Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 24.03.2009

LSG San: angemessenheit der kosten, stadt, betriebskosten, unterkunftskosten, politische gemeinde, hauptsache, heizung, daten, verfügung, freibetrag

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 24.03.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Dessau-Roßlau S 7 AS 3835/08 ER
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 5 AS 5/09 B ER
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragsteller begehren von der Antragsgegnerin im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes
die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Zeitraum von November 2008 bis April 2009.
Der am x. März 19xx geborene Antragsteller zu 1. und seine Ehefrau, die Antragstellerin zu 2., beziehen von der
Antragsgegnerin seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie bewohnen seit dem 1. März 2003 eine
ausweislich des Mietvertrages 71 qm große Wohnung in Dessau-Roßlau. Ab 1. Januar 2008 haben sie eine
Gesamtmiete i.H.v. 532,69 EUR monatlich (Nettokaltmiete: 323,84 EUR, Betriebskosten: 67,50 EUR, Kabelgebühren:
8,35 EUR, Heizung: 81,00 EUR und Wasser ab 15. April 2008: 52,00 EUR) zu zahlen. Zwischen den Beteiligten war
die Höhe der angemessenen KdU bereits in früheren Verfahren streitig. So hatte der 2. Senat des
Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (LSG) mit Beschluss vom 12. April 2006 (L 2 87/05 AS ER) die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bei den Antragstellern für die Zahlung von
Arbeitslosengeld II von November bis Dezember 2005 vorläufig angemessene KdU i.H.v. 427,15 EUR monatlich und
für die Zeit von Januar bis April 2006 i.H.v. 434,53 EUR monatlich zu berücksichtigen. Bereits mehrfach - erstmals im
Leistungsbescheid vom 23. November 2004, zuletzt im Leistungsbescheid vom 22. Oktober 2007 - hatte die
Antragsgegnerin die Antragsteller darauf hingewiesen, dass die KdU gemessen an den für die Stadt Dessau-Roßlau
geltenden Unterkunftsrichtlinien (gültig ab 1. Januar 2006) zu hoch seien. Angemessen seien für zwei Personen
Unterkunftskosten i.H.v. 381,00 EUR. Im Bescheid vom 22. Oktober 2007 hatte sie ausgeführt, die Nettokaltmiete sei
bereits durch den Beschluss des LSG vom 12. April 2006 auf die angemessene Höhe von 258,00 EUR abgesenkt
worden. Die Betriebskosten würden weiterhin in unangemessener Höhe gezahlt. Sie, die Antragsgegnerin, sei bereit,
für den Bewilligungsabschnitt vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 die KdU in der bisherigen Höhe (434,53 EUR)
zu übernehmen. Ab 1. Mai 2008 werde sie nur noch die angemessenen Unterkunftskosten bewilligen. Die
Antragsteller erwiderten unter dem 29. Oktober 2007, die beabsichtigte Kürzung der KdU sei rechtswidrig. Die
Antragsgegnerin sei an den Beschluss des LSG vom 12. April 2006 gebunden. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2008
bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2008 bis
30. April 2009 unter Berücksichtigung monatlicher KdU i.H.v. 381,00 EUR. Am 17. November 2008 haben die
Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt und gleichzeitig beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG)
einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten,
ihnen vorläufig KdU i.H.v. 520,75 EUR monatlich zu gewähren. Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin noch
nicht entschieden. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 hat das SG den Antrag im Wesentlichen mit der
Begründung abgelehnt, die Antragsteller hätten keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Angesichts des von
ihnen geltend gemachten zusätzlichen Betrages i.H.v. 140,00 EUR/Monat könne ihnen ein Abwarten bis zur
Entscheidung in der Hauptsache zugemutet werden. Diesen Betrag könnten sie aus dem Einkommen der
Antragstellerin zu 2. bestreiten, das die Antragsgegnerin i.H.v. 129,80 EUR als Freibetrag und i.H.v. 30,00 EUR als
Pauschale für Versicherungen nicht bedarfsmindernd in Ansatz gebracht habe. Gegen den ihnen am 13. Dezember
2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 8. Januar 2009 Beschwerde eingelegt und ihr Begehren
weiter verfolgt. Der Antragsteller zu 1. verweist auf das bereits in erster Instanz vorgelegte Attest seiner
behandelnden Ärztin Dr. med. Andrea Reibe vom 28. November 2008, wonach er an einer chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung leide. Körperliche Tätigkeiten (schon Treppensteigen) seien nur mit größten körperlichen
Anstrengungen möglich. Die Antragsteller haben weiterhin auf ein im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens
stattgefundenes Vergleichsgespräch Bezug genommen, in dem das SG vorgeschlagen habe, die Antragsgegnerin
solle ihnen drei Monate lang Wohnungsangebote unterbreiten, während drei weiterer Monate sollten sie sich selbst um
eine Wohnung bemühen. Sie ließen sich jedoch nicht vorschreiben, wo sie wohnen sollten. Sie hätten sich
wohnungssuchend gemeldet, mehr könne von ihnen nicht verlangt werden.
Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, unter Aufhebung des Beschlusses des
Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Dezember 2008 die Antragsgegnerin zu verpflichten. ihnen ab Antragstellung
(17. November 2008) bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache, längstens bis 30. April 2009, monatliche
Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 520,75 EUR zu gewähren. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen. Sie verweist auf die tragenden Gründe des Beschlusses. Auf Anforderung des Senats hat der
Antragsgegner die Erhebungen zur Bestimmung der angemessenen Mieten und Wohnflächen ab 1. Januar 2008
vorgelegt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der
Antragsgegnerin sowie auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. II. Die nach § 172 Abs. 3 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingereichte (§ 173 SGG) Beschwerde ist auch im
Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den
Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)
stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit
eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen
Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen
werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem
Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche
Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung
regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden,
die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft
gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als
gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b). 1. Die
Antragsteller haben entgegen der Ansicht des SG einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Rechtsmittel des
einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den
Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen
Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu
deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl.
Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12.
Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt,
wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -
durchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist.
Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch
die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen
zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer
Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage.
Eine Unterdeckung i.H.v. monatlich ca. 140,00 EUR begründet auch unter Berücksichtigung des Freibetrages des
Einkommens der Antragstellerin zu 2. eine solche Notlage. Die Antragsteller sind gezwungen, zur Deckung der KdU
monatlich nicht nur den Freibetrag i.H.v. 129,80 EUR vollständig, sondern darüber hinaus auch noch Mittel i.H.v. etwa
11,00 EUR aus dem Regelsatz einzusetzen. Lediglich dann, wenn nur ein Teil eines Einkommensfreibetrages zur
Bedarfsdeckung vorübergehend heranzuziehen ist, kann von einem Fehlen eines Anordnungsgrundes ausgegangen
werden (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Dezember 2008, L 5 B 273/08 AS ER). Es ist nämlich zu
berücksichtigen, dass der nicht auf den Bedarf anzurechnende Freibetrag des Einkommens nicht nur Anreiz für eine
Beschäftigung geben soll, sondern zugleich auch dem Ausgleich kleinerer erwerbsbedingter Mehraufwendungen dient
(vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 30, Rn. 5). 2. Die Antragsteller haben jedoch keinen
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. a. Sie begehren im vorliegenden Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes allein die Gewährung höherer KdU. Sie haben in zulässiger Weise den Streitgegenstand auf die Höhe
der von der Antragsgegnerin zu zahlenden KdU begrenzt. Diese Beschränkung des Streitgegenstandes ist insoweit
zulässig, als es sich bei der Verfügung über Unterkunfts- und Heizungskosten um eine abtrennbare Verfügung
(Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X) des Gesamtbescheides handelt (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS
8/06 R, SozR 4 4200 § 22 Nr. 1 Rz. 18 ff; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, B 14/11b AS 5/07 R, Rz. 13, juris). b.
Nach § 22 Abs. 2 SGB II hat die Antragsgegnerin die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen zu erbringen, jedoch nur, soweit sie angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit der Kosten
für die Unterkunft bei Mietern setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welcher der Senat folgt
(Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 2/05 R, juris), grundsätzlich eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist zunächst
die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen auf der Grundlage der im sozialen Mietwohnungsbau
anerkannten Wohnungsgröße. Ausgehend von der Anzahl der zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen (hier die
beiden) ist angemessen ein Wohnraum bis 60 qm (vgl. Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung
des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt 1995, Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt 1995, S. 1133 ff.).
Als weiterer Faktor für die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist der Wohnungsstandard zu berücksichtigen.
Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz
einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung
muss von daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im
Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden
Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Da es im Ergebnis allein auf die
Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung,
Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen
hohen Kosten belastet wird. Abzustellen ist letztlich somit auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und des
Standards, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.). Die
angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung betragen im vorliegenden Fall 381,00 EUR monatlich. Zur
Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten hat die Stadt Dessau-Roßlau die beigezogenen Richtlinien vom
30. November 2007 erstellt. Diese kann der Senat zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft hier zu
Grunde legen, da - ohne dass der Senat insoweit bereits jetzt eine abschließende Bewertung vornehmen müsste -
deutlich mehr dafür als dagegen spricht, dass die sich aus der Richtlinie ableitbaren Kosten von 4,30 EUR pro qm als
Grundmiete - ohne Betriebskosten - für die Stadt Dessau-Roßlau angemessen sind. Die dort ausgewiesene
Nettokaltmiete von 5,30 EUR/qm ist dabei um die darin enthaltenen Betriebskosten von 1,00 EUR/qm zu reduzieren.
Es muss bei der Bestimmung des angemessenen Höchstmietpreises gewährleistet sein, dass nach der Struktur des
örtlichen Wohnungsbestandes die Hilfeempfänger tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen
bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte und menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können. Ist bzw. war dem
Leistungsempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret nicht
verfügbar und zugänglich, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 7.
November 2006, B 7b AS 10/06 R, zitiert nach juris). Es ist zunächst Sache des Leistungsträgers, die abstrakte
Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft unter Berücksichtigung des vorhandenen Wohnraums im
unteren Bereich zu ermitteln. Dabei kann sich der Leistungsträger auf örtliche Mietspiegel stützen oder andere
Erkenntnisquellen verwenden (Mietpreisübersichten des Verbandes Deutscher Makler oder anderer privater
Organisationen, Auswertungen der Wohnungsangebote in lokalen Zeitungen, Erkenntnisse des Wohnungsamtes etc.).
Ergibt sich danach, dass die Unterkunftskosten des Hilfeempfängers als angemessen einzustufen sind, sind diese in
tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Überschreiten die Aufwendungen für die Unterkunft den nach der Besonderheit
des Einzelfalls angemessenen Umfang, ist es Sache des Hilfeempfängers, im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu
machen, dass er sich ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung bemüht
hat und es ihm trotz seiner Bemühungen nicht möglich gewesen ist, eine solche Wohnung zu finden. Hat der
Hilfeempfänger ausreichende erfolglose Bemühungen dargelegt und glaubhaft gemacht, sind die Unterkunftskosten in
tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Der für die Angemessenheitsbetrachtung relevante örtliche Wohnungsmarkt wird
grundsätzlich bestimmt durch den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers. Dies ist nicht notwendig
die politische Gemeinde. Solange aber keine gravierenden Gründe entgegenstehen, ist der Hilfebedürftige
grundsätzlich auch auf einen Umzug in einen anderen Stadtteil verweisbar. Der Senat sieht im Rahmen der
summarischen Prüfung keine Veranlassung, für die Stadt Dessau-Roßlau Teilwohnungsmärkte zu bilden. Diesen
Anforderungen an die Bestimmung des angemessenen Mietzinses entspricht die Richtlinie der der Stadt Dessau-
Roßlau vom 30. November 2007. Nach den vorgelegten Unterlagen berücksichtigt die Richtlinie die territorialen
Gegebenheiten der Stadt Dessau-Roßlau, d.h. sie gibt die Durchschnittswerte der tatsächlichen Mietkosten in der
Stadt wieder. Auf eine Einzelfallbetrachtung der einzelnen Stadtteile konnte die Antragsgegnerin verzichten, da nach
der Siedlungsstruktur in jedem Stadtteil angemessener Wohnraum für Hilfebedürftige nach dem SGB II zur Verfügung
steht. Eingeflossen in die Richtlinie sind die Daten der drei größten Dessauer Wohnungsunternehmen (D. mbH,
Wohnungsverein D. e.G., Wohnungsgenossenschaft e.G. D. ), die 42% des gesamten Dessau-Roßlauer
Wohnungsbestandes vermieten. Um Rückschlüsse auf die tatsächlich zu zahlenden Wohnungsmieten der
Leistungsempfänger ziehen zu können, wertete die Stadt zunächst die diesbezüglichen Daten der Bundesagentur für
Arbeit für Dessau und der Kommunalen Beschäftigungsagentur für Roßlau aus. Die Auswertung führte zu dem
Ergebnis, dass die durchschnittlichen tatsächlichen, von den Leistungsempfängern zu zahlenden Mieten im Rahmen
der für Dessau-Roßlau als angemessen angenommenen Nettokaltmiete i.H.v. 4,30 EUR/qm lagen und somit
hinsichtlich der Grundmieten an den 1997 für die Stadt Dessau erstellten Mietspiegel angeknüpft werden konnte.
Hinsichtlich der Betriebs- und Heizkosten wurden die Daten statistisch erfasst und Durchschnittswerte gebildet.
Angemessen für die Kosten der Unterkunft ist folglich ein Grundmietpreis von 4,30 EUR pro qm. Dieser ist zu
multiplizieren mit der oben ermittelten angemessenen Größe einer angemessenen Unterkunft von 60 qm. Es ergeben
sich somit angemessene Kosten der Unterkunft von 258,00 EUR. Auf dem Wohnungsmarkt sind nach Angaben der
Antragsgegnerin auch entsprechende Mietwohnungen mit angemessenen Mietkosten verfügbar. Auch die den
Antragstellern monatlich tatsächlich entstehenden Betriebskosten sind unangemessen hoch. Wie der 2. Senat des
LSG in seinem Beschluss vom 12. April 2006 ausführte, sind die von den Antragstellern zu zahlenden Betriebskosten
zwar im Wesentlichen verbrauchsunabhängig. So fallen Nebenkosten für Niederschlagswasser, Wartung,
Druckerhöhung, Aufzugsanlage, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Ungezieferbekämpfung, Grünpflege,
Gebäudeversicherung, Hauswartskosten, Betrieb der Antennenanlage, Brandschutz, umgelegte Grundsteuer,
Abfallbeseitigungsgebühr, Haus- und Fensterreinigung, Allgemeinstrom und Reinigung von Schornstein und Lüftung
an. Nach den dem erkennenden Senat heute vorliegenden Unterlagen kann jedoch nicht mehr davon ausgegangen
werden - wie es der 2. Senat noch tat -, dass sich die Höhe der von den Antragstellern zu zahlenden Betriebskosten
im Bereich der Angemessenheit bewegen. Die Stadt Dessau-Roßlau hat ermittelt, dass für 11.009 von 19.767
Wohnungen der drei größten Vermieter der Stadt die Betriebskosten bei bis zu 1,00 EUR/qm liegen. Die Höhe der
Betriebskosten der Wohnanlage, in der die Antragsteller wohnen, liegt sogar über dem Durchschnitt der von der D.
mbH vermieteten Wohnungen. Nur in 663 der von ihr vermieteten 11.467 Wohnungen liegen die Betriebskosten über
1,00 EUR/qm. Die Angemessenheit der Heizkosten bedurfte keiner näheren Überprüfung, da diese sich (berechnet auf
den Quadratmeter) im Bereich der auch von der Antragsgegnerin als angemessen angesehenen Kosten i.H.v. 1,05
EUR/qm bewegen (81,00 EUR - 5,70 EUR x 2 [Heizkosten abzüglich Kosten der Warmwasseraufbereitung; BSG,
Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/11b AS 15/07 R, juris]: 71 qm = 0,99 EUR/qm). Die Antragsgegnerin konnte
spätestens ab November 2008 die Erstattung der Kosten der Unterkunft auf die angemessene Höhe beschränken,
denn die darüber hinausgehenden Kosten sind von der Antragsgegnerin nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur so lange
zu berücksichtigen, wie es den Hilfebedürftigen nicht möglich oder zumutbar ist, durch Wohnungswechsel, durch
Untervermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Auf die Unangemessenheit der Höhe der Unterkunftskosten hat der Leistungsträger hinzuweisen. Mit Bescheid vom
22. Oktober 2007 hat die Antragsgegnerin den Antragstellern den Hinweis erteilt, dass die angemessenen
Gesamtkosten für die Unterkunft für zwei Personen monatlich 381,00 EUR nach der damals aktuellen
Unterkunftsrichtlinie betragen. Sie wies weiterhin darauf hin, dass der unangemessene Betrag längstens für sechs
Monate weiter gezahlt werde. Es kann hier offen bleiben, ob die Frist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausnahmsweise
über sechs Monate hinaus zu verlängern ist, wenn dies auf Grund bestimmter Umstände z.B. in der Person des
Hilfebedürftigen (Behinderungen, schwere längere Erkrankungen) geboten erscheint. Auch wenn der
Leistungsempfänger nach objektiven Kriterien davon ausgehen durfte, nicht sofort zum Umzug verpflichtet zu sein,
könnte ein Verlängerung der sechsmonatigen Frist in Betracht zu ziehen sein. Solche denkbaren Umstände, die zu
einer Verlängerung der Sechsmonatsfrist führen könnten, sind hier jedoch nicht ersichtlich. Zunächst ist zu
berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Antragsteller erstmals im Bescheid vom 23. November 2004 darauf
hingewiesen hatte, dass die KdU unangemessen hoch seien. Es folgte eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren, in denen
die Angemessenheit der KdU Streitgegenstand war. Selbst im von den Antragstellern zitierten Beschluss des LSG
vom 12. April 2006 wurde festgestellt, dass die Aufwendungen für die Grundmiete unangemessen seien. Die
Antragsteller hätten nach objektiven Maßstäben bereits zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen müssen, dass die
Mietkosten – zumindest zu einem Teil – unangemessen hoch waren und heute noch sind. Hierauf haben die
Antragsteller nichts unternommen. Der Antragsteller zu 1. hat lediglich darauf verwiesen, er sei aus gesundheitlichen
Gründen auf eine Wohnung im Erdgeschoss oder eine Wohnung in einem Haus mit Fahrstuhl angewiesen. Er leide an
einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung; bereits das Treppensteigen sei nur mit größeren Anstrengungen
möglich. Die Antragsteller haben jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass es ihnen in mittlerweile zweieinhalb Jahren
nicht gelungen ist, eine den körperlichen Einschränkungen des Antragstellers zu 1. gerecht werdende Wohnung trotz
intensiver Bemühungen zu finden. Es ist zudem nicht glaubhaft, dass die Antragsteller überhaupt ernsthaft bemüht
sind, eine Wohnung zu finden, deren Miete angemessen ist. Entsprechende Hilfsangebote der Antragsgegnerin
lehnten sie ohne nachvollziehbare Begründung ab. Der Antragsgegnerin geht es nicht darum, den Antragstellern eine
bestimmte Wohnung vorzuschreiben, sondern darum, ihnen die Wohnungssuche zu erleichtern. Unter
Berücksichtigung all dieser Umstände konnte die Antragsgegnerin im hier streitgegenständlichen
Bewilligungsabschnitt die den Antragstellern tatsächlich enstehenden KdU auf den angemessenen Betrag reduzieren.
Die Beschwerde war folglich zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des §
193 SGG. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).