Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 24.01.2011

LSG San: grobe fahrlässigkeit, nebentätigkeit, baustelle, abrechnung, wahrscheinlichkeit, halle, rechtsschutz, anfang, verwaltungsakt, mitarbeit

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 24.01.2011 (rechtskräftig)
Sozialgericht Halle (Saale) S 1 AL 321/09
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AL 70/10 B
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Aufhebung von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem
Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und die Verpflichtung zur Erstattung dieser Leistungen
sowie dafür gezahlter Sozialversicherungsbeiträge.
Der am 1952 geborene verheiratete Kläger meldete sich nach einer Beschäftigung bei der Fa. L (Arbeitgeber) in H am
16. November 2004 arbeitslos und beantragte bei der Beklagten die Zahlung von Alg. Am 3. Dezember 2004 und
nochmals mit dem am 15. Dezember 2004 eingegangenen schriftlichen Antrag auf Alg meldete der Kläger bei der
Beklagten die Aufnahme einer Nebentätigkeit von unter 15 Stunden wöchentlich bei dem Arbeitgeber ab dem 1.
Dezember 2004. Nach den eingereichten Unterlagen hatte der Kläger die Steuerklasse III, und es bestand kein
Anspruch auf Kindergeld. Das Bruttoentgelt im Zeitraum vom 3. Dezember 2003 bis zum 30. November 2004 betrug
insgesamt 15.472,60 Euro. Am 14. Januar 2004 ging die Nebeneinkommensbescheinigung des Arbeitgebers für den
Dezember 2004 ein, in der er erklärte, dass die geleisteten Stunden jeweils unter 15 Stunden wöchentlich betrugen.
Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 1. Dezember 2004 Alg zu einem Leistungssatz von wöchentlich 187,25
Euro nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 396,73 Euro (Leistungsmerkmale C/0).
Am 6. April 2005 teilte der Kläger mit, er werde ab dem 11. April 2005 eine Beschäftigung bei dem bisherigen
Arbeitgeber von mehr als 15 Stunden wöchentlich aufnehmen.
Am 6. März 2009 erhielt die Beklagte die Mitteilung des Hauptzollamts M (HZA), dass gegen den Kläger ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Im Rahmen einer Durchsuchung bei dem Arbeitgeber seien Unterlagen
sichergestellt worden, nach denen der Kläger unter anderem im Dezember 2004 für den Arbeitgeber tätig gewesen sei.
Nach den sichergestellten Arbeitszeitnachweisen sei der Kläger vom 29. November 2004 bis zum 19. Dezember 2004
insgesamt 94 Stunden und in den einzelnen Wochen 23, 40 und 31 Stunden beschäftigt gewesen. In der Vernehmung
habe der Kläger erklärt, dass im Dezember 2004 ein Stundenlohn von fünf Euro vereinbart gewesen sei, er den Lohn
aber noch nicht erhalten habe. Er habe auch eingeräumt, dass er in dem verzeichneten Umfang gearbeitet habe. Die
Formulare für die Nebentätigkeit habe er unausgefüllt bei dem Arbeitgeber abgegeben, der sie ausgefüllt an die
Beklagte gesandt habe.
Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 17. März 2009 Gelegenheit zur beabsichtigten Aufhebung der
Bewilligung des Alg ab dem Dezember 2004 und der Erstattung des Alg in Höhe von 3.516,25 Euro sowie der
Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 926,63 Euro wegen der nicht mehr geringfügigen Beschäftigung im
Dezember 2004 Stellung zu nehmen.
Der Kläger äußerte hierauf, er sei von dem Firmeninhaber gebeten worden, für einige Tage weiterzuarbeiten, um eine
Baustelle abzuschließen, da sonst keine Löhne gezahlt werden könnten. Aus diesem Grund habe er einige Tage
unentgeltlich gearbeitet. Den Lohn für den Dezember 2004 habe er noch nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2009 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg für den Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis
zum 10. April 2005 auf und forderte die Erstattung des Alg im Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis zum 10. April 2005
in Höhe von 3.516,25 Euro sowie die der zur Sozialversicherung geleisteten Beträge von 936,63 Euro: Der Kläger
habe ab dem 1. Dezember 2004 in einem nicht mehr geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und sei daher
nicht mehr arbeitslos gewesen.
Den Widerspruch des Klägers vom 2. Juni 2009 hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.
August 2009 zurück.
Am 1. September 2009 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben: Er habe bereits lange Jahre
für die Firma gearbeitet und im November 2004 selbst wegen ausstehenden Lohns gekündigt. Auf die Bitte des
Firmeninhabers habe er weitergearbeitet und im Dezember 2004 Überstunden geleistet, damit die Aufträge
abgearbeitet werden konnten. Der Dezember 2004 habe ursprünglich der einzige Monat sein sollen, in dem
Überstunden anfielen. Die Überstunden habe er in der Hoffnung auf die Zahlung von Lohnrückständen geleistet. Am
22. September 2009 hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 13. April 2010 hat das SG den Firmeninhaber
als Zeugen vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift des SG verwiesen.
Am 19. April 2010 hat der Kläger seine Angaben zum Antrag auf Prozesskostenhilfe aktualisiert.
In einem weiteren Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 8. Juni 2010 hat das SG die Mitarbeiter des
Arbeitgebers S ... , K ... , Z ... , Ko. und F. als Zeugen vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Niederschrift des SG verwiesen.
Das SG hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28. Juli 2010 abgelehnt: Der Kläger sei als
prozesskostenarm anzusehen. Allerdings habe seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die
Beweisaufnahme werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ergeben, dass der Kläger mehr als geringfügig
beschäftigt war. Hierfür spreche, dass der Kläger bei seiner Vernehmung vor dem HZA eingeräumt habe, den
Stundenzettel für den Dezember 2004 selbst geschrieben und die darin verzeichneten 94 Stunden auch geleistet zu
haben. Auch in der Klage habe der Kläger eingeräumt, von seinem Arbeitgeber um die Leistung von Überstunden
gebeten worden zu sein. Die Aussagen der Zeugen seien nicht geeignet, dies zu widerlegen.
Gegen den ihm am 12. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 10. September 2010 Beschwerde
erhoben: Das SG habe nicht im Wege einer zulässigen Beweisantizipation, sondern nach einer Beweisaufnahme
entschieden. Das SG dürfe sich nicht auf seine Aussagen in der Klageschrift stützen. Er habe an die Vorgänge im
Dezember 2004 keine genauen Erinnerungen. Die Aussagen in der Klageschrift seien so zustande gekommen, dass
er auf die Fragen seines Prozessbevollmächtigten mehr oder weniger nur mit "Ja" oder "Nein" bzw. mit der Aussage
"so könnte es gewesen sein" geantwortet habe. Um überhaupt eine Basis für eine Klage zu finden, habe er gemeint,
dass es so wie in der Klage vorgetragen, gewesen sein könnte. Nach der Beweisaufnahme habe sich dem SG aber
aufdrängen müssen, dass die Darstellung in der Klageschrift nicht zutreffe. Nach dem von den Zeugen geschilderten
Ablauf, seien von den Mitarbeitern höhere Stundenzahlen als die tatsächlich geleisteten Stunden aufgezeichnet
worden, um ggf. ein höheres Honorar von den Bauherren zu erhalten. Aus den Zeugenaussagen ergebe sich, dass die
Stundenzettel nicht die tatsächliche Arbeitszeit erfassten. Das SG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass durch
die Aussagen der Zeugen die Stundenaufzeichnungen nicht zu widerlegen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2010 aufzuheben und ihm ratenfreie Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Wegen der sonstigen Einzelheiten und dem übrigen Vortrag der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie das Beiheft zur Prozesskostenhilfe verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung
(ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die
Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch
nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/98, NJW 1991,
S. 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich
ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 17. Februar
1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19). Die Entscheidung, ob Erfolgsaussichten bestehen, trifft mithin das
Gericht auf Grundlage einer objektiven Prüfung.
Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht aber im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der
wesentlichen Gleichstellung von Unbemittelten mit Vermögenden beim Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht
überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des
Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der
Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfG v. 13.03.1990 - 2 BvR
94/88 - BVerfGE 81, 347, 358). Hinreichende Erfolgsaussichten sind danach insbesondere dann anzunehmen, wenn
bei der Entscheidung schwierige und bislang nicht ausreichend geklärte Rechtsfragen zu beantworten sind. Sind bei
der Entscheidung tatsächliche Umstände ausschlaggebend, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider,
wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten ihres Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe
verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und
nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum
Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (vgl. die ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. v.
01.07.2009 - 1 BvR 560/08 – Juris m.w.N.).
Vorliegend bestanden nicht erst im Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der Erörterungstermine vor dem SG,
sondern von Anfang an konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte, dass die Beweisaufnahme für den Kläger
negativ ausfallen wird und dass er auch im Übrigen mit seiner Klage keinen Erfolg haben wird. Auch die
Beweisaufnahme hat keine Erkenntnisse erbracht, die die Sachdarstellung des Klägers bestätigen und positive
Erfolgsaussichten begründet hätten.
Der Verwaltungsakt der Beklagten vom 5. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2009
erscheint nicht rechtswidrig, so dass er den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG in seinen Rechten
verletzt.
Die Aufhebung des Alg ab dem 1. Dezember 2004 bis 10. April 2005 erscheint formell und materiell rechtmäßig.
Insbesondere ist der Kläger mit Schreiben vom 17. März 2009 ordnungsgemäß zu der beabsichtigten Entscheidung
angehört worden.
Materiellrechtliche Anknüpfung für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist § 48 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch
Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III. Danach ist
ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines
Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. In materieller Hinsicht steht
dem Kläger kein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu, wenn er nicht arbeitslos war. Nicht arbeitslos ist der Kläger im
Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB III, wenn er eine Beschäftigung in einem Umfang von mehr
als 15 Stunden wöchentlich ausübte. Ebenso ist die Wirkung der Arbeitslosmeldung nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III
mit der Aufnahme der Beschäftigung erloschen, wenn die Aufnahme einer nicht geringfügigen Beschäftigung der
Beklagten nicht unverzüglich angezeigt wird.
Aus dem Ermittlungsergebnis des Hauptzollamts ergeben sich allerdings – wie auch vom SG angenommen – bei
verständiger Würdigung konkrete und im Einzelnen nachvollziehbare Anhaltspunkte, dass der Kläger tatsächlich seit
dem Beginn der Beschäftigung am 1. Dezember 2004 in einem nicht geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stand
und dass er dies der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
Dies folgt aus den ihm Rahmen der Durchsuchung beschlagnahmten Unterlagen des Arbeitgebers und den Angaben
des Klägers anlässlich der Vernehmung durch das HZA am 14. Januar 2009. Danach hat der Kläger ab dem 1.
Dezember 2004 keine Nebentätigkeit ausgeübt, sondern von Anfang an sowohl in der Kalenderwoche als auch in der
Beschäftigungswoche mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet und ist nicht mehr arbeitslos gewesen. Angesichts
des Umfangs der ausgeübten Beschäftigung handelt es sich auch nicht mehr um eine geringfügige Überschreitung.
Der Arbeitgeber hat für die Arbeitsstunden des Arbeitnehmers "N ... ", also des Klägers, detaillierte und
aussagekräftige Unterlagen geführt. Hierzu gehören Wochenarbeitsverzeichnisse ("Wochenzettel") und sog.
"Baukonten-Verbrauchslisten", die für die Bauvorhaben getrennt gefertigt werden. Nach der Baukonto-Verbrauchsliste
für das Objekt "a G. F ..." in H. sind für den 29. November 2004 8 Stunden und vom 30. November 2004 bis 2.
Dezember 2004 je Tag 8,5 Stunden, für den 3. Dezember 2004 6 Stunden, für den Zeitraum ab dem 6. Dezember
2004 bis 9. Dezember je Tag 8,5 Stunden, für den 10. Dezember 2004 6 Stunden und für den Zeitraum vom 13. bis
14. Dezember 2004 je Tag 8,5 Stunden Arbeitszeit verzeichnet. Für das Objekt J in H ... sind für den 16. und 17.
Dezember 2004 8,5 bzw. 5,5 Stunden Arbeitszeit eingetragen. Diese Stundenverzeichnisse entsprechen zudem für
den Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis 17. Dezember 2004 auch den handschriftlich vom Kläger mit seiner
Arbeitszeit ausgefüllten "Wochenzetteln". Hierbei handelt es sich um mit einem Firmenlogo der Fa. L. versehene und
ersichtlich vom Arbeitgeber für den jeweiligen Arbeitnehmer ("N ") mit den Kalenderwochen (z.B. 52/04) vorausgefüllte
Stundenzettel. Dies wird daraus deutlich, dass der Name des Arbeitnehmers und die Kalenderwoche in einer anderen
Handschrift ausgefüllt ist als die Eintragungen zu Arbeitsort und –zeit und dass auf dem Wochenzettel 52/04 der
Arbeitgeber handschriftlich "allen Mitarbeitern ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr"
wünscht. Zu diesen Stundenaufzeichnungen erklärte der Kläger anlässlich der Vernehmung am 14. Januar 2009, dass
er die "Stundenzettel" mit seiner tatsächlichen Arbeitszeit ausgefüllt habe.
Dieses Ermittlungsergebnis des Hauptzollamts ist bei Einreichung des Antrags auf Prozesskostenhilfe nicht
zweifelhaft gewesen. Es sind auch später weder durch die Aussagen der Zeugen noch durch die Darstellung des
Klägers hieran berechtigte Zweifel geweckt worden.
Die bei der Beklagten eingereichten Nebenverdienstbescheinigung des Arbeitgebers für den Dezember 2004, nach der
für den Kläger in der Woche vom 1.-3. Dezember 2004 zwei Stunden, in der Woche vom 6.-10. Dezember 2004 fünf
Stunden, in der Woche vom 13.-17. Dezember 2004 6,5 Stunden und in der Woche vom 20.-24. Dezember keine
Stunden verzeichnet sind, lassen die Beweislage nicht offen erscheinen. In den vom Arbeitgeber eingereichten
Nebenverdienstbescheinigungen erklärt der Arbeitgeber zwar, dass der Kläger nur geringfügig beschäftigt war. Diese
Erklärung hat angesichts der geschilderten gegenteiligen Beweislage durch die sichergestellten Stundenlisten
allerdings keinen für den Kläger ins Gewicht fallenden Beweiswert mehr. Der Kläger erklärte bei der Vernehmung am
14. Januar 2009 zudem, dass er die Nebenverdienstbescheinigungen blanko beim Arbeitgeber abgegeben, d.h. nicht
ausgefüllt und auch nicht selbst an die Beklagte gesandt hat. Mithin handelte es sich nur um eine Erklärung des
Arbeitgebers, die nicht vom Arbeitnehmer ausgefüllt oder geprüft ist.
Der Kläger erklärte zwar am 24. März 2009 gegenüber der Beklagten, dass er ab dem 1. Dezember 2004 weniger als
15 Stunden wöchentlich beschäftigt war, räumte aber gleichzeitig ein, dass er der Bitte des Arbeitgebers nach weiterer
unentgeltlicher Mitarbeit zum Abschluss einer Baustelle nachkam. Dies bedeutet, dass der Kläger entgegen seiner
Eingangsaussage erklärt hat, dass er – wenn auch nach seiner Darstellung unentgeltlich - tatsächlich mehr Arbeit als
15 Stunden wöchentlich verrichtet hat. Dies deckt sich mit den Angaben in der Klageschrift, in der der Kläger
ausführen ließ, dass er in der Hoffnung auf die Zahlung der Lohnrückstände über der 15-Stunden-Grenze gearbeitet
habe.
Mithin entsprach es nicht nur dem objektiven Ermittlungsergebnis, sondern auch dem Vorbringen des Klägers sowohl
in seiner Vernehmung beim HZA als auch gegenüber der Beklagten und in seiner Klageschrift, dass er im ersten
Monat der Beschäftigung nicht nur geringfügig beschäftigt war. Die weiteren Ermittlungen des SG haben hieran keine
berechtigten Zweifel geweckt.
Der Arbeitgeber hat im Rahmen des Erörterungstermins am 13. April 2010 im Wesentlichen bekundet, dass er davon
ausgehe, dass der Kläger die Stundenzettel ausgefüllt habe. Sodann hat er angegeben, dass die
Arbeitszeitnachweise auch dem Beleg gegenüber den Bauauftraggebern dienten, um entsprechende Aufwendungen
nachzuweisen. Es handele sich aber um rein innerbetriebliche Aufzeichnungen, aus denen nicht hervorgehe, dass die
vermerkten Stunden tatsächlich geleistet wurden. Er meine, dass die Nebenverdienstbescheinigungen die
tatsächliche Arbeitszeit wiedergeben würden. Es sei auch kontrolliert worden, dass die Beschäftigten in
Nebentätigkeit nicht mehr als 15 Stunden wöchentlich arbeiteten. Er könne aus seiner Sicht ausschließen, dass der
Kläger tatsächlich im Dezember 2004 94 Arbeitsstunden geleistet habe.
Die Zeugin S ... , damals für die Buchhaltung zuständig, hat mit ihrer Aussage im Erörterungstermin vom 8. Juni 2010
bekundet, dass die Nebenverdienstbescheinigungen von ihr nach den vom Lohnsteuerbüro gemeldeten Stunden
ausgefertigt worden sind. Die Stundenzettel habe sie als Formular an die Arbeitnehmer gegeben, damit diese dann die
Stunden selbst aufzeichnen. In den Stundenzetteln seien aber nicht die tatsächlichen Arbeitsstunden verzeichnet. Sie
seien auch nicht Grundlage der Lohnabrechnung gewesen, sondern nur abgeheftet worden. Für die Lohnabrechnung
habe sie die tatsächlichen Stundenzahlen mündlich oder schriftlich mitgeteilt erhalten.
Der Zeuge K hat angegeben, den Kläger nicht zu kennen und sich zu den Bedingungen seiner eigenen Beschäftigung
geäußert, dass er nur bis zu 14,9 Stunden wöchentlich beschäftigt werden sollte. Er hat bekundet, dass die Stunden
auf Aufforderung des Firmeninhabers aufgezeichnet worden sind, und dass er später gehört habe, dass die
Aufzeichnungen bei der Abrechnung mit den Bauherren verwendet worden sind. Es sei schon mal vorgekommen,
dass er drei Tage hintereinander 8 Stunden gearbeitet habe, aber dann den Rest der Woche nicht mehr.
Der Zeuge Z. hat bekundet, dass er mit dem Kläger selten zusammengearbeitet habe. Er habe seine Arbeitszeit der
Zeugin S ... mitgeteilt. Die Stundenzettel seien auf Aufforderung des Firmeninhabers ausgefüllt worden, wobei er sich
dabei nichts gedacht habe. In diesen Stundenzetteln sei aber nicht seine tatsächliche Arbeitszeit eingetragen. Er
habe tatsächlich weniger als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet. Wenn er beim HZA ausgesagt haben sollte, dass
seine Aufzeichnungen die tatsächliche Arbeitszeit wiedergeben, sei ihm dies nicht mehr bewusst. Er hätte sich
damals auch gar nicht vorstellen können, was das HZA die Stundenzettel angehe.
Der Zeuge Ko hat ausgesagt, dass er den Kläger als Arbeitnehmer der Firma kenne. Er selbst habe ein ganzes Jahr
nur in Nebentätigkeit gearbeitet. Die Wochenstundenzettel habe er nach Aufforderung des Firmeninhabers ausgefüllt.
Er habe die Zettel aber nicht unterschrieben. Er habe sich beim Ausfüllen auch nicht gewundert, weil er eine
Festanstellung erhalten wollte. Er habe nur darauf geachtet, die 160 Euro zu bekommen. Die Stundenzahl sei ihm
weniger wichtig gewesen.
Der Zeuge F. hat bekundet, dass er die Stundenzettel auf Aufforderung des Firmeninhabers ausgefüllt habe. Er habe
nicht darüber nachgedacht, was mit den Stundenzetteln geschehen würde.
Diese Aussagen können keinen berechtigten Zweifel daran wecken, dass der Kläger im Dezember 2004 tatsächlich
mehr als geringfügig beschäftigt war. Die Aussagen entsprechen sich inhaltlich soweit, dass der Firmeninhaber seine
Auftraggeber über die tatsächliche Arbeitszeit seiner Angestellten gegebenenfalls täuschen wollte, indem er nur die in
Nebentätigkeit Angestellten anwies, nicht geleistete Arbeitsstunden aufzuschreiben und die Aufzeichnungen bei der
Abrechnung zumindest hätte vorlegen können. Diese Aussagen sind aber insoweit nicht glaubhaft. Sie sind bezogen
auf das Ausfüllen der Stundenzettel detailarm und beschränken sich auf den wesentlichen Kernpunkt, dass die
Stundenzettel auf Anweisung des Firmeninhabers ausgefüllt sind. Die Zeugen haben keine Gespräche mit dem
Firmeninhaber oder Kollegen über den Hintergrund der falschen Aufzeichnungen, die Art der einzelnen Anweisungen
usw. getätigt. Es fehlen auch jedwede Verknüpfungsangebote, d.h. Verweise auf weitere Zeugen, Unterlagen etc. Alle
Betroffenen haben mithin erst im Zuge des Gerichtsverfahrens übereinstimmend eine völlig neue, nur die
Nebenbeschäftigten betreffende Handhabung der Abrechnung der Wochenstunden geschildert, die im Einzelnen durch
weitere objektive Anhaltspunkte nicht belegt werden kann. Bei einer Würdigung der Aussagen wird auch zu
berücksichtigen sein, dass alle vom SG vernommenen Zeugen ein erhebliches Eigeninteresse haben, nicht weiter
strafrechtlich bzw. im Wege der Erstattung von Sozialleistungen oder wegen Schadensersatzes belangt zu werden.
Die Aussagen widersprechen zudem nicht nur den eigenen Einlassungen des Klägers bis zur Durchführung der
Zeugenvernehmungen durch das SG, sondern zumindest auch den Einlassungen des Zeugen Z ... beim HZA, wie
dieser in seiner Vernehmung beim SG zugegeben hat. Es gibt keine einleuchtende Erklärung für dieses abweichende
Verhalten, die darauf hindeutet, dass der Kläger bzw. der Zeuge Z bei den ursprünglichen Eingeständnissen zum
Umfang der tatsächlichen Beschäftigung die Unwahrheit gesagt haben sollten. Denn der Zeuge Z gibt einfach an, sich
nicht mehr so genau erinnern zu können, warum er diese erste Aussage gemacht hat. Der Kläger gibt ebenfalls keine
einleuchtende Erklärung für den Wechsel seiner Darstellung des Sachverhalts, sondern bezieht sich im Wesentlichen
nur auf die insofern neue Darstellung, dass der Firmeninhaber ein "System" installiert hätte, um Bauherren zu höheren
Zahlungen zu bewegen. Es sprechen keine Indizien dafür, dass der Kläger oder andere Arbeitnehmer beim HZA
unwahre Aussagen getätigt haben. Der Kläger führt zwar gegenüber dem SG am 13. April 2010 aus, dass ihm von den
Mitarbeitern des HZA bedeutet worden sei, dass er bei Bestätigung der Stunden nichts zu befürchten habe. Selbst
wenn dies so gewesen ist, leuchtet eine Falschaussage zu Lasten des Arbeitgebers nicht ein. Aus welchen Gründen
der Kläger sich gegebenenfalls durch die Bezichtigung des Arbeitgebers zunächst selbst schützen wollte, aber
dadurch der Gefahr einer weiteren Strafverfolgung wegen einer falschen Aussage bzw. Anschuldigung aussetzt, hat er
nicht hinreichend erklärt. Gegen eine Falschaussage spricht aber jedenfalls, dass der Kläger die angenommenen
tatsächlichen Stundenzahlen vor dem Termin am 13. April 2010 nicht ernsthaft bestritten hat, sondern im Gegenteil in
seiner Stellungnahme auf das Anhörungsschreiben der Beklagten einräumt, dass er der Bitte des Arbeitgebers nach
weiterer unentgeltlicher Mitarbeit zum Abschluss einer Baustelle nachkam und noch in der Klageschrift die Mehrarbeit
nicht bestritten wird bzw. auf vorgeblich falsche Erklärung beim HZA eingegangen wird.
Selbst bei einer im Rahmen der im Prozesskostenhilfeverfahren eingeschränkt möglichen Vorwegnahme wird die
Beweiswürdigung mit großer Wahrscheinlichkeit ergeben, dass von einer nicht geringfügigen Beschäftigung des
Klägers im Dezember 2004 ausgegangen werden kann.
Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung der Alhi vom 1. Dezember 2004 bis zum 10.
April 2005 nach §§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. 330 Abs. 3 S. 1 SGB III liegen schon deshalb vor, weil der
Kläger die Aufnahme bzw. Ausübung einer Beschäftigung von mehr als 15 Wochenstunden als für ihn nachteilige
Änderung nicht angezeigt hatte. Hinsichtlich dieser Unterlassung muss auch bei der im Prozesskostenhilfeverfahren
eingeschränkten Prüfungsdichte von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Grobe Fahrlässigkeit kann
angenommen werden, wenn die Mitteilungspflicht verletzt wird, obwohl schon einfachste naheliegende Erwägungen
eine Mitteilung nahelegen, wobei sämtliche Umstände des Falls und die Einsichtsfähigkeit des Klägers zu
berücksichtigen sind. Dem Kläger war die Notwendigkeit der Mitteilung einer nicht geringfügigen Beschäftigung und
die Folgen einer nicht mehr geringfügigen Beschäftigung zumindest durch die im Vorbezug erfolgten Belehrungen und
Aufhebungen durch die Beklagte (z.B. Aushändigung des entsprechenden Merkblatts am 21. Januar 2004;
Aufhebungsbescheid zum Alg wegen Arbeitsaufnahme vom 8. Mai 2003) bekannt. Auch mit dem Blatt zur Mitteilung
der Veränderung, nämlich der Aufnahme einer Beschäftigung von weniger als 15 Wochenstunden, war dem Kläger die
Erheblichkeit der Arbeitszeit zeitnah vor Augen geführt. Zudem musste von ihm vor dem Ankreuzen des
entsprechenden Feldes geprüft werden, dass die Beschäftigung 15 Wochenstunden nicht überschreitet. Daraus muss
geschlossen werden, dass der Kläger wusste, dass er der Beklagten sowohl die Aufnahme einer geringfügigen wie
auch einer Vollbeschäftigung zu melden hatte. Er musste aufgrund der vorgehenden Aufhebungen auch wissen, dass
die Aufnahme einer nicht geringfügigen Beschäftigung leistungsrechtlich nachteilig ist. Wenn der Kläger dennoch die
Aufnahme bzw. Ausübung einer nicht geringfügigen nicht meldet bzw. seine früheren Angaben nicht korrigiert, hat er
seine Mitteilungspflicht wenn schon nicht vorsätzlich, so doch mindestens grob fahrlässig verletzt.
Es kann daher dahinstehen, ob der Kläger zudem im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X auch wusste, dass
der Anspruch kraft Gesetzes weggefallen war oder er sich dieser Erkenntnis mindestens grob fahrlässig verschlossen
hat.
Ermessenserwägungen waren angesichts der Pflicht der Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung nicht anzustellen (§
330 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Die Erstattungspflicht folgt der Aufhebung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X nach. Die Beklagte hat die Erstattungsforderung
gemäß den zuvor bezogenen Leistungen und den an die Sozialversicherung gezahlten Beiträgen zutreffend ermittelt.
Hierzu kann auf die Auszahllisten der Beklagten auf Blatt 80 und 81 der Verwaltungsvorgänge verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.