Urteil des LSG Sachsen vom 21.10.2008

LSG Fss: niedersachsen, aussetzung, vollstreckung, rückgriff, beschränkung, beteiligter, zivilprozessordnung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 21.10.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 35 AL 1/08
Sächsisches Landessozialgericht L 3 B 647/08 AL-PKH
I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 14. Juli 2008 wird als
unzulässig verworfen. II. Die hilfsweise eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Dresden vom 14. Juli 2008 wird als unzulässig verworfen. III. Außergerichtlichen Kosten des
Antragstellers für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beschwerde, die gegen einen Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einer
Zahlungsverpflichtung aus dem Vermögen verbunden ist, ist nicht statthaft und damit gemäß § 202 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verwerfen (ebenso zur
Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einer Ratenzahlungsverpflichtung: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5.
Juni 2008 - L 5 B 138/08 KR - JURIS-Dokument; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juli 2008 - L 1 B
23/08 KR - JURIS-Dokument; SächsLSG, Beschlüsse vom 18. August 2008 - L 2 B 412/08 AS-PKH - und - L 2 B
411/08 AS-PKH - jeweils JURIS-Dokument. A.A.: LSG Berlin-Brandeburg, Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 19 B
851/08 AS-PKH - JURIS-Dokument).
Seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes
vom 26. März 2008 (BGBl. I S.444 ff) zum 1. April 2008 ist eine Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG gegen
die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die neue Regelung ist entgegen der
Rechtsauffassung des Klägerbevollmächtigten vorliegend maßgebend. Denn nach den Gründsätzen des
intertemporalen Prozessrechts erfasst eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige
Rechtsstreitigkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - 2 BvR 1631/90 - BVerfGE 87, 48 [64]; Meyer-
Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [8. Aufl., 2005], Vor § 143 Rdnr.10e, m.w.N.).
Etwas anderes gilt dann, wenn ein Beteiligter eine schutzwürdige Position erlangt hat. Denn nach dem Prinzip der
Rechtsmittelsicherheit lässt eine prozessrechtliche Einschränkung der Statthaftigkeit von Rechtsmitteln oder die
Verschärfung ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen grundsätzlich nicht Rechtsmittel unzulässig werden, die noch nach
altem Rechtszustand zulässig eingelegt wurden. Etwas anderes gilt nur, wenn dies - was vorliegend nicht der Fall ist -
durch eine hinreichend deutliche gesetzliche Übergangsregelung angeordnet wird. Eine solche schutzwürdige Position
hatte der Kläger zum Zeitpunkt, als § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in Kraft getreten ist, noch nicht erlangt, weil der
angegriffene Beschluss erst nach dem In-Kraft-Treten der Neuregelung erlassen wurde. Der Kläger hatte vielmehr nur
die Erwartung, eine für ihn ungünstige Entscheidung des Sozialgerichtes über den Prozesskostenhilfeantrag wie
bislang ohne Beschränkung mit der Beschwerde anfechten zu können. Ein allgemeines Vertrauen in den Fortbestand
der Rechtsmittelmöglichkeiten ist jedoch nicht geschützt (ebenso: LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Juni 2008
- L 5 B 138/08 KR - JURIS-Dokument Rdnr. 3; LSG Berlin-Brandenburg - Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 19 B
851/08 AS-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 3; LSG Niedersachens-Bremen, Beschluss vom 29. September 2008 - L 8
SO 80/08 ER - JURIS-Dokument Rdnr. 3).
Die Ausschlussvoraussetzungen des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG sind hier erfüllt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss
vom 14. Juli 2008 zwar Prozesskostenhilfe bewilligt und den Klägerbevollmächtigten beigeordnet, jedoch zugleich
entschieden, dass der Kläger einen Teilbetrag in Höhe von 463,47 EUR aus seinem Vermögen zu zahlen hat. Da der
Kläger eine Bewilligung ohne Einschränkungen begehrt, liegt in der Entscheidung des Sozialgerichtes eine
Teilablehnung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Juni 2008 - L 5 B 138/08 KR - JURIS-Dokument Rdnr. 4;
vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juli 2008 - L 1 B 23/08 KR - JURIS-Dokument Rdnr. 7).
Diese ist ausschließlich wegen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe
erfolgt. Der Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG enthält aber keine Ansatzpunkte dafür, dass nur die auf den
persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen eines Antragstellers beruhende vollständige Antragsablehnung, nicht
aber die Teilablehnung erfasst sein soll.
Da sich bereits aus dem Wortlaut von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ergibt, dass die Teilablehnung eines Antrages auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter diese Ausschlussregelung fällt, bedarf es keiner weiteren Ausführungen
zum tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers und dessen Bedeutung bei der Gesetzesauslegung
oder zu etwaigen Wertungswidersprüchen bei bestimmten Auslegungsergebnissen (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandeburg,
Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 19 B 851/08 AS-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 4 und SächsLSG, Beschlüsse vom
18. August 2008 - L 2 B 412/08 AS-PKH - und - L 2 B 411/08 AS-PKH - jeweils JURIS-Dokument Rdnr. 12 ff.)
II. Die hilfsweise eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. Juli 2008 ist ebenfalls nicht statthaft
und damit gemäß § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verwerfen.
Die Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Sozialgerichte sind im Sozialgerichtsgesetz geregelt. Wenn - wie
vorliegend nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG - ein Rechtsmittel ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann die Entscheidung
des Gesetzgebers zur Unanfechtbarkeit von Gerichtsentscheidungen nicht dadurch umgangen werden, dass unter
Rückgriff auf allgemeine Verweisungsregelungen (hier § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) Rechtsmittel aus anderen
Prozessordnungen (hier die sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 3 ZPO) in Anspruch genommen werden (vgl. LSG
Berlin-Brandeburg, Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 19 B 851/08 AS-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 5
Soweit demgemäß kein Rechtsmittel zum Landessozialgericht gegen eine Entscheidung des Sozialgerichtes über
einen Prozesskostenhilfeantrag gegeben ist, besteht einfachgesetzlich nur die Möglichkeit, nach Maßgabe der
einschlägigen Vorschriften eine Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG zu erheben oder wegen veränderter persönlicher
oder wirtschaftlicher Verhältnisse einen Antrag gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 ZPO auf
Änderung der zu leistenden Zahlungen zu stellen.
III. Mit dieser Entscheidung über die Beschwerde ist der Antrag des Klägers auf einstweilige Aussetzung der
Vollstreckung erledigt.
IV. Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§§ 177, 183 SGG).