Urteil des LSG Sachsen vom 15.11.2001
LSG Fss: familienwohnung, mittelpunkt der lebensverhältnisse, spanien, unternehmen, akte, verkehrsunfall, arbeitsunfall, gewöhnlicher aufenthalt, taxifahrer, ddr
Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.11.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 5 U 268/97
Sächsisches Landessozialgericht L 2 U 188/99
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.09.1999 mit dem Bescheid der
Beklagten vom 25.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.1997 aufgehoben. II. Es wird
festgestellt, dass der Verkehrsunfall des Klägers vom 21.12.1990 ein von der Beklagten zu entschädigender
Arbeitsunfall ist. III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Verkehrsunfall des Klägers ein durch die gesetzliche Unfallversicherung zu
entschädigender Arbeitsunfall ist.
Der am ... geborene Kläger war von 1961 an bis Mitte 1993 mit Hauptwohnsitz bei seinen Eltern in M ...-G ...
polizeilich gemeldet. Sein zweiter Wohnsitz war in M ..., weil er als Taxiunternehmer aus gewerberechtlichen Gründen
einen Wohnsitz in M ... haben musste (ab 1976: J ...-C ...-Straße ...; ab 1985 D ... Straße ...). Das Taxi-Unternehmen
betrieb der Kläger seit seiner Studentenzeit. Der Kläger behielt die Taxi-Konzession bis in die erste Hälfte der
neunziger Jahre hinein. Zeitweise ließ er das Taxi-Unternehmen durch einen Verwalter führen. Die Taxi-Konzession
war seine eigentliche wirtschaftliche Grundlage.
Der mittlerweile in D ... wieder verheiratete Kläger lebte nach seiner Scheidung ab 1985 bis zur Jahreswende
1989/1990 auch in S ..., Spanien. Ab Februar/März 1990 wohnte er zunächst ausschließlich in der D ... Straße ... in M
... Es handelte sich dabei um die Wohnung des Zeugen Sch ..., die aus zwei Zimmern, einer Küche und einer mobilen
Dusche bestand. Herr Sch ... war zu einer Freundin in der Nachbarschaft gezogen. Im ersten Halbjahr 1990 bewohnte
der Kläger die von Herrn Sch ... überlassene Wohnung zunächst allein. Er bezahlte ihm dafür die volle Miete. Im
Frühjahr/Sommer 1990 zog eine weitere Person, der Zeuge P ..., in die Wohnung in der D ... Straße ... ein, die jedoch
nicht im Sinne einer Wohngemeinschaft aufgeteilt wurde. Insbesondere das Schlafzimmer benutzten der Kläger und
Herr P ... im "Schichtwechsel" entsprechend der jeweiligen Arbeitszeiten.
Im Frühjahr 1990 begann der Kläger geschäftliche Kontakte nach D ... aufzubauen. Erstmals am
Himmelfahrtswochenende fuhr er zusammen mit Herrn P ... und einer weiteren Person, Herrn F ..., nach ... Er blieb
dort einige Tage und knüpfte Kontakte zu dem als Rechtsanwalt tätigen Zeugen W ..., der ihm einen Arbeitsraum in
seiner Kanzlei (damals M ... Straße) anbot. Dieses Angebot nahm der Kläger wahr. Im zweiten Halbjahr 1990 machte
sich der Kläger endgültig daran, in D ... als Immobilienkaufmann beruflich Fuß zu fassen. Jedenfalls ab Oktober 1990
hielt er sich regelmäßig von Montagabend bis Freitagnachmittag in D ... auf. Das Immobiliengeschäft gestaltete sich
anfangs schwierig. Deshalb fuhr der Kläger weiterhin an den Wochenenden in M ... Taxi. An den sonstigen
Wochentagen wurde Herr H ... als sogenannter "Nachtfahrer" eingesetzt.
Am 21.12.1990, einem Freitag, erlitt der Kläger als Fahrer eines PKW mit spanischem Kennzeichen, dessen Halter er
selbst war, gegen 19.25 h einen schweren Verkehrsunfall. Er stieß auf der Fahrt von D ... nach M ... auf der Autobahn
... bei km 34,5 zwischen P ... und Z ... mit einem Kleintransporter zu- sammen, der von dem polnischen
Staatsangehörigen R ... ge- fahren wurde. Dieser war bei einem Übergang von der zunächst einspurigen Fahrbahn auf
eine zweispurige geradeaus weitergefahren und dabei auf die Gegenfahrbahn entgegengesetzt zur vorgeschriebenen
Fahrtrichtung geraten. Durch den Zusammenstoß wurden der Kläger und sein Beifahrer, Herr P ..., schwer verletzt.
Dieser war dem Kläger tags zuvor bei der Installation einer Telefonanlage in dessen D ... Büro behilflich gewesen. Ein
weiterer Fahrzeuginsasse, den der Kläger gefälligkeitshalber mitgenommen hatte, wurde so schwer verletzt, dass er
noch am Unfallort verstarb. Der Kläger erlitt eine Hüftgelenksausrenkung rechts, einen offenen Kniescheibenbruch
links und einen Sprungbeinbruch mit Ausrenkung links (Attest des Bezirkskrankenhauses H ... Z ... vom 16.1.1991).
Im Jahre 1991 wurde die medizinische Behandlung in M ... fortgesetzt.
Anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung am 2.1.1991 gab der Kläger als Hauptwohnung an: " ... D ..., M ... Str ..."
(hierbei handelte es sich um die damalige Büroanschrift des Zeugen W ...); als Nebenwohnung: " ... M ..., D ... Straße
..." (Blatt 60 der Beklagtenakte). Er gab ferner an, er kenne die Strecke sehr gut, weil er sie seit drei Monaten
regelmäßig jedes Wochenende benutze. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Unfallhergang wird auf Blatt 35 bis 69
der Beklagtenakte verwiesen.
Mit Schreiben vom 10.9.1993 wandte sich der Kläger an die Be- klagte und bat um Prüfung, ob er aufgrund des
Verkehrsunfalls Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe. Der von ihm mit der Durchsetzung seiner
aus dem Unfall resultierenden Ansprüche beauftragte Rechtsanwalt habe nicht zu seiner Zufrie- denheit gearbeitet.
Nach Abschluss seiner Rehabilitation versu- che er nunmehr, die Versäumnisse aufzuarbeiten. Auf Anfrage der
Beklagten teilte der Kläger am 14.10.1993 mit (Blatt 3 der Be- klagtenakte):
"Die Zuordnung der Fahrt am 21.12.90 auf eines meiner Unterneh- men erweist sich als schwierig. Am 4.10.90
meldete ich neben meinem Taxiunternehmen in M ... ein Büro gemäß § 34c GewO. in D ... an. In den darauffolgenden
Monaten befuhr ich ausnahmslos jede Woche die Strecke M ... - D ...
Montag vormittags: Erledigung betriebsinterner Aufgaben und Behördengänge für das Taxi in M ... Montag
nachmittags: Fahrt M ... - D ... Dienstag bis Freitag nachmittags: Einrichtung des Immobilienbü- ros in D ... und
Bearbei tung dortiger Geschäftsfälle (während der Wochentage wurde das Taxi von einem angestell ten Fahrer
bewegt) Freitag nachmittags: Fahrt D ... - M ... Samstag und Sonntag: Benutzung des Taxis als selbstfahrender
Unternehmer während der Ruhezeiten des Fahrers. Der Unfall ereignete sich am Freitag Abend auf dem Weg nach
Hause bzw. zum Arbeitsplatz Taxi. Ich hatte beabsichtigt, während der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage mit dem
Taxi Umsatz zu erwirtschaften. Der Fahrer hatte bis zum Jahreswechsel Urlaub genommen."
Die Beklagte gab das Verfahren zuständigkeitshalber an die Ver- waltungs-Berufsgenossenschaft ab. Gegenüber der
Verwaltungs- Berufsgenossenschaft gab der Kläger am 8.10.1994 an, er habe sich bei der Unfallfahrt "auf dem
Heimweg" befunden (Blatt 10b der Beklagtenakte).
In einem an die Ehefrau des Sächsischen Ministerpräsidenten ge- richteten Schreiben vom 9.1.1996 führte der Kläger
u.a. aus (Blatt 10e der Beklagtenakte):
"Während der ersten Monate befand sich mein Hauptwohnsitz noch in meiner Heimatstadt M ... Auf Grund der noch
fehlenden ge- sellschaftlichen Kontakte in D ... pendelte ich jedes Wochen- ende nach M ... und kümmerte mich dort
um den Betrieb des Ta- xis, mit dessen Einkünften ich schon die Jahre meiner Studien- zeit finanzierte."
Gegenüber der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, an die die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft das
Verfahren zu- ständigkeitshalber abgegeben hatte, erklärte der Kläger am 15.5.1996, obwohl er seit August 1990 in D
... tätig gewesen sei, habe er keine Möglichkeit gehabt, sich polizeilich anzumelden. Einkommensbescheide für die
Tätigkeit vor dem Unfall in D ... würden nicht existieren. Der "offizielle Wohnsitz" habe sich in M ... befunden. In D ...
hätten die Unterkünfte ständig gewechselt (relativ teure Hotels und Pensionen, Privat- unterkünfte bis hin zu
Übernachtungen in vermieteten Gartenlau- ben - Blatt 10i f. der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 30.7.1996 lehnte
die Bundesausführungsbehörde für Unfallversi- cherung die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil sich
das Immobilienunternehmen des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls im Beitrittsgebiet befunden habe, dessen Recht
noch anzuwenden sei. Hiernach sei der Kläger als Selbständiger nicht pflichtversichert gewesen, weil seine
beitragspflichtigen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nicht mindestens 900 Mark im Kalenderjahr betragen hätten.
Hinzu komme, dass sich der Kläger auf einer Familienheimfahrt befunden habe, die nach dem
Unfallversicherungsrecht der DDR nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Hiergegen legte der Kläger
Widerspruch ein. Dieses Verfahren ruht im Hinblick auf den mit der Beklagten geführten Rechtsstreit.
Daraufhin wandte sich der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, an die Beklagte und führte aus, er halte die Beklagte
für leis- tungszuständig. Der Lebensschwerpunkt werde durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmt. Die
polizeiliche Meldung sei lediglich ein Indiz. Im Unfallzeitpunkt habe er längst in D ... soziale Kontakte geknüpft
gehabt. Er habe sich an den Wochenenden nur aus beruflichen Gründen in M ... aufgehalten. Mit Bescheid vom
25.4.1997 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche wegen des Unfalls vom 21.12.1990 ab, weil der Unfall kein
versicherter Wegeunfall gewesen sei. Bei der Fahrt am 21.12.1990 habe es sich um eine Familienheimfahrt vom Ort
der Tätigkeit in D ... nach M ... gehandelt. Für das Immobilienunternehmen habe bei der Beklagten kein
Versicherungsschutz bestanden. Hierüber habe bereits die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung
entschieden. Versicherungsschutz durch die Beklagte komme nur unter dem Gesichtspunkt eines Weges von einem
dritten Ort in Betracht. Dem stehe jedoch entgegen, dass der Kläger erst am nächsten Tag seine Tätigkeit als
Taxifahrer habe aufnehmen wollen und außerdem die Entfernung von D ... nach M ... in keinem angemessenen
Verhältnis zu seinem üblichen Weg zur Arbeitsstätte als Taxifahrer stehe. Der Widerspruch des Klägers blieb
erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 01.08.1997 wurde insbesondere hervorgehoben, eine Bewertung der
Gesamtumstände des Falles führe zu dem Schluss, dass es sich bei der Fahrt um eine Familienheimfahrt vom
Immobilienbüro in D ... gehandelt habe. Dies entspreche auch den Erstangaben des Klägers gegenüber der Beklagten.
So habe er mehrfach auf die noch unzureichenden Wohnverhältnisse in D ... und fehlenden sozialen Kontakte
verwiesen. Den abweichenden späteren Angaben des Prozessbevollmächtigten sei kein Vorrang einzuräumen.
Mit seiner vor dem Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe in der D ...
Straße ... in M ... keine nennenswerten eigenen Sachen, wie z.B. eine Wohnungseinrichtung, gehabt. Er habe sich
dort nur aufgehalten, um zu schlafen und die Buchhaltung zu führen. Die Adresse in M ...-G ... sei eine reine
Postadresse gewesen. Der Aufenthalt in M ... sei nur aus finanziellen Gründen erforderlich gewesen. Er habe an den
Wochenenden in M ... keine sozialen Kontakte gepflegt. Das Immobilienunternehmen habe in der fraglichen Zeit noch
keine Gewinne abgeworfen. Er sei noch auf die Einkünfte aus dem Taxi-Unternehmen angewiesen gewesen. Die von
der Beklagten konstatierte Verwirrung rühre lediglich daher, dass die Beklagte aus den vom ihm verwendeten
Begriffen auf die nicht zutreffende Tatsache geschlossen habe, er, der Kläger, hätte an dem von ihm angegebenen
"Hauptwohnsitz" oder "offiziellen Wohnsitz" oder am Ort seiner "Wohnung" seinen Lebensschwerpunkt gehabt. Er sei
aber nicht nach seinem Lebensschwerpunkt befragt worden. Ferner hat der Kläger umfangreiche Unterlagen über den
Betrieb seines Taxi-Unternehmens vorgelegt (Blatt 36 bis 115 der SG-Akte; siehe ferner die von der Beklagten
angefertigte Übersicht auf Blatt 121 der SG-Akte), aus denen nach seiner Auffassung hervorgehe, dass er sich ab
Ende September 1990 überwiegend in D ... aufgehalten habe. Den größeren Teil der Woche habe er in D ... verbracht.
Er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in D ... gehabt. Maßgeblich sei hierbei die vorausschauende
Betrachtungsweise (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 205 Nr. 65). Er habe seit 1990 den Vorsatz gehabt, sich auf Dauer
in D ... niederzulassen und dort rasch ein Geschäft aufzubauen. Er habe sich als Junggeselle hauptsächlich darauf
beschränkt, sein Büro und Kundenkontakte aufzubauen. Allerdings habe er auch versucht, persönliche Kontakte zu
knüpfen. Wegen der Kürze der Zeit von knapp drei Monaten bis zum Unfall hätten persönliche Kontakte nicht
aufgebaut werden können. Er habe aber im Unfallzeitpunkt eine relativ feste Bleibe in der W ...straße in D ...-L ... bei
Frau H ... gehabt, die ihm ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung gestellt habe.
Der Kläger hat im Erörterungstermin vor dem Senat am 25.7.2001 dazu erklärt, er habe im Oktober 1990 die Wohnung
von Frau H ... bezogen (die damals noch P ... hieß), die bereits mit seinem Taxifahrer H ... liiert gewesen sei. In der D
... Dreiraum-Wohnung von Frau H ... (W ...straße. oder.) habe deren Tochter noch ein Zimmer gehabt. Diese habe
sich jedoch überwiegend in H ... aufgehalten. Die Wohnung sei vollständig möbliert gewesen und habe einen für die
damaligen Verhältnisse großen Vorteil gehabt, einen eigenen Telefonanschluss, der ihm erlaubt habe, seine
Geschäfte zum Teil auch von dieser Wohnung aus abzuwickeln. Er habe Frau H ... 150 DM monatlich für die
Wohnung gezahlt. In dieser Zeit sei Post, die das Taxiunternehmen betroffen habe, in der D ... Straße ... in M ...
angekommen. Sonstige amtliche Schreiben und Werbesendungen seien an die Adresse seiner ebenfalls in M ...
lebenden Mutter geschickt worden. Eigentlich private Post habe er immer jeweils dort erhalten, wo er sich tatsächlich
gerade aufgehalten habe.
Das SG hat durch Beweisbeschluss vom 13.7.1998 die Vernehmung von Herrn P ... und Herrn H ... als Zeugen
angeordnet. Herr H ... hat sich aus gesundheitlichen Gründen geweigert, als Zeuge vor dem Sozialgericht M ... zu
erscheinen und auszusa- gen. Gegenüber der Geschäftsstelle der für die Zeugenvernehmung zuständigen Kammer
des Sozialgerichts M ... hat Herr H ... erklärt, er habe das Taxi von Dienstag bis Freitag gefahren, weil der Kläger in
dieser Zeit ein selbständiges Immobilienge- schäft in D ... aufgebaut habe. Der Kläger habe das Taxi von Freitagnacht
bis Montagnachmittag gefahren (Blatt 152 der SG- Akte). Der Zeuge P ... hat vor dem Sozialgericht M ... er- klärt, er
habe am Tag vor dem Unfall mit dem Unfallfahrzeug für den Kläger Büromöbel nach D ... gefahren. Dessen
Lebensschwerpunkt sei damals schon in D ... gewesen, weil der Kläger seine Zukunft in D ... gesehen habe. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 153 bis 155 der SG-Akte verwiesen. Die in P ... bei M ... wohnende Schwester
des Klägers, Frau B. W ..., hat auf Anfrage des SG am 15.2.1999 ganz kurz schriftlich mitgeteilt, sie habe bis heute
Kontakt zu dem Kläger, der mit Sicherheit regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter und wohl auch zu Freunden in M ...
gehabt habe. Genaues wisse sie nicht mehr (Blatt 181 der SG-Akte). Die in M ... wohnende zweite Schwester des
Klägers, Frau K ...-W ..., hat die Fragen des SG am 17.2.1999 ausführlicher dahingehend beantwortet, dass sie im
Spätherbst 1990 überwiegend unterwegs gewesen sei und vor allem telefonisch Kontakt zu dem Kläger gehabt habe.
Da der Kläger seine Wochenenden in M ... damit verbracht habe, Geld zu verdienen, habe er überwiegend telefonisch
zu seiner Mutter Kontakt gehalten. Geplant gewesen sei ein Treffen nach den Weihnachtsfeiertagen. Da der Kläger
seit 1985 in Spanien gelebt habe, seien seine sozialen Bindungen in M ... mit Ausnahme zur Familie eingeschlafen
gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 182 f. der SG-Akte verwiesen. Ferner hat Herr Sch ... sehr
knapp auf die schriftliche Anfrage des SG geantwortet (Blatt 204 der SG-Akte) und in seinem Schreiben vom
11.6.1999 bestätigt, dass sich der Kläger regelmäßig von Freitagabend bis Montag früh in M ... aufgehalten habe und
während dieser Zeit immer Taxi gefahren sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, maßgeblich seien nicht die Zu- kunftspläne des Klägers, sondern die tatsächlichen
Verhältnisse im Unfallzeitpunkt. Anders als in D ... habe der Kläger in M ... eine Wohnung gehabt. Auch hätten
soziale Kontakte, auch wenn sie bloß gering gewesen seien, nur in M ... bestanden.
Mit Urteil vom 16.9.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der
Anspruch des Klägers richte sich noch nach den Vorschriften der Reichsversi- cherungsordnung (RVO).
Versicherungsschutz könne sich hier nur aus § 550 Abs. 3 RVO ergeben. Dies setze aber voraus, dass es sich hier
bei dem Ausgangspunkt des Weges in D ... um die ständige Familienwohnung gehandelt und der Versicherte am
Tätigkeitsort (M ...) oder in der Nähe nur eine Unterkunft gehabt habe (Hinweis auf BSG, Urt. v. 31.5.1996 - 2 RU
28/95 -). Ständige Familienwohnung sei eine Wohnung, die für nicht unerhebliche Zeit den Mittelpunkt der
Lebensverhältnisse des Versicherten bilde (Hinweis auf BSGE 20, 110, 111). Dies sei von der tatsächlichen
Ausgestaltung der Verhältnisse abhängig. Maßgebend seien dabei auch die soziologischen und psychologischen
Gegebenheiten, insbesondere das Ausmaß der sozialen Kontakte zu anderen Personen. Das SG hat in der weiteren
Begründung ausgeführt, den Wohnverhältnissen des Klägers in D ... und in M ... sei nur eine geringe Bedeutung
beizumessen. Entscheidend sei, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt noch keine sozialen Kontakte in D ..., sondern
allein in M ... und zwar zu seiner Familie gehabt habe. Dies folge aus den Angaben seiner Geschwister. Im Übrigen ist
das SG hinsichtlich eines Versicherungsschutzes nach § 550 Abs. 1 RVO der Argumentation der Beklagten über den
Versicherungsschutz bei einem Weg zur Arbeit von einem dritten Ort gefolgt.
Mit seiner dagegen erhobenen Berufung trägt der Kläger vor, er habe weder in D ... noch in M ... eine Wohnung
gehabt. Sein gewöhnlicher Aufenthalt sei jedoch D ... gewesen. Im Unfall- zeitpunkt habe er sich jedoch schon nach D
... hin orientiert gehabt. Das Aufrechterhalten des Kontaktes zur Familie in M ... sei selbstverständlich gewesen und
bilde für sich genommen kein Indiz. Er habe sich im Jahre 1990 nicht wegen der Familie in M ... aufgehalten, sondern
um Geld zu verdienen. Hätte er eine Taxikonzession in einer anderen Stadt als M ... gehabt, wäre er dort hingefahren.
Es sei nur aus seiner Lebensgeschichte und aus der rechtlichen und tatsächlichen Praxis der
Taxikonzessionsvergabe heraus zu begründen, dass er in M ... eine Taxikonzession gehabt und diese
aufrechterhalten habe. Den Zweck seiner Anwesenheit in M ... habe das SG nicht gewürdigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.9.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.4.1997 in der Gestalt
des Wider- spruchsbescheides vom 1.8.1997 aufzuheben und festzustellen, dass der Verkehrsunfall des Klägers vom
21.12.1990 ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Der Kläger habe im Unfallzeitpunkt noch keinen neuen Mittelpunkt seiner
Lebensinteressen gefunden.
Der Senat hat in einem Erörterungstermin am 25.7.2001 den Kläger ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen
befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 73 f. der LSG-Akte verwiesen. Ferner hat der Senat den Kläger in der
mündlichen Verhandlung am 15.11.2001 nochmals befragt. Dort hat der Kläger klargestellt, dass er in Spanien kein
Haus besessen, sondern eine Kneipe betrieben habe. Während des Sommers habe er in seinem Wohnwagen
gewohnt. Im Winter habe er einen der leerstehenden Touristen-Bungalows gemietet. Der im Erörterungstermin
angegebene Erlös stamme aus der Veräußerung der spanischen Schankerlaubnis. Außerdem habe er während seines
Aufenthaltes in Spanien die Veräußerung von Kraftfahrzeugen vermittelt. Zu diesem Zweck habe er sich auch
gelegentlich in M ... aufgehalten. Er sei auch "ein großer Freund" des M ... Faschings gewesen und habe sich daher
regelmäßig in der Faschingszeit in M ... aufgehalten und in der D ... Straße ... Quartier bezogen. Ferner habe er sich
um die vorübergehende entgeltliche Überlassung seiner Taxikonzession gekümmert. Noch in Spanien habe er sich um
die Jahreswende 1989/90 entschlossen, einen beruflichen Neuanfang im Beitrittsgebiet zu wagen. Zum Ostharz habe
er schon während des Bestehens der DDR enge verwandtschaftliche Beziehungen gehabt, die mit regelmäßigen
Besuchen verbunden gewesen seien. Auch seine erste Ehefrau stamme aus der DDR, und ihm sei zuzuschreiben,
dass sie Anfang der achtziger Jahre aus der DDR habe ausreisen dürfen. Von D ... habe er sich den größten
ökonomischen Erfolg versprochen. Deshalb habe er sich entschlossen, sobald sich eine Möglichkeit biete, ein
Immobilienunternehmen in D ... zu eröffnen. Da er nach Beendigung seines Aufenthaltes in Spanien nur noch in M ...
eine wirtschaftliche Basis gehabt habe, sei er zunächst nach M ... zurückgekehrt. Erste geschäftliche Kontakte ins
Beitrittsgebiet habe er aber schon im Frühjahr 1990 gesucht. In der ersten und der zweiten Hälfte des Jahres 1990 sei
er in M ..., abgesehen von gelegentlichen Kontakten sexueller Art, keine Bindung zu einer bestimmten Frau
eingegangen. Eine Freundin habe er nicht gehabt. Auch sonst habe er sich kein neues soziales Umfeld aufgebaut. Die
früheren Verbindungen seien weitgehend erloschen gewesen. Im Übrigen habe er versucht, soviel Geld wie möglich zu
verdienen, um die von ihm angestrebte berufliche Perspektive im Beitrittsgebiet verwirklichen zu können. Er habe im
"Akkord" gearbeitet. Viel Zeit sei ihm daneben nicht geblieben. Den Wohnwagen habe er aus Spanien mitgenommen
und in M ... in der L ...straße "zwischenabgestellt". Darin habe er auch einige persönliche Dinge wie z.B. seine
Briefmarkensammlung aufbewahrt. Nach seinem unfallbedingten Klinikaufenthalt habe er den Wohnwagen im Jahre
1991 nach D ... überführt. Ausdrücklich hat der Kläger erklärt, sich im Jahre 1990 weder in M ... noch in D ... wirklich
zuhause gefühlt zu haben. Sowohl in M ... wie auch in D ... habe er nur wenige persönliche Sachen gehabt. In die
Wohnung von Frau H ... in D ... sei er mit vier Bananenkisten persönlichen Inhalts eingezogen. Am ehesten habe er in
dieser Zeit noch eine emotionale Bindung an Spanien gehabt. Er könne nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, ob er
noch 1990 oder aber erst 1991 Kontaktanzeigen geschaltet habe, um eine Frau kennen zu lernen. Im
Spätherbst/Winter 1990 habe er in D ... von morgens bis abends daran gearbeitet, geschäftliche Kontakte
aufzubauen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Herren Sch ... und W ... als Zeugen vernommen. Wegen der
Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 121 f. der LSG-Akte) verwiesen. Die als Zeugin geladene, aber
aus gesundheitlichen Gründen verhinderte Frau H ... hat dem Gericht einen ihr übersandten Fragenkatalog mit Telefax
vom 11.11.2001 beantwortet (Blatt 117 f. der LSG-Akte).
Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten und die Ver- fahrensakten beider Rechtszüge vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat am 21.12.1990 einen von der Beklagten als Arbeitsunfall zu
entschädigenden Verkehrsunfall erlitten. Das Urteil des SG vom 16.9.1999 und der Bescheid der Beklagten vom 25.4.
1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.8.1997 sind deshalb rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten.
I.
Die Beschränkung des Klageantrages in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat stellt keine
Klageänderung dar. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Frage, ob der Verkehrsunfall des Klägers die
Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls erfüllt. Hierbei handelt es sich um eine nach § 55 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage. Dies hat das BSG, soweit ersichtlich, noch nicht ausdrücklich bestätigt
(zur Berufskrankheit ausdrücklich jedoch BSG, Urt. v. 27.7.1989 - 2 RU 54/88 - SozR 2200 § 551 Nr. 35). Das BSG
hat aber in einer Vielzahl von ihm entschiedenen Revisionsverfahren keinen Anstoß daran genommen, dass die
Tatsacheninstanzen im Tenor einen Arbeitsunfall festgestellt haben. Diese Feststellungspraxis trägt dem Umstand
Rechnung, dass durch den Arbeitsunfall das im Hinblick auf Entschädigungsansprüche lediglich potenziell-abstrakt
bestehende Rechtsverhältnis zwischen Versichertem und Unfallversicherungsträger aktualisiert und konkretisiert wird.
Die noch im SG-Verfahren beantragte pauschale Verurteilung zur Gewährung von Entschädigungsleistungen würde
nicht einmal im Sinne eines Grundurteils einen sinnvollen Leistungstenor darstellen, weil schon die Frage
unbeantwortet bliebe, auf welche Leistungen der Kläger zumindest ihrer Art nach aktuell Anspruch habe, ganz zu
schweigen von deren Umfang. Die Verurteilung zur Gewährung von Entschädigungsleistungen geht in ihrer
Rechtswirkung nicht über die Feststellung eines Arbeitsunfalls hinaus. In beiden Fällen muss der
Unfallversicherungsträger von Amts wegen und eigenständig prüfen, welche Anspruchsgrundlagen erfüllt sind. Er ist
durch den scheinbaren Leistungstenor nicht gebunden, gerade die Ansprüche zu verneinen, die einem Kläger
besonders wichtig sind.
Der Senat hat von einer Beiladung der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung oder eines sonstigen
Unfallversicherungsträgers nach § 75 Abs. 2 2. Halbsatz SGG abgesehen, weil nach seiner Auffassung die Beklagte
der für die Erbringung von Entschädigungsleistungen aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit in M ..., worauf sich dieser
Rechtsstreit beschränkt, allein zuständige Unfallversicherungsträger ist.
II.
1. Anzuwenden ist auf den vorliegenden Fall das Recht der RVO, weil der Versicherungsfall vor dem 1.1.1997
eingetreten ist (§ 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ). Sondervorschriften für das Beitrittsgebiet kommen hier von
vornherein nicht in Betracht, weil diese nur für solche Unfälle maßgeblich sind, die vor dem 1.1.1992 eingetreten sind
und zum Zeitpunkt des Unfalls als Arbeitsunfall einem Unternehmen zugerechnet werden müssen, dessen Sitz und
Geschäftstätigkeit im Beitrittsgebiet liegt. Dies ist aber Gegenstand eines anderen Verfahrens gegen die
Bundesausführungsbehörde.
2. Der Kläger war im Unfallzeitpunkt aufgrund seiner Eigenschaft als Taxi-Unternehmer bei der Beklagten
grundsätzlich hinsichtlich seiner unternehmerischen Tätigkeit versichert. Der Verkehrsunfall, den der Kläger am
21.12.1990 erlitten hat, erfüllt auch alle begrifflichen Voraussetzungen des Unfalls. Es handelte sich bei diesem
Verkehrsunfall um ein plötzliches, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis, das im Übrigen beim
Kläger erhebliche gesundheitliche Schäden verursacht hat, deren Ausmaß und Dauer hier nicht Gegenstand des
Rechtsstreits sind. Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht nicht wegen eines fehlenden unfallbedingten
Schadenseintritts verneint. Dieser steht dem Grunde nach fest. Streitig war während des ganzen Verfahrens allein die
Frage, ob der Kläger einen Arbeits-Unfall erlitten hat.
3. Im Unfallzeitpunkt stand die Fahrt des Klägers allerdings nicht in einem unmittelbar sich aus seiner
unternehmerischen Tätigkeit als Immobilienkaufmann oder als Taxifahrer ergebenden versicherten Zusammenhang.
Der Kläger war am Abend des 21.12.1990 weder als Taxifahrer noch als Immobilienkaufmann unterwegs. Ort der
versicherten Tätigkeit war im Hinblick auf das Taxifahren M ... als Unternehmenssitz und wesentlicher Bereich, in
dem Taxifahrten vom Kläger durchgeführt wurden, sowie alle anderen Orte, an denen der Kläger unternehmerisch tätig
geworden ist. Entsprechendes gilt für ... im Hinblick auf seine Tätigkeit als Immobilienkaufmann. Schon aufgrund des
Vorbringens des Klägers geht der Senat davon aus, dass der Kläger am Abend des 21.12.1990 bzw. - im Falle einer
späteren Ankunft - in der Nacht zum 22.12.1990 im unmittelbaren Anschluss an die Fahrt von D ... nach M ... keine
unternehmensbezogene Tätigkeit entfalten wollte, sondern erst einmal in seiner Unterkunft in der D ... Straße ...
schlafen wollte, um am nächsten Morgen, einem Samstag, seine Tätigkeit als Taxifahrer aufzunehmen. Auch hielt
sich der Kläger in D ... nicht aus Gründen auf, die im Zusammenhang mit seinem Taxi-Unternehmen standen. Er
betrieb vielmehr in D ... das Unternehmen eines Immobilienkaufmanns. Diese Tätigkeit hatte er beendet, als er am
21.12.1990 D ... verließ.
III.
Der Kläger hat aber einen Unfall erlitten, der nach § 550 Abs. 1 und Abs. 3 RVO versichert ist. § 550 Abs. 1 und 3
RVO bestimmen:
"(1) Als Arbeitsunfall gilt auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten
Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. (2) ... (3) Der Umstand, daß der
Versicherte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in
dessen Nähe eine Unterkunft hat, schließt die Versicherung auf dem Weg von und nach der Familienwohnung nicht
aus."
Es kommt deshalb darauf an, ob sich der Kläger auf einem versi- cherten Weg i.S.v. § 550 Abs. 1 und Abs. 3 RVO
befand, und zwar als Weg zur Tätigkeit bzw. zur Unterkunft am Ort der versicherten Tätigkeit. Dies setzt allerdings
die Entscheidung der Frage voraus, wo der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles seine Familienwohnung hatte.
1. Eine Familienwohnung in M ... schlösse den Unfallversiche- rungsschutz aus. Ein solcher käme nur unter dem
Gesichtspunkt eines vom dritten Ort (D ...) zur Arbeit unternommenen Weges in Betracht, wäre aber aus den von der
Beklagten genannten Gründen auszuschließen.
2. Ob der Kläger von seiner Familienwohnung in D ... aus nach M ... gefahren ist, um dort seine Unterkunft für die
sich an- schließende Tätigkeit als Taxifahrer aufzusuchen, oder ob er nach Beendigung seiner Tätigkeit als
Immobilienkaufmann seine Unterkunft bzw. seinen Arbeitsplatz in D ... verlassen hat, um zu seiner Familienwohnung
nach M ... zurückzukehren, könnte allerdings dann offen bleiben, wenn die Vorschriften über die
unfallversicherungsrechtliche Behandlung von Gesamtunternehmen eingriffen und danach das
Immobilienunternehmen des Klägers in D ... ein Hilfs- oder Nebenunternehmen seines Taxiunternehmens in M ...
gewesen wäre. Doch trifft dies nicht zu.
Nach § 647 Abs. 1 RVO ist für ein Unternehmen, das verschiedenartige Bestandteile umfasst, der
Unfallversicherungsträger zuständig, dem das Hauptunternehmen angehört. Das Immobilienunternehmen des Klägers
war im Verhältnis zu seinem Taxi-Unternehmen weder ein Hilfs- noch ein Nebenunternehmen.
a) Ein Hilfsunternehmen liegt nur dann vor, wenn es den betriebstechnischen Zwecken anderer
Unternehmensbestandteile dient (Hilfstätigkeiten im Unternehmensumfang; std. Rspr.: BSG, Urt. v. 30.1.1975 - 2 RU
119/74 - BSGE 39, 112, 116; Urt. v. 5.2.1980 - 2 RU 80/79 - BSGE 49, 283, 284; Urt. v. 30.4.1991 - 2 RU 36/90 -
BSGE 68, 273, 274). Hier sollte mit den Gewinnen aus dem Taxi-Unternehmen die Existenzgründung in D ...
abgesichert werden, nicht aber umgekehrt. Aus dem Blickwinkel eines Finanzverbundes diente das Taxi-Unternehmen
dem Aufbau des Immobilienunternehmens, nicht aber umgekehrt. Im Übrigen bestand ohnehin kein
betriebstechnischer Zusammenhang zwischen Immobilien- und Taxiunternehmen.
b) Nebenunternehmen verfolgen zwar eigene Zwecke unabhängig vom Hauptunternehmen. Sie müssen aber im
Rahmen eines Gesamtunternehmens in einen Funktionszusammenhang hineingestellt sein, bei dem das
Hauptunternehmen dem Gesamtunternehmen sein Gepräge gibt (std. Rspr.: BSG, Urt. v. 30.1.1975 - 2 RU 119/74 -
BSGE 39, 112, 117; Urt. v. 5.2.1980 - 2 RU 80/79 - BSGE 49, 283, 285; Urt. v. 30.4.1991 - 2 RU 36/90 - BSGE 68,
273, 274). Hieran fehlt es. Das Taxi- und das Immobilienunternehmen des Klägers standen im Unfallzeitpunkt nicht in
einem funktionsbezogenen Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander. Taxi- und Immobilienunternehmen standen
gleichberechtigt nebeneinander.
Entscheidend kommt hinzu, dass sämtliche Vorschriften der RVO nach den Regelungen des Einigungsvertrages
(Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet III) im Unfallzeitpunkt im
Beitrittsgebiet noch nicht galten. Vom 3.10.1990 bis zum 31.12.1990 galten für Versicherungsfälle, die in den
Geltungsbereich des Rechts des Beitrittsgebiets fielen, allein die Vorschriften der DDR einschließlich der Vorschriften
über die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger. Infolgedessen konnte nach diesem interlokalen Recht auch
keine Zuständigkeit der Beklagten über § 647 Abs. 1 RVO für ein DDR-Unternehmen" mit Sitz in D ... Abs. 3 RVO
wäre danach mangels eines Gesamtunternehmens nicht bei der Beklagten versichert gewesen, wenn D ... der Ort
seiner Unterkunft bzw. seiner Tätigkeit und M ... der Ort seiner Familienwohnung gewesen wäre.
3. Schließlich waren die Wohnverhältnisse des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls auch nicht so beschaffen, dass sie
als zwei Teilbereiche eines einzigen häuslichen Wirkungskreises anzusehen waren (vgl. dazu BSG, Urt. v. 26.7.1963
als zwei Teilbereiche eines einzigen häuslichen Wirkungskreises anzusehen waren (vgl. dazu BSG, Urt. v. 26.7.1963
- 2 RU 16/62 - SozR § 543 RVO a.F. Nr. 44) Eine solche Betrachtungsweise verbietet schon die zwischen beiden
Wohnungen bestehende erhebliche Entfernung von mehr als 500 km (vgl. auch BSG, Urt. v. 2.3.1971 - 2 RU 108/68 -
USK 7130) sowie der Umstand, dass jede Wohnung für sich allein geeignet und dazu bestimmt war, dem häuslichen
Wirkungskreis vollständig zu dienen.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG steht die Fahrt des Klägers jedoch unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung in Gestalt einer bei der Beklagten bestehenden Versicherung, weil der Kläger im
Unfallzeitpunkt seine ständige Familienwohnung im Sinne von § 550 Abs. 3 RVO bereits in D ... hatte und in M ... nur
noch eine Unterkunft in der Nähe des Ortes seiner Tätigkeit als Taxi-Unternehmer unterhielt.
Die Wohnsitzadresse in M ...-G ... war im Jahre 1990 keine ständige Familienwohnung im Sinne von § 550 Abs. 3
RVO (a). Die für die Taxi-Konzession maßgebliche Adresse des Unternehmenssitzes (D ... Straße ...) war zwar
zunächst eine ständige Familienwohnung (b), dies jedoch nicht mehr am 21.12.1990. Zu diesem Zeitpunkt des
Unfalles hatte der Kläger seine ständige Familienwohnung bereits in D ... (c).
Nach § 550 Abs. 3 RVO ist die "ständige Familienwohnung" die Wohnung, die für längere oder nicht nur unerhebliche
Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet (std. Rspr.: vgl. nur BSG, Urt. v. 23.6.1977 - 8 RU
98/76 - SozR 2200 § 550 Nr. 31 S. 74 m.w.Nw.). Der Begriff der ständigen Familienwohnung setzt keine
familienhaften Bindungen des Versicherten zu einer anderen Person voraus. Auch die Wohnung eines alleinstehenden
Versicherten ist eine Familienwohnung, wenn sie den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse bildet (BSG, Urt. v.
29.1.1963 - 2 RU 56/63 - SozR § 543 RVO a.F. Nr. 48). Polizeiliche Meldung mit (erstem) Wohnsitz und Postanschrift
sind keine hinreichenden Kriterien, sie sind allerdings grundsätzlich berücksichtigungsfähig und können durchaus
gewichtige Umstände sein (vgl. auch BSG, Urt. v. 23.6.1977 - 8 RU 98/76 - SozR 2200 § 550 Nr. 31 S. 74 m.w.N.).
Entscheidend ist, ob die anderen Umstände die von Erstwohnsitzadresse und Postan- schrift ausgehende
Indizwirkung unterstützen oder widerlegen.
a) Die Wohnung der Eltern des Klägers in M ...-G ..., die seine Erstwohnsitzadresse war und unter der ihn zumindest
bisweilen auch noch Post erreichte, war weder seine ständige noch überhaupt seine Familienwohnung. Zur
Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum von der Rückkehr aus
Spanien Anfang 1990 bis zum Unfall im Dezember 1990 nur sporadisch Kontakt zu seinen Eltern hatte und in deren
Wohnung nicht einmal tatsächlich vorübergehend gewohnt hat. Der Kläger hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits von
seinem Elternhaus "abgenabelt". Dies wird eindrucksvoll dokumentiert durch seinen jedenfalls ab Mitte der achtziger
Jahre eher unsteten Lebenswandel und seinen von ihm fast als Flucht vor dem bisherigen Leben und der
gescheiterten Ehe in Deutschland beschriebenen Wegzug nach Spanien sowie des tatsächlichen Einzugs in die
Wohnung in die D ...straße ... nach seiner Rückkehr aus Spanien.
b) Weiter zweifelt der Senat nicht daran, dass der Kläger nach seiner endgültigen Rückkehr aus Spanien zunächst
seine ständige Familienwohnung in der D ... Straße ... in M ... nahm und dort seinen (vorläufigen) Lebensmittelpunkt
begründete. Soweit der Zeuge Sch ... angegeben hat, der Kläger habe 1988 und 1989 die meiste Zeit in M ... in der D
... Straße gewohnt, stützt dies zusätzlich die Annahme des Senats und steht auch nicht in Widerspruch zu den
konsistenten Angaben des Klägers, wonach er nur während des Fasching und ab und an bei der Vermittlung von Kfz-
Verkäufen bzw. wegen der Überlassung der Taxi-Konzession in der Zeit vor 1990 in M ... weilte.
Der Bewertung als Familienwohnung steht nicht entgegen, dass der Kläger dort nur möbliert wohnte, nur wenige
persönliche Gegenstände in die Wohnung einbrachte und spätestens mit dem Einzug einer weiteren Person, des
Zeugen P ..., seine Wohnung weit entfernt von dem Idealbild eines gemütlichen Heims war. Schon ein einzelnes
Zimmer kann eine ständige Familienwohnung sein (vgl. dazu BSG, Urt. v. 29.11.1963 - 2 RU 56/63 - SozR § 543 RVO
a.F. Nr. 48). Es muss der Versicherte nicht einmal zwingend über einen eigenen Raum zu seinem persönlichen
Gebrauch verfügen (BSG, Urt. v. 30.8.1962 - 2 RU 127/59 - BSGE 17, 270, 272). Dementsprechend kann eine
möblierte Wohnung, die mit einem "Wohnungsgenossen" geteilt werden muss und in der sich nicht viele persönliche
Sachen befinden, eine ständige Familienwohnung sein.
Engere Verbindungen zu einer dritten Wohnung aufgrund persönlicher Bindungen sind nicht ersichtlich.
Die Wohnung in der D ... Straße war zunächst auch eine ständige Familienwohnung, obwohl der Kläger aus Spanien
mit dem Ziel zurückgekehrt war, in absehbarer Zeit dauerhaft in D ... wirtschaftlich und persönlich Fuß zu fassen.
Eine ständige Familienwohnung liegt schon dann vor, wenn die Wohnung für eine nicht unerhebliche Zeit als
Lebensmittelpunkt genutzt wird (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1989, S. 485 z I und II
m.w.Nw.). Eine feste zeitliche Mindestgrenze gibt es nicht. Das Merkmal "ständig" hat nur dann eine gewisse
Bedeutung, wenn es um eine bloß vorübergehende Verlegung der Familienwohnung unter Beibehaltung der bisherigen
Familienwohnung geht (so schon zutreffend Brackmann, a.a.O.). Wenn der Versicherte nur über eine Wohnung
verfügt, die hierdurch notwendigerweise zum Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse wird, kann das Merkmal ständig"
nur dann ausgeschlossen sein, wenn die Wohnung voraussichtlich nur für eine ganz kurze Zeit benutzt werden soll.
Dies war vorliegend nicht der Fall, da der Kläger die Wohnung in der D ... Straße ... in M ... mehr als ein halbes Jahr
zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht hat.
c) Der Kläger hat jedoch mit seinem Einzug in die D ... Wohnung von Frau H ... seine bisherige ständige
Familienwohnung in M ... aufgegeben und seinen neuen Lebensmittelpunkt in der W ...straße. in D ... begründet. Der
Einzug in diese Wohnung ist datumsmäßig nicht mehr genau feststellbar. Jedoch erfolgte er in jedem Fall einige Zeit
vor dem 21.12.1990.
aa) Allerdings erlauben - wie das SG insoweit zutreffend aus- geführt hat - die Wohnverhältnisse weder in D ... noch in
M ... für sich genommen eine Bestimmung des Lebensmittelpunktes des Klägers und damit die Bestimmung der
eigentlichen" Familienwohnung.
Beide Wohnungen waren durch ein dauerhaftes Untermietverhältnis gekennzeichnet. Im Falle der Wohnung in M ...
ergibt sich jedenfalls aufgrund des langen Untermietverhältnisses, dass der Kläger auf eine nicht absehbare Zeit
tatsächlich die Möglichkeit hatte, zur Untermiete zu wohnen. Gleiches gilt für die Wohnung in D ... Der Kläger hatte
hier nicht etwa bloß eine für kürzeste Zeit gewährte Notunterkunft gefunden, sondern die gesicherte Aussicht, für eine
nicht unerhebliche Zeit in der Wohnung bleiben zu können und damit eine ständige Wohnung. Die Zeugin Frau H ...
war schon im Spätherbst 1990 zu ihrem späteren Ehemann, dem Fahrer des Klägers, nach M ... umgezogen. Die
Tochter war - woran der Senat aufgrund der Angaben des Klägers keinen Zweifel hat - nur sporadisch in D ...
anwesend. Dieser Umstand sowie die Nebenverdienstmöglichkeit von Frau H ... und die wirtschaftliche Abhängigkeit
ihres späteren Ehemanns vom Kläger haben den Senat davon überzeugt, dass der Kläger die Wohnung in der W
...straße. in D ... nicht nur als vorübergehendes Quartier, sondern für eine längere Zeit nutzen konnte, bis er eine
endgültige eigene Wohnung gefunden haben würde. Aufgrund der Verhältnisse auf dem praktisch nicht vorhandenen
freien Wohnungsmarkt im Beitrittsgebiet war daher mit einer längeren Dauer zu rechnen. Hinzu kommt, dass der
Kläger aufgrund des in der Wohnung in der W ...straße vorhandenen Telefonanschlusses und seiner Tätigkeit als
Immobilienkaufmann zunächst ein großes Interesse daran hatte, diese Wohnung solange zu nutzen, bis er eine
andere Wohnung mit Telefonanschluss erhalten würde. Denn in der damaligen Zeit war ein privater neuer
Telefonanschluss ein knappes Gut.
Beide Wohnungen waren weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass sie möbliert waren, der Kläger die Wohnung mit
einer anderen, ihm nicht nahestehenden Person teilen musste und er in beiden Wohnungen gleichsam aus dem Koffer
lebte. In der D ... Straße in M ... befanden sich lediglich zusätzlich noch Unterlagen, die das Taxiunternehmen des
Klägers betrafen. Glaubhaft ist auch die Angabe des Klägers, dass er zu keiner der beiden Wohnungen eine
emotionale Bindung gehabt habe. Beide Wohnungen waren für den Kläger letztlich Übergangslösungen.
Soweit das SG maßgeblich auf die Familienkontakte abstellt, trägt es, wie der Kläger zutreffend ausführt, nicht
hinreichend dem Zweck der Fahrt von D ... nach M ... Rechnung. Der Kläger ist im Herbst 1990 und insbesondere am
21.12.1990 nicht wegen der Eltern und der Geschwister nach M ... gefahren, sondern wegen der von ihm dort
innegehabten Taxilizenz und der damit verbundenen Möglichkeit, in relativ kurzer Zeit seinen Lebensunterhalt zu
erwirtschaften. Der Kläger befand sich nur "zufällig" an den Wochenenden in derselben Stadt, in der auch seine Eltern
wohnten. Der Zufall ergab sich aus der Lebensgeschichte des Klägers, der in M ... aufwuchs, dort studierte und
während seines Studiums die Taxilizenz erwarb. Wären seine Eltern vor 1990 an einen von M ... weit entfernten Ort
gezogen, hätte der Kläger aufgrund der ihn beherrschenden wirtschaftlichen Zwänge 1990 gleichwohl nach M ...
zurückkehren müssen. Sein Taxilizenz war damals seine einzige dauerhafte wirtschaftliche Basis. Auch sonst sieht
der Senat keinen Anhaltspunkt dafür, dass außer wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Kläger gerade auch wegen
persönlichen Bindungen zu dritten Personen zunächst nach M ... zurückgekehrt ist.
bb) Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Wohnungen be- steht aber darin, dass der Kläger nach seiner
eigenen Entscheidung die Wohnung in D ... dadurch zur Familienwohnung im rechtlichen Sinne gemacht hat, dass er
seine berufliche Existenz auf D ... konzentrierte und hier seine Zukunft sah.
Der inneren Einstellung als "bloß" subjektivem Element kommt auch sonst im Unfallwegerecht erhebliche Bedeutung
zu als sog. "Handlungstendenz" als einem vielfach allein entscheidenden Kriterium dafür, ob eine bestimmte
Handlung dem Unternehmen zuzurechnen und damit versichert oder der privaten Sphäre zuzurechnen und deshalb
unversichert ist (s. dazu ausführlich Krasney in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2
Unfallversicherungsrecht, 1996, § 8 Rn. 38 ff. m.w.Nw. aus Lit. u. Rechtspr.).
Der Kläger hat vorgetragen, er habe schon seit seinem Wegzug aus Spanien die Absicht gehabt, sich eine neue
Existenz in D ... aufzubauen. Aufgrund des bisherigen Lebensweges des Klägers, seinen durch die Aussage des
Zeugen W ... belegten frühen Schritten mit dem Ziel, sich in D ... eine Existenz aufzubauen, sowie seiner späteren
beruflichen und wirtschaftlichen Entwicklung, ist der Senat davon überzeugt, dass diese Darstellung zutrifft. Der
Kläger hat in den Jahren bis 1989/90 beruflich noch nicht dauerhaft Fuß fassen können. Taxifahren entsprach nicht
seiner akademischen Ausbildung. Er hatte wohl erkannt, dass er jetzt unter den für ihn günstigen Bedingungen der
sich im Umbruch befindenden DDR eine Chance hatte, seinem bisher relativ unsteten Leben eine neue beständigere
Richtung zu geben und sich zumindest wirtschaftlich eine nachhaltige Basis zu verschaffen. An der Ernsthaftigkeit
seines Veränderungs- willens zweifelt der Senat daher nicht.
Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls in einer Phase der
Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls in einer Phase der
persönlichen und wirtschaftlichen Neuorientierung befand. Bis in den Herbst 1990 hinein war zunächst die eher
ungeliebte Unterkunft in der D ... Straße ... in M ... seine ständige Familienwohnung. Kurz vor seinem Unfall hatte der
Kläger mit der Wohnung in der W ...straße. jedoch erstmals die Möglichkeit, in D ... unter - im Vergleich zu den
sonstigen Alternativen - preislich relativ günstigen und nach den Wohnbedingungen passablen Umständen für eine
längere Zeit an einem Ort wohnen und damit einen neuen Lebensmittelpunkt aufbauen zu können. In einer derartigen
Umbruchphase mit annähernd gleichwertigen Wohnmöglichkeiten und einem - mit Ausnahme der nur gelegentlich
besuchten Eltern - fehlenden sozialen Umfeld in beiden Städten kommt es nach Auffassung des Senats ganz
entscheidend auf die subjektive Einstellung des Versicherten hinsichtlich der von ihm gesuchten künftigen
persönlichen und wirtschaftlichen Entwicklung an. Denn bei einer derartigen Fallgestaltung kann ohne
Berücksichtigung der subjektiven Tendenzen des Versicherten, die allerdings eine hinreichend Tatsachengrundlage
und Realisierungs- chance haben müssen, ohne Willkür allein aufgrund der sonst anzuwendenden Maßstäbe kein
Lebensmittelpunkt ermittelt und damit keine Familienwohnung im Sinne von § 550 RVO bestimmt werden. Das ist
aber unverzichtbar, weil andernfalls ein in seiner beruflichen Tätigkeit Versicherter für keinen der Wege zum Ort der
Tätigkeit bzw. der Unterkunft Versicherungsschutz hätte, was den Sinn der Regelungen verfehlte. Auch das BSG hat
in seinem Urteil vom 2.3.1971 (2 RU 108/68 - USK 7130) keine derartige Konsequenz gezogen, sondern darauf
abgestellt, dass der alleinige berufliche Schwerpunkt des vom Verkehrsunfall betroffenen Ehepaares in einem von
beiden Orten war, in denen sich jeweils eine gleichwertige Wohnung befand, und es zum Unfallzeitpunkt auch noch
rund 1 ½ Jahre bei diesem beruflichen Schwerpunkt hätte bleiben sollen.
Im Falle des Klägers gibt es einen solchen eindeutigen beruflichen Schwerpunkt nicht. Jedem der beiden
Unternehmen war zwar eine Unterkunft räumlich zugeordnet. Doch der vom Kläger angestrebte Mittelpunkt lag bereits
eindeutig in D ... Seine Pläne hatten sich auch schon durch seine intensive Arbeit im letzten Quartal des Jahres 1990,
durch die erkennbar gewordenen Absicht, so bald wie möglich seine unternehmerische Tätigkeit in M ... und damit
sein - ohnehin bloß berufsbezogenes - Wohnen in dieser Stadt aufzugeben, und durch seine die ganze Woche
beanspruchende Tätigkeit in D ... soweit objektiv konkretisiert, dass seine Vorstellungen über die weitere, von ihm
angestrebte Entwicklung nicht bloß Träume, Hoffnungen und Wünsche waren. Dies kommt auch dadurch zum
Ausdruck, dass er bei seiner ersten Vernehmung durch die Polizei am 2.1.1991 nicht M ... sondern D ... als Ort seiner
Hauptwohnung nannte, was rechtlich beachtlich für die Bestimmung der ständigen Familienwohnung ist, auch wenn er
hier bloß seine Geschäftsadresse angab.
Auch hat Frau H ..., die Vermieterin, auf die entsprechende Frage des Senats angegeben, der Kläger habe in der
Wohnung nur vorübergehend und nur so lange bleiben wollen, "bis er in D ... etwas gefunden hat". Auch dies bestätigt
das Ziel des Klägers, sich in D ... dauerhaft niederzulassen. Die Absicht des Klägers, sich in D ... eine dauerhafte
Existenz aufzubauen, hat auch der Zeuge Sch ... bei seiner Vernehmung durch den Senat ausdrücklich bestätigt ("ja
freilich"). Im selben Sinne hat sich auch Rechtsanwalt W ... gegenüber dem Senat geäußert ("seine Zielrichtung war,
sich in D ... eine Existenz zu gründen").
Hatte aber der Kläger mit seinem beruflichen Mittelpunkt auch seine Familienwohnung in D ..., dann befand er sich am
Unfalltag auf einem versicherten Weg zur Unterkunft am Ort der versicherten Tätigkeit im M ... Der Arbeitsunfall ist
damit gegenüber der Beklagten festzustellen, weil diese gegenüber dem Kläger die Leistungspflicht trifft.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat hat die Revision zugelassen (§ 160
SGG), weil soweit ersichtlich bislang nicht höchstrichterlich über die Bedeutung der subjektiven Einstellung eines
Versicherten entschieden worden ist, der nach den objektiven Umständen über zwei gleichwertige Wohnungen mit
zwei ihnen zugeordneten unterschiedlichen unternehmerischen Tätigkeiten verfügt.