Urteil des LSG Sachsen vom 23.10.2006

LSG Fss: auch des Beschwerdeverfahrens, sind nicht zu erstatten., minderung, rente, unfallversicherung, sonderopfer, vermögensschaden, vergleich, ausschluss

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 23.10.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 14 AS 779/05 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 3 B 69/06 AS-ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Januar 2006 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten - auch des Beschwerdeverfahrens - sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von
Grundsicherungsleistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Anrechnung oder nur teilweiser
Anrechnung der ihm gewährten Verletztenrente. In diesem Beschwerdeverfahren ist die Höhe der Leistungen ab dem
01.11.2005 streitig.
Der 1953 geborene Bf. erhielt nach Feststellung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (MdE um 20 von 100) von der
Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft (MMBG) seit 1986 eine Verletztenrente. Seit 2003 betrug der
monatliche Zahlbetrag 442,83 EUR.
Die Beschwerdegegnerin (Bg.) gewährte dem Bf. seit Januar 2005 Leistungen zur Grund-sicherung nach dem SGB II.
Auf Antrag des Bf. auf Weitergewährung der Grundsiche-rungsleistung erließ die Bg. den Bescheid vom 07.07.2005
(Bl. 91 ff. VA). Nach der dort vorgenommenen Berechnung habe der Bf. für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.10.2005
Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 236,32 EUR.
Am 16.09.2005 erließ die Bg. einen "Änderungsbescheid", durch welchen die Zahlung der Leistungen der
Grundsicherung - ohne nähere Begründung - für Oktober auf 94,24 EUR gemindert wurde.
Am 05.10.2005 stellte der Bf. einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechts-schutz mit dem Ziel, Leistungen
der Grundsicherung in unveränderter Höhe über den 30.09.2005 hinaus zu erhalten. Die Bg. wertete den Eilantrag als
Widerspruch, welchen sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 (W 14239/05) zurückwies. Darin führte sie u. a.
aus, die Verletztenrente des Bf. sei abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 EUR in Höhe von 412,83 EUR
bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Hiergegen hat der Bf. eingewandt, er könne über die Verletztenrente nicht mehr frei verfügen, da er diese 1994 an die
Raiffeisenbank in W ... zur Begleichung seiner Schulden abgetreten habe.
Auf den Antrag des Bf. auf Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen erließ die Bg. im weiteren Verlauf den
Bescheid vom 17.11.2005. Mit diesem bewilligte sie dem Bf. auch für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 – unter
Anrechnung der Verletztenrente – Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 94,24 EUR.
Die gesamte Verletztenrente wird von der MMBG auf das eigene Konto des Bf. bei der Volksbank Oberberg e. G.,
Konto-Nr ..., ausgezahlt. Eine von dritter Seite angezeigte Verfügungsbeschränkung des Bf. über diese
Verletztenrente liegt nicht vor.
Mit Beschluss vom 17. Januar 2006 hat das Sozialgericht Leipzig (SG) den Antrag als unbegründet zurückgewiesen.
Es fehle sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch einem Anordnungsgrund. Denn es sei nicht mit
ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszu-gehen, dass der Bf. einen Anspruch auf Gewährung von
Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung der Verletztenrente habe. Nach § 11 Abs. 1 SGB II gehörten zum
Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Dies träfe daher auch auf die Verletztenrente zu. Die hierzu
angegebene Abtretung zur Tilgung von Schulden sei als freiwillige Disposition im Hinblick auf die Beurteilung der
Hilfebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen. Eine Ver-fügungsbeschränkung des Bf. liege nicht vor.
Hiergegen hat der Bf. am 27.01.2006 Beschwerde eingelegt. Das SG hat dieser nicht abge-holfen.
Von einer monatlichen Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. in Höhe von 442,83 EUR sei zumindest ein
Teilbetrag von 70,00 EUR gemäß § 11 Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Wie bereits das
Sozialgericht Hamburg (Beschluss vom 24.01.2006 Az.: S 55 AS 1404/05, JURIS, S. 2)entschieden habe, habe die
Verletztenrente nicht bloß die Funktion, einen Einkommensausfall zu kompensieren; darüber hinaus solle sie auch
einen immateriellen Schaden ausgleichen. Diese Wertung werde in § 31 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative
Bundesversorgungsgesetz (BVG) deutlich. Darüber hinaus vertritt die Bf. die Auffassung, die Verletztenrente sei in
seinem Fall gar kein zu berücksichtigendes Einkommen.
Der Bf. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.01.2006 aufzuheben und die Bg. - im Wege der einstweiligen
Anordnung - zu verpflichten, dem Bf. ab dem 01.11.2005 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der
Verletztenrente zu gewähren; hilfweise lediglich einen Teilbetrag der Verletztenrente in Höhe von 342,83 EUR als
Einkommen anzurechnen.
Die Bg. beantrag sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die geforderte Außerachtlassung der Unfallrente als Einkommen bei der Bedürftigkeits-prüfung folge weder aus § 11
Abs. 1 SGB II, weil sie nicht zu den konkret benannten aus-genommenen Einkünften gehöre, noch aus § 11 Abs. 3
SGB II. Denn eine Unfallrente ent-schädige die auf Grund des eingetretenen Versicherungsfalles bedingte körperliche
Leis-tungsfähigkeit und die in diesem Zusammenhang verminderten Arbeitsmöglichkeiten. Eine weitere ausdrückliche
Zweckbestimmung liege nicht vor. Eine Unfallrente stelle zudem keine Schmerzensgeldzahlung dar. Eine
Nichtberücksichtigung etwaiger prozentualer Ein-kommensteile folge zu dem nicht aus § 11 Abs. 3 SGB II. Gerade
der Umstand, dass der Gesetzgeber die entsprechende Regelung aus der Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 weder in §
11 Abs. 1 SGB II noch in die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – Verordnung bzw. in die 1. Verordnung zur Änderung
vom 22.08.2005 habe einfliesen lassen, lasse erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Neuformulierung gegenüber
dem früheren Sozialhilferecht (§ 77 Abs. 1 BSHG) lediglich weitere einzelfallbedingte Ausnahmen habe schaffen
wollen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts-akten beider Rechtszüge
sowie die Verwaltungsakte der Bg. verwiesen.
II.
Die gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht
eingelegte Beschwerde ist zulässig.
Sie ist jedoch – im Ergebnis – nicht begründet.
Ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben. Denn der Bf. hat keinen Anspruch gemäß §§ 7, 19 SGB II auf höheres
Arbeitslosengeld II (Alg II).
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II ist hilfebedürftig, wer u. a. seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem
zu berücksichtigenden Einkommen sichern kann. Die Bg. hat hierbei zutreffend die Verletztenrente des Bf. als
Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Rahmen der Ermittlung des ungedeckten Bedarfs berücksich-
tigt.
Die Verletztenrente ist weder eine nach § 11 Abs. 1 Satz SGB II ausnahmsweise nicht als Einkommen anzusehende
Leistung, noch ist sie einer Solchen im Wege der analogen An-wendung der Ausnahmevorschriften gleichzustellen.
Es handelt sich bei der Verletztenren-te auch nicht um zweckbestimmte Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a
SBG II.
Zunächst gehört die Verletztenrente gemäß § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht zu den ausdrücklich
genannten Ausnahmen der nicht als Einkommen anzusetzenden Leistungen. Ausgenommen sind nach § 11 Abs. 1
Satz 1 SGB II Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Versorgungsgesetz und nach den Gesetzen,
die eine ent-sprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die
nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben, Körper oder Gesundheit erbracht werden.
Die Verletztenrente wird ausschließlich nach den Vorschriften des SGB VII gewährt. Die-ses ist in der dargestellten
negativen Definition des Einkommensbegriffes nicht genannt. Es handelt sich hierbei auch nicht um ein Gesetz, dass
eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsieht. Soweit § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII
anordnet, dass Unfälle oder Entschädigungsfälle nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) den Versi-
cherungsfällen nach dem SGB VII für den Bereich der Verletztenrente gleichstehen, soll hiermit nur eine
Harmonisierung des Leistungsrechts erreicht werden. Für den Fall, dass zugleich Versicherungsschutz in der
Unfallversicherung besteht, soll das Vorliegen eines Leistungsfalles nach dem BVG und eines Versicherungsfalles im
Sinne des SGB VII nicht auseinanderfallen. Hierdurch wird das (Leistungs-) Recht des BVG jedoch nicht für ent-
sprechend anwendbar erklärt.
Auch die Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe der Grundrente nach dem BVG bei der Anrechnung der
Unfallrente auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 93 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
VI) führt nicht zu einer auch nur teilweisen Einordnung der Verletztenrente als Leistung nach den Vorschriften des
BVG. Das SGB VI zieht allein die Höhe der Grundrente als Maßstab für den Anteil der Verletztenrente heran, der nicht
allein der Kompensation der Einkommensbuße dient (immaterielle Ausgleichs-funktion).
Auch eine analoge Anwendung der genannten Ausnahmevorschriften auf die Verletzten-rente kommt nicht in Betracht.
Eine Solche wäre nur dann möglich, wenn es sich bei der Nichtaufführung der Verletztenrente in der Vorschrift des §
11 Abs.1 Satz 1 SGB II um eine planwidrige Regelungslücke handelte, d.h. der Gesetzgeber nicht bewusst auf eine
solche weitergehende Ausnahmevorschrift verzichtet hätte. Dies ist indes nicht der Fall, da eine entsprechende
Vorschrift für das Recht der Arbeitslosenhilfe im § 11 Nr. 2 Arbeitslo-senhilfeverordnung enthalten war und der
Gesetzgeber von einer Übernahme in das neue Recht abgesehen hat. Schließlich handelt es sich den im Gesetz
aufgenommenen Leistun-gen ausschließlich um Ersatzleistungen für Schadensfälle auf Grund von Tätigkeiten im
öffentlichen Interesse oder Einwirkungen im staatlichen Verantwortungsbereich, d. h. um so genannte "Sonderopfer".
Bei Leistungen auf Grund eines Arbeitsunfalls in der (echten) Unfallversicherung fehlt daher an der Vergleichbarkeit
der Sachlage und somit einer weite-ren Voraussetzung für eine Analogie.
Die Verletztenrente ist auch kein zweckbestimmtes Einkommen, das nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II
unberücksichtigt zu bleiben hätte. Gemäß § 11 Abs. 3 SGB II bleiben wei-tere Einkommen wegen ihres besonderen
Charakters und ihrer Zweckbestimmung von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen. Auch insoweit
orientiert sich § 11 SBG II am Sozialhilferecht (BT-Drucks. 15/1516 S. 53). Nicht als Einkommen sind Einnahmen zu
berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen oder Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege einem
anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig
beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II).
Darüber hinaus werden Entschädigungen nicht als Einkommen berücksichtigt, die wegen eines Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geleistet werden (§ 11 Abs. 3 Nr. 2
SGB II). Die Verletztenrente nach dem SGB II ist keine Einnahme, die gem. § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II wegen ihres
Charakters und ihrer Zweckbestimmung von der Einkommensanrech-nung auszunehmen wäre. § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB
II soll verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung bestimm-ter Einnahmen und Zuwendungen durch eine
Anrechnung als Einkommen nach dem SGB II vereitelt wird. Andererseits will die Bestimmung ausschließen, dass für
einen mit den Zielen des SGB II identischen Zweck zusätzliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erbracht werden,
für die der Hilfebedürftigte bereits gleichartige Zuwendungen erhält. Einnahmen und Zuwendungen, die ausdrücklich
den gleichen Zwecken dienen, wie sie auch das SGB II verfolgt, sind als Einkommen zu berücksichtigen. Einnahmen
und Zuwendun-gen, die ausdrücklich einem anderen Zweck dienen, werden bei der Einkommensberech-nung nicht
berücksichtigt. Sind Leistungen nicht ausdrücklich einem bestimmten Zweck gewidmet (sog. zweckneutrale
Leistungen), sind sie als Einkommen zu berücksichtigen. § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II nimmt nur "zweckbestimmte"
Einnahmen, nicht aber auch zweckneutrale Einnahmen von der Einkommensberücksichtigung aus (vgl. zur
weitgehend wortgleichen Regelung in § 77 BSHG: BVerwG vom 28.05.2003 – 5 C 41/02 – NVwZ - RR 2004, S. 112;
BSG 3.12.2002 - B 2 U 12/02 R -).
Bei der Verletztenrente fehlt es an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung. Eine solche kann auch dem SGB VII
nicht eindeutig entnommen werden. Die Verletztenrente dient zum Einen dem Einkommensersatz und andererseits
der Kompensation immaterieller Schäden (BSG vom 3.12.2002 – B 2 U 12/02 R – m.w.N.). Ohne ausdrückliche und
ein-deutige Zweckbestimmung ist sie eine zweckneutrale Leistung und als solche bei der Ein-kommensermittlung zu
berücksichtigen. Wollte man aus den verschiedenen Funktionen der Verletztenrente einen vorrangigen
Leistungszweck herausarbeiten, ließe sich anhand ihrer Berechnungsmodalitäten am ehesten die Lohnersatzfunktion
als primärer Leistungszweck feststellen, da die Verletztenrente an entsprechende Faktoren, wie Minderung der
Erwerbs-fähigkeit und dem Jahresarbeitsverdienst anknüpft. Auch nach dieser Betrachtungsweise ist die
Verletztenrente als Einkommen zu berücksichtigen, da sie einen mit den Leistungen nach dem SGB II identischen
Zweck verfolgt, nämlich den Lebensunterhalt des Begünstig-ten sicher zu stellen.
Die Verletztenrente ist auch keine Entschädigung im Sinne des i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 2SGB II, die wegen eines
Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 BGB geleistet wird. Seit dem 2. Gesetz zur Änderung
schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 (SchErsRÄndG 2; BGBl 2002 I, S. 2674) stützt sich der Kreis
möglicher Entschädigungen für Nichtvermögensschäden im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB nicht mehr überwiegend auf
Ansprüche zum Ausgleich erlittener Schmerzen (§ 847 BGB). Nunmehr werden alle Entschädigungen wegen Schäden
erfasst, die keine unmittelbare Vermögensminderung beim Verletzten bewirken, d.h. jeder Nach-teil außerhalb seiner
Vermögenssphäre. Der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Scha-dens gem. § 253 Abs. 2 BGB dient dem Opfer
sowohl als Ausgleich der erlittenen Unbill als auch seiner Genugtuung. Im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion ist
nicht allein die Person des Geschädigten, sondern auch die Person des Schadensverursachers zu berück-sichtigen
(vgl. Vieweg in: juris PK-BGB, 2. Aufl., 2004, § 253 Rn. 5 und 26, m.w.N.).
Die Verletztenrente dient zwar auch dem Ausgleich eines ggf. eingetretenen immateriellen Schadens. U. a. aus
diesem Grund ist der Ausschluss von zivilrechtlichen Schmerzengeld-ansprüchen für bestimmte, vom
Unfallversicherungsschutz erfasste, Personen nach §§ 104, 105 und 106 SGB VII gerechtfertigt (BVerfG Beschluss
vom 7.11.1972 – Az.: 1 BvL 4/71 u.a. = BVerfGE 34, S.118). Jedoch ist dieser Zweck für die Leistung insgesamt von
unter-geordneter Bedeutung, weil er allein bei der (kleinen) Gruppe von Betroffenen zum Tragen kommt, die auf Grund
einer schuldhaften, nicht vorsätzlichen Handlung einen Schaden erlitten haben, der nicht auf einem Wegeunfall beruht.
Für den Wegeunfall (sowie für vor-sätzliche Schädigungen) greift der Ausschluss des zivilrechtlichen
Schmerzensgeldan-spruchs nämlich nicht ein (§§ 104 Abs. 1 Satz 1, 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Aber auch für
diese kleine betroffene Gruppe dient die Leistung primär der Kompensation des mate-riellen Schadens. Die Höhe der
Verletztenrente ergibt sich allein auf Grund der Höhe einer abstrakt ermittelten Minderung der Erwerbsfähigkeit (s. g.
MdE, vgl. § 56 Abs. 2,3 SGB VII). Für die Feststellung der MdE stellt das Gesetz auf den Umfang der sich aus der
Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden vermin-derten Arbeitsmöglichkeiten
auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens ab, wobei nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SBG VII Nachteile auf Grund der
Unfähigkeit zur Nutzung besonderer beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen des einzelnen Versicherten
berücksichtigt werden. Für die MdE und damit für die Höhe der Rente und die Frage, ob eine Rente überhaupt gezahlt
wird, kommt es auf immaterielle Beeinträchtigungen (Schmerzen) des Versicherten demnach nicht an. Die
Verletztenrente bezweckt primär den Ausgleich eines (möglichen) Schadens in Form entgangenen
Arbeitseinkommens des Versicherten. Die Leistung dient somit im Wesentlichen der Sicherstellung des
Lebensunterhalts des Versicherten, trotz der Folgen des Versicherungsfalles. Jedenfalls bei einer MdE um 20 v.H.
tritt die Funktion eines immateriellen Schadensausgleichs fast vollständig in den Hintergrund. Es kann nicht davon
ausgegangen werden, dass in dieser, auf einer niedrigen MdE beruhenden, Verletz-tenrente gleichsam eine Art
dauerhafte "Schmerzensgeldrente" enthalten ist. Entsprechend ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen verfolgt
daher die Verletztenrente im Vergleich zu § 253 Abs. 2 BGB eine grundlegend andere Zielrichtung.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 3 SBG VII i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB auf eine Verletztenrente
nach SGB VII scheidet aus. Auch insoweit hat der Gesetzgeber die Ausnahmevorschriften bewusst auf den
gesetzlich normierten Anwendungsbereich beschränkt.
Der Bf. wird durch die unterschiedliche gesetzliche Behandlung der in § 11 Abs. 1 und 3 SBG VII genannten
Einnahmen und der Verletztenrente nicht in seinen Grundrechten ver-letzt. § 11 SBG VII verstößt nicht gegen das
Gleichbehandlungsgebot nach Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Das Grundrecht aus Artikel 3 Abs. 1 GG gilt nur
dann, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine Andere behandelt, ob-wohl zwischen
beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass dies eine ungleiche
Behandlung rechfertigen könnten. Artikel 3 Abs. 1 GG fordert damit einen Vergleich der Lebenssachverhalte. Im
Rahmen dieses Vergleichs ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er als
maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Artikel 3 Abs. 1 GG verbietet nur, hier-bei Art und
Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachwidrig außer acht zu lassen (BVerfG vom 21.11.2001 – 1 BvL 19/93 –
SozR 3 – 8570 § 11 Nr. 5; BfG vom 27.09.2005 – B 1 KR 31/03 R – SozR 4 – 0000, m.w.N.). Bei der Gewährung von
Leistun-gen hat der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum zu entscheiden, ob und in welchem Umfang
Vermögen und Einkünfte des Empfängers auf den individuellen Bedarf anzurechnen sind. Der Empfang von
Leistungen für ein erlittenes Sonderopfer stellt ein sachgerechtes Unterscheidungskriterium dar und rechtfertigt damit
eine unterschiedliche Behandlung.
Der Bf. kann sein Begehren auch nicht auf eine Anwendung der Vorschriften der Alhi-VO 2002 stützen. Zwar sieht § 2
Nr. 1 Alhi-VO 2002 für die Berechnung des Einkommens im Rahmen der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vor, dass
die Verletztenrente in be-stimmten Fällen nur anteilig als Einkommen zu berücksichtigen ist. Die Vorschriften der Alhi-
VO 2002 finden für die Berechnung des Einkommens im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II
jedoch keine Anwendung mehr. Zutreffend wendet die Bg. nunmehr die zur näheren Ausgestaltung des § 11 SGB II
auf der Grundlage der Ver-ordnungsermächtigung in § 13 SGB II erlassenen Vorschriften der Alg II-VO an. Diese sieht
eine § 2 Nr. 1 Alhi-VO 2002 entsprechende Regelung nicht vor.
Von einer vollständigen Anrechnung der Verletztenrente nach § 56 SGB VII als Einkom-men geht bislang auch die
überwiegende Rechtsprechung aus (vgl. u.a. Urt. des LSG Baden-Württemberg vom 16.05.2006 – L 12 As 376/06; SG
Lüneburg, Urteil vom 11.04.2006 – S 25 AS 18/05; Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 5.04.2006 – S 103 AS
368/06; LSG für das Land Niedersachsen, Beschluss vom 30.03.2006 – L 6 AS 116/06 ER – ;sowie Thüringer LSG,
Urteil vom 22.03.2006 – L 7 AS 845/05; a. A. im Wesentlichen SG Hamburg, Beschluss vom 24.01.2006 – Az.: S 55
AS 1404/05 ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Diese Entscheidung ist abschließend, § 177 SGG.