Urteil des LSG Sachsen vom 15.12.2010

LSG Fss: vorläufiger rechtsschutz, unterbringung, familie, gesundheitszustand, wohnfläche, mietwohnung, vermieter, alter, mietvertrag, rückführung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 25 AY 15/09 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 7 AY 9/09 B ER
I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 10. Dezember 2009 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist streitig, ob der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden:
Antragsgegner) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, den Antragstellern und Beschwerdeführern
(im Folgenden: Antragsteller) die Zustimmung und Kostenübernahme für die Anmietung von zwei weiteren Räumen für
ihre Wohnung zu erteilen.
Die 1964 und 1968 geborenen Antragsteller zu 1 und 2 sind die Eltern der Antragsteller zu 3 - 8 im Alter von fünf bis
19 Jahren. Die nicht in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Antragsteller reisten 1997 in das Bundesgebiet ein
und meldeten sich unter dem Familiennamen X als Asylsuchende, wobei sie angaben, aus dem Irak zu stammen. Die
Asylanträge, auch die der später geborenen Kinder, wurden – soweit ersichtlich allesamt rechtskräftig abgelehnt, so
dass die Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig sind. Nachdem bekannt geworden war, dass die Antragsteller keine
irakischen Staatsangehörigen sind, wurde der Antragsteller zu 1 bei der türkischen Botschaft vorgeführt, wo er als
türkischer Staatsangehöriger identifiziert wurde. Die beantragte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt;
derzeit sind die Antragsteller geduldet. Bisher scheiterte die Rückführung am Fehlen von gültigen Ausweispapieren.
Den Antragstellern wird mangelnde Mitwirkung vorgehalten.
Seit 1998 beziehen die Antragsteller Leistungen vom Antragsgegner, zuletzt Grundleistungen gemäß § 3 Abs. 1
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). 1999 wurde ihnen die dezentrale Unterbringung außerhalb der
Gemeinschaftsunterkunft in einer eigenen Wohnung gestattet. Zuletzt bewohnten sie eine 83,5 qm große Wohnung
der. Wohnungsbaugesellschaft mbH ( WG mbH) in der Straße. im Wohngebiet. in S ... Aufgrund von
Stadtsanierungsmaßnahmen erfolgt der Rückbau u.a. dieser Wohnung, so dass den Antragstellern zum 31.10.2009
gekündigt wurde. Gleichzeitig bemühte sich der Vermieter um Vermittlung einer neuen Wohnung aus seinem
Wohnungsbestand. Dafür baute die WG mbH zwei Wohnungen so um, dass eine Sechszimmerwohnung mit zwei
Bädern und einer Küche mit einer Gesamtwohnfläche von 123,98 qm entstand, für die eine Warmmiete von 712,88
EUR (danach reduziert auf 615,00 EUR) zu entrichten gewesen wäre. Nachdem die Antragsteller dieses
Wohnungsangebot dem Antragsgegner vorgelegt hatten, teilte dieser mit, dass die Unterkunft weder hinsichtlich der
Größe noch hinsichtlich der Miete angemessen sei. Der Vermieter habe für ein der alten Wohnung entsprechendes
Mietangebot zu sorgen. Nach diversen Rücksprachen wurde am 15.06.2009 festgelegt, dass von dieser Wohnung
zwei Zimmer abgeteilt werden und das eine Bad ohne Wasseranschluss als Abstellkammer verbleibe, so dass sich
eine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 93,82 qm zu einer Warmmiete von 570,45 EUR ergab. Am
01.08.2009 zogen die Antragsteller in diese Wohnung ein.
Mit Bescheid vom 04.08.2009 hob der Antragsgegner die Wohnverpflichtung für die Wohnung ... Straße. zum
31.08.2009 auf und verpflichtete die Antragsteller, ihren Wohnsitz zum 01.09.2009 in der Wohnung der.WG mbH. in S.
(entsprechend den o.g. Festlegungen) zu nehmen. Die örtliche Lage werde von der Familie bevorzugt, die neue
Wohnung sei angemessen und stelle zur bisherigen Unterbringung bezüglich der Wohnfläche keine negative
Veränderung dar. Da die Familie ausreisepflichtig sei, solle bis zur absehbaren Ausreise nur ein vorübergehender
Unterkunftsbedarf sichergestellt werden. Dagegen legte die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 02.09.2009
Widerspruch ein und beantragte, die Mietkosten für die gesamte Wohnung einschließlich der zwei unzugänglich
gemachten Zimmer zu übernehmen. Eine Vierraumwohnung sei für eine achtköpfige Familie unverhältnismäßig; ihnen
stünden 130 qm zu. Zudem sei für die Tochter N. wegen ihrer Erkrankung ein Einzelzimmer erforderlich. Hierzu wurde
ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K1 vom 01.09.2009 vorgelegt, wonach die Antragstellerin zu 4 seit
zwei Jahren unter einer Somatisierungstörung und oft unter Spannungskopfschmerzen leide. Aufgrund der beengten
Wohnverhältnisse habe sie keine Privatsphäre, keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen und Ruhe zu finden. Das
Mädchen befinde sich ebenso wie die Mutter in psychotherapeutischer Behandlung. Eine Verbesserung der
Wohnsituation wäre eine große Hilfe bei der Bewältigung ihrer Krankheit.
Auf Anfrage des Antragsgegners teilte das Gesundheitsamt am 16.09.2009 mit, dass sich die nunmehr um ca. 10 qm
vergrößerte Wohnung (1 Wohnzimmer, 1 Schlafzimmer, 1 Küche, 1 Bad, 2 Kinderzimmer, 1 Abstellraum) auf den
Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 4 bzw. generell auf den Gesundheitszustand der gesamten Familie aus
ärztlicher Sicht nicht negativ auswirke. Am 28.09.2009 legten die Antragsteller den Mietvertrag beim Antragsgegner
vor.
Mit Bescheid vom 09.11.2009 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern ab 01.09.2009 gemäß § 3 Abs. 2
AsylbLG Barleistungen für den Lebensunterhalt und zur Absicherung der Kosten der Unterkunft in monatlicher
Gesamthöhe von 1.908,38 EUR einschließlich der Gesamtmiete in Höhe von 570,45 EUR. Gegen diesen Bescheid
wurde nach Mitteilung der Prozessbevollmächtigten ebenfalls Widerspruch eingelegt. Auf Nachfrage der
Prozessbevollmächtigten teilte der Antragsgegner nach erneuter Vorstellung der Antragstellerinnen zu 1 und 4 beim
Gesundheitsamt am 15.10.2009 mit, dass von ihnen eine psychiatrischen Betreuung und Abklärung im
Fachkrankenhaus R. bisher leider abgelehnt werde. Heilung werde seitens des Gesundheitsamtes ausdrücklich nicht
in einen bedingten Zusammenhang zu größerem Wohnraum gebracht. Eine Abhilfe könne nicht erfolgen. In der
Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 15.10.2009 heißt es außerdem, dass angesichts der erwachsen
werdenden Kinder und der psychischen Auffälligkeiten der Antragstellerin zu 4 Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten
zu erwägen seien. Inwieweit zusätzlicher Wohnraum zur Heilung beitrage, könne nicht vorausgesagt werden.
Nachvollziehbar sei, dass die Antragstellerin zu 4 derzeit einen eigenen Raum in der Wohnung aufgrund ihrer
Erkrankung benötige. Es solle nochmals über eine Wohnraumerweiterung nachgedacht werden.
Am 24.11.2009 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Chemnitz im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, zugunsten der Antragsteller die Kosten für die gesamte Wohnung. mit einer
Gesamtwohnfläche von 123,98 qm zu übernehmen. Der Vermieter habe mitgeteilt, dass die Überlassung der
zusätzlichen zwei Zimmer mangels Zustimmung des Antragsgegners nicht in Betracht komme. Seit 01.09.2009
bewohne die achtköpfige Familie eine Vierzimmerwohnung, die Antragstellerinnen zu 4 und 5 und die
Antragstellerinnen zu 6 und 7 jeweils ein Kinderzimmer (11 qm), der volljährige Antragsteller zu 3 eine Kammer ohne
Fenster. Das dritte Zimmer sei ein Ess- und Wohnzimmer mit 19 qm, wo sich der Tisch mit acht Stühlen und einem
Teil des Küchenmobiliars befinde, für das in der Küche keinen Platz mehr sei. Der Antragsteller zu 8 übernachte mit
im Elternschlafzimmer (25 qm). Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung habe zunächst grundsätzlich jeder
Mensch Anspruch auf ein eigenes Zimmer soweit es sich nicht um ein Kleinstkind handele. Danach stehe den
Antragstellern eine Wohnfläche von ca. 130 qm, zumindest die Fläche der gesamten Wohnung von 123 qm zu.
Dem ist der Antragsgegner entgegen getreten, da sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund
nicht glaubhaft gemacht worden seien. Der Aufenthalt der Antragsteller sei lediglich geduldet, da
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bisher an der Identitätsklärung und in der Folge an der Passbeschaffung
gescheitert seien. Der vorgelegte Nüfus habe Fälschungsmerkmale aufgewiesen, so dass eine grundsätzlich ab April
2010 mögliche Rückführung nun doch nicht möglich sei, weil Passersatzpapiere nunmehr mittels Vorführung der
Antragsteller beim türkischen Generalkonsulat zu beschaffen seien. Bisher hätten die Antragsteller ihre Rückführung
pflichtwidrig verhindert. Die streitgegenständliche Wohnungsgröße sei den Antragstellern bis zur endgültigen
Abschiebung zumutbar, wenn man bedenke, dass ihnen bei einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nur
48 qm zur Verfügung stünden.
Mit Beschluss vom 10.12.2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anordnungsanspruch scheitere schon daran, dass es die begehrte Wohnung
mit 123,98 qm gar nicht gebe, es gebe auch keinen Mietvertrag darüber. Vor allem scheitere der Anordnungsanspruch
daran, dass die Antragsteller mit offenbar bestandskräftigem Bescheid vom 04.08.2009 verpflichtet wurden, ihren
Wohnsitz in der ca. 93 qm großen Wohnung ... zu nehmen. Diese Wohnung sei in diesem Bescheid konkretisiert
worden. Schon diese bestandskräftige Verpflichtung nach dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) stehe der hier
begehrten Kostenübernahme entgegen.
Gegen den ihnen am 13.12.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom
17.12.2009. Zur Begründung führen sie aus, die aufenthaltsrechtliche Wohnverpflichtung könne keine
leistungsrechtlichen Auswirkungen haben. Dass es keinen Mietvertrag über eine Wohnung mit 123,93 qm gebe, sei
gerade Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Im Übrigen wird das bisherige Vorbringen wiederholt.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 10.10.2009 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einer
einstweilige Anordnung zu verpflichten, zugunsten der Antragsteller die Kosten für die gesamte Wohnung ... in S. mit
einer Gesamtwohnfläche von 123,98 qm zu übernehmen.
Der Antragsgegner bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden
Rechtszügen sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners (2 Ordner) verwiesen.
II.
Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch die Berichterstatterin als
Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind.
Die statthafte Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen
(Regelungs-)Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, den Antragstellern die Zustimmung zur
Anmietung der weiteren zwei Zimmer zur derzeit bewohnten Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt zu erteilen
und die Kosten hierfür zusätzlich zu übernehmen.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag schon vor Klageerhebung
(§ 86b Abs. 3 SGG) eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind
gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der geltend gemachte
materielle Rechtsanspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass
dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert oder geregelt werden muss
(Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen
Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem
Umfang – wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalte der Entscheidung in der Hauptsache – das
gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen kann.
Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach summarischer Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür
spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im
Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren Erfolg haben würde. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere
bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008,
§ 86b RdNr. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in Hk-SGG, 2.
Aufl. 2006, § 86b RdN. 42). Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt,
dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers unter Umständen auch unter Berücksichtigung der
Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter unzumutbar erscheinen lässt,
ihn zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, RdNr. 154-156 m.w.N.; ähnlich: Krodel, NZS
2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung
wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen
nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass
der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (Keller,
a.a.O., § 86b RdNr. 27a). Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der
Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist
(Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, a.a.O., RdNr. 152, 338; jeweils m.w.N.).
Daran gemessen ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Zwar scheitert der Anordnungsanspruch nicht schon daran, dass keine konkrete Mietwohnung vorhanden wäre, um
deren Anmietung die Beteiligten streiten könnten. Insofern besteht aus Sicht des Senats kein Zweifel, dass der
Vermieter, die SWG mbH, bei gegebener Zustimmung den Zugang zu den beiden auf Veranlassung des
Antragsgegners unzugänglich gemachten Zimmer ohne Weiteres wiederherstellen kann, weil die Vermietung der
größeren Sechszimmerwohnung von ihm ohnehin ursprünglich beabsichtigt war. Fraglich ist vielmehr, ob die
Antragsteller überhaupt Anspruch auf die Übernahme der Kosten einer größeren privaten Unterkunft im Rahmen des §
3 Abs. 2 AsylbLG haben können. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, ob die wohl gemäß § 53
AsylVfG erlassene Wohnsitzauflage, die im Bescheid vom 04.08.2009 ausgesprochen worden sein dürfte, sich darauf
beschränkt zu regeln, dass eine private Unterkunft außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft genommen werden kann,
oder ob damit die konkrete jetzt tatsächlich bewohnte Wohnung konkretisiert wurde, wie das Sozialgericht meinte.
Wenn der Senat auch dazu neigt anzunehmen, dass die Entscheidung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG allein die
Frage betrifft, ob die Ausländer in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen müssen oder ob sie außerhalb einer solchen
Unterkunft wohnen dürfen (vgl. Beschluss des Senats vom 23.10.2008, L 7 B 547/08 AY-ER, zitiert nach Juris), so ist
diese Annahme nicht zwingend und jedenfalls nicht geeignet in einem Beschwerdeverfahren abschließend
entschieden zu werden.
Legt man die Überlegung zugrunde, dass der Bescheid vom 04.08.2009 lediglich regelt, dass die Antragsteller
außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft in einer Mietwohnung des freien Wohnungsmarktes wohnen dürfen, so ist die
Frage, in welcher konkreten Wohnung sie wohnen dürfen, eine leistungsrechtlich vom Leistungsträger zu
entscheidende Frage, nämlich in welcher Höhe die Kosten für eine solche Mietwohnung angemessen sind und
übernommen werden. So ist die von der Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsschreiben vom 02.09.2009
beantragte Kostenübernahme für die um zwei weitere Zimmer vergrößerte Wohnung mit einer Gesamtfläche von rund
123 qm und der mit ihrem Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 09.11.2009 geltend gemachte Anspruch
als (Verpflichtungs-)Begehren der Antragsteller nicht nach dem Asyl¬VfG sondern nach dem AsylbLG zu verstehen.
Die materiell-rechtliche Frage, welche Wohnungsgröße oder auch welche Zimmeranzahl die Antragsteller
beanspruchen können, bedarf der eingehenden und nicht lediglich summarischen Überprüfung durch die (Sozial-
)Gerichte. Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass nach Auffassung einiger Landessozialgerichte einiges
dafür spricht, dass für alle nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten im Grundsatz ein Anspruch auf Anmietung einer
privaten Mietwohnung nicht besteht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 05.02.2009 – L 20 B 2/09 AY ER, m.w.N. auch
zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung).
Auch im Falle der Antragsteller bedarf die Frage, ob etwa die gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere der
Antragstellerinnen zu 1 und 4 einen Anspruch auf Gewährung angemessener Unterkunftskosten für die größere
Wohnung mit insgesamt 123 qm Wohnfläche und zwei weiteren Zimmern begründen können, der gründlichen Prüfung
in einem (ggf. sozialgerichtlichen) Hauptsacheverfahren. Dem Senat fehlt hierzu die zur abschließenden Überprüfung
erforderliche (medizinische) Sachkunde. In dem derzeit wohl noch bei der Landesdirektion anhängigen –
(Widerspruchs-)Verfahren wird auch zu klären sein, ob schon aufgrund des Altersstruktur und des Geschlechts der
Kinder (zwei Söhne im Alter von 5 bzw. 19 Jahren und vier Töchter im Alter von 16, 13, 11 und 10 Jahren) zwei
Kinderzimmer ausreichend sein können. Nicht folgen kann der Senat der Auffassung, dass jedem Kind grundsätzlich
ein eigenes Zimmer zustehen müsste. Denn bei den nach § 3 AsylbLG Leistungsberechtigten kann der ungesicherte
Aufenthaltsstatus nicht unberücksichtigt bleiben, dem in der Regel mit einer dezentralen Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften Rechnung getragen wird. Jedenfalls müssen wegen diesem nur vorübergehend
bestehenden Bedarf Abstriche auch gegenüber dem sozialhilferechtlich zuerkannten Unterkunftsbedarf gemacht
werden. In welchem Maße insoweit ein eingeschränkter Wohnstandard hingenommen werden muss bzw. zugemutet
werden darf, kann nur im konkreten Einzelfall aufgrund eingehender Prüfung unter Berücksichtigung aller relevanten
Umstände beurteilt werden, die nur in einem Hauptsacheverfahren vorgenommen werden kann. Wann mit einer
Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet zu rechnen ist, könnte ebenfalls die Entscheidung, in welchem Umfang
Kosten der Unterkunft vom Leistungsträger zu übernehmen sind, beeinflussen.
Der Senat kann nach alledem jedenfalls eine die begehrte einstweilige Anordnung rechtfertigende Eilbedürftigkeit nicht
erkennen. Der existenznotwendige Unterkunftsbedarf wird in der derzeitigen Wohnung gedeckt, denn die
Unterbringung der Antragsteller ist gesichert (vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 16.10.2007 – L 20 B 68/07 AY
ER). Dass auch diese Unterbringung kurzfristig schwerwiegende und durch eine Entscheidung erst in einem
Hauptsacheverfahren nicht mehr wieder gut zu machende Nachteile nach sich ziehen könnte, ist nicht glaubhaft
gemacht.
Insbesondere lässt die geltend gemachte Erkrankung der Antragstellerin zu 4 nicht darauf schließen, dass nur im
Wege einer einstweiligen Anordnung durch eine vorläufige Verpflichtung zur Kostenübernahme für die 123 qm große
Wohnung eine grundrechtsrelevante Rechtsverletzung durch eine (ggf. vorübergehende) Vorwegnahme der
Hauptsache abgewendet werden könnte. Nachvollziehbar sind die Annahme der behandelnden Ärztin und die
Vermutung der Ärztin des Gesundheitsamtes, dass ein eigenes Zimmer mit der Möglichkeit, sich zurückzuziehen und
Ruhe zu finden, sich auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 4 günstig auswirken würde. Allerdings
besteht nicht die Gewissheit, dass nur ein eigenes Zimmer das Krankheitsbild beseitigt; vielmehr ist die konkrete
Wohnsituation nur ein Faktor von vielen, der ihren Gesundheitszustand beeinflusst. Zudem ist allein durch die
Verpflichtung des Antragsgegners zur Kostenübernahme für die größere Wohnung nicht gewährleistet, dass
tatsächlich eines der dann zu Verfügung stehenden Zimmer der Antragstellerin zu 4 zur alleinigen Nutzung überlassen
werden würde. Auch die damit im Zusammenhang hängenden Fragen können aus den o.g. Gründen nur in einem
Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.