Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 19.09.2007

LSG San: angina pectoris, innere medizin, nebenkosten, miete, stromversorgung, darlehen, notlage, zukunft, ermessen, erlass

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 19.09.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Stendal S 4 AS 181/07 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 B 242/07 AS ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2007 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet,
vorläufig die Schulden der Antragsteller aus dem Stromlieferungsvertrag mit der e.on A. AG in Höhe von 1.457,81
EUR zu übernehmen, wobei diese Verpflichtung Zug um Zug gegen die Erklärung der Antragsteller, mit einer direkten
Zahlung dieser Summe und künftiger Zahlungen für Stromlieferungen durch die Antragsgegnerin an die e.on A. AG
einverstanden zu sein, erfüllt werden kann. Der weitergehende Beschwerdeantrag auf eine bedingungslose
Verpflichtung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der
Antragsteller des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller verfolgen im Beschwerdeverfahren ihr Begehren weiter, die Antragsgegnerin zur vorläufigen
Übernahme von Schulden für Stromlieferungen bei dem Energieversorgungsunternehmen ... A. AG (im folgenden: A.
AG) zu verpflichten.
Die im Jahre 1945 geborene Antragstellerin zu 1. und der im Jahre 1960 geborene Antragsteller zu 2. sind miteinander
verheiratet. Die Antragstellerin zu 1. ist deutsche Staatsbürgerin und der Antragsteller zu 2. ist ukrainischer
Staatsbürger. Beide leben, zusammen mit dem 1977 geborenen Sohn der Antragstellerin zu 1., seit dem 1. Oktober
2004 in einem anmieteten Haus in der D. straße in 39307 D ... Laut dem Mietvertrag beträgt die Grundmiete
(Nettokaltmiete) monatlich 450,00 EUR und für Nebenkosten sind monatlich 54,00 EUR zu leisten. Die Kosten für
Abwasser, Abfuhr von Fäkalschlamm, Energie (Strom), Heizung und Warmwasser (Gas) müssen die Antragsteller
selbst tragen. Der Umfang der vermieteten Wohnfläche ist im Mietvertrag nicht bezeichnet. Gegenüber der
Antragsgegnerin gaben die Antragsteller eine Wohnfläche von ca. 62 qm an. Aus in der Folgezeit geführter
Korrespondenz der Antragsteller mit den Vermietern geht hervor, dass die Antragsteller zahlreiche Mängel des
Hauses anzeigten und unter anderem monierten, die schlecht gedämmten Wände führten zu hohen Wärmeverlusten.
Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellern als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April
2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für
Arbeitsuchende – SGB II - in einer monatlichen Höhe von 938,78 EUR. Dabei wurden Kosten für Unterkunft und
Heizung in einer Gesamthöhe von 342,78 EUR für die Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt. Die Antragsgegnerin ging
davon aus, dass auf die Antragsteller 2/3 der Kosten und 1/3 auf den Sohn der Antragstellerin zu 1. entfielen und
führte aus: Die Kosten der Unterkunft seien bezogen auf die Kaltmiete unangemessen hoch. Die Bewilligung werde
deshalb auf den 30. April 2005 befristet. Nach ihrer Richtlinie zur Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten
würden nur Mieten in Höhe von 4,00 EUR pro qm Wohnfläche als angemessen anerkannt. Hier betrage die Miete aber
7,26 EUR pro qm. Einen monatlichen Differenzbetrag von 202,00 EUR müssten die Antragsteller selbst übernehmen.
Verbrauchsabhängige Kosten wie z. B. für Heizung und Gas könnten nur insofern Berücksichtigung finden, wie sie
angemessen seien. Am 8. März 2005 sprach die Antragstellerin zu 1. bei der Antragsgegnerin vor und teilte mit: Die
Gasheizung im Haus sei ständig kaputt. Sie müsse für Gas für drei Monate über 600 EUR zahlen. Die
Sachbearbeiterin bzw. der Sachbearbeiter erklärte daraufhin, "laut Gesetz" würden nur 1,30 EUR pro qm als
Heizkosten anerkannt. Für die Zeit ab Mai 2005 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern monatliche Kosten
für Unterkunft und Heizung in Höhe von 303,63 EUR. Dabei ging sie weiter davon aus, dass auf die Antragsteller 2/3
der Gesamtkosten und 1/3 auf den Sohn der Antragstellerin zu 1. entfielen. Davon ausgehend übernahm die
Antragsgegnerin für die Antragsteller einen Mietanteil von 213,33 EUR und Heizkosten in Höhe von monatlich 56,85
EUR (2/3 von 104 EUR abzüglich 18% für die Warmwasseraufbereitung) sowie weitere Nebenkosten (wohl für die
monatliche Fäkalienabfuhr und Abwasser) von 33,45 EUR. Ab November 2005 übernahm die Antragsgegnerin
monatlich einen Mietanteil von 184,67 EUR, anteilige Heizkosten von 80,36 EUR und weitere Nebenkosten von 36
EUR.
Für den Verbrauchszeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 12. Januar 2005 errechnete die A. AG für den
Gasverbrauch einen zu zahlenden Betrag von 654,22 EUR und setzte für die Zukunft monatliche Abschlagszahlungen
von 147 EUR fest. Am 27. März 2005 unterrichtete die A. AG die Antragsteller über die Einstellung der Gaslieferungen
wegen eines nunmehr geltend gemachten Betrages von 1.118,94 EUR. Die Antragsteller heizten nach ihren Angaben
nach der Einstellung der Gaslieferung zunächst längere Zeit mit strombetriebenen Heizradiatoren. Mit Bescheid vom
2. August 2005 gewährte der Landkreis Jerichower Land in seiner Funktion als Sozialhilfeträger den Antragstellern ein
Darlehen in Höhe von insgesamt 2.358,56 EUR, um diese in die Lage zu versetzen, Schulden für Gas- und
Stromlieferungen bei der A. AG begleichen zu können. Dieses Darlehen wurde und wird noch in monatlichen
Teilbeträgen von 75,00 EUR durch Abzweigung von den Grundsicherungsleistungen zurückgezahlt.
Nach einer Abrechnung der A. AG vom 8. Februar 2006 über den Gasverbrauchszeitraum vom 13. Januar 2005 bis
zum 14. Januar 2006 fiel ein Bruttorechnungsbetrag von 1.563,60 EUR bei geleisteten Abschlagszahlungen von
732,00 EUR an.
Ab März 2006 berücksichtigte die Antragsgegnerin für die Antragsteller monatlich einen Mietanteil von 203,40 EUR,
einen Heizkostenanteil von 79,27 EUR und 36 EUR weitere Nebenkosten (Blatt 129 der Verwaltungsakten). Diese
Leistungen blieben im Bewilligungszeitraum von November 2006 bis April 2007 zunächst unverändert (Blatt 180 der
Verwaltungsakten); ab März 2007 übernahm die Antragsgegnerin keine Heizkosten mehr.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2007 berechnete die A. AG die Stromkosten für den Verbrauchszeitraum vom 15.
Januar 2006 bis zum 16. Januar 2007 mit insgesamt 2.231,81 EUR. Abzüglich Abschlagszahlungen in Höhe von
1.080,00 EUR und Mahnkosten von 20,00 EUR forderte die A. AG einen Restbetrag von 1.171,81 EUR. Im Auftrage
der Antragsteller wandte sich die Schuldnerberatung des D. Werks im Jerichower Land an die A. AG mit der Bitte,
eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Diese Bemühungen blieben erfolglos. Mit einer Benachrichtigung
vom 29. März 2007 teilte die A. AG den Antragstellern mit, wegen einer nunmehr geltend gemachten
Gesamtforderung von 1457,81 EUR werde die Lieferung von Strom eingestellt. Weiter forderte die A. AG mit einem
Schreiben an die Antragsteller vom 25. Januar 2007 für verbrauchtes Erdgas aufgrund einer
Schlussverbrauchsrechnung für den Abrechnungszeitraum vom 15. Januar 2006 bis zum 17. Januar 2007 einen
Restbetrag von 1.811,89 EUR an. Es ist nicht ersichtlich, ob auf diese Rechnung eine Zahlung von den
Antragsstellern geleistet wurde.
Die Antragsteller wandten sich mit einem Schreiben vom 18. Februar 2007 an die Antragsgegnerin und teilten mit, sie
können die Gas- und Stromkosten nicht zahlen. Deshalb werde gebeten zu prüfen, ob ein Darlehen gewährt werden
könne. Soweit ersichtlich bearbeitete die Antragsgegnerin diesen Antrag nur hinsichtlich der Stromkosten und wies
den Antrag auf Darlehensgewährung mit Bescheid vom 12. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. April 2007 zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Antragsgegnerin aus: Auch bei Gewährung
eines Darlehens sei nicht sichergestellt, dass in der Zukunft nicht wieder neue Schulden entstünden. Die Schulden
seien selbst verursacht, da Abschlagszahlungen in der Vergangenheit nicht gezahlt worden seien. Es bestehe zudem
die Möglichkeit, in eine andere Wohnung zu ziehen. Hiergegen haben die Antragsteller am 4. Mai 2007 beim
Sozialgericht Stendal Klage erhoben. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 4 AS 177/07 anhängig.
Am 4. Mai 2007 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Stendal einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung mit dem Begehren gestellt, die Antragsgegnerin vorläufig zur darlehensweisen Übernahme der von der A.
AG geltend gemachten Forderung für die Stromlieferungen zu verpflichten. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die
hohe Forderung resultiere zum großen Teil daraus, dass sie nach Einstellung der Gaslieferungen auf eine mit Strom
betriebene Heizung ausgewichen seien. Ein Wohnungswechsel würde nicht helfen, weil die A. AG auch in einer neuen
Wohnung die Stromlieferung erst nach Begleichen der Rückstände aufnehmen werde.
Die Antragsgegnerin hat demgegenüber eingewandt: Bereits im Jahre 2005 habe das Sozialamt für die Antragsteller
darlehensweise Energieschulden in Höhe von 2.358,48 EUR übernommen. Auch im Mietverhältnis bestünden
Zahlungsrückstände. Die Antragsteller hätte in der Vergangenheit leichtfertig Schulden gemacht und den Überblick
über ihre finanziellen Verhältnisse verloren. Auch wenn die Aufhebung der "Stromsperre" dienlich wäre, sei es nicht
gerechtfertigt, jetzt zum wiederholten Male Energiekostenrückstände zu übernehmen. Die Antragsteller hätten die
bestehenden Verbindlichkeiten durch ihr unwirtschaftliches Verhalten und die schlechte Zahlungsmoral selbst
verschuldet.
Das Sozialgericht Stendal hat sich der Argumentation der Antragsgegnerin angeschlossen und den Erlass einer
einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 6. Juni 2007 abgelehnt: Es sei nicht zu beanstanden, dass die
Antragsgegnerin von einer Darlehenszahlung abgesehen habe.
Gegen den am 7. Juni 2007 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 5. Juli 2007 Beschwerde eingelegt.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
Die Antragsteller haben vorgetragen: Der Antragsteller zu 2. sei am 5. September 2007 nach Behandlung wegen einer
instabilen Angina pectoris aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die Versorgung mit Strom sei dringend
erforderlich, schon um ggf. telefonisch ärztliche Hilfe herbeirufen zu können. Sie haben Atteste der Klinik B. über den
Klinikaufenthalt und des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf die Gerichtsakte
Bezug genommen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2007 aufzuheben und die Antragsgegnerin und
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, den bei der ... A. AG bestehenden Rückstand für Stromlieferungen in Höhe von
1.457,81 EUR zu übernehmen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, die erwiesene Unzuverlässigkeit der Antragsteller spreche gegen die erneute darlehensweise Übernahme
von Schulden aus Energielieferungen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der
Antragsgegnerin und die Gerichtsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht eingelegt (§
173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Das Sozialgericht Stendal hat zu Unrecht eine Verpflichtung der
Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der Stromschulden bei der A. AG abgelehnt. Die Voraussetzungen für
den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige
Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei haben die
Antragsteller gemäß § 86 Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den
Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts
(Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Hier haben die Antragsteller eine den Erlass der Anordnung rechtfertigende Notlage glaubhaft gemacht. Das
Energieversorgungsunternehmen A. AG hat die Stromversorgung abgebrochen und es ist ausreichend glaubhaft
gemacht, dass die Wiederaufnahme der Stromversorgung vom Ausgleich der aufgelaufenen Schulden aus der
Stromversorgung zuzüglich von Nebenkosten abhängig gemacht wird. Der Ausschluss von der Stromversorgung kann
als aktuelle Notlage angesehen werden, weil ohne Strom die Befriedigung elementarer Bedürfnisse (Kochen, Licht,
Telefonieren) entweder nicht möglich oder doch stark erschwert ist.
Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht zumindest einiges dafür, dass auch ein
Anordnungsanspruch besteht. Die bei einer solchen Konstellation vorzunehmende Interessenabwägung gebietet die
Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der aufgelaufenen Schulden aus dem
Stromversorgungsvertrag.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Danach können – sofern Leistungen für
Unterkunft und Heizung erbracht werden – auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der
Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II "sollen"
die Schulden übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit
einzutreten droht. Geldleistungen sollen dabei nach Satz 4 der Vorschrift als Darlehen erbracht werden. Als eine
vergleichbare Notlage im Sinne des Satz 1 wird insbesondere der Fall angesehen, dass infolge von
Energiekostenrückständen die Versorgung der Wohnung mit Energie (Strom, Gas) gefährdet ist. Denn eine Sperrung
der Energieversorgung führt einen Zustand herbei, der mit einer Unbewohnbarkeit bzw. dem Verlust der Wohnung
gleichgesetzt werden kann (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 22 Rdnr. 116 mit weiteren Nachweisen). Das
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat deshalb im Hinblick auf die Übernahme von Energieschulden ein nach §
22 Abs. 5 Satz 2 SGB II eingeschränktes Ermessen angenommen und ausgeführt: Der Leistungsträger habe in der
Regel entsprechende Schulden zu übernehmen und könne lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen
davon abweichen. Die Klärung, ob ein atypischer Fall vorliege, könne regelmäßig erst im Hauptsacheverfahren
erfolgen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2007, L 26 B 1321/07 AS, zitiert nach juris). Der
erkennende Senat lässt es im konkreten Fall offen, ob ein Fall des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliegt. Denn hier führt
im Rahmen der summarischen Prüfung die Überprüfung der Ermessensentscheidung zu keinem anderen Ergebnis als
die Annahme einer in typischen Fällen gebundenen Entscheidung.
Zu berücksichtigen sind in Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtschau die Höhe der Rückstände und die
Ursachen, die zu ihrer Entstehung geführt haben. Das Ermessen soll auch bei einer drohenden oder schon
vollzogenen Sperrung der Energiezufuhr nicht reduziert sein, wenn sich die Hilfeempfänger ein unwirtschaftliches
und/oder sozialwidriges Verhalten vorhalten lassen müssen (Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 118). Generell ist zu beachten,
dass der Grundsicherungsträger nicht zum "Ausfallbürgen von Energieversorgungsunternehmen" werden darf (vgl.
Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 116). Hier hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen ausgeübt und ein Übernahme der
Rückstände abgelehnt. Die von ihr in die Ermessenentscheidung einbezogenen Gesichtspunkte sind durchaus
gewichtig. Es spricht aber viel dafür, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Ermessenentscheidung einen gewichtigen
Gesichtspunkte übersehen hat, dessen Beachtung zu einer Ermessensreduzierung dergestalt führen kann, dass nur
eine Übernahme der aufgelaufenen Schulden aus dem Stromlieferungsvertrag rechtmäßig ist. Im konkreten Fall
spricht viel für die Richtigkeit des Vortrags der Antragsteller, dass die Stromschulden zu einem nicht unerheblichen
Teil daraus resultieren, dass nach Einstellung der Gaslieferungen das von den Antragstellern bewohnte Haus mittels
Stromradiatoren beheizt wurde. In diesem Zusammenhang wird allerdings im Hauptsachverfahren noch näher
aufzuklären sein, ob und gegebenenfalls warum nach der Darlehensgewährung durch den Sozialhilfeträger im August
2005 keine Wiederaufnahme der Gaslieferungen erreicht werden konnte. Dafür, dass jedenfalls für einen späteren
Zeitraum später wieder Gaslieferungen erfolgten, spricht die Verbrauchsabrechnung der A. AG vom 8. Februar 2006
und auch die Schlussrechnung vom 25. Januar 2007. Es wird auch genauer aufzuklären sein, wofür der gewährte
Darlehensbetrag im Jahre 2005 genau Verwendung fand. Jedenfalls ist der Vortrag der Antragsteller glaubhaft, dass
zumindest für einen gewissen Zeitraum eine stromgespeiste Beheizung des Wohnraumes erfolgte.
Es lässt sich in diesem Zusammenhang nach der Auffassung des Senats nicht ausschließen, dass die Einstellung
der Gaslieferungen und die damit entstandene Notwendigkeit der Stromheizung sowie das Auflaufen der
Stromschulden zumindest zum Teil mit dadurch verursacht worden sind, dass die Antragsgegnerin durchgehend ab
Beginn der Leistungserbringung Anfang 2005 zu geringe Leistungen für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung
erbracht hat, so dass den Antragstellern insgesamt zu geringe Leistungen zur Verfügung standen.
Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Berechnung der angemessenen Miete entspricht nicht den aus § 22 SGB
II zu entnehmenden Vorgaben. Die Antraggegnerin hat die angemessene Miete errechnet, in dem die von ihr
angenommene Anzahl der qm mit einem Richtlinienwert multipliziert wurden. Nach der richtigerweise anzuwendenden
Berechnungsweise (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R) hätte aber der
durchschnittliche Mietpreis einer für zwei Personen angemessenen Wohnung am örtlichen Wohnungsmarkt ermittelt
werden müssen, weil die tatsächlichen Kosten zumindest bis zu dieser Höhe angemessen sind. Der Senat ist in
einem anderen Fall davon ausgegangen, dass bei Fehlen sonstiger Erkenntnisse zum ortsüblichen Mietzins die
Heranziehung der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz geboten ist, so dass eine monatliche Miete i. H.
v. 345,00 EUR für eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft angemessen ist (Beschluss vom 7. September 2007, L 2 B
57/07 AS ER). Diese liegt deutlich über den gewährten Beträgen von 213,33 EUR bzw. 184,67 EUR, selbst wenn noch
die weiteren Nebenkosten von monatlich 36 EUR als Mietbestandteil berücksichtigt werden. Inwieweit im konkreten
Fall für den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin andere Werte für die angemessene Miete gelten, als im
seinerzeit vom Senat zu beurteilenden Fall, bleibt der Ermittlung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Im Rahmen der
summarischen Prüfung lassen sich jedenfalls Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Verweisung der Antragsteller
auf die Deckung eines nicht unerheblichen Anteils der Miete aus dem ihnen für den Grundbedarf zugebilligten Betrag
zumindest zum Teil nicht rechtmäßig war. Daraus würden sich dann monatliche Fehlbeträge ergeben, die keine
Verwendung für die Zahlung der Stromkosten Verwendung finden konnten.
Weiter sprechen nach der Auffassung des Senats Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin den Antragsstellern
in zu geringem Umfang Mittel zur Zahlung der Heizkosten zur Verfügung gestellt hat. Nach der Abrechnung für den
Verbrauchzeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 12. Januar 2005 fiel für drei Monate und 12 Tage ein mit 654,22
EUR berechneter Gasverbrauch (für den Betrieb der Gasheizung inklusive Warmwasseraufbereitung) an. Auf den
Monat umgerechnet ergibt sich ein Gasverbrauch von 192,41 EUR (654,22 EUR: 102 Tage X 30 Tage). Wird davon
ein Anteil von 18% für die Warmwasserversorgung abgezogen, ergibt sich ein Betrag von 157,78 EUR. Der davon auf
die Antragsteller entfallende 2/3-Anteil würde 105,18 EUR betragen. Mangels genauerer Erkenntnisse für die Zeit ab
dem 13. Januar 2005 (insbesondere für welchen Zeitraum genau die Beheizung mittels Stromradiatoren erfolgte), wird
im Rahmen der summarischen Prüfung dieser Betrag "fortgeschrieben". Nach der Aktenlage hat die Antragsgegnerin
für Heizkosten zunächst einen monatlichen Betrag von 56,85 EUR und dann ab März 2006 von 79,27 EUR
übernommen. Es ergibt sich ein monatlicher Differenzbetrag von 48,33 EUR bzw. 25,91 EUR. Für die Zeit von Januar
2005 bis zur Stromlieferungseinstellung im März 2007 summiert sich der Differenzbetrag auf gerundet 730 EUR. Nach
der bisher zur Angemessenheit der Heizkostenübernahme ergangenen Rechtsprechung sind diese im Rahmen des §
22 SGB II in der tatsächlichen Höhe zu übernehmen, wenn ein hoher Verbrauch z. B. auf eine schlechte Isolierung der
Wohnräume beruht. Jedenfalls würde die nur teilweise Übernahme ein Erkennen der Unwirtschaftlichkeit und der
Notwendigkeit der Abhilfe durch die Leistungsempfänger voraussetzen (vgl. zum Ganzen Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr.
67f. mit weiteren Nachweisen). Dass diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorlagen, ist nicht ersichtlich.
Jedenfalls lässt sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen, dass die Antragsgegnerin die Antragsteller mit der
notwendigen Klarheit auf die Unwirtschaftlichkeit der Beibehaltung der bisherigen Unterkunft hingewiesen hat. Dies
wäre aber geboten gewesen, denn es spricht viel dafür, dass die hohen Kosten für die Beheizung der Wohnung aus
der schlechten Isolierung des Hauses und/oder einer unwirtschaftlichen Heizungsanlage resultieren. Auch wenn hier
noch nicht festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang die vereinbarte Kaltmiete unangemessen ist, kann
jedenfalls ausgeschlossen werden, dass die genannten ungünstigen Wohnbedingungen, die zu hohen Nebenkosten
führen, durch eine günstige Grundmiete kompensiert werden. Dies hätte im konkreten Fall wesentlich deutlichere
Hinweise der Antragsgegnerin auf die Obliegenheit der Antragsteller zum wirtschaftlichen Verhalten und der damit
verbundenen Notwendigkeit des Wohnungswechsels erfordert.
Unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen ist zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung davon
auszugehen, dass bis zur Einstellung der Stromlieferungen ein Betrag von circa 730 EUR zuwenig an Energiekosten
erbracht wurde. Inwieweit dem die Darlehenserbringung im August 2005 durch den Sozialhilfeträger gegengerechnet
werden kann, bedarf der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren. Dagegen spricht, dass hier durch eine
Abzweigung laufende Rückzahlungen von 75 EUR im Monat erfolgten und noch erfolgen.
Weiter wird im Hauptsacheverfahren aufzuklären sein, ob und inwieweit ab Januar 2005 auch deshalb zuwenig
Leistungen an die Antragsteller erbracht wurden, weil ein zu geringer Betrag für die Mietkosten überwiesen wurde.
Sollte sich im Hauptsachverfahren erhärten, dass die aufgelaufenen Schulden der Antragsteller für Energielieferungen
zu einem nicht unerheblichen Teil auf in zu geringen Umfang von der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen beruhen,
wäre dies als gewichtiger Grund bei einer Ermessensentscheidung über die Übernahme der aufgelaufenen Rückstände
bei der A. AG zu berücksichtigen. Denn wenn ein Zustand zum großen Teil durch ein objektiv fehlerhaftes Verhalten
des Leistungsträgers bedingt ist, besteht auch eine Verpflichtung, dadurch zumindest mitverursachte negative Folgen
auszugleichen. Je nach dem Umfang des "Verursachungsbeitrages" kommt hier auch eine Reduzierung des
Ermessens dergestalt in Betracht, dass die Schulden darlehensweise zu übernehmen sind. Ob dies dann unter
Beachtung des § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II als Darlehen oder ausnahmsweise als Zuschuss zu erfolgen hat, bedarf der
näheren Klärung im Hauptsacheverfahren.
Ist demnach nicht auszuschließen, dass sich im Hauptsacheverfahren ein Anspruch auf Übernahme der
Stromschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II gegen die Antragsgegnerin ergibt, so fällt die hier im Eilverfahren
vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der Antragsteller aus. Die Gefahr für den Leistungsträger, einen
vorläufig gewährten Betrag bei Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht einbringen zu können, wiegt geringer als die
Nachteile für die Antragsteller, derzeit von der Stromversorgung ausgeschlossen zu sein. Denn die durch die
mangelnde Stromversorgung hervorgerufene Einschränkung der Nutzbarkeit des Wohnraums betrifft elementare
Lebensbedürfnisse der Antragsteller. Dabei verkennt der Senat nicht, dass mit einer Übernahme der Stromschulden
der Antragsteller durch die Antragsgegnerin zwar ein aktuelle Notlage beseitigt werden kann, aber keine Lösung des
eigentlichen Grundproblems erreicht wird. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass noch die Nachforderung für
Gaslieferungen in Höhe von 1.811,88 EUR offen ist, über deren beantragte Übernahme die Antragsgegnerin noch nicht
entschieden hat. Weiter wird sich die Problematik von auch in der Zukunft zu erwartenden übermäßig hohen
Heizkosten nur durch einen Umzug in eine besser geeignete angemessene Unterkunft lösen lassen. Weil auch in
einer neuen Unterkunft mutmaßlich von der A. AG die Aufnahme der Stromlieferung von einer Begleichung der
Außenstände abhängig gemacht wird, sieht der Senat die vorläufige Übernahme durch die Antragsgegnerin als einen
ersten Schritt zur Bewältigung der insgesamt problematischen Situation der Antragsteller an. Dabei hält der Senat es
für geboten, schon die vorläufige Übernahme der Stromschulden davon abhängig zu machen, dass die Antragsteller
einer direkten Überweisung des aufgelaufenen Betrages und auch der für die Zukunft zu erbringenden Zahlungen
direkt an die A. AG zustimmen. Denn die Übernahme kann von flankierenden Maßnahmen abhängig gemacht werden,
die neuerlichen Rückständen entgegenwirken (vgl. Berlit, a.a.O., § 22 Rdnr. 118). Eine solche Sicherung hält der
Senat im konkreten Fall für dringend geboten.
Die Kostenentscheidung erfolgt anlog § 193 SGG. Dass dem Antrag auf Übernahme nur unter der sich aus dem Tenor
ergebenden Einschränkung der Zug um Zug Verpflichtung entsprochen wurde, fällt nicht ins Gewicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).