Urteil des LSG Sachsen vom 19.08.2010

LSG Fss: firma, einbau, akustik, bauindustrie, innenausbau, baugewerbe, ermächtigung, gebäude, anschluss, verarbeitung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 12 AL 1645/04
Sächsisches Landessozialgericht L 3 AL 133/06
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2006 sowie der Bescheid
der Beklagten vom 10. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht zur Entrichtung der Winterbauumlage.
Der Kläger ist Inhaber der Firma M ...-Fachbetrieb. Seit 1999 führt seine Firma ausschließlich Trockenbauarbeiten
aus; die Gewerbeummeldung für diese Tätigkeit erfolgte zum 1. Mai 2000. Die Firma betreibt den Innenausbau von
herzustellenden und bereits hergestellten Gebäuden, zu 95 % in größeren öffentlichen Objekten wie Krankenhäusern,
Pflegeheimen, Schulen und Kulturzentren. Dort sind durch das Trockenbaugewerk, wenn bestimmte bauklimatische
und konstruktive Bedingungen vorhanden sind, abgehängte Decken und Unterdecken aus Gipskarton sowie
Ständerwandsysteme aus Gipskartonbeplankung einzubauen. Voraussetzung für die Erstellung der
Innenwandsysteme ist die geschlossene und beheizbare Gebäudehülle mit eingebauten Fenstern und fertiggestellten
Fußböden, das heißt Estrich. Diese Tätigkeiten finden in der Regel nach der durchgeführten Raumtrocknung unter den
in der DIN 18 340 festgelegten Voraussetzungen statt.
Der Kläger ist Mitglied der Bau-Berufsgenossenschaft Bayern-Sachsen und seit dem 1. Juni 2004 Mitglied der
Bundesweiten Interessengemeinschaft Trockenbau e. V. (BIG Trockenbau).
Mit Bescheid vom 10. Mai 2004 verpflichtete die Beklagte den Kläger zur Entrichtung von Winterbauumlage gemäß §
354 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung
der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld (Winterbau-Umlageverordnung) vom 13. Juli 1972 (BGBl. I S.
1201; zuletzt geändert durch Artikel 21 des Gesetzes vom 23. Juli 2004 [BGBl. I S. 1842]; aufgehoben durch § 10 der
Verordnung vom 26. April 2006 [BGBl. I S. 1086]) für den Zeitraum von Dezember 1999 bis Dezember 2003 in Höhe
von 29.400,00 EUR zuzüglich 51,13 EUR Mahngebühr.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Es sei verwunderlich, dass ein Leistungsbescheid erlassen worden sei,
ohne die bis zum 30. Mai 2004 angeforderte Zuarbeit abzuwarten.
Daraufhin führte die Beklagte am 10. Juni 2004 eine Betriebsprüfung durch, in welcher festgestellt wurde, dass der
Kläger mit seiner seit dem 17. August 1998 bestehenden Firma überwiegend Bauleistungen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 36
und 11 der Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist
(Baubetriebe-Verordnung) vom 28. Oktober 1980 (BGBl. I S. 2033) erbringt.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2004 stellte die Beklagte fest, dass der Leistungsbescheid zu Recht ergangen sei.
Unter anderem mit Schriftsatz vom 3. September 2004 verwies der Kläger auf seine Mitgliedschaft in der BIG
Trockenbau und auf eine von dieser publizierten Grundsatzentscheidung zur Frage der Umlagepflicht von
Trockenbauunternehmen.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2004 zurückgewiesen. Gemäß §
354 SGB III würden die Mittel für das Wintergeld von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die
ganzjährige Beschäftigung durch Wintergeld zu fördern sei, durch eine Umlage erbracht. Welche Betriebe zu den
förderfähigen gehörten, sei auf Grund der Ermächtigung des § 216 Abs. 2 SGB III in der vom Bundesministerium für
Arbeit und Sozialordnung erlassenen Baubetriebe-Verordnung geregelt. Nach den Feststellungen sei der Kläger
vorrangig im Bereich Trockenbau tätig. Diese Arbeiten seien in § 1 Abs. 2 Nr. 36 der Baubetriebe-Verordnung erfasst.
Da die Firma des Klägers somit zu den förderfähigen Baubetrieben gehöre, sei er winterbauumlagepflichtig.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Oktober 2004 Klage erhoben. Seine Firma erbringe ausschließlich
Trockenbauarbeiten im Innenbereich. Sie gehöre daher nicht zu den mit der Winterbauumlage förderfähigen Betrieben.
Ihre Einbeziehung könne nicht zu einer Belebung der ganzjährigen Beschäftigung im Sinne dieser Umlage führen, da
sie schon ganzjährig arbeite.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2006 abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts reiche es nicht aus, dass der fragliche Betrieb für sich genommen nicht förderfähig sei. Der
Betrieb des Klägers würde durch § 1 Abs. 2 Nr. 36 Baubetriebe-Verordnung erfasst. Die rein hypothetische
Möglichkeit, dass der Kläger Leistungen, wie die Winterbauumlage, in Anspruch nehmen könne, sei nicht gänzlich
auszuschließen.
Auf die hierauf am 10. Juli 2006 eingelegte Berufung hat der Senat Betriebsunterlagen des Klägers ab 1999 sowie
eine Stellungnahme der BIG Trockenbau vom 30. September 2006 mit einem auf richterliche Anordnung erstellten
Gutachten des Herrn Dipl.-Ing. B vom 27. Juli 2006, erstellt für ein Mitglied der BIG Trockenbau, sowie die
Baustellenbedingungen für Trockenbauarbeiten der Industriegruppe Gipsplatten beigezogen.
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, seine Firma erledige ausschließlich witterungsunabhängige
Trockenbauarbeiten, welche eine geschlossene Gebäudehülle und fertiggestellte Fußböden sowie weitere klimatische
Bedingungen, wie sie vor allem in der für ihn gültigen DIN 18 340 geregelt seien, voraussetzten. Die einzelnen Abläufe
und Rahmenbedingungen seien detailliert von dem beigezogenen Gutachten des Dipl.-Ing. B sowie von der BIG
Trockenbau beschrieben worden. Die eigentliche Hauptgeschäftszeit des Trockenbaus seien die kalten Monate, auch
der Winter, da üblicherweise in den Sommermonaten der Rohbau fertiggestellt werde. Der Trockenbau sei somit nicht
von Witterungsbedingungen, die für die Winterbauumlage maßgebend seien, abhängig.
Der Kläger beantragt:
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger führe seit 1999 lediglich Trockenbauarbeiten aus. Jedoch auch mit diesen sei er zur Umlage verpflichtet,
da weiterhin dem Grunde nach Förderfähigkeit bestünde, ohne dass konkrete Förderleistungen benannt werden
könnten. Weitere Ermittlungen zur Problematik "abgrenzbare nennenswerte Gruppe objektiv nicht förderungsfähiger
Betriebe" wären nicht erforderlich, bei den Trockenbaubetrieben handele es sich jedoch nicht um eine solche.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist der Kläger nicht
verpflichtet, die Umlage nach § 354 SGB III zu entrichten. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10. Mai
2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2004 ist deshalb rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Nach 354 SGB III in der hier maßgebenden, vom 1. November 1999 bis zum 31. März 2006 geltenden Fassung (vgl.
Artikel 1 Nr. 10 des Gesetzes vom 23. November 1999 [BGBl. I S. 2230]) wurden die Mittel für das Wintergeld, das
Winterausfallgeld bis zur 100. Ausfallstunde und die Erstattung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung
einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung dieser Leistungen zusammen
hängen, von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist,
durch Umlage aufgebracht.
Das Sozialgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass der Kläger für die Zeit der Heranziehung zur
Winterbauumlage, das heißt vom 1. Dezember 1999 bis Dezember 2003, durchgängig ein Betrieb des Baugewerbes
gewesen ist.
Ein Betrieb des Baugewerbes war nach der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. März 2006 unveränderten Rechtslage ein
Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Arbeitsmarkt erbrachte (vgl. § 211 Abs. 1 Satz 1 SGB
III). Als Bauleistungen definierte der Gesetzgeber alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung,
Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienten (vgl. § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Begriff der
"Bauleistungen" ist dabei nach den Motiven des Gesetzgebers umfassend zu verstehen; lediglich Arbeiten, die nicht
herkömmlich vom Baugewerbe verrichtet werden, sollten ausgeschlossen bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1999
– B 11/10 AL 7/98 R – JURIS-Dokument Rdnr. 16).
In § 216 Abs. 2 Satz 1 SGB III hat der Gesetzgeber die Ermächtigung geschaffen, durch Rechtsverordnung – und
nach Maßgabe der weiteren Vorgaben in § 216 Abs. 2 Satz 2 bis 4 SGB III – festzulegen, in welchen Zweigen des
Baugewerbes die Leistungen nach diesem Abschnitt erbracht werden sollen. Hiervon hat der Verordnungsgeber in der
Baubetriebe-Verordnung Gebrauch gemacht. Da es auf die "Zweige" und nicht den einzelnen Betrieb ankommt, durfte
der Verordnungsgeber in zulässiger Weise typisierende Regelungen hinsichtlich der zu fördernden Gruppen des
Baugewerbes treffen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 1990 – 10 RAr 18/89 – SozR 3-4100 § 186a Nr. 3 = JURIS-
Dokument Rdnr. 22).
Nach dem Regelungssystem der Baubetriebe-Verordnung in der vom 1. November 1999 bis 30. April 2006 geltenden
Fassung konnte ein Betrieb des Baugewerbes nur dann zur Umlage für das Wintergeld herangezogen werden, wenn er
einem der in § 1 Abs. 1 bis 4 der Baubetriebe-Verordnung einzeln aufgeführten Zweig der Bauwirtschaft angehörte. In
§ 1 Abs. 5 der Baubetriebe-Verordnung war geregelt, welche Betriebe und Betriebsabteilungen von der Förderung
ausgeschlossen waren. In § 2 der Baubetriebe-Verordnung war schließlich bestimmt, in welchen Betrieben die
ganzjährige Beschäftigung nicht gefördert wurde.
Nach § 1 Abs. 1 der Baubetriebe-Verordnung in der vom 1. November 1999 bis 30. April 2006 geltenden Fassung war
die ganzjährige Beschäftigung durch das Wintergeld und das Winterausfallgeld in Betrieben und Betriebsabteilungen
zu fördern, die gewerblich überwiegend Bauleistungen (§ 211 Abs. 1 SGB III) erbrachten.
Der Kläger verrichtet seit Einbeziehung in die Umlagepflicht am 1. Dezember 1999 ausschließlich Trockenbauarbeiten
im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 36 der Baubetriebe-Verordnung. Der Gesamtanteil der Leistungen, die unstreitig dem
Bereich der Trockenbauarbeiten zuzuordnen sind, macht letztendlich fast 100 Prozent des Leistungsspektrums des
Klägers und der von seinen Mitarbeitern geleisteten Arbeitsstunden aus. Dies ergibt sich aus sämtlichen vom Kläger
vorgelegten Unterlagen für den Zeitraum ab 1999. Dies steht auch in Übereinstimmung mit seiner Internetseite.
Diesen Feststellungen hat die Beklagte nicht widersprochen. Insbesondere ergaben sich aus dem Prüfbericht der
Außendienstmitarbeiterin Lange vom 10. Juni 2004 keine Anhaltspunkte, die für den streitigen Zeitraum eine andere
Beurteilung zulassen würden.
Ob für den Kläger im Einzelfall das Risiko eines witterungsbedingten Arbeitsausfalls besteht, insbesondere, ob in der
Vergangenheit bereits Leistungen der Winterbauförderung in Anspruch genommen worden sind, ist dabei für die
Teilnahme an der Winterbauumlage grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1999 – B 11
AL 27/99 R – JURIS-Dokument Rdnr. 22, m. w. N.). Leistet ein Betrieb Bauarbeiten, die in der Baubetriebe-
Verordnung genannt sind, so entfällt die Förderungsfähigkeit und damit die Umlagepflicht des Inhabers auch dann
nicht, wenn der Betrieb nur einen Teil der für die bezeichneten Gruppen typischen Arbeiten ausführt (z. B.
überwiegend Innenarbeiten) und dadurch witterungsunabhängig wird. Dies liegt im besonderen Charakter der
Winterbauumlage begründet. Mittels dieser sollen alle Unternehmen, die, sei es auch nur mittelbar, von der
Winterbauförderung profitieren, zur Finanzierung dieser Versicherung herangezogen werden. Die mittelbare Förderung
kommt auch denjenigen Bauunternehmen zu Gute, die zwar ebenfalls mit Witterungseinflüssen rechnen müssen, aber
aus Gründen der individuellen Betriebsgestaltung nicht die unmittelbaren Leistungen der Winterbauförderung in
Anspruch nehmen können.
Eine Ausnahme kommt nur nach Maßgabe von § 1 Abs. 5 der Baubetriebe-Verordnung in Betracht. Danach sind
Betriebe und Betriebsabteilungen im Sinne des § 1 Abs. 1 der Baubetriebe-Verordnung von der Förderung der
ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe ausgeschlossen, wenn sie zu einer abgrenzbaren und nennenswerten
Gruppe gehören, bei denen eine Einbeziehung nach den Absätzen 2 bis 4 nicht zu einer Belebung der ganzjährigen
Bautätigkeit führt (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 22. August 1990 – 10 RAr 18/89 – SozR 3-4100 § 186a Nr. 3 = JURIS-
Dokument Rdnr. 22, m. w. N. ).
Die Zuordnung eines Betriebes zu einer nicht förderungsfähigen Betriebsgruppe setzt nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1996 – 10 RAr 10/94, SozR 3-4100 § 186a Nr. 6 = JURIS-
Dokument Rdnr. 18; BSG, Urteil vom 9. September 1999 – B 11 AL 27/99 R – JURIS-Dokument Rdnr. 21) zunächst
voraus, dass der Betrieb konkret nicht förderfähig ist (1.). Nur wenn dieser Umstand bei einer abgrenzbaren und
nennenswerten Gruppe von Betrieben feststellbar ist, hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Anlass,
dieses bei der Bestimmung der Förderungsfähigkeit zu berücksichtigen (2.).
1. Der Betrieb des Klägers ist nicht förderfähig. Dies ergibt sich aus der witterungsunabhängigen Arbeit im Betrieb des
Klägers. Auch gemäß seiner Gewerbeummeldung betreibt der Kläger ausschließlich Arbeiten des so genannten
"industriellen Akustik- und Trockenbaus", zumeist im Rahmen größerer Bauvorhaben für öffentliche Auftraggeber.
Die Arbeit des klägerischen Betriebes konzentriert sich dabei vorrangig auf den Innenausbau von Gewerbeobjekten,
Miets- und Geschäftshäusern, Krankenhäusern, Kulturzentren etc. Der Trockenbau umfasst insbesondere den Einbau
von Mineralfaserdecken und Unterdeckensystemen aus Gipskarton sowie den Einbau von Ständerwandsystemen mit
Gipskartonbeplankung. Voraussetzung für den Einbau dieser Gipskartonplatten ist nach übereinstimmenden Angaben
der BIG Trockenbau, des Gutachters B und des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. August 2010
selbst die Existenz einer abgeschlossenen Gebäudehülle, das heißt abgeschlossener beheizbarer Räume,
eingebauter Fenster und fertiggestellter Böden. Im Anschluss daran findet die notwendige Raumtrocknung statt, da für
den Einbau der Gipskartonwand- und Deckensysteme entsprechend der beigezogenen Herstellerrichtlinien und
Verarbeitungsnormen wesentliche klimatische Ausführungsbedingungen vorgegeben sind. So dürfen die zur
Oberflächen- beziehungsweise Fugenglättung im Trockenbau regelmäßig erforderlichen Spachtelarbeiten nach DIN 18
181 (Gipskartonplatten im Hochbau) erst erfolgen, wenn keine größeren Längen- und Breitenänderungen der
Gipskartonplatten infolge Feuchte- und Temperaturänderungen zu erwarten sind. Diesbezüglich ist insgesamt auf eine
Einhaltung der Baustellenbedingungen hinsichtlich der Temperatur (nicht unter +10°C) sowie der relativen
Luftfeuchtigkeit (40 % ( r. F. ( 65 %) und auf die Begrenzung feuchtebedingter Längenänderungen zu achten. Das
beigezogene technische Merkblatt "Baustellenbedingungen" des Bundesverbandes Gips beschreibt zudem den für die
Verarbeitung von Gipskartonplatten grundsätzlich notwendigen Klimabereich zwischen 40 und 80 % relativer
Luftfeuchtigkeit und oberhalb einer Raumtemperatur von 5°C; wobei Luftfeuchtigkeit und Temperatur voneinander
abhängen. Nach den Ausführungen des Dipl.-Ing. B in seinem Gutachten vom 27. Juli 2006 wären diese Bedingungen
ohne eingebaute Fenster und ein unbeheiztes Gebäude nicht zu garantieren. Die Durchführung der Montage der
Gipskartonplatten sowie der errichteten Ständersysteme wäre bei Nichtbeachtung dieser Witterungsvorgaben aus den
DIN-Normen nicht sachgerecht, nicht fachgerecht durchführbar und auch nicht abnahmefähig. Für
Trockenbauunternehmen besteht keine Möglichkeit, bei witterungsbedingten Erschwernissen fachgerecht zu arbeiten
und auf andere Tätigkeiten, die durch eine Winterbauförderung erleichtert werden können, auszuweichen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger betont, dass seine Firma, wie jedes Trockenbauunternehmen,
nach den anerkannten und anzuwendenden Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Trockenbauarbeiten
(ATV), DIN 18 340, arbeitet, welche regelmäßig Bestandteil der Vergabebedingungen ist. Nach Abschnitt 3.1.1. der
DIN 18 340 ist jeder Auftragnehmer gehalten, bei ungeeigneten klimatischen Bedingungen Bedenken bezüglich der
Bauausführung anzumelden. Daraus wird ersichtlich, dass Trockenbauarbeiten schlichtweg nur unter der
Voraussetzung der ausgeführten klimatischen Bedingungen fachgerecht erbracht werden können. Sind diese nicht
vorhanden, können Trockenbauarbeiten auch nicht ausgeführt werden. Dies hat der Kläger im Rahmen der mündlichen
Verhandlung nochmals bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass auf Grund mangelhafter klimatischer Arbeitsbedingungen
Behinderungen im Baufortschritt in der Firma des Klägers entstanden wären oder im Baufortschritt besondere
Maßnahmen zur Herstellung angemessener Klimabedingungen durch den Kläger selbst eingeleitet werden mussten
und abgerechnet wurden, bestehen nicht.
Ein Indiz dafür, dass im Betrieb des Klägers nur witterungsunabhängige Tätigkeiten ausgeübt wurden, ist, dass er
bisher noch keine Leistungen der Winterbauförderung in Anspruch genommen hat, insbesondere auch nicht das
Mehraufwands-Wintergeld gemäß § 212 SGB III. Dies spricht dafür, dass bei einem Betrieb, der nur im Bereich des
Trockenbaus tätig ist, witterungsbedingte Mehraufwendungen nicht aufgetreten können.
2. Ob nunmehr diese Gruppe witterungsunabhängig arbeitender Trockenbauunternehmen zahlenmäßig ins Gewicht
fällt, beurteilt sich nach zwei alternativen Kriterien (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1996 – 10 RAr 10/94 – SozR 3-
4100 § 186a Nr. 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 25 ff.): - Die Tarifvertragsparteien des Bundesrahmentarifvertrages Bau
haben eine abweichende Aufteilung der tariflichen Zuordnung der betreffenden Betriebe zum Geltungsbereich zum
Bundesrahmentarifvertrag vorgenommen. - Es hat sich im Wirtschaftsleben eine bestimmte einheitliche, nicht mehr
als bloß zufällige Ansammlung zu vernachlässigende dauerhafte Gruppe von Betrieben etabliert, deren
Mitgliedsbetriebe im Wesentlichen witterungsunabhängig sind. Als Indiz hierfür kann gelten, dass sich ein
Bundesverband gleichartiger Unternehmen gebildet hat.
Im Falle des Klägers ist die zweite Alternative erfüllt.
Zum einen ist die Firma des Klägers seit dem 1. Juni 2004 Mitglied der Interessengemeinschaft BIG Trockenbau.
Diese seit 1998 bestehende Interessenvereinigung hatte im Dezember 2007 insgesamt 253 Mitgliedsbetriebe. Nach
der Stellungnahme dieser Interessengemeinschaft konzentrieren sich die Arbeiten von Trockenbauunternehmen im
Wesentlichen auf den Bereich Innenausbau. Dieser umfasst vor allem Tätigkeiten, die konstruktive und
bauklimatische Bedingungen sowie bauablauftechnische Voraussetzungen erfordern, die wiederum eine geschlossene
Gebäudehülle unabdingbar voraussetzen, das heißt geschlossene Fensterfronten und konstante Temperaturen. Die
BIG Trockenbau nimmt die Interessenvertretung für ihre Mitglieder wahr. Sie ist bestrebt, eigene Tarifverträge
abzuschließen. So hatte sie mit der Gewerkschaft Trockenbau Ausbau (GTA) einen Tarifvertrag geschlossen, der
aber zum 31. März 2008 endete.
Zum anderen ist ausweislich des von der BIG Trockenbau eingereichte Sachverständigengutachtens vom 12. Oktober
2006 im Hauptverband der deutschen Bauindustrie eine Bundesfachabteilung Akustik und Trockenbau gebildet, in der
80 Unternehmen organisiert sind. Das wesentliche gemeinsame Merkmal der Unternehmen ist, dass sie
witterungsunabhängig tätig sind. Die Bundesfachabteilung, die seit 1984 besteht, setzt sich stark für die Entlastung
ihrer Mitglieder von der Winterbauumlage ein (vgl. Auszüge aus dem Internetauftritt) und geht selbst von der
Witterungsunabhängigkeit von Akustik- und Trockenbauarbeiten aus. Demgegenüber ist der Hauptverband der
Deutschen Bauindustrie in seiner Auskunft vom März 1997 gegenüber dem Landessozialgericht Reinland-Pfalz noch
von der Witterungsabhängigkeit der Trockenbauunternehmen ausgegangen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
26. Juni 1997 – L 7 Ar 259/96 – JURIS-Dokument Rdnr. 29). Auf Grund der obigen Feststellung zur
Witterungsunabhängigkeit von Arbeiten im Trockenbau betrachtet der erkennende Senat die über zehn Jahre alte
Stellungnahme des Hauptverbandes als überholt.
Allein die Bildung eines Interessenverbandes gleichartiger Unternehmen reicht nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes aus, um von einer dauerhaften Gruppe witterungsunabhängiger Unternehmen auszugehen. Von
zahlenmäßigen Vorgaben, die statistisch ohnehin schwer zu belegen sind, hat das Bundessozialgericht ausdrücklich
Abstand genommen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 1996 – 10 RAr 10/94 – SozR 3-4100 § 186a Nr. 6 = JURIS-
Dokument Rdnr. 27 ff.).
Das Vorhandensein einer abgrenzbaren Gruppe gleichartiger (Trockenbau)-Unternehmen ist somit in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des Bundessozialgericht durch die seit 1984 bestehende Bundesfachabteilung Akustik- und
Trockenbau des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie mit ihren zurzeit ca. 80 Unternehmen und der seit 1998
bestehenden BIG Trockenbau mit zurzeit ca. 250 Mitgliedsunternehmen bestätigt. Da beide Interessenvertretungen
bereits 1999, auch mit dem Ziel der Abgrenzung ihrer witterungsunabhängigen Trockenbauunternehmen von den
übrigen Baugewerken, existierten, besteht die Umlageverpflichtung entgegen der Bescheide der Beklagten ab
Dezember 1999 bis Dezember 2003 nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.