Urteil des LSG Sachsen vom 06.02.2001
LSG Fss: ddr, zugehörigkeit, arbeitsentgelt, krankengeld, verwaltungsakt, verordnung, arbeiter, sozialversicherungsrecht, begriff, beitragspflicht
Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.02.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 9 RA 844/97
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 137/00
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 04. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom Kläger während der Zeiten seiner Zugehörigkeit zu einem
Zusatzversorgungssystem erzielten und dem Rentenversicherungsträger zu übermittelnden berücksichtigungsfähigen
Bruttoarbeitsentgelte.
Der am ... geborene Kläger absolvierte von September 1957 bis Februar 1960 eine Facharbeiterausbildung als
Fernmeldemonteur und arbeitete bis August 1961 im erlernten Beruf. Im September 1964 schloss er ein
Ingenieurstudium ab und erwarb im Juni 1973 die Berechtigung zur Führung des akademischen Grades eines Diplom-
Ingenieurs. Er war seit 08.02.1965 beim Deutschen Amt für Messwesen und Warenprüfung und dessen
Nachfolgeeinrichtung beschäftigt. Zum 01.03.1971 trat er der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für
hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates bei.
Der Kläger beantragte am 24.03.1997 die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte u.a. eine
Bestätigung zum Beitritt in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom
18.02.1971, eine Beitragsnachweiskarte sowie für die Zeit vom 1965 bis 30.06.1990 eine Bescheinigung nach § 8
Abs. 1 Satz 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) der Materialprüfungsanstalt für das
Bauwesen des Freistaats Sachsen vom 23.06.1994 vor.
Auf seinen Antrag stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.04.1997 für die Zeit vom 08.02.1965 bis 30.06.1990 unter
Berücksichtigung der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG die Zugehörigkeit des Klägers zur freiwilligen zusätzlichen
Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG), die während dieser
Zeit mit der Entgeltbescheinigung vom 23.06.1994 nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte sowie die Zeiten ohne
Beitragsleistung zur Sozialversicherung (Arbeitsausfalltage) fest.
Mit seinem Widerspruch rügte der Kläger neben der Anwendung des § 252 a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VI) bei der Darstellung der Arbeitsausfalltage die Nichtberücksichtigung der in der Beitragsnachweiskarte
aufgelisteten (fiktiven) Jahresbruttoverdienste, die ohne Berücksichtigung von Ausfallzeiten Grundlage für die
Berechnung der zum Zusatzversorgungssystem zu entrichtenden Beiträge waren.
Mit dem Abhilfebescheid vom 30.06.1997 ließ die Beklagte in Anwendung der Regelung des § 260 Satz 3 SGB VI für
die Jahre 1976, 1978 und 1983 die kurzfristigen Arbeitsausfalltage zwar unberücksichtigt, bei der Höhe der
nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte unter Zugrundelegung der Entgeltbescheinigung vom 23.06.1994 verblieb es.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.09.1997 zurück. Nach den Urteilen des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.06.1995 (Az. 4 RA 98/94) und vom 18.07.1996 (Az. 4 RA 7/95) stelle der
Versorgungsträger die für die spätere Berechnung von Sozialleistungen aus der Rentenversicherung maßgeblichen
Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen in eigener Kompetenz abschließend, verbindlich und ohne
Ermessensspielraum nach dem gesetzlichen Berechnungsmodus mit bindender Wirkung für den
Rentenversicherungsträger fest. Die Entscheidung über die Anwendung der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze
obliege dem Rentenversicherungsträger; soweit der Bescheid des Versorgungsträgers hierzu Ausführungen enthalte,
seien diese zulässig, aber nicht verbindlich. Zudem habe der 13. Senat des BSG in einem Urteil vom 06.12.1996 (Az.
13 RA 1/95) ausgeführt, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte nach § 259b SGB VI die tatsächlich erzielten
Arbeitsentgelte gemäß § 256a Abs. 2 SGB VI maßgebend seien.
Mit der am 09.10.1997 vor dem Sozialgericht erhobenen Klage verfolgte die Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte
müsse die in der Entgeltbescheinigung vom 23.06.1994 ausgewiesenen Verdienste, für die Beiträge zur
Zusatzversorgung abgeführt worden sind, in voller Höhe in den Überführungsbescheid aufnehmen. Die von der
Beklagten vorgenommene Verlängerung der im Sozialversicherungsausweis registrierten Arbeitsausfalltage auf 7/5 bei
gleichzeitiger Kürzung der ausgewiesenen Beitragszahlungen zur Zusatzversorgung sei nicht nachvollziehbar und
stelle eine unzulässige Mehrfach-Kürzung dar.
Auf Anregung des Sozialgerichts erließ die Beklagte nach einem neuen Bescheidprogramm den
Feststellungsbescheid vom 24.03.1998, der nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des
Klageverfahrens geworden ist. Mit diesem Bescheid hat sie in Umsetzung der einschlägigen Rechtsprechung des
BSG die in der Entgeltbescheinigung vom 23.06.1994 ausgewiesenen, vom Kläger tatsächlich erzielte
Jahresbruttoverdienste und die ab 1980 in den Versicherungsunterlagen angegebenen Arbeitsausfalltage als Summe
ohne Anwendung des Umrechnungsmodus des § 252a Abs. 2 SGB VI ausgewiesen und dem Kläger mitgeteilt, dass
der Rentenversicherungsträger im Leistungsfall über die Berücksichtigung der gemeldeten Unterbrechungstatbestände
entscheiden werde.
Auch nach Erteilung dieses Bescheides ging der Kläger weiterhin davon aus, dass die ab 1980 besonders
ausgewiesene Zahl der Arbeitsausfalltage bei der künftigen Rentenberechnung zu einer zusätzlichen (doppelten)
Kürzung führen könnte. Unabhängig von einer späteren Bewertung durch den Rentenversicherungsträger seien für alle
Kalenderjahre und damit auch für Kalenderjahre mit Arbeitsausfalltagen (1974, 1976, 1978, 1980, 1982/1983 und
1989/1990) die in der Beitragsnachweiskarte ausgewiesenen Jahresbruttoverdienste als erzieltes und nachgewiesenes
Arbeitsentgelt nach § 6 Abs. 1 AAÜG festzustellen.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.08.2000 ab. Die
Feststellungen der nach §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 8 Abs. 2 AAÜG in der gesetzlichen Rentenversicherung zu
berücksichtigenden Bruttoarbeitsentgelte für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem seien nicht zu
beanstanden. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 04.05.1999 - B 4 RA 6/99 - führte das Sozialgericht
aus, dass nach § 5 Abs. 1 AAÜG die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine
Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten, denen als
Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) grundsätzlich das im jeweiligen Kalenderjahr tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen unabhängig von der Beitragszahlung zugerechnet werde. Dem Versorgungsträger komme die
Aufgabe zu, abschließend durch Verwaltungsakt die Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts während der
Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem festzustellen. Er habe dabei den bundesdeutschen
Arbeitsentgeltbegriff zugrunde zu legen, so dass alle zumindest im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielten
Einnahmen, nicht aber Sozialleistungen wie das beitragsfreie Krankengeld der DDR (so §§ 24 ff. i.V.m. §§ 3 und 17
der Verordnung zur Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17.11.1977 [GBl. DDR I Nr. 35 S. 373]) als
relevant in Betracht kämen. Folglich habe die Beklagte zutreffend im Rahmen der Feststellung des tatsächlich
erzielten Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG für Arbeitsausfalltage, ggf. fiktiv ermitteltes Entgelt
unberücksichtigt gelassen, so dass die in der Beitragsnachweiskarte vermerkten Jahresbruttoverdienste nicht zu
übernehmen gewesen seien. Soweit der Versorgungsträger im Rahmen seiner Entscheidung über die Höhe des
tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts Angaben über Anzahl (und Lage) von Arbeitsausfalltagen je Kalenderjahr treffe,
handele es sich hierbei nicht um (für den Rentenversicherungsträger verbindliche) Feststellungen nach § 252a Abs. 2
SGB VI. Der Rentenversicherungsträger sei bei Anwendung der Berechnungsvorschrift des § 252a Abs. 2 SGB VI
nicht befugt, das vom Versorgungsträger festgestellte Entgelt nochmals um die mitgeteilten Arbeitsausfalltage
(anteilig) zu reduzieren, weil dadurch der Lohnausfall zweifach in Ansatz gebracht würde. Vielmehr habe er das durch
den Versorgungsträger mit Bindungswirkung mitgeteilte Arbeitsentgelt bei der Berücksichtigung der pauschalen
Anrechnungszeit nach § 252a Abs. 2 SGB VI in voller Höhe auf diejenigen Kalendermonate zu verteilen, die nicht
Arbeitsausfallzeiten seien.
Für die vom Kläger begehrte Anrechnung der allein durch Beitragszahlungen nach Maßgabe der Ordnung über die
freiwillige zusätzliche Altersversorgung der Mitarbeiter des Staatsapparates (FZAO-StMitarb - Beschluss des
Ministerrates der DDR vom 29.01.1971) versicherten Jahresbruttoverdienste als nachgewiesenes und bei der
Rentenberechnung in Ansatz zu bringendes Entgelt fehle eine gesetzliche Anspruchsnorm. Verdienstanteile, für die
nach § 3 Abs. 1 FZAO-StMitarb sowie nach § 7 Abs. 2 der 2. Richtlinie zur Durchführung der Ordnung über die
freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (FZAVR-StMitarb) vom 17.06.1975 zwar
Beitragspflicht zum Versorgungssystem bestand habe, die aber im Sozialversicherungsrecht dem Grunde nach nicht
beitragspflichtig gewesen sind, blieben somit außer Betracht.
Der während des Klageverfahrens erteilte Feststellungsbescheid vom 24.03.1998 entspreche folglich den gesetzlichen
Bestimmungen.
Gegen den dem Kläger mit Einschreiben vom 08.08.2000 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am
15.08.2000 eingelegte Berufung, mit der er sein Begehren weiterführt. Er geht davon aus, dass weitere
Gesetzesänderungen zu Rentenleistungen an Ostdeutsche zu erwarten seien. Um seine Rechte zu sichern, müsse
die Beklagte deshalb die nachgewiesenen Verdienste ungekürzt zusätzlich im Versicherungsverlauf darstellen. Seine
grundsätzliche Forderung bestehe darin, die in der DDR erworbenen Dienstzeiten und Einkommen bei der
Rentenberechnung vollständig zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 04.08.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung
des Bescheides vom 24.03.1998 zu verurteilen, auch für die Jahre 1974, 1976, 1978, 1980, 1982, 1983, 1989 und
1990 die in der Beitragsnachweiskarte nachgewiesenen Jahresbruttoentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen
und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht eine Anspruch auf Feststellung weiterer
Entgelte im Sinne von § 8 Abs. 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nicht zu.
Unter Bezug auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen,
dass der beklagte Versorgungsträger bei der Feststellung der Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts den
bundesdeutschen Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 14 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)
zugrunde zu legen hat. Damit sind zwar alle im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielten Einnahmen
festzustellen. Eine Berücksichtigung von Sozialleistungen, wie das beitragsfreie Krankengeld der DDR, kommt
danach nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 04.05.1999 - B 4 RA 6/99 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 3).
Zutreffend hat die Beklagte damit in den Jahren, in denen für den Kläger Arbeitsausfalltage bescheinigt sind, mit dem
während des Klageverfahrens erteilten Bescheid vom 24.03.1998, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des
Klageverfahrens geworden ist und der die vorhergehenden Bescheide ersetzt hat, nur den mit der Bescheinigung des
Arbeitgebers vom 23.06.1994 nachgewiesenen Jahresbruttoverdienst zugrunde gelegt (vgl. auch BSG, Urteil vom
02.08.2000 - B 4 RA 41/99 R - mit dem das BSG seine bisherige Rechtsprechung bestätig hat).
Im Übrigen bezieht sich der Senat auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).