Urteil des LSG Sachsen vom 29.04.2009
LSG Fss: arbeitsentgelt, berufsausbildung, arbeitsmarkt, gleichbehandlung im unrecht, bemessungszeitraum, berufliche wiedereingliederung, getrennt leben, praktische ausbildung, berufliche tätigkeit
Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.04.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 33 AL 22/08
Sächsisches Landessozialgericht L 1 AL 195/08
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. Oktober 2008 wird
zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Klägers und seine weitergehende Klage wird die Beklagte unter Abänderung ihres
Bescheides vom 08. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 und des
Bescheides vom 28. Februar 2008 verurteilt, dem Kläger bei Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 1 Arbeitslosengeld
vom 01. Oktober 2007 bis 16. März 2008 auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
SGB III und unter Heranziehung der Bezugsgröße West zu gewähren.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 01.10.2007 bis 16.03.2008 höheres Arbeitslosengeld
zusteht.
Der am ...1980 geborene Kläger (ledig, keine Kinder, Lohnsteuerklasse I) absolvierte in der Zeit vom 27.08.2001 bis
16.06.2004 eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Vom 01.10.2004 bis 30.09.2007 studierte er an der
Berufsakademie G ... Das Studium schloss er als "Diplom-Betriebswirt (Berufsakademie) – Dipl.-Betriebswirt (BA)" in
der Studienrichtung Bauwirtschaft ab. Seine Praxispartnerin während dieses Studiums war die Firma "L ... GMBH" (im
Folgenden: die Praxispartnerin) in G ... Eine Ausbildungsvergütung wurde nicht vereinbart und tatsächlich auch nicht
gezahlt (Arbeitsbescheinigung der Praxispartnerin vom 14.09.2007). Bestandteil des Ausbildungsvertrages vom
15.07.2004 waren die "umstehenden Nebenabreden mit den Punkten 1 bis 11". Insoweit wird auf Blatt 30 der Akte des
Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) verwiesen. Die Praxispartnerin entrichtete während der gesamten Dauer des
Ausbildungsvertrages für den Kläger Beiträge zur Arbeitslosenversicherung unter Zugrundelegung eines
Arbeitsentgelts in Höhe von einem Prozent der Bezugsgröße (vgl. § 342 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]).
Am 27.09.2007 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.10.2007 arbeitslos. Dabei gab er an,
alle Möglichkeiten zu nutzen, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Mit Bescheid vom 08.10.2007 bewilligte
die Beklagte dem Kläger vom 01.10.2007 bis 30.09.2008 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines täglichen
Bemessungsentgelts von 22,59 EUR, das er vom 01.10.2007 bis 16.03.2008 bezog. Der tägliche Leistungssatz belief
sich auf 10,71 EUR (Lohnsteuerklasse I, allgemeiner Leistungssatz). Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung
Widerspruch ein, er wisse von Kommilitonen, deren Arbeitslosengeld bei gleichen Voraussetzungen – unter
Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts von 70,00 EUR – 27,16 EUR täglich betrage. In diesen Fällen
sei die Beklagte zutreffend von der Regelbemessungsgrenze für ausgelernte Diplom-Betriebswirte in Höhe von
2.100,00 EUR ausgegangen. Mit am 30.10.2007 versandtem Widerspruchsbescheid vom selben Tage wies die
Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Für Zeiten einer Beschäftigung zur Berufsausbildung, für die keine
Ausbildungsvergütung gezahlt worden sei, sei bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes dasjenige Arbeitsentgelt zu
Grunde zu legen, das vergleichbare betriebliche Auszubildende als tarifliche Ausbildungsvergütung erhielten. Die
Festlegung der tariflichen Ausbildungsvergütung erfolge anhand der Aufstellung des Bundesinstituts für Berufsbildung.
Da der Kläger jedoch an einer Berufsakademie ein Studium absolviert habe, könne dieser Aufstellung eine
vergleichbare Ausbildungsvergütung nicht entnommen werden. In diesen Fällen sei als tarifliche
Ausbildungsvergütung folgendes monatliches Entgelt zu Grunde zu legen: 1. Ausbildungsjahr 462,00 EUR (Ost),
549,00 EUR (West), 2. Ausbildungsjahr 529,00 EUR (Ost), 610,00 EUR (West), 3. Ausbildungsjahr 591,00 EUR (Ost),
687,00 EUR (West). Beim Kläger sei von einem Entgelt in Höhe von 687,00 EUR monatlich ausgegangen worden.
Hieraus ergebe sich ein tägliches Bemessungsentgelt von 22,59 EUR. Nach dem allgemeinen Leistungssatz belaufe
sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld auf 10,71 EUR täglich. Mit Schreiben vom 11.12.2007 bekräftige der Kläger
seinen Widerspruch vom 08.11.2007 gegenüber der Beklagten. Die Beklagte ging daraufhin davon aus, der Kläger
habe den Widerspruchsbescheid vom 30.10.2007 nicht erhalten und übersandte ihn unter dem 19.12.2007 erneut an
den Kläger.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.10.2007, welchen der Kläger nach seinen Angaben erstmals am
21.12.2007 erhalten habe, hat der Kläger am 09.01.2008 Klage beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben.
Mit Änderungsbescheid vom 28.02.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 01.02.2008,
wiederum in Höhe von 10,71 EUR täglich.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, die Höhe des ihm zustehenden Arbeitslosengeldes richte
sich nach § 132 SGB III und sei nach der Regelbemessung eines ausgelernten Diplom-Betriebswirtes zu berechnen.
Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn Kommilitonen unter gleichen Voraussetzungen fast den
dreifachen Leistungsbetrag erhielten.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2008 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2007 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld
auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide der
Beklagten seien rechtswidrig. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld zu. Gemäß § 129 Nr. 2
SGB III betrage das Arbeitslosengeld für den kinderlosen Kläger 60 % des pauschalierten Nettoentgelts
(Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergebe, das im Bemessungszeitraum erzielt worden sei
(Bemessungsentgelt). Zu Unrecht habe die Beklagte unter Berufung auf § 131 Abs. 1 SGB III ihren Berechnungen ein
tägliches Bemessungsentgelt von 22,59 EUR zu Grunde gelegt. Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III sei
Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose
im Bemessungszeitraum erzielt habe. Der Kläger habe aber im Bemessungszeitraum (§ 130 SGB III) kein
Arbeitsentgelt erzielt. Vielmehr sei er im maßgeblichen Zeitraum – ohne Arbeitsentgelt – zur Berufsausbildung
beschäftigt gewesen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Für den Fall, dass ein Bemessungszeitraum von mindestens 150
Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht
festgestellt werden könne, bestimme § 132 Abs. 1 SGB III, dass als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu
Grunde zu legen sei. So liege die Sache hier. Der Kläger habe – auch innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten
Bemessungsrahmens (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III – kein Arbeitsentgelt erzielt. Nach dem insoweit eindeutigen
Wortlaut des § 132 SGB III sei demnach das Bemessungsentgelt auf der Grundlage eines fiktiven Arbeitsentgelts zu
berechnen. Der von der Beklagten aufgrund einer internen Dienstanweisung herangezogene Betrag von 687,00 EUR
finde im Gesetz keine Stütze. Nach der gesetzlichen Konzeption sei für die Bemessung des Arbeitslosengeldes
grundsätzlich das tatsächlich erzielte Arbeitseinkommen maßgeblich. Wenn kein Bemessungszeitraum mit
hinreichenden Entgeltansprüchen gebildet werden könne, erfolge eine fiktive Bemessung. Anliegen dieser
gesetzlichen Regelung sei die Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens durch Verzicht auf detaillierte
Einzelfallregelungen (Hinweis auf BT-Drucksache 15/1515 S. 85). Ermittlungen zu fiktiven vergleichbaren tariflichen
Vergütungen – wie sie die Beklagte angestellt habe – erübrigten sich angesichts der gesetzlichen Pauschalierung.
Erfasst würden auch solche Sachverhalte, bei denen – wie hier im Hinblick auf das vom Kläger absolvierte Studium
an einer Berufsakademie – keine vergleichbare betriebliche Ausbildung mit tariflicher Ausbildungsvergütung bestehe.
Dabei werde nicht verkannt, dass die gesetzliche Regelung im Ergebnis dazu führe, dass Arbeitslose, die im Rahmen
ihrer Beschäftigung zur Berufsausbildung überhaupt kein Entgelt erhalten hätten, gegenüber solchen Personen besser
gestellt würden, die ein nur geringes Entgelt erzielt hätten. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden insoweit
jedoch nicht (Hinweis auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.03.2007 – L 2 AL 168/05 – juris). Die Regelung finde
ihre Rechtfertigung in dem gesetzgeberischen Ziel, das Verwaltungsverfahren durch ein größeres Maß an
Pauschalierung deutlich und nachhaltig zu vereinfachen. Hiermit sei zwangsläufig der Verzicht auf jedem Einzelfall
gerecht werdende Ausnahme- und Detailregelungen verbunden. Vor diesem Hintergrund werde die Beklagte zu prüfen
haben, welcher der in § 132 Abs. 2 SGB III bezeichneten Qualifikationsgruppen der Kläger zuzuordnen sei, um auf
dieser Grundlage das zur Berechnung des Arbeitslosengeldes heranzuziehende Bemessungsentgelt neu zu
bestimmen.
Gegen das ihr am 20.10.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.11.2008 Berufung beim Sächsischen LSG
eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, der Fall der Bemessung von Arbeitslosengeld nach einer Beschäftigung zur Berufsausbildung,
für die keine Ausbildungsvergütung gezahlt worden sei, stelle einen im Gesetz bisher nicht geregelten Sonderfall dar.
Für diese Sachverhalte werde seitens der Beklagten eine gesetzliche Regelung angestrebt. Bis zu einer
entsprechenden Rechtsänderung sei – nach Abstimmung mit dem zuständigen Bundesministerium – für Zeiten einer
Beschäftigung zur Berufsausbildung im Sinne von § 25 Abs. 1 SGB III, für die keine Ausbildungsvergütung gezahlt
worden sei, dasjenige Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das vergleichbare betriebliche Auszubildende als tarifliche
Ausbildungsvergütung erhielten. Hierdurch solle "eine Schlechterstellung bzw. Begünstigung des betroffenen
Personenkreises vermieden werden". Auszubildende, die keine Ausbildungsvergütung erhalten hätten, würden nach
einer fiktiven Bemessung im Sinne von § 132 SGB III besser gestellt als solche, die eine relativ niedrige Vergütung
erhalten hätten. Um einen erhöhten Verwaltungsaufwand zu vermeiden, sei die tarifliche Ausbildungsvergütung nach
Weisungslage der Beklagten anhand der Aufstellung des Bundesinstituts für Berufsbildung über die
durchschnittlichen, tariflichen Ausbildungsvergütungen für verschiedene Ausbildungsberufe zu ermitteln. Könne mit
dieser Aufstellung eine Ausbildungsvergütung im Einzelfall – wie vorliegend – nicht ermittelt werden, sei auf die
durchschnittlichen Ausbildungsvergütungen der am stärksten besetzten Ausbildungsberufe (Stichtag 01.10.2004)
abzustellen. Maßgeblich seien danach für das erste Ausbildungsjahr 462,00 EUR (Ost) bzw. 549,00 EUR (West), für
das zweite Ausbildungsjahr 529,00 EUR (Ost) bzw. 610,00 EUR (West) und für das dritte Ausbildungsjahr 591,00 EUR
(Ost) bzw. 687,00 EUR (West). Es gebe keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Die Beklagte gehe nach
der Verlautbarung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 27.07.2004 davon aus, dass der Kläger
während seines Studiums an der Berufsakademie S. nach § 25 SGB III versicherungspflichtig beschäftigt gewesen
sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 44 f. der LSG-Akte verwiesen.
Der Kläger beantragt im Wege der Anschlussberufung, die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 01. Oktober 2007 bis 16.
März 2008 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der Qualifikationsgruppe 1 gemäß § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB
III in Verbindung mit der Bezugsgröße West zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. Oktober 2008 aufzuheben, die
Anschlussberufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und den Bescheid vom 28. Februar 2008 abzuändern.
Er ist der Ansicht, es sei zu erwägen, ob er wie ein Fachhochschulabsolvent zu behandeln sei. Im Übrigen halte er an
seinem erstinstanzlichen Vortrag fest.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
1. Streitgegenstand ist nicht nur der Bescheid vom 08.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
30.10.2007. Denn auch der Änderungsbescheid vom 28.02.2008 ist gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und
den angefochtenen Bescheid für die Zeit ab 01.02.2008 ersetzt hat.
2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Die Beklagte hat dem Kläger ab 01.10.2007 monatlich (30 Tage x 10,71 EUR =) 321,30 EUR Arbeitslosengeld
bewilligt. Bei Einstufung in die vom SG nicht ausgeschlossene Qualifikationsgruppe 1 (§ 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB
III) ergibt sich unter Berücksichtigung der vom SG ebenfalls nicht ausgeschlossenen, maßgeblichen Bezugsgröße
(West) ab 01.10.2007 monatlich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.044,90 EUR (29.400,00 EUR: 300 = 98,00 EUR;
98,00 EUR x 30 Tage = 2.940,00 EUR; daraus errechnet sich gemäß www.pub.arbeitsamt.de/selbst.php?jahr=2007
Arbeitslosengeld von monatlich 1.044,90 EUR). Da der Kläger über mehr als fünf Monate Arbeitslosengeld bezogen
hat, übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Anschlussberufung des Klägers ist gemäß § 202 SGG i.V.m. § 524 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft. Ein Mindestbeschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 SGG ist nicht erforderlich (s.
nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 143 Rn. 5a m.w.N.). Der Kläger ist dadurch
beschwert, dass das SG bewusst über die Höhe des ihm zustehenden Arbeitslosengeldes nicht abschließend
entschieden hat.
4. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Die Klage war nicht mangels Verfristung (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) abzuweisen. Der Senat ist mit dem SG – und in
Übereinstimmung mit der Beklagten – davon überzeugt, dass dem Kläger der Widerspruchsbescheid erst am
21.12.2007 bekanntgegeben wurde. Die erstinstanzliche Entscheidung ist zu Recht ergangen, soweit sie die Beklagte
verurteilt hat, dem Kläger Arbeitslosengeld auf der Grundlage einer fiktiven Bemessung nach § 132 SGB III zu
gewähren. Allerdings hätte auch eine Entscheidung darüber getroffen werden müssen, in welche Qualifikationsgruppe
der Kläger einzustufen ist, da der Beklagten insoweit kein Ermessen eingeräumt ist (s. insoweit die Ausführungen zur
Begründetheit der Anschlussberufung des Klägers unter 5). Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind
rechtswidrig. Dem Kläger steht vom 01.10.2007 bis 16.03.2008 Arbeitslosengeld auf der Grundlage einer fiktiven
Bemessung gemäß § 132 SGB III zu.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 01.10.2007 bis 16.03.2008 (a). Zur Bestimmung von dessen
Höhe bedarf es der im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen fiktiven Bemessung (b). Für die von der Beklagten
vorgenommene Bemessung des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers findet sich keine Rechtsgrundlage (c).
a) Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) haben Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit
Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Voraussetzungen dafür sind nach § 118 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2005
geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S.
2848), dass die Arbeitnehmer arbeitslos sind (aa), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (bb) und die
Anwartschaftszeit erfüllt haben (cc). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
aa) Gemäß § 119 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der 1. nicht in
einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu
beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht
(Verfügbarkeit).
Der Kläger war ab 01.10.2007 beschäftigungslos. Das Fehlen von Eigenbemühungen kann nur in Ausnahmefällen zum
Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen, etwa dann, wenn Eigenbemühungen gänzlich fehlen oder
abgelehnt werden (s. Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Februar 2009, § 119 Rn. 84 m.w.N.). Davon kann
beim Kläger nicht ausgegangen werden. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht neben weiteren –
vorliegend nicht relevanten – Voraussetzungen zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15
Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht
kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III) und auch bereit ist, jede derartige
Beschäftigung anzunehmen und auszuüben. Auch davon ist beim Kläger auszugehen.
bb) Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Art. 3 des Dritten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) hat sich der Arbeitslose persönlich bei
der zuständigen Agentur für arbeitslos zu melden. Diesen Anforderungen hat der Kläger durch seine persönliche
Vorsprache bei der Beklagten am 27.09.2007 entsprochen.
cc) Die Anwartschaftszeit ist ebenfalls erfüllt.
Gemäß § 123 Satz 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Art. 3 des Dritten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der
Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt
nach § 124 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der
Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Die für den Arbeitslosengeldanspruch ab 01.10.2007 maßgebliche Rahmenfrist dauerte vom 01.10.2005 bis
30.09.2007. Die vom Kläger während seines Studiums bei seiner Praxispartnerin in der Zeit vom 01.10.2005 bis
30.09.2007 ausgeübte Beschäftigung war versicherungspflichtig, da er dort zu seiner Berufsausbildung beschäftigt
war (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III).
Die Versicherungspflicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III wird nicht durch das Werkstudentenprivileg (§ 27 Abs. 4
Satz 1 SGB III) ausgeschlossen, wonach Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche
Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule eine Beschäftigung ausüben,
versicherungsfrei sind.
Die Rechtsprechung hat Versicherungsfreiheit von Studenten nach den entsprechenden Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht bereits angenommen, wenn jemand als ordentlicher Studierender an einer
Hochschule eingeschrieben war. Hinzukommen musste vielmehr, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft
überwiegend in Anspruch nahm und der Betreffende damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht
Arbeitnehmer war. Die damaligen und mit ihnen im Wesentlichen übereinstimmenden jetzigen Vorschriften über die
Versicherungs- und Beitragsfreiheit beziehen sich in erster Linie auf "Werkstudenten". Dies sind Studierende, die
neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des
Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung von
Studenten ist somit versicherungs- und beitragsfrei, wenn und solange sie "neben" dem Studium ausgeübt wird und
ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist. Versicherungsfreiheit als "Werkstudent" hat das Bundessozialgericht
(BSG) deshalb verneint bei Arbeitnehmern, die ein Studium aufgenommen, ihren Beruf aber weiterhin in vollem
Umfang ausgeübt haben, ferner beim Abendstudium an einer Bauschule, wenn daneben mehr als eine
Halbtagsbeschäftigung ausgeübt wurde, und schließlich bei einer Ganztagsbeschäftigung, wenn nur tageweise
studiert wurde. Allen diesen Entscheidungen war gemeinsam, dass während des Studiums die früher verrichtete
Beschäftigung weiter ausgeübt wurde oder jedenfalls das Beschäftigungsverhältnis fortdauerte und weiterhin das
Erscheinungsbild eines Beschäftigten bestand. Das BSG hat diese Rechtsprechung dahin fortgeführt, dass auch
derjenige nicht als Werkstudent versicherungsfrei ist, der ein Studium aufnimmt, sein Arbeitsverhältnis jedoch nicht
löst, sondern vom Arbeitgeber unter Zahlung einer Ausbildungsförderung für die Dauer des Studiums beurlaubt und
von ihm während der Semesterferien in seinem Beruf gegen Entgelt beschäftigt wird. Später hat das BSG bei einer
Beurlaubung für die Dauer des Studiums unter Fortzahlung des nur unwesentlich gekürzten Gehalts das Fortbestehen
des Beschäftigungsverhältnisses und Versicherungspflicht während des gesamten Studiums angenommen.
Schließlich hat es Versicherungsfreiheit eines Studenten verneint, der von seinem Arbeitgeber für ein Studium
Sonderurlaub unter Zahlung einer Studienförderung erhalten hat, wenn er in den Semesterferien die frühere
Beschäftigung wieder ausübt (so das BSG in seinem Urteil vom 10.12.1998 – B 12 KR 22/97 R – SozR 3-2500 § 6 Nr.
16 Seite 54 f. m.w.N.).
Wie bereits diese Beispiele zeigen, geht es bei Werkstudentensachverhalten um die Versicherungsfreiheit einer
ansonsten versicherungs- und beitragspflichtigen entgeltlichen Beschäftigung. Es handelt sich typischerweise um in
abhängiger Beschäftigung ausgeübte Tätigkeiten, die zum Zwecke der (Mit-)Finanzierung des Studiums neben
demselben erbracht werden. Allerdings erfasst die Versicherungsfreiheit nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB III auch solche
Beschäftigungen, die nicht bzw. nicht vordringlich mit dem Motiv der Finanzierung des Studiums ausgeübt werden,
sondern von der jeweiligen Studienordnung – z.B. als Praktika – vorgeschrieben werden, ohne dass sie das Studium
maßgeblich prägen. Aber selbst wenn sie das Studium quantitativ und qualitativ in Gestalt längerer, in das Studium
eingebetteter Blockzeiten mitprägen, ist vom BSG, für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts unter Geltung des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) die Auffassung vertreten worden, dass Versicherungsfreiheit vorliege. Das BSG
hatte sich in diesem Zusammenhang mit der versicherungsrechtlichen Bewertung der Verknüpfung zwischen
praktischer Tätigkeit und Studium bereits mehrfach befasst, wenn der Praktikant gleichzeitig an der Universität
immatrikuliert war. Insbesondere die Bewertung der früheren einstufigen Juristenausbildung war zwischen den
Senaten des BSG nicht unumstritten (vgl. nur Urteil vom 06.10.1988 – 1 RA 53/87 – SozR 2200 § 1232 Nr. 26 =
BSGE 64, 130; vom 20.09.1989 – 7 RAr 114/87 – SozR 4100 § 134 Nr. 38 = BSGE 65, 281; vom 21.02.1990 – 12 RK
12/87 – SozR 3-2940 § 2 Nr. 1 = BSGE 66, 211; vom 20.03.1986 – 11a RA 64/84 – BSGE 60, 61 = SozR 2200 §
1232 Nr. 19; siehe auch Urteil vom 17.12.1980 – 12 RK 10/79 – SozR 2200 § 172 Nr. 15 für einen als Studenten
eingeschriebenen Informatiker). Im Übrigen kam es nach dem Leistungsrecht des AFG wegen der Sondervorschrift
des § 241a AFG für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe auf die Frage der Versicherungspflicht nicht an (BSG, Urteil
vom 24.09.1992 – 7 RAr 14/92 – USK 92100 = Die Beiträge 1993, 320).
Das BSG hat in seinem Urteil vom 03.02.1994 (12 RK 78/92 – SozR 3-2500 § 5 Nr. 15 Seite 49 f.) aber allgemein zu
Praktika ausgeführt, dass ein Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 2 SGB IV mangels betrieblicher Berufsbildung
im Sinne des § 19 Berufsbildungsgesetz (BBiG) nur zu verneinen sei, wenn die praktische Ausbildung im
Wesentlichen außerbetrieblich, also durch die Ausbildungsstätte (Hochschule) geregelt und gelenkt werde. Wie durch
die Bezugnahme auf § 19 BBiG klargestellt werde, komme es demgegenüber nicht darauf an, ob berufliche
Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses im Sinne des § 1 Abs. 2
BBiG vermittelt würden. Eine berufspraktische Tätigkeit sei nur dann als Teil des Studiums und nicht als
Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn anzusehen, wenn der Praktikant bereits immatrikuliert sei. Nur
dann sei das Praktikum mit den notwendigen Rechtswirkungen für die Betroffenen in die Hoch- oder
Fachschulausbildung einbezogen. Denn erst mit dem Wirksamwerden der Einschreibung als Student werde bestätigt,
dass der Ausbildungswillige und die Ausbildungsstätte den mit der Ausbildung verbundenen rechtlichen Status
anerkennen würden. Das bedeute zwar, dass Vorpraktikanten versicherungsrechtlich anders zu behandeln sein
könnten (zu früheren Entscheidungen über die Versicherungspflicht von Vorpraktikanten siehe BSG, Urteil vom
17.12.1980 – 12 RK 20/79 – BSGE 51, 88 = SozR 2200 § 165 Nr. 53 für ein Vorpraktikum zu einem
Architekturstudium; vom 17.03.1981 – 12 RK 44/80 – Die Beiträge 1982, 92 = USK 81107 für ein Vorpraktikum zu
einer Fachschulausbildung im Sozialwesen; vom 21.04.1988 – 7 RAr 73/86 – BSGE 63, 153 = SozR 4100 § 112 Nr.
39 für ein Vorpraktikum zu einem forstwissenschaftlichen Studium) als Zwischenpraktikanten bei fortbestehender
Immatrikulation und dass der versicherungsrechtliche Status durch die Verschiebung des Praktikums in die Zeit nach
der Immatrikulation beeinflusst werden könne, soweit das Hochschulrecht dies gestatte. Im Interesse der
Rechtssicherheit müsse dieses jedoch hingenommen werden. Die von der Gegenmeinung befürwortete
Versicherungsfreiheit aller mit einer wissenschaftlichen Ausbildung zusammenhängenden abhängigen Tätigkeiten sei
weder mit dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften noch mit ihrer Entstehungsgeschichte vereinbar. Die
Versicherungsfreiheit sei für den wissenschaftlichen Nachwuchs zunächst ausgedehnt worden, so dass sie nicht nur
Beschäftigungen nach einem ersten wissenschaftlichen Abschluss (insbesondere Assistenten, vgl. BSG, Urteil vom
31.05.1978 – 12 RK 62/76 – SozR 5750 Art 2 § 46 Nr. 3; vom 14.02.1964 – 1 RA 151/61 – DAngVers 1964, 341),
sondern auch entgeltliche Vorpraktika erfasst habe. Sie sei aber in der Rentenversicherung bei der Rentenreform im
Jahre 1957 und im Arbeitsförderungsrecht bei der Einführung der Krankenversicherung der Studenten im Jahre 1975
aufgegeben worden. Die Auslegung des Beschäftigungsbegriffs in § 7 Abs. 2 SGB IV müsse die Abkehr des
Gesetzgebers von der allgemeinen Versicherungsfreiheit des wissenschaftlichen Nachwuchses beachten und dürfe
nicht dazu führen, dass im Ergebnis zu der vor 1957 geltenden Rechtslage zurückgekehrt werde. Dieses würde auch
der Begründung zur Rentenreform 1957 widersprechen. Danach sollte die Einführung des bis heute geltenden
"Werkstudentenprivilegs" zur Einschränkung der Versicherungsfreiheit auf Nebenbeschäftigungen von "ordentlich
Studierenden" führen (Bericht des Bundestags-Ausschusses für Sozialpolitik zu BT-Drucks II/3080 S. 3). Auch in
seinem schon erwähnten Urteil vom 10.12.1998 (B 12 KR 22/97 R –SozR 3-2500 § 6 Nr. 16) hat das BSG
Versicherungs- und Beitragspflicht bejaht, wenn nach Abschluss einer Berufsausbildung ein beruflich weiterführendes
"berufsintegriertes Studium" absolviert wird und die Beschäftigung in dem erlernten Beruf während des Semesters als
Teilzeitbeschäftigung und während der Semesterferien als Vollzeitbeschäftigung ausgeübt wird. Außerdem hat es
ausdrücklich an der früheren Auffassung, dass bei einem Studenten Versicherungs- und Beitragspflicht wegen
Beschäftigung nur eintrete, wenn auch die wöchentliche Beschäftigungszeit durchgehend über 20 Stunden liege,
ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Insgesamt ergibt sich aus dieser neueren Rechtsprechung, dass immer schon
dann ein Pflichtversicherungsverhältnis aufgrund einer Beschäftigung (zur Berufsausbildung) zu bejahen ist, wenn das
Studium bzw. die theoretischen Studienabschnitte in eine vorbestehende oder eine damit im Zusammenhang
stehende Beschäftigung eingebettet sind und die Beschäftigung die Studienzeit wesentlich mitprägt, ohne dass dies
ständig täglich, wöchentlich oder auch nur monatlich so sein muss.
Die besondere Ausgestaltung des hier zu beurteilenden Sachverhalts ergibt, dass sich der Kläger, der bereits eine
Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert hatte, während der gesamten Dauer des Ausbildungsverhältnisses,
jedenfalls aber während des berufspraktischen Teils einschließlich der Urlaubszeiten zu seiner Berufsausbildung im
Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III beschäftigt und die Versicherungspflicht nicht nach § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
SGB III ausgeschlossen war.
Hier prägt maßgeblich das auf der Grundlage des am 15.07.2004 geschlossenen Ausbildungsvertrages zustande
gekommene betriebliche Berufsausbildungsverhältnis die (arbeitslosen-)versicherungsrechtliche Situation des Klägers.
Die wissenschaftlich theoretischen Teile der Ausbildung – das Studium im engeren Sinne – sind in das
Berufsausbildungsverhältnis eingebettet und nicht umgekehrt etwaige Praktika in das Studium. Das
Berufsausbildungsverhältnis ist seinerseits eine abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB IV.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über die Berufsakademie im Freistaat
Sachsen (Sächsisches Berufsakademiegesetz – SächsBAG) vom 11.06.1999 (SächsGVBl. S. 276) umfasst jedes
Studienhalbjahr einen wissenschaftlich theoretischen sowie einen praktischen Studienabschnitt von jeweils zwölf
Studienwochen. Dabei werden die wissenschaftlich theoretische und die praktische Bildung inhaltlich und
organisatorisch aufeinander abgestimmt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 SächsBAG). Auch wenn deswegen die Teilnehmer an den
Studiengängen der Berufsakademie S. als Studenten bezeichnet werden und das Gesetz davon spricht, dass die
Studenten in einem dreijährigen praxisintegrierenden Studium durch die Vermittlung und Anwendung
wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden auf eine berufliche Tätigkeit vorbereitet werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2
SächsBAG), handelt es sich bei den Studenten gleichwohl um zu ihrer betrieblichen Berufsausbildung Beschäftigte,
die lediglich für die Dauer der wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitte von ihrem Ausbildungsbetrieb
freigestellt werden.
Voraussetzung für die Berechtigung zum Studium an der Staatlichen Studienakademie G. (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
SächsBAG definiert die Staatliche Studienakademie G. als Teil der Berufsakademie S. ) ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 2
SächsBAG namentlich und maßgeblich ein vor Studienbeginn mit einem Praxispartner abgeschlossener
Ausbildungsvertrag, der den vom Kollegium der Berufsakademie S. (§ 14 Abs. 1 SächsBAG) gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 8
SächsBAG aufgestellten Grundsätzen für die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses entspricht. Praxispartner sind
Einrichtungen der Wirtschaft, insbesondere solche der freien Berufe, sowie Einrichtungen von Trägern sozialer
Aufgaben, wenn sie geeignet sind, die vorgeschriebenen Inhalte der praktischen Studienabschnitte zu vermitteln. Die
Durchführung des Verfahrens zur Anerkennung von Praxispartnern obliegt einer im Gesetz vorgesehenen
Koordinierungskommission (§ 2 SächsBAG). Zugelassen werden kann als Student nur, wer diese Voraussetzung –
vorheriger Abschluss eines Ausbildungsvertrages bei einem anerkannten Praxispartner – erfüllt und von seinem
Praxispartner unter Vorlage des Ausbildungsvertrages zum Studium vorgeschlagen wird (§ 8 Abs. 1 Nr. 2
SächsBAG). Die Zulassung zum Studium ist in der Regel zu widerrufen, wenn das Ausbildungsverhältnis des
Studenten mit einem Praxispartner rechtswirksam beendet und nicht innerhalb von acht Wochen ein neuer
Ausbildungsvertrag mit einem anderen Praxispartner abgeschlossen worden ist (§ 8 Abs. 4 SächsBAG). Danach
muss das Berufsausbildungsverhältnis während der gesamten Dauer des Studiums fortbestehen und der Student
kann nur aus dem Ausbildungsverhältnis heraus an den wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitten
teilnehmen.
Dementsprechend sah der vom Kläger mit seiner Praxispartnerin abgeschlossene Ausbildungsvertrag, dessen Inhalte
durch das Kollegium der Berufsakademie S. vorgegeben worden sind (§ 14 Abs. 4 Nr. 8 SächsBAG), auch vor, dass
das Berufsausbildungsverhältnis die gesamte Studienzeit erfassen und vom 01.10.2004 bis zum 30.09.2007 dauern
sollte. Während der berufspraktischen Studienzeit betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden. Der
Urlaub wurde von der Praxispartnerin gewährt (7 Arbeitstage im Jahr 2004, 29 Arbeitstage in den Jahren 2005 und
2006, 22 Arbeitstage im Jahr 2007). Der Kläger hatte keine durch die Berufsakademie zu gewährenden
Semesterferien. Der Kläger verpflichtete sich gegenüber seiner Praxispartnerin den Weisungen zu folgen, die ihm im
Rahmen der praktischen Berufsabschnitte und in den wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitten von
weisungsberechtigten Personen erteilt wurden. Die Praxispartnerin verpflichtete sich, den Kläger zum Zwecke des
Besuchs der Staatlichen Studienakademie von der betrieblichen Beschäftigung freizustellen. Aus dem
Berufsausbildungsverhältnis heraus wurde dem Kläger der Besuch der wissenschaftlich theoretischen
Studienabschnitte ermöglicht und er gerade nicht umgekehrt aus dem Studium heraus zeitweise in ein
berufsorientiertes Ausbildungsverhältnis eingebunden. Damit korrespondiert auch, dass die Praxispartnerin aufgrund
des Ausbildungsvertrages verpflichtet war, dem Kläger einen für das gesamte Studium verantwortlichen Betreuer
(Ausbildungsleiter) zur Seite zu stellen und ergänzend weitere geeignete Mitarbeiter mit der Betreuung der praktischen
Studienabschnitte zu beauftragen. Der Ausbildungsleiter der Praxispartnerin war somit auch während der
wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitte maßgeblich für den Kläger verantwortlich und musste
gegebenenfalls auf ihn einwirken.
Der Kläger unterlag im Rahmen der praktischen Studienabschnitte umfassend der Weisungsbefugnis der
Praxispartnerin. Dies war im Ausbildungsvertrag ausdrücklich geregelt. Er musste zudem die betriebliche Ordnung der
Praxispartnerin, insbesondere die Arbeitszeitregelung beachten, die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche
Dauer anzeigen. Urlaub wurde von der Praxispartnerin gewährt. Der Kläger unterlag der Weisungsbefugnis der
Praxispartnerin zum Teil unmittelbar und zum Teil mittelbar auch soweit es um die wissenschaftlich theoretischen
Studienabschnitte ging. Der Kläger durfte dem Studium nur mit vorheriger Zustimmung der Praxispartnerin, im
wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitt "zusätzlich"(!) nur mit vorheriger Zustimmung der Staatlichen
Studienakademie fernbleiben. Der Kläger musste sich auch ausbildungsvertraglich gegenüber seiner Praxispartnerin
verpflichten, den Weisungen des Personals der Staatlichen Studienakademie nachzukommen. Ein Fehlverhalten
während eines wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitts konnte zur Kündigung aus wichtigem Grund führen.
Ausdrücklich war geregelt, dass dem Kläger im Falle der Exmatrikulation ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
gekündigt werden konnte. Damit korrespondiert, dass die Praxispartnerin den Kläger während der gesamten
Studiendauer vom 01.10.2004 bis 30.09.2007, also auch während der wissenschaftlich theoretischen
Studienabschnitte aufgrund des Ausbildungsvertrages nach § 342 SGB III in Höhe von einem Prozent der
Bezugsgröße versichert hat.
Folgerichtig haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung in einer gemeinsamen Stellungnahme vom
27.07.2004 auch die Teilnehmer an berufs- und ausbildungsintegrierten Studiengängen unter ausdrücklicher
Erwähnung der Berufsakademien als versicherungspflichtig Beschäftigte eingestuft (dort bei 1.2.8.1).
Aber selbst wenn man hier davon ausginge, dass es sich bei dem wissenschaftlich theoretischen Studienabschnitt
und dem praktischen Studienabschnitt um zwei getrennte Bereiche handele und der wissenschaftlich theoretische
Studienabschnitt nicht durch das Ausbildungsverhältnis dominiert werde, weicht das Erscheinungsbild eines
Studenten/Auszubildenden, der einen Studiengang der Berufsakademie S. besucht, aufgrund des das gesamte
Studium umklammernden Ausbildungsverhältnisses sehr deutlich von dem Erscheinungsbild des Studierenden ab,
wie er sonst im Hochschul- und Fachhochschulbereich anzutreffen ist. Jedenfalls kann umgekehrt auch der
praktische Studienabschnitt nicht allein zu einem – weil vom Werkstudentenprivileg erfassten –
versicherungsrechtlich unbeachtlichen Teil des Studiums herabgestuft werden, sondern es kommt ihm eine
eigenständige arbeitslosenversicherungsrechtliche Bedeutung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu. Auch hiernach war
der Kläger innerhalb der Rahmenfrist einschließlich der Urlaubszeiten mindestens 55 Wochen versicherungspflichtig
beschäftigt (48 Wochen berufspraktische Studienabschnitte, 51 Tage Urlaub für die Jahre 2006 und 2007), wenn man
zu seinen Ungunsten davon ausgeht, dass er von Oktober bis Dezember 2005 keinen Urlaub genommen hat und auch
kein Resturlaub vorhanden war.
Somit ist die Rahmenfrist mit einem Versicherungspflichtverhältnis von mindestens zwölf Monaten ausgefüllt.
b) Dem Kläger steht für die Zeit vom 01.10.2007 bis 16.03.2008 Arbeitslosengeld auf der Grundlage einer fiktiven
Bemessung gemäß § 132 SGB III zu.
aa) Dabei richtet sich das Leistungsentgelt für den Kläger nach dem allgemeinen Leistungssatz.
Gemäß § 129 SGB III in der ab 01.08.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung
gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.02.2001 (BGBl. I S. 266) beträgt das Arbeitslosengeld 1. für
Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, sowie
für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des
Einkommensteuergesetzes hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig
sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz), 2. für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent
(allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt
ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).
Die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz liegen beim Kläger nicht vor.
bb) Für die Berechnung des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes ist ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu
legen.
(1) Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die
beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten
Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der
Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor
der Entstehung des Anspruchs.
Unter Berücksichtigung eines Bemessungsrahmens vom 01.10.2006 bis 30.09.2007 ergeben sich für den Kläger keine
Entgeltabrechnungszeiträume von versicherungspflichtigen Beschäftigungen.
Entgeltabrechnungszeiträume von versicherungspflichtigen Beschäftigungen.
(2) Gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) wird der Bemessungsrahmen auf zwei
Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält.
Unter Zugrundelegung eines Bemessungsrahmens vom 01.10.2005 bis 30.09.2007 ergeben sich für den Kläger
ebenfalls keine Entgeltabrechnungszeiträume von versicherungspflichtigen Beschäftigungen.
(3) Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei
Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives
Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 [BGBl. I S. 2848]). Entgegen der
Auffassung der Beklagten besteht insoweit gerade keine Gesetzeslücke. Vielmehr hat der Gesetzgeber ausdrücklich
eine zwingende Regelung getroffen, deren Voraussetzungen hier zu bejahen sind.
c) Für die von der Beklagten vorgenommene Bemessung des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers ist keine
Rechtsgrundlage ersichtlich.
Der Ausgangspunkt der Beklagten, die tarifliche Ausbildungsvergütung für die Bemessung des Arbeitslosengeldes
des Klägers heranzuziehen, findet in § 132 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für
moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) keine Stütze. Demgegenüber sah die
bis zum 31.12.2004 geltende Vorläuferregelung zumindest eine Orientierung am tariflichen Arbeitsentgelt vor. § 133
Abs. 4 SGB III in der damaligen Fassung lautete: "Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit
Anspruch auf Entgelt, bei Saisonarbeitnehmern von 20 Wochen mit Anspruch auf Entgelt, innerhalb der letzten drei
Jahre vor der Entstehung des Anspruchs nicht festgestellt werden, ist Bemessungsentgelt das tarifliche
Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in
erster Linie zu erstrecken hat." Und speziell für Zeiten einer Beschäftigung zur Berufsausbildung sah § 134 Abs. 2 Nr.
2 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung für Arbeitslose, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt gewesen
waren und die Abschlussprüfung bestanden hatten, vor, dass als Entgelt die Hälfte des tariflichen Arbeitsentgelts
derjenigen Beschäftigung zu Grunde zu legen war, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den
Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hatte, mindestens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zur
Berufsausbildung.
Allerdings wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des Bemessungsrechts ab 01.01.2005 eine durchgreifende
Vereinfachung des Leistungsrecht herbeiführen (s. Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Februar 2009, vor §§
129-134 Rn. 1). So heißt es in der allgemeinen Begründung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Vereinfachung des
Leistungsrechts der Arbeitslosenversicherung im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vom 05.09.2003 (BT-
Drucks. 15/1515 S. 71):
"Gegenwärtig ist das System davon geprägt, ein hohes Maß an Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen,
arbeitsmarktpolitische Besonderheiten durch stark differenzierte Sonder- und Ausnahmeregelungen zu
berücksichtigen und einschränkende Rechtsänderungen durch Übergangsregelungen abzufedern. Die Entscheidung
über Bewilligung und Umfang des Arbeitslosengeldes löst deshalb einen erheblichen Informationsbedarf bei den
beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus und erfordert einen hohen Personal-, Sach- und Zeitaufwand in der
Bundesanstalt für Arbeit. Sie ist für die Betroffenen, aber auch für Experten nur noch schwer nachvollziehbar.
Insgesamt bindet das Leistungsverfahren in erheblichem Umfang Kapazitäten, die im Gesamtrahmen der
Umgestaltung der Bundesanstalt für Arbeit zu einem modernen Dienstleister am Arbeitsmarkt für die Beratung und
Betreuung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und die berufliche Wiedereingliederung Arbeitsloser dringend benötigt
werden. Ziel der Reformbestrebungen ist es deshalb, die Vielfalt und Komplexität der Regelungen zurückzuführen und
das Verwaltungsverfahren deutlich und nachhaltig zu vereinfachen."
Die Begründung zu § 132 SGB III im Gesetzentwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt der Regierungsfraktionen vom 05.09.2003 lautete (BT-Drucks. 15/1515 S. 85 f.):
"zu § 132 ... Anders als bisher erfolgt die fiktive Leistungsbemessung nicht mehr nach dem individuell erzielbaren
tariflichen Arbeitsentgelt sondern - verwaltungseinfach - nach einer pauschalierenden Regelung."
Mit diesen Bestrebungen des Gesetzgebers, eine umfassende Verwaltungsvereinfachung herbeizuführen, lässt sich
die Vorgehensweise der Beklagten nicht in Einklang bringen. Die Beklagte wendet ohne jegliche rechtliche Grundlage
eine andere als in § 132 SGB III vorgesehene fiktive, pauschalierende Bemessung des Arbeitsentgelts an, weil sie
dies für gerechter erachtet und damit zumindest partiell der Einzelfallgerechtigkeit entsprechen will.
Wenn die Beklagte argumentiert, derjenige Auszubildende, der über eine lediglich geringe Ausbildungsvergütung
verfüge, werde gegenüber demjenigen schlechter gestellt, der überhaupt keine Ausbildungsvergütung erhalte, so mag
dies zutreffen, rechtfertigt aber nicht die von der Beklagten vorgenommene Bemessung des Arbeitslosengeldes des
Klägers. Konsequent, wenngleich dennoch weiterhin rechtswidrig, wäre dies allenfalls, sofern die Beklagte die
Ausbildungsvergütung gering, aber immerhin tatsächlich entlohnter, zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigter auf das
Maß der von ihr – der Beklagten – zu Grunde gelegten pauschalierenden tariflichen Ausbildungsvergütung anheben
würde. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil die Beklagte ausdrücklich von dem bisher nicht geregelten Sonderfall
spricht, dass in Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zur Berufsausbildung kein Arbeitsentgelt gezahlt
wurde. Auch das von der Beklagten zu Grunde gelegte Bemessungssystem führt somit nach wie vor zu
Ungleichbehandlungen.
5. Die Anschlussberufung des Klägers ist begründet.
Zum einen ist der Kläger der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen (a), zum anderen richtet sich das der Berechnung des
Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers zu Grunde zu legende fiktive Bemessungsentgelt nach der Bezugsgröße
West (b).
a) Gemäß § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) ist für die Festsetzung des fiktiven
Arbeitsentgelts der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die
für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen
in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist für den Kalendertag nach § 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III zugrunde zu legen
für Beschäftigungen, die 1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein
Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, 2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über
eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern
(Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, 3. eine
abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe
von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, 4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein
Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.
Auf welche Beschäftigung die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat, richtet sich
gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III nach Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden sowie den
angebotenen Stellen. Der Abschluss des Klägers als Betriebswirt befähigt ihn zu Beschäftigungen der
Qualifikationsgruppe 1. Denn seine Ausbildung an der Berufsakademie S. ist mit einer Fachhochschulausbildung
gleichzusetzen. So heißt es in § 10 Abs. 4 Satz 3 in der damals geltenden Fassung des SächsBAG vom 11.06.1999:
"Der Abschluss der Berufsakademie S. steht den entsprechenden Abschlüssen der Staatlichen Fachhochschulen als
berufsbefähigender Abschluss gleich."
b) Dem Kläger steht für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines
täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West [29.400,00 EUR] =) 98,00 EUR
und für die Zeit vom 01.01.2008 bis 16.03.2008 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines täglichen Arbeitsentgelts
in Höhe von (einem Dreihundertstel der Bezugsgröße West [29.820,00 EUR] =) 99,40 EUR zu.
Eine Zugrundelegung der Bezugsgröße Ost wäre rechtswidrig.
aa) Die Zugrundelegung der Bezugsgröße Ost für die Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers lässt
sich nicht auf § 408 Nr. 1 SGB III stützen.
(1) Dessen direkter Anwendungsbereich erstreckt sich nicht auf Fälle der fiktiven Bemessung gemäß § 132 SGB III
(so auch Rokita in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, Stand Dezember 2007, § 132 Rn. 70; anderer Ansicht
Schlegel/Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Februar 2009, § 408 Rn. 24).
Danach ist, soweit Vorschriften des SGB III bei Entgelten oder Beitragsbemessungsgrundlagen an die Bezugsgröße
anknüpfen, die Bezugsgröße für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet (Beitrittsgebiet) maßgebend
(s. § 18 Abs. 2 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]), wenn der Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet liegt.
Beschäftigungsort ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB IV der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird.
Wer arbeitslos ist, der übt aber tatsächlich gerade keine Beschäftigung an irgendeinem Beschäftigungsort aus
(zutreffend Rokita in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, Stand Dezember 2007, § 132 Rn. 70). § 408 Nr. 1 SGB III
ist daher vorliegend nicht einschlägig. Sein direkter Anwendungsbereich beschränkt sich vielmehr auf solche
Vorschriften, die eine tatsächliche Beschäftigung voraussetzen (vgl. z.B. § 416 Abs. 3 Satz 2 SGB III, § 344 Abs. 2
und 3 SGB III sowie § 345 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB III).
(2) Eine analoge Anwendung von § 408 Nr. 1 SGB III auf Sachverhalte wie den vorliegenden kommt schon deshalb
nicht in Betracht, weil bei einem bundesweit vermittelbaren Arbeitslosen – selbst bei Unterstellung einer
Gesetzeslücke – keine vergleichbare Interessenlage besteht. Denn wer sich der Arbeitsvermittlung bundesweit zur
Verfügung stellt, weist im Hinblick auf einen potentiellen Beschäftigungsort gerade keinerlei Bezug auf, der die
Heranziehung der Bezugsgröße Ost rechtfertigen könnte. Maßgebliches Kriterium kann in diesen Fällen grundsätzlich
nur sein, auf welches Gebiet die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen zu erstrecken hat (vgl.
BSG, Urteil vom 23.11.1988 – 7 RAr 6/87 – BSGE 64, 174, 175-177 = SozR 4100 § 112 Nr. 42 und Rolfs in Gagel,
SGB III, Stand Oktober 2008, § 132 Rn. 12). Dies ist bei einem Arbeitslosen, der keinerlei Einschränkung seiner
Verfügbarkeit geltend macht, der gesamte Arbeitsmarkt im Bundesgebiet. Somit ist einheitlich die Bezugsgröße West
heranzuziehen (so zutreffend Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Februar 2009, § 132 Rn. 46; Valgolio in
Hauck/Noftz, SGB III, Stand Februar 2009, § 132 Rn. 12).
bb) Aber selbst wenn § 408 Nr. 1 SGB III entsprechend anwendbar sein sollte, hat der Kläger hier Anspruch auf
Berechnung seines Arbeitslosengeldes nach der Bezugsgröße West, weil er sich für Vermittlungsbemühungen im
gesamten Bundesgebiet zur Verfügung gestellt hat.
Nach in der Kommentarliteratur vertretener Auffassung ist nur in zwei Fällen für die fiktive Bemessung an die
Bezugsgröße Ost anzuknüpfen, mithin eine analoge Anwendbarkeit von § 408 Nr. 1 SGB III zu bejahen (Valgolio in
Hauck/Noftz, SGB III, Stand Februar 2009, § 132 Rn. 12, spricht insoweit von subjektiver oder objektiver regionaler
Beschränkung; s. auch Marschner in GK-SGB III, Stand März 2009, § 132 Rn. 13), zum einen dann, wenn der
Arbeitslose im Ausnahmefall aufgrund seiner beruflichen Qualifikation einerseits und dem Angebot auf dem
Arbeitsmarkt andererseits nur im Beitrittsgebiet vermittelbar ist (Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Februar
2009, § 132 Rn. 46; Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Auflage, § 132 Rn. 29) und
zum anderen dann, wenn der Arbeitslose seine Verfügbarkeit regional auf das Beitrittsgebiet beschränkt
(Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 3. Auflage, § 132 Rn. 29). Beide Ausnahmefälle
liegen allerdings beim Kläger nicht vor: Weder hat er seine Verfügbarkeit regional eingeschränkt noch finden sich für
Diplom-Betriebswirte (Berufsakademie) in der Studienrichtung Bauwirtschaft nur im Beitrittsgebiet Arbeitsplätze. Es
kann somit dahinstehen, ob Fälle einer objektiven regionalen Beschränkung überhaupt praktisch denkbar sind.
Dem Wohnsitz eines Arbeitslosen kann keine zwangsläufige Bedeutung zugemessen werden, wenn er sich für
Vermittlungsbemühungen im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung stellt (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.1988 – 7 RAr
6/87 – BSGE 64, 174, 175-177 = SozR 4100 § 112 Nr. 42; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand Februar 2009,
§ 132 Rn. 46). § 121 Abs. 4 SGB III regelt nur, welche Tagespendelstrecke einem Arbeitslosen zumutbar ist. Das
schließt nicht aus, dass er eine Arbeit außerhalb des zumutbaren Tagespendelbereiches aufnehmen darf. Die
Heranziehung von § 121 Abs. 4 SGB III ist daher nicht sachgerecht.
6. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung in § 132 Abs. 2 SGB III bestehen nicht. Die Abkehr von der
individuellen Ermittlung des erzielbaren tariflichen Arbeitsentgelts (§ 133 Abs. 4 SGB III a.F. und § 134 Abs. 2 Nr. 2
SGB III a.F.) hält insbesondere dem Willkürverbot des Art. 3 Grundgesetz (GG) stand (vgl. BSG, Urteil vom
29.05.2008 – B 11a/7a AL 64/06 R – juris Rn. 48-51).
Wenn der Gesetzgeber im Rahmen von § 132 SGB III keine dem § 134 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. vergleichbare
Regelung mehr getroffen hat, ist diesbezüglich von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen,
über welche sich die Verwaltung nicht hinwegsetzen darf, auch nicht durch zusätzliche Modifizierungen der
Berechnungsweise (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.03.2007 – L 2 AL 168/05 – juris Rn. 19-20; allerdings
greift die dortige Überlegung am Ende von Rn. 20 vorliegend gerade nicht, weil der Kläger nach der vorgeschlagenen
Lösung sogar noch günstiger behandelt wird, als er nach § 134 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. behandelt worden wäre!).
Gerade die zitierte Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt zeigt deutlich, dass das ab 01.01.2005 geltende
gesetzgeberische Konzept bei der Bemessung von Arbeitslosengeldansprüchen aufgrund von Zeiten einer
Beschäftigung zur Berufsausbildung in Einzelfällen zu deutlichen Abweichungen nach oben oder nach unten führen
kann. Dem Gesetzgeber steht aber insbesondere im Bereich des Sozialrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
Vom Gesetzgeber getroffene sozialpolitische Entscheidungen sind hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder
offensichtlich fehlerhaft noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (Bundesverfassungsgericht
[BVerfG], Beschluss vom 11.10.1962 – 1 BvL 22/57 – BVerfGE 14, 288, 301). Dabei kann er Massenerscheinungen
auch ordnen, indem er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen trifft (vgl. nur BVerfG,
Beschluss vom 11.05.2005 – 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98, 1 BvR 2144/00 – BVerfGE 112, 368, 404
m.w.N.). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste
Regelung getroffen hat, sondern darauf, ob sachlich einleuchtende Gründe für seine Regelung vorliegen (BVerfG,
Beschluss vom 17.03.1959 – 1 BvL 39, 44/56 – BVerfGE 9, 201, 206, BVerfG, Beschluss vom 14.04.1964 – 2 BvR
69/62 – BVerfGE 17, 319, 330).
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich allerdings je nach Regelungsgegen-stand und
Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer
strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut
und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen. Da der
Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte
Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von
Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen
beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine
Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind um so engere
Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung
grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere im Hinblick
auf die Zwangsmitgliedschaft der Versicherten in einem öffentlichrechtlichen Verband, die deren allgemeine
Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, von Bedeutung. Außerhalb des so umschriebenen
Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem
Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot (so das
BVerfG in der ersten Einmalzahlungsentscheidung, Beschluss vom 11.01.1995 – 1 BvR 892/88 – BVerfGE 92, 53, 68
f. m.w.N.). Bei der Ordnung von sozialrechtlichen Massenerscheinungen durch generalisierende, typisierende und
pauschalierende Regelungen liegt nicht bereits allein wegen der damit verbundenen Härten ein Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz vor. Jedoch setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter
Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß
gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfG, Urteil vom 28.04.1999 – 1 BvL 11/94, 33/95, 1 BvR
1560/97 – BVerfGE 100, 139, 174 m.w.N.).
Eine Ungleichbehandlung bewirkt hier § 132 SGB III im Verhältnis der Gruppe der Arbeitslosengeldbezieher, deren
Bemessungsentgelt konkret ermittelt wird, an dem sich auch die Höhe der Beiträge ausrichtet, und der Gruppe der
Arbeitslosengeldbezieher, deren Bemessungsentgelt in pauschalierender Weise bestimmt wird. Dies kann dazu
führen, dass die letztere Gruppe trotz Zahlung nur geringer Beiträge im Bemessungszeitraum einen höheren
Arbeitslosengeldanspruch als die Gruppe hat, deren Bemessungsentgelt bei deutlich höherer Beitragslast konkret
ermittelt wird.
Allerdings hat das BVerfG bei derartigen Fallgestaltungen einen sachlich nicht gerechtfertigten Verstoß nur dann
angenommen, wenn es der Gesetzgeber dabei belässt, die Höhe der jeweiligen Lohnersatzleistung grundsätzlich an
den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten zu orientieren, gleichwohl aber bestimmte Arbeitsentgeltbestandteile
ausklammert. Nur in diesem Fall müssen alle beitragspflichtigen Arbeitsentgelte berücksichtigt werden. Solange die
Bemessung der Lohnersatzleistung nicht in einer ganz unbedeutenden Weise durch das bisherige beitragspflichtige
Arbeitsentgelt mit bestimmt wird, müssen alle Arbeitsentgeltbestandteile, die der Beitragspflicht unterworfen werden,
einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben. Allein dies entspricht Art. 3 Abs. 1 GG (so das BVerfG in seiner
zweiten Einmalzahlungsentscheidung, Beschluss vom 24.05.2000 – 1 BvL 1, 4/98, 15/99 – BVerfGE 102, 137, 143
f.).
So verhält es sich hier gerade nicht. Bei den vom Gesetzgeber definierten Sachverhalten, bei denen es zu einer
pauschalierenden Bemessung kommt, weicht er vom Referenzprinzip bewusst ab und stellt prospektiv in einer
(hinsichtlich der Gruppenbildung) typisierenden und (und hinsichtlich der Höhe) pauschalierenden Weise darauf ab,
welches Arbeitsentgelt der Arbeitslose aufgrund seiner bisher erreichten beruflichen Ausbildung erzielen kann. Dafür
hat der Gesetzgeber ausreichende sachliche Gründe. Hierbei ist kategorial zu trennen zwischen der Frage, warum der
Gesetzgeber eine fiktive Bemessung in § 132 SGB III vorsieht, und der Frage, warum jemand in den Genuss eines
Arbeitslosengeldanspruchs kommt, obwohl er selbst im erweiterten Bemessungsrahmen von zwei Jahren (§ 130 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 SGB III), der regelmäßig weitgehend mit der Rahmenfrist (§ 124 Abs. 1 SGB III) identisch ist, nicht
einmal 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorweisen kann, möglicherweise sogar keinen einzigen Tag. Wenn
der Gesetzgeber unter diesen Bedingungen Personengruppen auch dann in den Schutz der Arbeitslosenversicherung
einbeziehen will, wenn sie keine oder nur geringe Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erbracht haben, bedeutet dies
zugleich, dass die Möglichkeit einer fiktiven Bemessung (§ 132 SGB III) oder einer semi-fiktiven Bemessung (§ 133
Abs. 4 und § 134 Abs. 2 Nr. 2 SGB III in der vor dem 01.01.2005 geltenden Fassung: tarifliches Arbeitsentgelt
derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu
erstrecken hat; bei Arbeitslosen nach vorausgegangener Berufsausbildung die Hälfte des tariflichen Arbeitsentgelts
mindestens aber das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zur Berufsausbildung) eröffnet werden muss. Für den Übergang
von der semi-fiktiven zur vollständig fiktiven Bemessung als solche hat der Gesetzgeber tragfähige Gründe.
Solche Gründe sind zum einen die mit dem ab 01.01.2005 verfolgten Konzept der fiktiven Bemessung von
Arbeitslosengeldansprüchen erstrebte Verwaltungsvereinfachung und zum anderen die damit bezweckte Freisetzung
von erheblichen Personalkapazitäten der Arbeitsverwaltung (3.000 Jahresarbeitskräfte!) für andere Aufgaben (s. dazu
ausführlich BSG, Urteil vom 29.05.2008 – B 11a/7a AL 64/06 R – juris Rn. 48-51 m.w.N.).
Auch die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses aufgrund einer Beschäftigung zur Berufsausbildung
ohne Entgelt ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Die Einbeziehung der zu ihrer Berufsausbildung
Beschäftigten, auch wenn sie kein Arbeitsentgelt erzielen, war schon in § 168 Abs. 1 AFG geregelt, und trägt ihrer
besonderen Schutzbedürftigkeit Rechnung. Mithin geht es nicht um die Frage, welches Schutzniveau einem zur
Berufsausbildung Beschäftigten gewährt werden soll, der kein Arbeitsentgelt erzielt hat. Dies hat der Gesetzgeber
durch § 134 Abs. 2 Nr. 2 SGB III in der vor dem 01.01.2005 geltenden Fassung und durch § 132 SGB III in der ab
01.01.2005 geltenden Fassung im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums eindeutig beantwortet.
Nicht zu entscheiden ist hier hingegen, ob das so definierte Schutzniveau auch für diejenigen als Mindestniveau
gelten muss, die im Rahmen ihrer Beschäftigung zur Berufsausbildung nur ein geringes Entgelt erzielen, bei denen
aber das Bemessungsentgelt konkret berechnet werden kann. Ein möglicher Gleichheitsverstoß kann aber nur aus
dieser für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevanten Richtung betrachtet werden, weil die konkrete Berechnung eines
Bemessungsentgelts bei zur Berufsausbildung Beschäftigten, die kein Entgelt erhalten, ohnehin nicht möglich ist.
Denn das Bemessungsentgelt für Arbeitslose, die nach Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ohne
Entgelt arbeitslos werden, kann immer nur typisierend und pauschalierend berechnet werden und dies hat der
Gesetzgeber hier mit § 132 SGB III eindeutig geregelt.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG
sind nicht gegeben.