Urteil des LSG Sachsen vom 20.06.2001

LSG Fss: krankenschwester, diabetes mellitus, erwerbsfähigkeit, wechsel, ausbildung, arbeitsmarkt, orthopädie, erwerbsunfähigkeit, pflegeheim, berufsunfähigkeit

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.06.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 9 RA 554/98
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 82/00
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.03.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.
Die am ...1946 geborene Klägerin hat in der Zeit vom 01.09.1962 bis zum 16.07.1965 den Beruf einer
Krankenschwester, in der Zeit vom 01.09.1972 bis zum 01.07.1973 den Beruf einer Krippenerzieherin und in der Zeit
vom 03.09.1987 bis zum 30.06.1988 den Beruf einer Gemeindeschwester erlernt. Sie verfügt in allen drei Berufen über
einen entsprechenden Qualifizierungs- bzw. Facharbeiternachweis und war in diesem Berufen beitragspflichtig
beschäftigt. Ab 01.01.1991 arbeitete sie als Krankenschwester in einem Pflegeheim. Seit dem 01.01.1999 ist sie
arbeitslos.
Am 22.04.1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten auf Grund eines operierten Bandscheibenvorfalles vom
24.02.1998 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog daraufhin den
ärztlichen Entlassungsbericht der Rehaklinik B ... vom 06.04.1998 nach medizinischer Reha vom 10.03.1998 bis zum
07.04.1998 bei und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 27.05.1998 ab. Dagegen legte die Klägerin am
17.06.1998 Widerspruch ein und fügte Auszüge des Gutachtens des Medizinischer Dienst der Krankenkasse (MDK)
vom 17.05.1998 bei, wonach die Erwerbsfähigkeit weder erheblich gefährdet noch gemindert sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.10.1998 zurück, da ein Anspruch auf Rente wegen Berufs-
bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht bestehe. Nach den medizinischen Feststellungen sei die Klägerin noch in der Lage,
leichte Tätigkeiten ohne längere Zwangshaltungen in temperierten Innenräumen, ohne häufiges Bücken und ohne
schweres Heben oder Tragen vollschichtig auszuüben. Für den Pflegedienst sei sie damit nicht mehr einsatzfähig. Für
eine Verweisung kämen Tätigkeiten in öffentlichen Blutzentralen, Gesundheitsämtern, vertrauensärztlichen
Dienststellen, im Labor und in technischen Untersuchungsstellen, in Sanatorien, als Arzthelferin oder als
Werksschwester vollschichtig in Betracht.
Hiergegen hat sich die am 09.11.1998 beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhobene Klage gerichtet. Seit dem
30.10.1997 sei sie arbeitsunfähig und ihr sei als Schwerbeschädigte vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung
(GdB) von 20 zuerkannt worden. Trotz intensiver Bemühungen sei ihr eine behinderungsgerechte Beschäftigung nicht
vermittelt worden, so dass sie von einem verschlossenen Arbeitsmarkt ausgehe. Hinsichtlich der angegebenen
Verweisungstätigkeiten sei festzuhalten, dass diese allesamt Kenntnisse im Bereich der Büroorganisation und
Büropraxis verlangten, die Klägerin jedoch seit 1965 ausschließlich mit Pflegearbeiten beschäftigt gewesen sei und
den Anforderungen einer Bürotätigkeit nicht gewachsen wäre. Das SG hat zur weiteren Sachaufklärung
Befundberichte des Facharztes für Neuromedizin Dr. K ... vom 26.04.1999, der Fachärztin für Orthopädie Dr. M ...
vom 10.05.1999 sowie der Fachärztin für Neurologie Dr. K ... vom 20.05.1999 eingeholt und hat Auskünfte des
Arbeitgebers sowie des Landesversorgungsamtes beigezogen. Daraus ergab sich, dass der Klägerin seit dem
12.08.1998 ein GdB von 20 zuerkannt wurde. Ferner zog das SG die Verfahrensakten des SG Chemnitz 5 SB 296/98
und 4 U 342/99 bei, aus welchem es das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. R ... vom 02.06.1999
zum Gegenstand der Verhandlung machte.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15.03.2000 abgewiesen, da bei der Klägerin weder Berufsunfähigkeit (BU) noch
Erwerbsunfähigkeit (EU) vorliegen würden. Die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit der Klägerin sei die
einer Krankenschwester in einem Pflegeheim gewesen. Eine derartige Tätigkeit könne sie nach den medizinischen
Feststellungen nicht mehr ausüben, dennoch sei sie nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
Sechstes Buch (SGB VI). Mit den vorwiegend orthopädischen gesundheitlichen Einschränkungen sei sie nach den
Feststellungen im Kurentlassungsbericht und in Auswertung der beigezogenen Befundberichte in der Lage,
vollschichtig leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Einnnahme von Zwangshaltungen
wie Bücken, Hocken und Knien zu verrichten. Damit könne sie sowohl die Tätigkeit als Sprechstundenhelferin als
auch als Krankenschwester in Kureinrichtungen und Sanatorien ausüben. Dabei handele es sich um eine gleichwertige
Tätigkeit, welche die Klägerin bisher ausgeübt habe. Nach der Auskunft des Landesarbeitesamtes Rheinland-Pfalz-
Saarland vom 27.01.1994 an das Landessozialgericht für das Saarland sei zumindest die Tätigkeit als
Krankenschwester in Kureinrichtungen und Sanatorien zumutbar. Es gebe genügend Sanatorien, in welchen die
Klägerin tatsächlich nur leichte Tätigkeiten verrichten müsse, wie zum Beispiel in Sanatorien für Lungenkranke oder
Hauterkrankungen.
Gegen das am 28.03.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.04.2000 eingelegte Berufung der Klägerin zum
Sächsischen Landessozialgericht (LSG). Die Klägerin leide an einem lumbalen Radikulärsyndrom bei Zustand nach
operativ versorgtem Bandscheibenvorfall im Wirbelsäulensegment L4/L5 und degenerativen HWS-Veränderungen, an
arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus und CIHK. Die Feststellungen des SG über den Gesundheitszustand seien
richtig. Dennoch könne sie die als zumutbar angesehenen Tätigkeiten nicht verrichten, da weitere
Gesundheitsstörungen vorliegen würden. Die Beeinträchtigungen im Schulter-, Arm- und Nackenbereich ließen eine
leichte sitzende Tätigkeit vollschichtig nicht zu. Die Stuhlinkontinenz schließe die Ausübung einer geregelten Tätigkeit
aus.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.03.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 27.05.1998 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 02.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01.05.1998 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungsgründe des SG für zutreffend. Aus den vom LSG beigezogenen Krankenunterlagen ergebe
sich keine Änderung des Leistungsvermögens.
Der Senat hat ergänzend Befundberichte der Hausärztin Dr. M ... vom 11.09.2000 und der Fachärztin für Orthopädie
Dr. M ... vom 12.09.2000 beigezogen. Die Hausärztin hält die Klägerin für erheblich leistungsgemindert und für den
Arbeitsmarkt auch unter Beachtung hygienischer Gründe durch Stuhlinkontinenz nicht mehr vermittelbar. Die
Orthopädin schätzte ein, dass die Klägerin eine körperlich schwere Arbeit in Verbindung mit schwerem Heben und
Tragen oder in Zwangshaltungen der LWS nicht ausführen könne. Denkbar wäre eine leichte körperliche Arbeit im
Wechsel von Stehen, Laufen und Gehen. Eine Akkordarbeit bzw. Arbeiten unter Einfluss von feuchtkalten Klimaten
sei nicht zumutbar. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des MDK vom 06.06.2000 ergab sich unter der
Diagnose pseudoradikuläres Cervicobrachialsyndrom C4/C5, dass bei zunächst noch nicht erhebbarem positiven
Leistungsbild bei Behandlung in spätestens drei Wochen ein positives Leistungsbild mit Vollschichtigkeit für leichte
körperliche Arbeit ohne schweres Heben, ohne Überkopfarbeiten möglich sein werde. Eine Rückkehr in die Tätigkeit
vor der Arbeitslosigkeit (Krankenschwester im Pflegestationsdienst) sei dauerhaft nicht möglich.
Der Senat hat bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. G ... ein fachorthopädisches Gutachten vom 14.03.2001 eingeholt.
Der Sachverständige diagnostizierte Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule mit Funktionseinschränkungen mittleren
Grades und wiederkehrender pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in das linke Bein bei zusätzlich bestehender
Dysbalance ohne radikuläre Ausfälle, Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule und zusätzlich bestehender
pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in die Hände und Funktionseinschränkungen mittleren Grades, kontrakter
Rundrü- cken mit Blockierung im mittleren BWS-Bereich, Stuhlinkontinenz leichten Grades und
Somatisierungstendenz der bestehenden Beschwerden. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine
körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig ausüben und die Tätigkeiten
als Arzthelferin, Krankenschwester in einer Kureinrichtung oder einem Sanatorium oder als Sprechstundenhilfe
vollschichtig verrichten. Als Schwester in der Altenpflege bzw. in der stationären Pflege sei sie nur noch
unterhalbschichtig einsetzbar. Die Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt.
In einem Gutachten für das SG Chemnitz (S 5 SB 296/98) bewertete Chefarzt Dr. S ... vom Kreiskrankenhaus R ...
am 18.05.2001 die Stuhl- und Urinkontinenz mit einem GdB von 30. Nach Angaben der Klägerin leide sie täglich unter
unwillkürlichem Stuhlabgang, besonders dann, wenn nicht sofort eine Toilette in der Nähe sei. Unwillkürlicher
Harnabgang sei bei Husten, Niesen und Pressen festzustellen. Die Klägerin trage daher ständig eine Einlage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG), erweist sich jedoch als unbegründet. Die
angefochtenen Entscheidungen des SG und der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist weder
berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI noch erwerbsunfähig gem. § 44 Abs. 2 SGB VI, in der bis 31.12.2000
geltenden Fassung.
Das SG hat mit Recht die Klage abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid vom 27.05.1998 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.10.1998 war rechtmäßig ergangen.
Berufsunfähigkeit gem. § 43 Abs. 2 SGB VI liegt bei der Klägerin nicht vor, weil ihre Erwerbsfähigkeit noch nicht
wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden
Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fertigkeiten gesunken ist. Die Beurteilung,
wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welche Verdienste er aus einer
Erwerbstätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Berufswerdegang und nach seinem Gesundheitszustand
zumutbar verwiesen werden kann (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28.02.1963 SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO).
Zur Frage, welche Tätigkeiten einem Versicherten zugemutet werden können, hat das BSG ein Mehr-Stufen-Schema
entwickelt, nach welchem, in Anlehnung an das für die Arbeiterrentenversicherung die Angestelltentätigkeiten in
ungelernte Angestelltentätigkeiten, Tätigkeiten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und Tätigkeiten mit einer
längeren Ausbildung (durchschnittlich drei Jahre) eingeteilt sind (vgl. BSGE 58, 203 ff.; 55, 45 ff.; BSG SozR Nr. 103
zu § 1246 RVO). Jeder Angestellte kann, wenn es um zumutbare Verweisungstätigkeiten geht, jeweils auf Tätigkeiten
verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Angestellter mit
beruflicher Ausbildung kann demnach auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Angestellter auf ungelernte Tätigkeiten
verwiesen werden usw.
Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es daher auf den
bisherigen Beruf an (BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107, 169). Dies ist im Allgemeinen die Tätigkeit, die ein
Versicherter zuletzt nachhaltig und vollwertig versicherungspflichtig ausgeübt hat. Zutreffend hat das SG festgestellt,
dass als Hauptberuf die Tätigkeit als Krankenschwester in einem Pflegeheim zur Beurteilung heranzuziehen ist und
dass sie diese Tätigkeit auf Grund ihres gesundheitlichen Restleistungsvermögens nicht mehr ausüben kann, da es
sich zumindest um mittelschwere, mit Zwangshaltungen verbundene Tätigkeit handelt.
Nach der Überzeugung des Senats besteht jedoch kein Rentenanspruch, da die vorliegenden medizinischen
Gutachten übereinstimmend zur Einschätzung gelangten, dass die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel
vollschichtig ausüben kann. Ebenso ist sie nach der Beurteilung des Orthopäden Dr. G ... vom 14.03.2001 in der
Lage, als Arzthelferin, als Krankenschwester in einer Kureinrichtung oder einem Sanatorium oder als
Sprechstundenhilfe vollschichtig zu arbeiten. Bei der Tätigkeit als Arzthelferin/Sprechstundenhilfe handelt es sich
ausgehend aus dem in der Berufsinformationskarte des Arbeitsamtes - BO 856 - beschriebenen Anforderungs- und
Belastungeprofil um eine überwiegend körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen im Wechsel, welche
vorliegend dem Leistungsvermögen der Klägerin entspricht. Das Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. G ...
bestätigt somit das Vorliegen eines vollschichtigen Leistungsvermögens, d. h. die genannten Verweisungstätigkeiten
sind ohne quantitative Leistungseinschränkungen durchführbar. Der Sachverständige hat sich umfassend und
ausführlich mit den bei der Klägerin bestehenden Leistungseinschränkungen auseinandergesetzt und schlüssig und
nachvollziehbar dargestellt, in welcher Art und Weise sich diese Funktionsstörungen auf die berufliche
Leistungsfähigkeit auswirken. Dem SG ist dahingehend zu folgen, dass im Ergebnis der medizinischen Feststellungen
eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens nicht festzustellen ist. Auf Grund der Ausbildung als
Krankenschwester sowie der überwiegend im Erwerbsleben ausgeübten Tätigkeit als Krankenschwester im
Pflegebereich ist sie in der Lage, als Arzthelferin, Krankenschwester in öffentlichen Blutzentren, Gesundheitsämtern
und vertrauensärztlichen Dienststellen, im Labor und in technischen Untersuchungsstellen, in der Aufnahme sowie im
Büro- und Verwaltungsbereich in größeren Pflegediensten eingesetzt zu werden (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss
vom 20.12.2000 - L 4 RA 38/00 -). Ausgehend vom dargestellten beruflichen Werdegang sowie dem gesundheitlichen
Restleistungsvermögen muss sie sich objektiv und subjektiv sozial zumutbar auf diese Tätigkeiten verweisen lassen.
Ausgeschlossen ist nach den beigezogenen medizinischen Gutachten lediglich eine Tätigkeit im Pflegebereich, denn
diese ist teilweise mit schwerem Heben und Tragen von Patienten verbunden. Hingegen ist sie unter Zugrundelegung
der festgestellten Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenen Funktionseinschränkungen noch in der Lage,
als Sprechstundenschwester oder Arzthelferin bei jedem niedergelassenen Arzt vollschichtige Tätigkeit auszuüben
(vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 10.01.2001 - L 4 RA 249/99). Bei diesen Tätigkeiten ist typischerweise
Heben und Tragen von schweren Gegenständen ausgeschlossen. So schätzte auch die Orthopädin Dr. M ... im
Befundbericht vom 12.09.2000 ein, dass leichte körperliche Arbeit im Wechsel denkbar wäre und ebenso ging das
MDK-Gutachten vom 06.06.2000 von einem positiven Leistungsbild mit Vollschichtigkeit für leichte körperliche Arbeit
aus. Folglich sind durch die Befunde der behandelnden Ärzte die Diagnosen in den Gutachten erneut bestätigt worden.
Der Einschätzung der Hausärztin folgt der Senat demzufolge nicht. Die bereits im sozialgerichtlichen Verfahren
mitgeteilte gelegentliche Stuhlinkontinenz ist nach der Angabe des behandelnden Arztes als leicht einzuschätzen und
hat insoweit keinen Einfluss auf die Quantität der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Dieses festgestellte Leiden ist
durch erforderliche Maßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln und zu lindern. Das Gutachten
des Dr. S ... vom 18.05.2001 im Schwerbehindertenverfahren des SG Chemnitz steht dem nicht entgegen. Die
Einschätzung der vom ärztlichen Sachverständigen angegebenen Höhe des Einzel-GdB für Stuhl- und
Harninkontinenz ist vorliegend vom Senat nicht überprüfbar. Eine Befunderhebung oder entsprechende
Untersuchungen haben hinsichtlich dieses Krankheitsbildes nicht stattgefunden, so dass die Einschätzung des
Gutachters auf den subjektiven Angaben der Klägerin beruht. Danach tritt Inkontinenz dann auf, wenn eine Toilette
nicht in der Nähe ist oder bei Husten, Niesen und Pressen. Das ständige Tragen von Einlagen ist Hinweis darauf,
dass die Verwendung von Windelsystemen nicht erforderlich ist. Für den Senat bestehen von daher Zweifel an dem
vorgeschlagenen Einzel-GdB für Stuhl- und Urinkontinenz in Höhe von 30, da nach den Anhaltspunkten für die
ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP 1996) erst bei Streßinkontinenz Grad II und III eine GdB von 20 bis 40 angemessen
ist. Im Übrigen begründet der Sachverständige die Anhebung der Gesamt-GdB auf 30 mit einer eingetretenen
Verschlimmerung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. Dazu liegt jedoch das fachorthopädische Gutachten Dr.
G ... vom März 2001 vor. Somit ergeben sich für den Senat keine weiteren quantitativen Leistungseinschränkungen.
Bei den genannten Verweisungstätigkeiten ist die Möglichkeit der Aufsuchens einer in der Nähe befindlichen Toilette
generell gegeben. Die Klägerin ist damit nicht dauerhaft an der vollschichtigen Ausübung einer körperlich leichten
Tätigkeit gehindert.
Die Einarbeitungszeit für die genannten Verweisungstätigkeiten ist bei einer ausgebildeten Krankenschwester mit
unter drei Monaten anzusetzen und auch in finanzieller Hinsicht zuzumuten (vgl. LSG Saarland, Urteil vom 19.05.1994
- L 1 AN 23/93; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.1993 - L 6 AN 159/93).
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder sonstige schwerwiegende Behinderungen liegen
nicht vor. Ebenso ist die Klägerin nicht am Zurücklegen eines Arbeitsweges gehindert und braucht betriebsunübliche
Pausen nicht einzuhalten. Die festgestellten Einschränkungen qualitativer Art stellen somit keine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar, die die Benennung einer weiteren Verweisungstätigkeit bedingen
könnte (BSG, Urteil vom 11.03.1999 - B 13 RJ 71/97 in NZS 2/00, 1996), sondern führen lediglich dazu, dass die
Klägerin überwiegend mittelschwere und schwere Tätigkeiten nicht mehr verrichten kann. Da sie nach den
vorliegenden Sachverständigengutachten vollschichtig einsetzbar ist und sonstige Einschränkungen, die den
Arbeitsmarkt verschlossen erscheinen ließen, nicht gegeben sind, liegt BU im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI nicht
vor.
Der Senat war auch nicht gehalten, weitere medizinische Ermittlungen durchzuführen. Die Feststellung eines GdB
durch das Versorgungsamt erfolgt nach anderen Kriterien. Die festgestellten Behinderungen wurden bei der
Beurteilung des Leistungsvermögens ausreichend berücksichtigt.
Da die Klägerin nicht berufsunfähig ist, ist sie erst recht nicht erwerbsunfähig. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
wird nur unter den strengen Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB VI gewährt. Trotz der vorhandenen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist sie noch in der Lage, mit dem vorhandenen vollschichtigen
Leistungsvermögen eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und hier mehr als nur geringfügige
Einkünfte zu erzielen. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2, § 44 Abs. 2 Ziff.
2 SGB VI).
Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 1 oder 2, 240 SGB VI in
der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom
20.12.2000 (BGBl. 1827), denn die Klägerin ist nach den übereinstimmenden ärztlichen Feststellungen in der Lage,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu
sein.
Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).