Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 17.12.2008

LSG San: anspruch auf bewilligung, original, form, anforderung, zustellung, gerichtsakte, leistungsfähigkeit, fälligkeit, beendigung, dringlichkeit

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 17.12.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Magdeburg S 12 AS 974/06 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 5 B 414/07 AS
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. September 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das die von ihr für ein
mittlerweile erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.
Die Beschwerdeführerin beantragte per Telefax am 28. August 2006 beim Sozialgericht Madgeburg, die
Antragsgegnerin, die Jobcenter Arbeitsgemeinschaft Magdeburg GmbH, im Wege der einstweiligen Anordnung zur
Übernahme von Umzugskosten zu verpflichten. Gleichzeitig beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging mit dem Original des Antragsschriftsatzes
am 30. Juni 2006 bei Gericht ein. Sie enthielt entgegen der Vorgaben im amtlichen Vordruck keine Angaben zur Höhe
der beiden Girokonten der Eheleute. Beigefügt waren geschwärzte Kontoauszüge, die keinen Rückschluss auf den
Kontostand zuließen.
Das Sozialgericht übersandte die Antragsschrift der Antragsgegnerin per Fax am 29. August 2006. Diese legte noch
am gleichen Tag per Telefax einen Bescheid vom 29. August 2006 vor, der die Zusicherung zur Übernahme der
begehrten Umzugskosten enthielt. Dieses Anerkenntnis wurde der Beschwerdeführerin übermittelt, die daraufhin per
Telefax am 30. August 2006 den Rechtsstreit für erledigt erklärte und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des
Rechtsstreits aufzuerlegen sowie über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Die Antragsgegnerin anerkannte
unter dem 4. September 2006 die außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach. Nach Angaben der
Beschwerdeführerin seien die Kosten am 14. September 2007 noch nicht beglichen gewesen.
In dem Prozesskostenhilfeverfahren hat das Sozialgericht unter dem 9. Oktober 2006 darauf hingewiesen, dass die
Vermögensverhältnisse nicht ausreichend dargelegt seien. Daraufhin hat die Beschwerdeführerin am 28. Oktober 2006
aktuelle Kontoauszüge der beiden Girokonten vorgelegt.
Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28. September 2007 abgelehnt.
Prozesskostenhilfe werde regelmäßig nur mit Wirkung für die Zukunft bewilligt. Maßgeblich sei der Eingang des nach
§ 117 Zivilprozessordnung (ZPO) vollständigen Antrags. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe scheide hier aus,
weil die erforderlichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erst nach Erledigung des Rechtsstreits eingegangen
seien. Vor der Erledigung des Rechtsstreits habe die Beschwerdeführerin nicht alles ihr zumutbare getan, um eine
Entscheidung des Gerichts zu erreichen. Der Antrag mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse sei am 30. August 2006 unvollständig eingegangen. Der Eilantrag und die Folgeschriftsätze hätten keine
Angaben zu den Beträgen für die vorhandenen Konten enthalten. Der Antrag sei erst nach Erledigung des
Rechtsstreits durch Vorlage von Kontoauszügen entscheidungsreif geworden. Davor habe das Gericht keine
Möglichkeit gehabt, die Bedürftigkeit zu prüfen.
Gegen den ihr am 2. Oktober 2007 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 1. November 2007
Beschwerde beim Sozialgericht Magdeburg eingelegt und geltend gemacht, der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei
noch am 28. August 2006 bei Gericht eingegangen und bearbeitet worden. Die Richterin sei sofort in der Sache tätig
geworden; deshalb könne keine Rede davon sein, dass die Angelegenheit nicht rechtshängig gewesen sei. Allein auf
den Eingang von Originalunterlagen abzustellen, zerlege die Angelegenheit in unzulässiger Weise. Darüber hinaus
habe das Gericht unter dem 9. Oktober 2006 weitere Unterlagen nachgefordert. Daher habe man auch damit rechnen
können, dass die Prozesskostenhilfe gewährt werde, wenn die Voraussetzungen vorlägen. Eine Zurückweisung wegen
der Nichtvorlage zum Zeitpunkt des Antragseingangs sei dann nicht mehr möglich.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. September 2007 aufzuheben und ihr für das abgeschlossene
Verfahren S 12 AS 974/06 ER ab dem 28. August 2006 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Z. aus M.
zur Vertretung in dem Verfahren beizuordnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, der angefochtene Beschluss sei nicht zu beanstanden. Eine Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse sei aufgrund des per Telefax übermittelten Antrags auf Prozesskostenhilfe vom 28. August 2006 nicht
möglich gewesen. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe beruhe daher nicht darauf, dass auf den Eingang der
Originalunterlagen am 30. August 2006 abgestellt worden sei. Darüber hinaus seien auch die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nach den bisher vorgelegten Erklärungen und Belegen nicht glaubhaft gemacht.
Die Beschwerdeführerin hat daraufhin weiter ausgeführt: Das Argument, zum Zeitpunkt der wegen Dringlichkeit per
Telefax erfolgten Antragserhebung hätten keine prüffähigen Unterlagen vorgelegen, sei schon wegen des
verfassungsrechtlichen geschützten Verfahrens zurückzuweisen. Ansonsten könne es nur noch schnelle
Entscheidungen geben, wenn ein Antragsteller auf sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf
Prozesskostenhilfe verzichte. Auch der Hinweis, die Unterlagen für die Prozesskostenhilfe seien nicht per Telefax
übersandt worden, sei irrreal. Unabhängig von möglichen technischen Schwierigkeiten habe niemand davon ausgehen
können, dass die Gegenseite so kurzfristig einknicke. Diese für sie positive Vorgehensweise könne im Nach-hinein
nicht negativ herangezogen werden. Im Übrigen hätten dem Gericht sämtliche Unterlagen vorgelegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte S 12 AS 974/06 ER sowie der dazu gehörigen
Prozesskostenhilfeakte Bezug genommen. Diese lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidung des Senats.
II.
Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung zulässige und
gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet. Die Beschwerdeführerin hat
keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 12 AS 974/06 ER, weil zum Zeitpunkt dessen
Abschlusses kein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorlag (1.). Darüber hinaus verfügte die
Beschwerdeführerin über Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO und war nicht bedürftig (2.).
1. Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der
Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Antragsteller hat gemäß § 115 ZPO für die
Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten
Tatbestände unzumutbar ist. Zu diesem Zweck sind nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine
Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen
beizufügen.
Dabei hat der Antragsteller den nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO vorgesehen Vordruck vollständig und sorgfältig auszufüllen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO für jeden Rechtszug besonders.
Grundsätzlich beginnt die Wirksamkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Zustellung des Beschlusses.
Rückwirkend kann das Gericht frühestens zu dem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe bewilligen, in dem ihm der Antrag
samt den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen vollständig vorlag (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30.
September 1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, S. 446; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.
November 2008, L 5 B 246/07 AS, nicht veröffentlicht).
Zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits am 30. August 2006 durch prozessbeendende Erklärung der
Beschwerdeführerin gegenüber dem Gericht hat ein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wie
das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht vorgelegen. Die Beschwerdeführerin hatte bis dahin keine Angaben
zu etwaigen Guthaben auf den beiden Girokonten der Eheleute gemacht, sondern nur angekreuzt, dass sie Vermögen
in Form dieser beiden Konten habe. Die zunächst beigelegten Kontoauszüge ließen keinen Rückschluss auf ein
vorhandenes Guthaben zu, da gerade die entsprechenden Stellen über den Kontostand geschwärzt waren. Der
Umstand, dass die Beschwerdeführerin auf Anforderung des Sozialgerichts nach Beendigung des Verfahrens am 28.
Oktober 2006 Kontoauszüge vorgelegt hat, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Erstmals zu diesem Zeitpunkt war
das Sozialgericht in die Lage versetzt worden, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin
vollständig zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt war der Rechtsstreit jedoch bereits erledigt. Unerheblich ist für den geltend
gemachten Anspruch insoweit, dass das Sozialgericht überhaupt noch weitere Unterlagen angefordert hat. Dies war
zwar aufgrund der dargestellten gesetzlichen Bestimmungen überflüssig; es führt jedoch nicht dazu, dass -
abweichend von den gesetzlichen Vorgaben - daraus ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgeleitet
werden könnte.
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, weshalb die gesetzliche Regelung gegen das "verfassungsrechtlich
geschützte Verfahren" verstößt. Der Beschwerdeführerin war es unbenommen, die Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt per Telefax mit Einreichung der Antragsschrift vorzulegen und
die entsprechenden Belege im Original nachzureichen. In diesem Fall hätte die Prozesskostenhilfeprüfung ab
Antragstellung erfolgen müssen. Die Beschwerdeführerin hat jedoch schon die Angaben in der Erklärung über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinsichtlich der Einkommenshöhe auf den Girokonten unvollständig
gemacht.
Der Umstand, dass die Antragsgegnerin den geltend gemachten Anspruch binnen zwei Tagen anerkannt hat, führt
ebenfalls nicht dazu, dass zugunsten der Beschwerde-führerin von den gesetzlichen Regelungen abgewichen werden
könnte. Die Prozesskostenhilfe orientiert sich allein am Zeitpunkt der Bewilligungsreife und nicht am Verhalten des
gegnerischen Prozessbeteiligten.
Der Senat kann daher offen lassen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wie die Antragsgegnerin
meint, bis heute nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind.
2. Darüber verfügte die Beschwerdeführerin über Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO, weshalb sie nicht
bedürftig im Sinne des Gesetzes war. Ihr stand eine als Vermögen verwertbare Forderung gegen die Antragsgegnerin
zur Seite. Auch Forderungen gehören zum Vermögen, und zwar unabhängig davon, ob sie tituliert sind oder nicht. Sie
müssen allerdings verwertbar sein. Dies setzt Fälligkeit, einen rechtlich nicht zweifelhaften Anspruch sowie
Leistungsfähigkeit des Schuldners voraus. Ein durchsetzbarer Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner
kann zum Vermögen gehören (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 1990, 2 W 191/89, FamRZ 1990, S.
642). Zumutbar verwertbare Forderungen hat ein Antragsteller einzusetzen; anderenfalls werden diese gleichwohl dem
einzusetzenden Vermögen hinzugerechnet (Kalthoehner/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und
Beratungshilfe, 4. Aufl. Rn. 324).
Die Beschwerdeführerin war Inhaberin einer Forderung auf Erstattung ihrer erstattungsfähigen außergerichtlichen
Kosten gegen die Antragsgegnerin aus deren Kostengrundanerkenntnis vom 29. November 2006. Diese Forderung ist
fällig, die Antragsgegnerin ist auch leistungsfähig.
Sofern die Antragsgegnerin das in Rechnung gestellte Honorar des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin bis
September 2007 noch nicht beglichen hatte, ändert dies nichts an dem Vorhandensein eines Vermögenswertes. Es ist
nicht dargelegt worden, dass die Antragsgegnerin ihr Kostengrundanerkenntnis widerrufen hätte. Bloße
Abwicklungsverzögerungen, etwa aufgrund eines Streits über die Höhe der angemessenen außergerichtlichen Kosten,
ändern nichts am Bestand der Forderung. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe würde hier zu einer
Doppelalimentation ihres Prozessbevollmächtigten führen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).