Urteil des LSG Sachsen vom 09.12.2010

LSG Fss: unternehmen, versicherungsschutz, arbeitsunfall, unfallversicherung, gefälligkeitshandlung, mitfahren, krankenkasse, anerkennung, schwägerin, arbeitsmarkt

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 09.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 8 U 287/07
Sächsisches Landessozialgericht L 2 U 219/09
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 10.09.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten beider Instanzen jeweils zu gleichen Teilen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger zu 1) am 03.12.2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1969 geborene Kläger zu 1) befuhr am 03.12.2004 gegen 7.50 Uhr als Beifahrer mit der mit ihm gut befreundeten
C. N. die Bundesstraße von M. in Richtung S. , als das Fahrzeug bei einem Überholvorgang ins Schleudern geriet,
von der Straße abkam, gegen zwei Bäume stieß und schließlich auf der Seite liegenblieb. Die Fahrzeugführerin und
der Beifahrer wurden im Fahrzeug eingeklemmt und mussten von der Feuerwehr befreit werden.
Der Kläger zu 1) wurde in die Universitätsklinik L. eingeliefert. Er erlitt bei dem Unfall ein Polytrauma u. a. mit einer
Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers, Querfortsatzfraktur des Lendenwirbelkörpers 1/2 links, Vorderkantenabsprengung
der Brustwirbelkörper 7 bis 9, eine Rippenfraktur, eine Sprunggelenksfraktur rechts sowie eine Thoraxkontusion. Er
befand sich im Anschluss an den Aufenthalt in der Universitätsklinik L. vom 22.12.2004 bis 09.03.2005 zu einer
stationären Behandlung in der Klinik B. K ...
C. N. war seit 01.11.2004 beim Unternehmen D. U. , K.- und K.transporte, als Kurierfahrerin beschäftigt. D. U. ist die
Schwägerin des Klägers zu 1). Ihr Mann, M. U., ist der Bruder des Klägers zu 1). Der Kläger zu 1) war bis 15.01.2004
selbst Inhaber des Unternehmens, welches dann seine Schwägerin D. U. übernahm. Über das Vermögen des Klägers
zu 1) wurde am 11.09.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls arbeitslos.
Die Schicht von C. N. begann gegen 0.00 Uhr. Sie musste zunächst den Transporter, der dem Kläger zu 1) gehörte
und auf ihn zugelassen war, entladen, die Ladung sortieren und neu einladen. Dann fuhr sie ihre Tour, bei der
hauptsächlich Zeitungen an verschiedene Orte ausgefahren wurden. Die Tour endete gegen 8.00 Uhr. Sie hatte den
Kläger zu 1) gefragt, ob er mitfahren würde, was dieser zugesagt hatte.
Die Klägerin zu 2) ist die Kraftfahrzeugversicherung des Klägers zu 1) für den am Unfall beteiligten Transporter.
Die Beklagte erlangte durch eine Mitteilung der Krankenkasse des Klägers zu 1) vom 11.07.2006 Kenntnis von dem
Unfall. Die Krankenkasse ging davon aus, dass es sich um einen Arbeitsunfall handle. Der Kläger zu 1) sei zwar nicht
beim Unternehmen D. U. angestellt, er habe aber C. N. schon häufiger beim Verladen schwerer Kisten geholfen.
Daher sei der Kläger zu 1) über § 2 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in der gesetzlichen
Unfallversicherung versichert.
Aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte geht hervor, dass zunächst aufgrund der Umstände am Unfallort
und der Angaben der dort anwesenden Zeugen davon ausgegangen wurde, dass der Kläger zu 1) den Transporter
lenkte. Später ermittelte die Polizei C. N. als Fahrerin, insbesondere weil diese angab, selbst gefahren zu sein. Der
Kläger zu 1) war im Zeitpunkt des Unfalls nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, da ihm der Führerschein ab 23.02.2004
entzogen worden war. Eine endgültige Klärung, wer der Fahrer zum Unfallzeitpunkt war, konnte nicht herbeigeführt
werden.
In der polizeilichen Vernehmung am 11.03.2005 gab C. N. an, der Kläger zu 1) sei gegen 4.00 Uhr zugestiegen, weil er
ihr, wie schon öfter, beim Be- und Entladen helfen wollte. Dies habe er nicht nur aus Höflichkeit, sondern im Auftrag
des Unternehmens und zu dessen Wohl getan. Der Kläger zu 1) sagte in der polizeilichen Vernehmung am 16.03.2005
aus, er sei mit C. N. an diesem Tag mitgefahren, weil sie ihn gefragt habe, ob er ihr bei den schweren Kisten helfen
könne. Dies habe er schon öfter gemacht. Er kenne Frau N. seit über 15 Jahren und habe ihr auch den Job beim
Kurierdienst verschafft, weil sie gute Freunde seien.
D. U. gab in einem Schreiben an die Beklagte an, der Kläger zu 1) sei am Unfalltag ohne ihr Wissen mit C. N.
mitgefahren. Ihre Angestellten dürften keine Aufträge erteilen. Der Kläger zu 1) habe keine Tätigkeit für das
Unternehmen ausgeübt. Sie habe für die Tätigkeit nur C. N. eingeteilt.
Der Kläger zu 1) lies sich in einem Fragebogen gegenüber der Beklagten am 11.11.2006 dahin ein, er sei aus freien
Stücken mitgefahren, um es sich mal anzuschauen und weil er arbeitslos gewesen sei.
Mit an den Kläger zu 1) gerichtetem Bescheid vom 05.01.2007 lehnte die Beklagte Leistungen gegenüber dem Kläger
zu 1) ab und erkannte das Ereignis vom 03.12.2004 nicht als Arbeitsunfall an. Der Kläger zu 1) sei mit C. N.
mitgefahren, um ihr als langjähriger Freundin zu helfen und sich ihre Tätigkeit anzuschauen. Seine subjektive, im
Vordergrund stehende Handlungstendenz habe darin gelegen, mit C. N. mitzufahren und ihr persönlich zu helfen, nicht
jedoch dem Unternehmen D. U ... Damit habe die Tätigkeit am 03.12.2004 überwiegend dem eigenen Interesse
gedient und nicht dem des Unternehmens D. U ...
Mit Schreiben vom 09.03.2007 beantragte die Klägerin zu 2), das Unfallereignis vom 03.12.2004 als Arbeitsunfall
anzuerkennen. Die Handlung des Klägers zu 1) habe in erster Linie dem Unternehmen D. U. gedient. Die Beklagte
lehnte mit Bescheid vom 26.03.2007 auch gegenüber der Klägerin zu 2) eine Anerkennung des Unfallereignisses vom
03.12.2004 als Arbeitsunfall ab. Die Beklagte zog mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2007 die Klägerin zu 2) zu
dem Verfahren hinzu und wies den Widerspruch der Kläger zurück.
Ihr Begehren haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) mit der am 07.09.2007 zum Sozialgericht Chemnitz (SG)
erhobenen Klage weiter verfolgt. Aus Sicht der Kläger sei die Tätigkeit des Klägers zu 1) im mutmaßlichen
Einvernehmen mit dem Unternehmen erfolgt. Es habe sich um eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert gehandelt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10.09.2009 abgewiesen. Die Klägerin zu 2) habe ein Rechtsschutzbedürfnis an
der Feststellung, dass ein Arbeitsunfall vorgelegen hat, da sie mit dem Widerspruchsbescheid vom 09.08.2007
gemäß § 12 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zum Verfahren hinzugezogen worden und ihr gegenüber mit
Bescheid vom 26.03.2007 die Ablehnung der Anerkennung des Unfalls vom 03.12.2004 als Arbeitsunfall
bekanntgegeben worden sei. Der Kläger zu 1) sei nicht im Unternehmen D. U. angestellt gewesen, weil ein
Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausscheide. Voraussetzung für den Versicherungsschutz nach
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sei u. a. eine mehr oder weniger vorübergehende ernsthafte, wesentlich dem Unternehmen
zu dienen bestimmte Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert und eine Tätigkeit "wie ein Beschäftigter" und nicht in
anderer Eigenschaft bzw. Funktion. Die Tätigkeit müsse dem unterstützten Unternehmen rechtlich wesentlich zu
dienen bestimmt sein (Handlungstendenz). Ausreichend sei dabei, wenn es für den Handelnden wesentlich war, dem
unterstützten Unternehmen zu dienen. Um Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu erlangen, müsse
die Handlungstendenz fremdwirtschaftlich auf die Belange des als unterstützt geltend gemachten Unternehmens
gerichtet sein. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sei darüber hinaus ausgeschlossen, wenn
die zum Unternehmen führende Tätigkeit allein durch das Bekanntschaftsverhältnis zwischen den beteiligten
Personen geprägt sei. Bei Gefälligkeitsleistungen, die ihr gesamtes Gepräge durch das Bekanntschafts- bzw.
Freundschaftsverhältnis zwischen den beteiligten Personen erhalten, bestehe kein Versicherungsschutz. Ebenso wie
bei Tätigkeiten unter Verwandten komme es dabei insbesondere darauf an, wie eng das Verhältnis unter den guten
Bekannten, Nachbarn und Freunden sei und wie dieses Verhältnis laufend praktiziert werde. Ausgehend von diesen
Grundsätzen sei das SG nach der durchgeführten Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt,
dass die Handlungstendenz des Klägers zu 1) darauf gerichtet gewesen sei, seiner langjährigen Freundin C. N. beim
Aus- und Einladen der schweren Zeitungspakete zu helfen, um ihr einen Gefallen zu tun, nicht jedoch, um dem
Unternehmen D. U. fremdwirtschaftlich zu dienen. Der Kläger zu 1) habe in der mündlichen Verhandlung auf Befragen
sehr eindeutig geantwortet, dass er C. N. geholfen habe, weil sie sich gegenseitig immer wieder geholfen hätten. Er
kenne sie seit vielen Jahren und sie habe ihm auch ab und zu geholfen, z. B. beim Ausfüllen von Formularen. Es sei
einfach darum gegangen, ihr einen Gefallen zu tun. Er sei mit C. N freundschaftlich verbunden. Sie hätten auch einen
Garten zusammen gehabt. Insbesondere die klare Aussage des Klägers zu 1) habe das SG zu der Überzeugung
geführt, dass der Kläger zu 1) C. N. einen Gefallen tun wollte, ihr wegen der langjährigen Freundschaft geholfen hat
und deshalb am Unfalltag im Transporter mitgefahren ist. Dabei spiele der Umstand der langjährigen und engen
Freundschaft eine tragende Rolle bei der Frage, ob das Mitfahren und Helfen noch im Rahmen einer
Gefälligkeitshandlung unter guten Freunden liege. Der Kläger zu 1) und C. N. hätten sich häufig getroffen und hätten
sogar einen gemeinsamen Garten. Sie hätten sich in verschiedenen Situationen gegenseitig Hilfestellungen gegeben.
Die Dauer der Fahrt im Transporter am Unfalltag von ca. 4.00 Uhr bis ca. 8.00 Uhr sei auch nicht als besonders lang
zu beurteilen. Damit liege die Handlungstendenz des Klägers zu 1) im Bereich der eigenen Belange und nicht
derjenigen des Unternehmens D. U., zu dem er rein objektiv eine wirtschaftliche Unterstützungshandlung geleistet
habe. Nach den Angaben des Klägers zu 1) sei er schon "etwa zweimal" vor dem Unfall mit C. N. mitgefahren. Dieser
Umstand spreche aber nicht gegen die Annahme einer Gefälligkeitshandlung, da es sich nicht um eine derart häufige
und regelmäßige Verrichtung gehandelt habe, dass man von fremdwirtschaftlichen Zwecken ausgehen müsse. Die
Angaben der Zeugin C. N. hätten das SG nicht von einer "Wie-Beschäftigung" des Klägers zu 1) im Unfallzeitpunkt
überzeugen können. Nach ihrer Aussage sei der Kläger zu 1) zwar schon häufiger als zweimal bei ihren Touren
mitgefahren, nämlich ca. ein- bis zweimal die Woche. Allerdings relativiere sich die Aussage, wenn man
berücksichtige, dass C. N. erst am 01.11.2004 ihr Beschäftigungsverhältnis im Unternehmen D. U. begonnen hat und
der Unfall am 03.12.2004 geschah. Die Zeugin habe angegeben, der Kläger zu 1) sei mit ihr mitgefahren, weil sie ihn
gefragt habe. Da er mit ihrem Mann gut bekannt sei und auch mit ihr eine enge Freundschaft bestünde, habe er das
getan. Sie sei davon ausgegangen, dass er nicht nur aus Freundschaft mitgefahren, sondern weil die gesamte Familie
U. einen Familienbetrieb habe und dort jeder irgendeine Tätigkeit ausübe. Sie sei davon ausgegangen, dass sowohl D.
U. als auch M. U. Kenntnis davon hatten, dass der Kläger zu 1) bei den Touren mitfährt. Nach der Aussage der
Zeugin N. käme zwar eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Betracht. Allerdings könne die
Zeugin zur Handlungstendenz des Klägers zu 1) nur Mutmaßungen anstellen. Letztlich sei die Aussage des Klägers
zu 1) zur beabsichtigten Zielrichtung seiner Verrichtung für das Gericht überzeugender gewesen als die Vermutungen
dazu, die die Zeugin N. angestellt habe. Schließlich hätten auch die Zeugen D. U. und M. U. bestätigt, dass sie keine
Kenntnis von der Verrichtung des Klägers zu 1) an diesem Tag hatten. Auch dazu, dass der Kläger zu 1) schon
vorher mit der Zeugin N. bei Touren mitgefahren sei, konnten die Zeugen D. U. und M. U. keine Angaben machen. Es
stehe zur Überzeugung des SG fest, dass der Kläger zu 1) allein wegen des engen freundschaftlichen Verhältnisses
zur Zeugin N. am 03.12.2004 im Transporter mitgefahren sei. Er habe ihr einen Gefallen tun wollen. Die Freundschaft
zwischen ihnen sei nach beider Angaben eine enge gewesen. Die vom Kläger zu 1) getätigte Hilfeleistung sei daher
nach Würdigung der Gesamtumstände entscheidend durch das Freundschaftsverhältnis geprägt gewesen und nicht
wesentlich dazu bestimmt gewesen, dem Unternehmen D. U. zu dienen. Gegenseitige Hilfeleistungen seien zwischen
dem Kläger zu 1) und der Zeugin üblich und selbstverständlich gewesen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 24.09.2009 zugestellte Urteil hat dieser am 08.10.2009 beim
SG Berufung eingelegt, die am 19.10.2009 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen ist. Es habe sich zum
Unfallzeitpunkt um eine fremdnützige Tätigkeit gehandelt. Die Zeugin N. sei auf dem Betriebsweg gewesen. Der
Kläger zu 1) sei mit der Zeugin N. gut bekannt, er habe mit ihr zusammen einen Garten. Die Handlungstendenz sei
zum Unfallzeitpunkt darauf gerichtet gewesen, der Zeugin N. zu helfen und zwar beim Be- und Entladen. Eine
derartige Tätigkeit sei für Arbeitnehmer typisch. Ziel der Unterstützung sei gewesen, es der Zeugin N. zu ermöglichen,
die Tour fristgerecht zu beenden. Der Zeuge M. U. habe ausdrücklich bestätigt, dass die Zeugin N. eingearbeitet
wurde. Eingearbeitet bedeutet, dass jemand mit der Zeugin mitfahre und sie unterstütze. Der Kläger zu 1) habe zum
Unfallzeitpunkt keine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz gehabt. Er habe mit ihr mehrere Stunden systematisch
mitgearbeitet. Dies sei arbeitnehmerähnlich. Die Kläger stützen sich auf das Urteil des Bayerischen LSG vom
17.01.2006 – L 3 U 57/05 -, Breithaupt 2006, S. 285.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 10.09.2009 und
den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 09.08.2007 aufzuheben und
festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 03.12.2004 um einen Arbeitsunfall handelt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 2) beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom
10.09.2009 sowie den Bescheid vom 26.03.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 09.08.2007 aufzuheben und
festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 03.12.2004 um einen Arbeitsunfall handelt.
Der Beklagtenvertreter beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten
vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3
Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 10.09.2009 die Klage
abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 05.01.2007, 26.03.2007 und der Widerspruchsbescheid vom
09.08.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger daher nicht in ihren Rechten.
Der Kläger zu 1) erlitt am 03.12.2004 keinen Arbeitsunfall. Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von
Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit
(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem
Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
1. Der Kläger zu 1) war zum Unfallzeitpunkt nicht als Beschäftigter versichert. Nach § 2 Abs. 1 SGB VII sind kraft
Gesetzes Beschäftigte versichert. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Beschäftigung die
nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine
Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Der Kläger zu 1) stand zum Unfallzeitpunkt nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zum Unternehmen D. U ... Es
existierte kein Arbeitsverhältnis. Die Unternehmensinhaberin wusste nichts von der Tätigkeit. Der Kläger hat
ausdrücklich betont, die Tätigkeit nicht für das Unternehmen D.U. verrichtet zu haben, sondern um der Zeugin C. N.
einen Gefallen zu tun.
2. Der Kläger zu 1) stand auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII unter Versicherungsschutz. Danach sind
Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden.
§ 2 Abs. 2 SGB VII will aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf
Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses
aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden
Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von
wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem
abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung: vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U
22/04 R –, SozR 4-2700 § 2 Nr. 6). Sie muss unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit auf
Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 25 m. w. N.). Nicht erforderlich
ist, dass der Verletzte von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig ist (vgl. BSG SozR 3-2200 § 539
Nrn. 15 und 16).
Von entscheidender Bedeutung ist die mit dem – objektiv arbeitnehmerähnlichen – Verhalten einhergehende
Handlungstendenz (vgl. BSG, Urteil vom 05.03.2002 – B 2 U 9/01 R –, SGb 2002, S. 441). Es wird damit nicht jede
Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigungsähnlich verrichtet. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das
ansonsten einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene
Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines
Beschäftigungsverhältnisses tätig (Bayerisches LSG, Urteil vom 11.12.2007 – L 3 U 299/06 –, zitiert nach JURIS,
Rdnrn. 17 ff.).
Der Versicherungsschutz ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verunfallte einem Verwandten oder Freund
geholfen hat. Ebenso wie ein Verwandtschafts- bzw. Freundschaftsverhältnis nicht von vornherein ein
Beschäftigungsverhältnis ausschließt, scheidet auch eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2
Satz 1 SGB VII nicht allein deshalb aus, weil die Tätigkeit für einen Verwandten bzw. Freund verrichtet wird (BSG,
Urteil vom 30.07.1987, a.a.O., Rdnr. 15).
Bei Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten und Freunden ist vielmehr darauf abzustellen, ob das
Familienmitglied/der Freund eine Gefälligkeit erweist, die durch die Stärke des Verwandtschafts- bzw.
Freundschaftsverhältnisses ihr Gepräge erhält oder ob es sich um eine ernstliche Tätigkeit handelt, die über das
hinausgeht, was allgemein in Verwandtschafts- bzw. Freundschaftsbeziehungen gefordert wird und normalerweise von
abhängig Beschäftigten erbracht wird. Je enger eine Gemeinschaft ist, umso größer ist der Rahmen, in dem
bestimmte Verrichtungen hierdurch ihr Gepräge erhalten (BSG, SozR 2200, § 539, Nr. 49; Kruschinsky, in:
Becker/Borchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), Stand: 9/2010, Rdnrn. 854 ff.;
Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 9/2010, § 2, Ziff. 34.19; Riebel, in: Hauck/Nofts,
SGB VII, Stand: 5/2010, Rdnrn. 278 ff.).
Solange es sich nicht um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehung geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst
handelt oder eine besonders enge Beziehung besteht, die ihrerseits Grundlage für das Motiv ist und andererseits der
gesamten Verrichtung das Gepräge gibt, besteht – wenn die Tätigkeit das Übliche überschreitet – auch beim
arbeitnehmerähnlichen Tätigwerden aus Gefälligkeit Versicherungsschutz (BSG, Urteil vom 26.04.1990 – HV-Info
17/1990, S. 1349; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 9/2010, § 2, Ziff. 34.22;
Schwertfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII, Stand: 4/2010, § 2, Rdnrn. 680 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt das Unfallereignis vom 03.12.2004, das sich auf dem Betriebsweg
der Zeugin C. N. ereignet hat, bezogen auf den Kläger zu 1) keinen versicherten Unfall dar.
a) Der Kläger zu 1) übte am Unfalltag zwar eine dem Unternehmen der Ehefrau seines Bruders dienende ernsthafte
Tätigkeit aus, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Es handelte sich auch um eine Arbeit von
wirtschaftlichem Wert.
b) Der zum Unfallzeitpunkt arbeitslose Kläger zu 1) erwies C. N. am Unfalltag jedoch eine Gefälligkeit, die durch die
Stärke der zwischen ihnen bestehenden 15-jährigen Bekanntschaft und langjährigen engen Freundschaft, in der
wechselseitige Hilfeleistungen üblich und selbstverständlich waren, ihr Gepräge erhielt. Das steht zur Überzeugung
der Einzelrichterin des Senats aufgrund der stets gleichen Einlassung des Klägers zu 1) fest. In der mündlichen
Verhandlung vor dem SG hat der Kläger zu 1) ausdrücklich ausgeführt: "Es ging einfach darum, ihr einen Gefallen zu
tun, weil wir uns gegenseitig immer mal geholfen haben Die Beziehung zu Frau N. bezeichne ich als enge
freundschaftliche Beziehung."
Die stets gleichen diesbezüglichen Aussagen von C. N. bestätigen die Einlassung des Klägers zu 1). In der
mündlichen Verhandlung vor dem SG hat sie ausgesagt: "Es war und ist eine freundschaftliche Beziehung zu L. U.
Wir haben uns in regelmäßigen Abständen getroffen. Damals haben wir uns noch öfters gesehen als heute. Ich habe
ihm bei privaten Sachen geholfen, z.B. Behörden oder Schriftverkehr."
Auch der Zeuge M. U. hat vor dem SG bestätigt, dass der Kläger zu 1) und C. N. "sehr gute Freunde" waren.
Zusammenfassend bestand zwischen dem Kläger zu 1) und C. N. eine viele Jahre währende enge Freundschaft, in
der sich beide regelmäßig in nicht unerheblichem Umfang wechselseitig Hilfe leisteten. Hierdurch erhielt die Tätigkeit
am Unfalltag ihr Gepräge.
c) Die Handlungstendenz des Klägers zu 1) war dagegen nicht darauf gerichtet, dem Unternehmen D. U.
fremdwirtschaftlich zu dienen. Weder der Kläger zu 1) noch C. N. oder D. bzw. M. U. haben behauptet, dass der
Kläger zu 1) für die Einarbeitung von C. N. zuständig war, oder es ihm um Belange des Unternehmens ging. Er wollte
einzig und allein seiner langjährigen engen Freundin C. N. helfen.
d) Auch die Tatsache, dass C. N. bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck stand und diesem zu zweit besser begegnet werden
konnte als allein, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Der Zeitdruck ist – wie sich aus der Einlassung des Klägers zu 1)
und der Aussage der Zeugin N. übereinstimmend ergibt - offensichtlich Element der Kurierfahrertätigkeit, dem die in
diesem Beruf Beschäftigten ausgesetzt sind.
e) Das Urteil des Bayerischen LSG vom 17.01.2006 rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Ein freundschaftliches
Verhältnis bestand unter den Verfahrensbeteiligten des dortigen Verfahrens gerade nicht.
f) Mit dem SG geht die Einzelrichterin des Senats ebenfalls davon aus, dass die Dauer der Fahrt des Klägers zu 1) im
Transporter am Unfalltag von 4.00 Uhr bis 8.00 Uhr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG keine
andere Wertung rechtfertigt (BSG, Urteil vom 30.07.1987 – 2 RU 17/86 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 15; BSG, Urteil vom
29.09.1992 – 2 RU 46/91 -, zitiert nach Juris; vgl. auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.09.2004 – L 35 U
158/03 -, zitiert nach Juris)
g) Auch die Aussage des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, er habe ihr schon "etwa zweimal"
vorher beim Ausliefern der Zeitungspakete geholfen, führt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG
(BSG, Urteil vom 30.07.1987 – 2 RU 17/86 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 15) nicht zu einem anderen Ergebnis. Derartige
Hilfeleistungen liegen in Anbetracht der jahrelangen engen Freundschaft im Rahmen dessen, was unter derartigen
Freunden, die sich regelmäßig wechselseitig helfen, üblich ist.
Eine wesentlich häufigere Hilfeleistung des Klägers zu 1) gegenüber C. N. konnte nicht im Sinne des Vollbeweises
festgestellt werden. Die Einlassung des Klägers zu 1) und die Aussage der Zeugin C. N. differieren insoweit. Auch ist
zu berücksichtigen, dass C. N. zum Unfallzeitpunkt erst etwa einen Monat beim Unternehmen D. U. beschäftigt war.
h) Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
Nach alledem war die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG. Weder die Kläger noch die Beklagte gehören zu den nach § 183
SGG genannten Personen. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Einzelrichterin des Senats
nimmt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG eine Einzelfallsubsumtion vor
4. Der Streitwert war auf 5.000,00 EUR festzusetzen. In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen in einem Rechtszug
weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, werden nach § 197a Abs. 1
Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn die Klage nach dem
01.01.2002 rechtshängig geworden ist (BSG SozR 3-2500, § 116, Nr. 24). Da keiner der Beteiligten hier die
Voraussetzungen des § 183 SGG erfüllt, sind die Kosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben.
Nach § 52 Abs. 1 GKG in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung des Artikel I des
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I, S. 718), die hier gemäß § 72 Nr. 1 GKG
anzuwenden ist, weil die Berufung nach dem 01.07.2004 eingelegt worden ist, ist im Verfahren vor den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers
für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte
Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist – bis zur Obergrenze von 2.500.000,00 EUR (§ 52
Abs. 4 GKG) – deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des
Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 EUR
("Auffangstreitwert") anzunehmen (Hessisches LSG, Urteil vom 13.03.2007 – L 3 U 131/05 -, zitiert nach Juris, Rdnr.
25; Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.09.2006 – L 3 U 311/05 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 3). Letzteres war
vorliegend der Fall. Daher war der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR maßgeblich.