS
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Januar 2008 wird abgeändert. Dem Kläger zu 1. wird
Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten,
Rechtsanwalt Sch., bewilligt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Kläger zu 1. und Beschwerdeführer (im Folgenden Beschwerdeführer) begehrt die Gewährung von
Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung für ein in erster Instanz bereits erledigtes sozialgerichtliches
Klageverfahren. In der Sache wandten sich der Beschwerdeführer und die Klägerin zu 2., die vom Jobcenter SGB II
Dessau-Roßlau Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches
(SGB II) beziehen, gegen einen Bescheid, mit dem es die Übernahme einer Heizkostennachzahlung ablehnte. Für die
Durchführung der gegen diesen Bescheid vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobenen Klage haben der
Beschwerdeführer und die Klägerin zu 2. unter dem 4. Dezember 2006 PKH unter Beiordnung ihres
Prozessbevollmächtigten beantragt. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2007 den
Rechtsstreit für erledigt erklärt. Das SG hat mit Beschluss vom 18. Januar 2008 dem Beschwerdeführer PKH für den
ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schneider, Dessau-Roßlau, bewilligt und eine monatliche
Ratenzahlung von 155,00 EUR beginnend ab 1. März 2008 angeordnet. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat es der
Klägerin zu 2. PKH ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt. Gegen den ihm am 22. Januar 2008 zugestellten
Beschluss hat der Beschwerdeführer am 19. Februar 2008 Beschwerde eingelegt. Die vom SG im Rahmen seiner
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigte Zahlung des Einstiegsgelds an ihn sei zeitlich bis 30.
August 2007 befristet gewesen. Eine Neubewilligung sei nicht erfolgt. Er sei zudem umgezogen. Die monatliche
Grundmiete belaufe sich nunmehr auf 410,00 EUR (260,00 EUR Kaltmiete, 80,00 EUR Heizkosten, 70,00 EUR
sonstige Nebenkosten). Berücksichtigungsfähig sei ferner die durch seine Behinderung notwendige kostenaufwändige
Ernährung, deren Kosten ca. 100,00 EUR/Monat ausmachten. Mit Beschluss vom 14. Juli 2008 hat das SG der
Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat die Sache dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der
Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen, ihm unter Abänderung des Beschlusses des
SG vom 18. Januar 2008 PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sch. , Dessau-Roßlau, ohne
Ratenzahlungsverpflichtung zu gewähren. Der Beschwerdegegner hält die Beschwerde für begründet. Hinsichtlich der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners sowie auf
die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen
zulässig. Die Zulässigkeit richtet sich nach § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO, § 172 SGG in der bis zum 31. März
2008 gültigen Fassung. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über
die PKH entsprechend. Die Verweisung bezieht sich auf alle in dem Buch 1, Abschnitt 2, Titel 7 der ZPO enthaltenen
Vorschriften über die PKH, soweit das SGG nicht ausdrücklich - etwa in § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG - etwas anderes
regelt (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 73a, Rdnr. 2). Die "entsprechende
Anwendung" fordert allerdings eine Anpassung der jeweils maßgeblichen Vorschriften der ZPO auf das
sozialgerichtliche Verfahren, soweit prozessuale Besonderheiten bestehen. Dies betrifft insbesondere die Ersetzung
des dem sozialgerichtlichen Verfahren fremden Rechtsmittels der "sofortigen Beschwerde" durch die "Beschwerde",
ferner die Bestimmung des Beschwerdegerichts, nämlich des Landessozialgerichts statt eines höherinstanzlichen
Zivilgerichts, sowie die Anpassung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstandes für die Berufung. Dieser
liegt in Zivilverfahren gemäß § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO bei 600,00 EUR, während hier der bis 31. März 2008 in § 144
Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG geregelte Wert des Beschwerdegegenstandes von 500,00 EUR maßgeblich ist. Nach der
bis zum 31. März 2008 geltenden Rechtslage war gemäß § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO die
Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich statthaft, es sei denn, der maßgebliche
Beschwerdewert wurde nicht überschritten. Ausnahmsweise war die Beschwerde aber in diesem Fall doch zulässig,
wenn ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint
wurden. Vorliegend wendet sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen die Ratenzahlungsverpflichtung und
damit gegen eine Teilablehnung der Prozesskostenhilfe wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die Beschwerde ist begründet. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter, der nach
seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in
Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf
Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, wobei nur die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse Gegenstand der Beschwerde sind. Im Übrigen ist der Beschluss des SG vom 18. Januar
2008 rechtskräftig geworden. Bei der Ermittlung des für die Höhe etwaiger Prozesskostenhilfe-Raten maßgebenden
Einkommens und der Vermögensverhältnisse ist auf die zum Zeitpunkt der Bewilligung durch das SG gegebene Lage
abzustellen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2008, 21 Ta 1105/08, juris, m.w.N.). Im Januar
2008 verfügte der Beschwerdeführer über ein Nettoeinkommen i.H.v. 986,17 EUR. Einstiegsgeld bezog er zu diesem
Zeitpunkt nicht mehr. Das Nettoeinkommen stand ihm aber nicht in voller Höhe zur Verfügung. Er lebte zusammen
mit Frau S. K. und deren Sohn D. in eheähnlicher Gemeinschaft. Sein Einkommen wurde zusammen mit dem der
Frau K. (667,92 EUR netto) und dem des Sohnes D. (317,25 EUR (Ausbildungsgeld und Kindergeld)) seitens des
Grundsicherungsträgers dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft gegenübergestellt. Im Januar erhielt die
Bedarfsgemeinschaft keine SGB II-Leistungen. Die Anteile seines Einkommens, die der Beschwerdeführer zur
Deckung des Bedarfs der Frau K. und ihres Sohnes aufwenden musste, sind als besondere Belastungen im Rahmen
des § 115 Abs. 2 Nr. 4 ZPO einkommensmindernd zu berücksichtigen. Diese Einkommensanteile stehen ihm
tatsächlich nicht zur Verfügung (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 30. März 2006, 3 WF 42/06;
Oberlandesgericht (OLG) Dresden, Beschluss vom 20. Februar 2008, 20 WF 884/07, beide zitiert nach juris). Aus den
Berechnungen des Grundsicherungsträgers ergibt ich ein monatlicher Bedarf der Frau K. i.H.v. 443,87 EUR (312,00
EUR Regelsatz zzgl. 1/3 der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) der vom Grundsicherungsträger anerkannten
KdU i.H.v. 395,60 EUR). Dem steht eigenes anzurechnendes Einkommen der Frau K. i.H.v. 425,42 EUR gegenüber.
I.H.v. 18,45 EUR kann sie ihren Bedarf nicht decken. Der Sohn D. hat einen vom Grundsicherungsträger zuerkannten
monatlichen Bedarf i.H.v. 409,87 EUR (278,00 EUR Sozialgeld zzgl. 1/3 KdU). Von diesem kann er 198,85 EUR durch
eigenes Einkommen decken. Es verbleibt eine Unterdeckung i.H.v. 211,02 EUR/ Monat. Diese Beträge der
Unterdeckung konnte der Beschwerdeführer nach der Berechnung des Grundsicherungsträgers von seinem
Einkommen decken, so dass für die Bedarfsgemeinschaft kein SGB II-Leistungsanspruch verblieb. Vom Einkommen
des Beschwerdeführers i.H.v. 986,17 EUR sind demnach in Abzug zubringen Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr.
1b ZPO 174,00 EUR (Bekanntmachung zu § 115 der Zivilprozessordnung (Prozesskostenhilfebekanntmachung 2007
– PKHB 2007)) Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO 382,00 EUR (Bekanntmachung zu § 115 der
Zivilprozessordnung (Prozesskostenhilfebekanntmachung 2007 – PKHB 2007)) Kfz-Haftpflichtversicherung im
Rahmen des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1a ZPO 40,27 EUR Als besondere Belastungen i.S. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
ZPO: Angerechneter Einkommensanteil für D. K. 18,45 EUR Angerechneter Einkommensanteil für S. K. 211,02 EUR
Eigene noch nicht angerechnete KdU 146,27 EUR (eigener KdU-Anteil zzgl. des vom Grundsicherungsträger für die
Unterkunft nicht anerkannten Betrags i.H.v. 14,40 EUR) Pfändungen 25,00 EUR. Von seinem Einkommen verbleibt
kein Einkommen, das der Beschwerdeführer für die Prozessführung einsetzen könnte. Die Verpflichtung zur
Ratenzahlung ist zu Unrecht erfolgt. Nach alledem war der Beschwerde stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 127 Abs. 4 ZPO. Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).