Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 14.10.2010

LSG San: eltern, wohnung, anrechenbares einkommen, berufliche ausbildung, haushalt, freibetrag, unterbringung, einkünfte, lebensmittelpunkt, zivildienst

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom 14.10.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Magdeburg S 4 AL 794/04
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 AL 34/07
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) vom 1. Mai 2004 bis zum 13. Juli
2006.
Der am 1983 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und ledig. Er nahm ab dem 1. August 2002 eine
Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten Informatik an der O. –K. -Schule in M auf. Zum 1. Oktober 2002 zog er von
dem Wohnsitz seiner Eltern in. E. in eine Einraumwohnung in der L ... –F ... -Straße in M. um. Die Miete für die
Wohnung in der L -F -Straße in M betrug ab dem 1. Oktober 2003 einschließlich der Nebenkosten 203,00 EUR im
Monat. Der Kläger brach diese Ausbildung zum 31. Dezember 2002 wieder ab. Er leistete ab 2. Januar 2003 seinen
Zivildienst in M bei den Unikliniken ab, brach diesen aber am 21. April 2003 aus gesundheitlichen Gründen ab. Seine
Wohnung in M ... behielt der Kläger bei.
Am 16. September 2003 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf BAB für die Aufnahme einer Ausbildung
zum Industriekaufmann ab dem 1. Oktober 2003. Es handelt sich um einen Berufsausbildungsvertrag in
überbetrieblicher Ausbildung gemäß §§ 3, 4 Berufsbildungsgesetz mit einer Ausbildungszeit nach der
Ausbildungsordnung von 36 Monaten bei der I -Gesellschaft z ... F der b ... und s I mbH in H. Der Ausbildungsbetrieb
zahlte dem Kläger folgende monatliche Ausbildungsvergütung: Im ersten Ausbildungsjahr 159,50 EUR, im zweiten
Ausbildungsjahr 163,61 EUR und im dritten Ausbildungsjahr 178,95 EUR. Für Familienheimfahrten gab der Kläger für
die einfache Strecke M bis E einen Betrag mit öffentlichen Verkehrsmitteln von 3,10 EUR an, für Pendelfahrten
innerhalb von M ... 23,50 EUR. Unter Berücksichtigung des Einkommens seiner Eltern lehnte die Beklagte mit
Bescheid vom 12. November 2003 den Antrag auf BAB ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, weil er der
Auffassung war, die Beklagte müsse bei der Berechnung des Einkommens einen Freibetrag nach § 71 Abs. 2 Satz 2
Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) berücksichtigen. Diesen wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2003 zurück.
Am 14. Januar 2004 stellte der Kläger erfolglos einen Überprüfungsantrag, wobei das aktuelle Einkommen seines
Vaters berücksichtigt werden sollte (Bescheid vom 6. Februar 2004).
Zum 1. Dezember 2003 zog der Kläger innerhalb von M. in die S straße in eine 40,12 m² große 2-Zimmer-Wohnung
um. Die Gesamtmiete für diese Wohnung betrug 286,85 EUR monatlich.
Am 4. Mai 2004 stellte der Kläger den Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe für seine fortdauernde Ausbildung, der
Gegenstand dieses Rechtsstreites ist. Er gab an, dass der Hin- und Rückweg von der Wohnung der Eltern zur
Ausbildungsstätte (einfache Strecke 31 km) mit öffentlichen Verkehrsmitteln insgesamt mehr als zwei Stunden
dauern würde. Für Pendelfahrten, um zur Berufsschule in M. zu gelangen, machte er weiterhin einen Betrag in Höhe
von 23,50 EUR monatlich geltend. Angaben zu Familienheimfahrten und den dadurch entstehenden Kosten machte er
nicht. Zum Beleg für das Einkommen seiner Eltern reichte er den Einkommensteuerbescheid 2002 für die Eheleute R.
und M H in E ... ein. Danach erzielte der Vater des Klägers 2002 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 17.796,00 EUR
und die Mutter des Klägers einen solchen von 34.482,00 EUR. Die zu versteuernden Einkünfte 2002 betrugen für den
Vater des Klägers 15.256,00 EUR und für die Mutter des Klägers 33.438,00 EUR. Zugleich machte der Kläger geltend,
dass sich die Einkommensverhältnisse seines Vaters aktuell geändert hätten, da dieser seit 1. Juni 2004 arbeitslos
sei. Der Vater des Klägers erhielt im Jahr 2004 vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Mai 2004 einen Bruttoarbeitslohn in
Höhe von 4.179,00 EUR und vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 5.400,03 EUR,
im Jahr 2005 prognostisch Arbeitslosengeld in Höhe von 9.263,00 EUR. Hierzu stellte der Kläger einen Antrag auf
Aktualisierung des berücksichtigten Einkommens. Zum Beleg fügte er einen Bescheid der Beklagten über die
Bewilligung von Arbeitslosengeld für seinen Vater in Höhe von 27,57 EUR täglich ab dem 1. Juni 2004 an.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung von BAB unter
Berücksichtigung des Aktualisierungsantrages wegen einer Veränderung des Einkommens des Vaters des Klägers im
Bewilligungszeitraum ab. Das Einkommen sei nur dann wesentlich niedriger als dasjenige im berücksichtigten
Kalenderjahr 2002, wenn sich bei Berücksichtigung der Einkommensminderung der Förderungsbetrag um mindestens
10,00 EUR erhöhe. Dies sei hier nicht der Fall. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21. Juni 2004
Widerspruch ein. Hierbei verwies er darauf, dass der Mietvertrag in der S. straße erst am 18. November 2003
abgeschlossen worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dies
begründete sie wie folgt: Es errechne sich für den Kläger ein Gesamtbedarf von 541,50 EUR monatlich. Der
zusätzliche Freibetrag bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III
könne nicht anerkannt werden. Der Kläger habe bei Beginn seiner Ausbildung bereits eine Wohnung in M. bewohnt,
nämlich in der L ... –F -Straße. Der Mietvertrag in M sei deshalb nicht wegen der Ausbildung in M. abgeschlossen
worden. Der Kläger habe bereits vor Ausbildungsbeginn nicht mehr im Haushalt seiner Eltern in E. gewohnt. Auf
seinen Gesamtbedarf sei sein eigenes monatliches Einkommen in Höhe von 163,04 EUR und das monatliche
Einkommen der Eltern auch unter Berücksichtigung des aktuellen Einkommens des Vaters in Höhe von 527,67 EUR
anzurechnen. Dieses Einkommen übersteige den Bedarf des Klägers.
Gegen diesen am 29. September 2004 versandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 1. November 2004 Klage
vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und diese wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung der
Beklagten sei der erhöhte Freibetrag nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB III sehr wohl zu berücksichtigen. Es müsse
berücksichtigt werden, dass er zum Zwecke der Ausbildungsaufnahme und zwar der ersten Ausbildung als
Wirtschaftsassistent Informatik nach M gezogen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch in E bei den Eltern wohnhaft
gewesen und habe sich dann für die Dauer des Schulbesuches eine Wohnung in der L -F -Straße in M. angemietet.
Die selbst zu tragenden Ausbildungskosten hätten seine Möglichkeiten überstiegen, sodass er die Ausbildung wieder
abgebrochen habe. Vor der neuerlichen Ausbildungsaufnahme habe er dann seinen Zivildienst absolviert. Insofern
liege die vom Gesetz geforderte Voraussetzung vor, dass der Kläger vor Beginn der Ausbildungen noch bei seinen
Eltern gewohnt habe. Die Dauer der Fahrt von seinen Eltern zur Ausbildungsstelle in M betrage einschließlich der
Busfahrten und der Anwege zum Bus für die Hin- und Rückfahrt minimal 3 Stunden 7 Minuten, bei einer anderen
Verbindung 5 Stunden 51 Minuten. Für weitere Einzelheiten des detaillierten Zeitablaufs der Fahrten unter Vorlage der
Busfahrpläne wird auf Blatt 80 f. Gerichtsakte verwiesen. Die Beklagte hat weiter darauf verwiesen, dass der Kläger
bereits vor Beginn der konkreten Ausbildung nach M ... verzogen sei. Eine Notwendigkeit des Umzugs im
Zusammenhang mit der konkreten Ausbildung habe nicht vorgelegen. Das SG hat telefonisch beim
Einwohnermeldeamt in M. nachgefragt. Danach ist der Kläger durchgehend vom 1. Oktober 2002 bis zum 16. Februar
2004 in der L. –F ... -Straße in M. gemeldet gewesen und ab dem 16. Februar 2004 in der S. straße in M ...
Der Kläger hat am 25. August 2005 einen neuerlichen Antrag auf Gewährung von BAB ab dem 1. November 2005 bis
zum Abschluss seiner Ausbildung am 1. September 2006 gestellt. Für weitere Einzelheiten wird auf die
Verwaltungsakte verwiesen. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 abgelehnt. Der
Kläger beendete am 13. Juli 2006 seine Ausbildung zum Industriekaufmann erfolgreich.
Mit Urteil vom 8. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Auch unter
Zugrundelegung der aktuellen Einkommensverhältnisse des Vaters des Klägers habe der Kläger keinen Anspruch auf
BAB ab dem 1. Mai 2004. Das anzurechnende Einkommen der Eltern betrage monatlich 527,67 EUR. Hinzu komme
das eigene Einkommen des Klägers von monatlich 163,04 EUR. Dieses Gesamteinkommen übersteige den
Gesamtbedarf des Klägers von monatlich 541,50 EUR. Ein zusätzlicher Freibetrag, wie vom Kläger gefordert, sei ihm
und seinen Eltern nicht einzuräumen. Der Kläger sei nicht wegen seiner Ausbildung zum Industriekaufmann nach M ...
verzogen. Deshalb könne die Voraussetzung, dass eine geeignete Ausbildungsstätte nur bei Unterbringung des
Klägers außerhalb des Haushalts der Eltern möglich sei, nicht erfüllt sein. Die besondere Förderung der auswärtigen
Unterbringung setze voraus, dass der Auszubildende wegen der beabsichtigten Ausbildung gezwungen sei, außerhalb
des zumutbaren Tagespendelbereichs der elterlichen Wohnung eine Unterkunft zu nehmen. Sei der Auszubildende
bereits geraume Zeit vor Beginn der zu fördernden Ausbildung und ohne Bezug zu ihr umgezogen, habe er
grundsätzlich keinen Anspruch auf diese erhöhte Förderung. Die erweiterte Förderung würde in dem Fall des Klägers
keine Anreizwirkung mehr erzielen, das elterliche Wohnumfeld zu verlassen, um aus eigenem Interesse, aber auch
zum Nutzen der Gemeinschaft eine berufliche Qualifizierung anzustreben, da er bereits zuvor unabhängig von der
konkreten Ausbildung umgezogen sei. Ein Flexibilitätsanreiz sei in so einem Fall nicht mehr erforderlich.
Der Kläger hat gegen das ihm am 12. März 2007 zugestellte Urteil am 21. März 2007 Berufung eingelegt und diese
wie folgt begründet: Es müsse der zusätzliche Freibetrag eingeräumt werden, weil die Vermittlung einer geeigneten
beruflichen Ausbildungsstelle nur bei seiner Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils
möglich gewesen sei. Er sei zweimal monatlich während seiner Ausbildung zum Industriekaufmann nach E gefahren.
Er habe seine Wäsche in E gewaschen bzw. seine Mutter habe sie gewaschen. Hierfür hätten sie auch in Wochen, in
denen er nicht in E gewesen sei, einen Wäschetausch in M vollzogen, weil seine Mutter in M gearbeitet habe. Er wäre
auch bereit gewesen, eine Ausbildungsstelle an einem anderen Ort als M. aufzunehmen, habe aber einen erneuten
Umzug und die damit verbundenen Kosten gerne vermeiden wollen. Er habe die Wohnung auch in der Zeit bis zur
neuerlichen Aufnahme einer Ausbildung in M halten können. Soweit das SG auf seine private Wohnung in seiner Zeit
als Zivildienstleistender bzw. des ersten Ausbildungsverhältnisses abgestellt habe, verletze das Urteil das
Gleichbehandlungsgebot gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes (GG). Wesentlich gleiches werde hier ohne erkennbaren
Grund ungleich behandelt. Auch der Kläger habe seine arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitische
Mobilitätsbereitschaft zu erkennen gegeben. Hätte er keine Ausbildungsstelle erhalten, wäre er wieder zu seinen
Eltern zurückgezogen. Nach der Rechtsprechung des SG wäre es auch kasernierten Bundeswehrsoldaten zu
versagen, entsprechende Freibeträge angerechnet zu bekommen, wenn sie nach dem Abitur und Grundwehrdienst
eine Ausbildung in einem anderen Ort begännen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2004 und den Bescheid vom 20. Oktober 2005
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Mai 2004 bis zum Abschluss der Ausbildung am 13. Juli
2006 Berufsausbildungsbeihilfe unter Berücksichtigung des besonderen Freibetrages gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB III
in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist unverändert der Auffassung, der besondere Freibetrag sei nicht einzuräumen, da der Umzug nach M. nicht im
Zusammenhang mit dieser Ausbildung gestanden habe, sondern bereits mit der Aufnahme der ersten Ausbildung zum
Wirtschaftsassistenten Informatik erfolgt sei. Die erste Ausbildung und der sich anschließende Zivildienst an der
Universitätsklinik M. dürften eine insgesamt überwiegende Anwesenheit des Klägers in M erfordert haben, sodass
bereits seit Oktober 2002 eine räumliche Trennung vom Elternhaus angenommen werden könne.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Diese Akten
haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen und sind von ihm berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil der Beschwerdewert von
750,00 EUR überschritten ist; sie ist außerdem form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
Die Berufung ist aber unbegründet. Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig.
Der Kläger wendet sich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG gegen
den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. September
2004 mit dem die Beklagte seinen Antrag auf Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe abgelehnt hat. Gegenstand ist
auch der weitere Bescheid vom 20. Oktober 2005 für den nächsten Bewilligungszeitraum nach § 96 SGG
entsprechend. Es handelt sich um einen Folgebescheid über die Höhe der Leistung, bei der die gleichen Rechtsfragen
relevant sind, weshalb in entsprechender Anwendung von § 96 SGG eine Einbeziehung aus Gründen der
Prozessökonomie geboten ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 2008 – B 11 AL 12/07 R – zitiert nach juris m. w. N.).
Nach § 59 des Sozialgesetzbuches – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) haben Auszubildende Anspruch auf
Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme,
wenn 1. die berufliche Ausbildung oder die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme förderungsfähig ist, 2. sie zum
förderungsfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt
sind und 3. ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrtkosten, die
sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen.
Der Kläger befand sich in einer förderungsfähigen betrieblichen Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten
Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz. Er erfüllt auch die weiteren persönlichen Voraussetzungen gem.
§§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 SGB III. Er ist Deutscher und wohnt außerhalb des Haushalts seiner Eltern und hatte
zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung bereits das 18. Lebensjahr vollendet, so dass es auf die Voraussetzung
nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III nicht ankam.
Der Anspruch scheitert jedoch daran, dass der Bedarf durch eigenes Einkommen und das einzusetzende Einkommen
der Eltern gedeckt ist. Dem monatlichen Gesamtbedarf für die streitgegenständlichen Bewilligungszeiträume steht ein
höheres anzurechnendes Einkommen gegenüber.
Der zu deckende Gesamtbedarf setzt sich aus dem Bedarf für den Lebensunterhalt, den Fahrtkosten, den sonstigen
Aufwendungen und den Lehrgangskosten zusammen. Nach § 65 Abs. 1 SGB III bestimmt sich bei einer
Unterbringung außerhalb des Haushalts der Eltern der Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Der Bedarf erhöht sich für die Unterkunft um den Betrag nach § 13
Abs. 2 Nr. 2 BAföG. Nach der im Jahr 2004 maßgeblichen Fassung sind für den Grundbedarf 310 EUR und für den
erhöhten Bedarf bei auswärtiger Unterbringung 133 EUR anzusetzen. Hinzu kommen 64 EUR nach § 13 Abs. 3
BaföG, wenn die Mietkosten den vorgenannten Betrag nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BaföG übersteigen. Die Mietkosten von
286,85 EUR überstiegen den berücksichtigten Betrag für die Unterkunftskosten von 133 EUR. Zu diesen 507 EUR
kommen noch die Kosten für die Pendelfahrten zur Ausbildungsstätte gem. § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in Höhe von
23,50 EUR sowie Aufwendungen für Arbeitskleidung in Höhe von 11,00 EUR (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB III) hinzu.
Hieraus errechnet sich ein monatlicher Gesamtbedarf von 541,50 EUR. Es kann an dieser Stelle dahingestellt blieben,
ob noch Kosten für Familienheimfahrten anzusetzen sind, diese würden sich für eine monatliche Heimfahrt auf 6,20
EUR summieren und würden den Bedarf nur unwesentlich auf 547,70 EUR erhöhen. Sie fallen jedenfalls angesichts
der anzurechnenden deutlichen höheren Einkünfte nicht ins Gewicht.
Nach § 71 Abs. 1 SGB III sind auf den Gesamtbedarf das Einkommen des Auszubildenden und u. a. das seiner
Eltern anzurechnen. Einkünfte sind die Summe der positiven Einkünfte, im Sinne von § 2 Abs. 1 u. Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG), welche der Besteuerung unterliegen. Bei Einkünften aus nichtselbständiger
Tätigkeit ist dies der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten.
Der Kläger hat nach dem Ausbildungsvertrag in der Zeit vom 1. Mai 2004 bis 30. September 2004 eine monatliche
Ausbildungsvergütung von 158,50 EUR und in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2005 in Höhe von
163,61 EUR und im letzten Ausbildungsjahr ab dem 1.Oktober 2005 in Höhe von 178,95 EUR erhalten. Im ersten
streitigen Bewilligungszeitraum von 18 Monaten vom 1. Mai 2004 bis zum 31. Oktober 2005 ergab sich eine
durchschnittliche Vergütung von 163,04 EUR (2.934,77 EUR dividiert durch 18). Zutreffend hat die Beklagte hiervon
keine weiteren Abzüge vorgenommen. Es sind im Ergebnis weder Werbungskosten noch die steuerrechtliche
Werbungskostenpauschale oder die Sozialversicherungspauschale abzuziehen. Werbungskosten des BAB-
Empfängers sind bei der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen, soweit sie sich nicht bereits bedarfserhöhend
ausgewirkt haben (BSG, Urteil vom 30. Juni 2005 – B 7a/7 AL 74/04 R – zitiert nach juris), um eine ungerechtfertigte
Doppelberücksichtigung auszuschließen. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Werbungskostenpauschale (BSG,
Urteil vom 20. Oktober 2005 – B 7a AL 12/05 R – SozR 4-4300 § 71 Nr. 2). Dabei muss die
Werbungskostenpauschale auch bei jenen auszubildenden Personen um die bedarfserhöhenden Positionen vermindert
werden, die - ohne dass die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Werbungskosten erfüllt sind
- einem Ausgleich desselben Zweckes dienen wie die steuerrechtliche Anerkennung entsprechender tatsächlich
angefallener Werbungskosten (BSG a. a. O. Rn. 15). Neben den bedarfserhöhend berücksichtigten 23,50 EUR
Fahrtkosten und den 11,00 EUR Kleidungspauschale sind dies auch noch die bedarfserhöhenden Beträge wegen einer
auswärtigen Unterkunft (133 EUR + 64 EUR), die dem Zweck des Ausgleichs der Kosten für eine doppelte
Haushaltsführung dienen. Die Werbungskostenpauschale ist damit vollständig aufgezehrt. Abzüge für Beiträge für die
Sozialversicherung bzw. die Sozialversicherungspauschale scheiden aus, da die Ausbildungsvergütung des Klägers
die Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch Gemeinsame Vorschriften für die
Sozialversicherung (SGB IV) nicht übersteigt, und daher sozialversicherungsfrei ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 des
Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, § 7
Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Für die Ermittlung der Einkommensverhältnisse der Eltern sind nach § 24 Abs. 1 BAföG grundsätzlich die
Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes maßgebend, also hier die
Verhältnisse im Jahr 2002. Auf Antrag des Auszubildenden sind jedoch die Einkommensverhältnisse im
Bewilligungszeitraum heranzuziehen, wenn das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich wesentlich
niedriger als in dem oben genannten Zeitraum liegt. Von dem steuerpflichtigen Einkommen der Mutter des Klägers
nach dem Einkommen-steuerbescheid in Höhe von 33.438,00 EUR verbleibt nach Abzug der Steuern und des
Solidaritätszuschlages (in einer gesamten Höhe von 5.760,12 EUR) und der vermögenswirksamen Leistungen des
Arbeitgebers (214,80 EUR) und der Sozialpauschale in Höhe von 7.142,99 EUR ein Jahreseinkommen von 20.320,09
EUR, umgerechnet monatlich 1.693,34 EUR. Der Vater des Klägers erzielte vom 1. Januar 2004 bis 31. Mai 2004
Arbeitsentgelt in Höhe von 5.368,55 EUR vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 5.899,98
und vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 prognostisch Arbeitslosengeld in Höhe von 9,263,00 EUR. Dies ergibt
ein Gesamteinkommen von 20.531,53 EUR. Nach Abzug der Steuern in Höhe von 147,90 EUR, der
Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.135,75 EUR verbleibt bezogen auf 18 Monate ein Einkommen von
19.247,88 EUR, umgerechnet auf den Monat 802,00 EUR.
Danach ergibt sich für die Eltern des Klägers insgesamt ein Einkommen von 2.495,34 EUR. Hiervon ist nach § 25
Abs. 1 BAföG ein Freibetrag von 1.440,00 EUR in Abzug zu bringen. Von dem verbleibenden monatlichen Einkommen
in Höhe von 1.055,36 EUR bleibt nach § 25 Abs. 4 BAföG die Hälfe anrechnungsfrei, so dass sich ein anrechenbares
Einkommen in Höhe von 527,67 EUR errechnet.
Zutreffend hat die Beklagte keinen anrechnungsfreien Betrag nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III (in der Fassung
bis zum 31. Dezember 2005, danach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) in Ansatz gebracht. Nach dieser Vorschrift
bleiben abweichend von § 23 Abs. 3 BAföG 52 EUR der Ausbildungsvergütung und abweichend von § 25 Abs. 1
BAföG zusätzlich 510 EUR anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur
bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushaltes der Eltern oder eines Elternteils möglich ist.
Mit dieser Ausnahmeregelung soll die Berufsmobilität von Auszubildenden und die stärkere Ausschöpfung des
regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebots gefördert werden (BT-Drs. 13/4941 S. 167). Auf diese Weise
kann die Regelung dazu beitragen, jungen Menschen die Scheu vor der Wahl einer Ausbildungsstelle zu nehmen, die
nicht vom Haushalt der Eltern zu erreichen ist.
Das BSG hat in einer aktuellen Entscheidung für den Freibetrag gefordert, dass dieser nur anzusetzen ist, wenn der
Auszubildende gerade wegen der Ausbildung gezwungen war, den Haushalt der Eltern zu verlassen (BSG, Urteil vom
8. Juli 2009 – B 11 AL 20/08 R, Rn. 22 – zitiert nach juris). Dies sei nicht der Fall wenn der Auszubildende in großem
zeitlichen Abstand und damit unabhängig von seiner konkreten Ausbildung seine Wohnung bezogen habe. Es kann
dahingestellt bleiben, ob ein strenges Kausalitätserfordernis in jedem Fall einen erstmaligen Auszug fordert (so wohl
ausdrücklich LSG Sachsen, Beschluss vom 19. April 2006 – L 1 B 142/05 AL-ER). Allerdings ist für die Anerkennung
des Freibetrages in jedem Fall zu fordern, dass der elterliche Haushalt überhaupt noch der eigentliche
Lebensmittelpunkt des Klägers war. Der Lebensmittelpunkt liegt nur dann im elterlichen Haushalt, wenn der Wohnort
der Eltern als ständiger Schwerpunkt des Lebens beibehalten wurde. Nur wenn der elterliche Haushalt außerhalb der
konkreten Ausbildungssituation der Aufenthaltsort des Klägers ist, macht es Sinn, auf den Haushalt der Eltern
abzustellen, um die Aufnahme einer auswärtigen Ausbildung zu fördern. Dies ist hier im Oktober 2003 nach der
Überzeugung des Senates bei dem Kläger nicht mehr der Fall gewesen. Der Kläger hatte seinen Wohnort in M
unabhängig von seinen unterschiedlichen Lebenssituationen auch nach dem Abbruch der ersten Ausbildung
beibehalten. So hat er sich einen Zivildienstplatz in M ... gesucht und ist auch nach Beendigung des Zivildienstes in
M für die Zeit vom 21. April 2003 bis 30.September 2003 – während seiner Arbeitslosigkeit – im M ... wohnen
geblieben. Für eine Veränderung des Lebensmittelpunktes weg von dem elterlichen Haushalt spricht auch die
Aussage des Klägers, er habe nicht wieder umziehen wollen. Er hat sich auch sonst nicht in "jeder freien Minute" in E
aufgehalten. Seine Fahrten zu seinen Eltern erfolgten durchschnittlich zweimal im Monat, obwohl er auch teilweise mit
seiner Mutter hätte mitfahren können bzw. die Kosten für die "Heimfahrt" nur bei 6,20 EUR lagen. Nach der
Überzeugung des Senates hatte sich der Kläger bereits damals von seinem Elternhaus gelöst und seinen
Lebensmittelpunkt nach M verlagert. Der Kläger bedurfte somit keines Anreizes mehr, eine Ausbildung in M außerhalb
des Tagespendelbereiches aufzunehmen, sondern er wollte gerade in M wohnen bleiben und möglichst eine neue
Ausbildungsstelle dort finden. Dem steht nicht entgegen, dass er noch enge Bindungen zu dem Elternhaus unterhielt
und sich etwa in Bezug auf das Waschen der Wäsche noch nicht "auf eigene Füße gestellt hatte". Die
Wäscheversorgung stellt insoweit nur ein untergeordnetes Indiz für die Frage des wichtigsten Anknüpfungspunktes
dar. Entscheidend ist, dass der Kläger unabhängig von dem Absolvieren einer Ausbildung seinen Wohnort in M.
beibehalten hat und dort auch soziale Kontakte geknüpft hatte. Dies stellt auch einen Unterschied zu dem vom Kläger
als Vergleichsgruppe herangezogenen kasernierten Bundeswehrsoldaten dar. Diese halten sich nur während der Dauer
des Dienstes am Dienstort auf und sind ansonsten in der Regel möglichst "in jeder freien Minute" an ihrem
eigentlichen Wohnort – zumeist noch bei den Eltern.
Aus dem eigenen Einkommen 163,04 EUR und dem anrechenbaren Einkommen seiner Eltern 527,67 EUR ergibt sich
ein Gesamteinkommen in Höhe von 690,71 EUR pro Monat. Dieses übersteigt den Bedarf des Klägers deutlich.
Nichts anders gilt auch für den späteren Bewilligungsabschnitt.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 8.
Juli 2009 – B 11 AL 20/08 R – bereits Grundsätze zu dem Kausalitätserfordernis bei § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III
aufgestellt. Hiervon ist der Senat nicht abgewichen.