Urteil des LSG Sachsen vom 15.02.2011

LSG Fss: führung des haushalts, entgangener gewinn, verdienstausfall, erwerbstätigkeit, zahl, pauschal, familie, limitierung, aufwand, pflege

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 1 SF 87/09 ERI
Sächsisches Landessozialgericht L 6 SF 47/09 ERI
Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Juni 2009 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der Entschädigung für die ehrenamtliche Richterin Frau U ... S (Beschwerdegegnerin), die an
Sitzungen der 23. Kammer des Sozialgerichts Leipzig vom 16.12.2008 (8.30 Uhr bis 15.15 Uhr) und am 10.02.2009
(8.30 Uhr bis 13.30 Uhr) teilgenommen hatte. Einschließlich der Fahrzeiten ergaben sich Abwesenheitszeiten von
neun Stunden (16.12.2008) bzw. sieben Stunden (10.02.2009).
Mit Bescheid vom 19.02.2009 wurde der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass die Entschädigung auf 72,00 EUR für
den 16.12.2008 und auf 56,00 EUR für den 10.02.2009 festgesetzt werde. Für den 16.12.2008 wurden 21,00 EUR
Fahrtkosten und 6,00 EUR Tagegeld bewilligt, für den 10.02.2009 nur 21,00 EUR Fahrtkosten. Diese Beträge sind
nicht streitig. Streitig ist, dass die Entschädigung für Zeitversäumnis nur nach § 16 JVEG (5,00 EUR je Stunde) und
nicht nach § 17 JVEG (12,00 EUR je Stunde) festgesetzt worden war. Dies rügte die Beschwerdegegnerin mit
Schreiben vom 20.04.2009, welches als Antrag nach § 4 JVEG der zuständigen Kammer des Sozialgerichts vorgelegt
wurde. Sie teilte mit, dass ihr Mann Rentner sei (nicht arbeitsuchend) und sie selbst den Haushalt führe. Außerdem
pflege sie ihre Mutter (gehbehindert und Krebs). Ihre blinde Schwiegermutter werde von ihrem Mann und ihr
gemeinsam gepflegt. Während ihrer Abwesenheit durch ihr Ehrenamt übernehme ihr Mann die Pflege der beiden
pflegebedürftigen alten Damen. Dadurch sei er nicht in der Lage, die Aufgaben für den Haushalt zu übernehmen.
Der Bezirksrevisor hat in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag ausgeführt, ein Anspruch auf
Haushaltsführerentschädigung nach § 17 JVEG bestehe nicht. Es sei unwahrscheinlich, dass ausgerechnet während
der Zeit der Hinzuziehung Haushaltstätigkeiten hätten verrichtet werden müssen. Schließlich bedürfe die tägliche
Hausarbeit in einem Zwei-Personenhaushalt nicht eines Umfangs von 8 oder 10 Stunden. Ansonsten wäre sie nämlich
durch Berufstätige, die lediglich nach Feierabend oder an Wochenenden Zeit für den Haushalt finden, nicht zu
bewältigen. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18.06.2009 die Haushaltsführerentschädigung zugesprochen, es
ergaben sich damit Beträge von 180,00 EUR für den 16.12.2008 und 140,00 EUR für den 10.02.2009. Die
Voraussetzungen des § 17 JVEG seien erfüllt: Die Beschwerdegegnerin sei nicht erwerbstätig und führe den Haushalt
für sich und ihren Ehemann, also für mehrere Personen. Die Regelung in § 17 JVEG bezwecke die Gleichstellung der
Tätigkeit der Haushaltsführung mit der Erwerbstätigkeit. Ebenso wie der Erwerbstätige eine Entschädigung für seinen
Verdienstausfall erhalte und nicht darauf verwiesen werde, vor oder nach seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter
am selben Tag seiner Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen, um einen Verdienstausfall zu vermeiden, so solle auch
der Haushaltsführer eine Entschädigung erhalten, ohne dass es auf das Vor- oder Nacharbeiten von
Haushaltstätigkeiten ankomme. Der Haushaltsführer erhalte die Entschädigung weder für seinen Ausfall an Zeit
(insofern sei § 16 JVEG die speziellere Regelung) noch für einen etwaigen Geldverlust (insofern sei die
Haushaltsführung nicht mit einem konkreten Geldwert, der zu- oder abfließt, verbunden), sondern allein für "Nachteile"
bei der Haushaltsführung, wie die amtliche Überschrift des § 17 JVEG verdeutliche. Alle Überlegungen, die an ein
mögliches Surrogat der Haushaltsführung anknüpften, also dergestalt, dass der anwesende Ehegatte die Tätigkeit
übernehmen könnte, dass der Haushalt einfach einmal (für wenige Stunden) liegen bleibe, dass die Haushaltsführung
zeitlich verlagert werde usw., stünden nicht auf dem Boden der gesetzlichen Vorgabe, dass lediglich die durch
ehrenamtliche Tätigkeit entstehenden Nachteile bei der Haushaltsführung entschädigt werden sollten. Der
Gesetzgeber habe zweifellos gewusst, dass durch eine ehrenamtliche Tätigkeit an einzelnen Tagen im Jahr kein
Haushalt notleidend werde oder zusammenbreche und ferner einer tatsächlicher Ersatz für den in dieser Zeit
abwesenden Haushaltsführer umso einfacher sein würde, je mehr Mitglieder dem Haushalt angehörten. Gleichwohl
habe er keine weiteren Voraussetzungen normiert, außer, dass nach § 17 Satz 3 JVEG eine Entschädigung nicht
gewährt werde, soweit Kosten einer notwendigen Vertretung nach § 7 JVEG erstattet würden; in diesem Fall werde der
nun in Geld messbare "Nachteil" auch konkret entschädigt. Die Antragstellerin führe den Haushalt für sich und ihren
Ehemann, der nicht mehr erwerbstätig sei, sondern Altersrente beziehe. Eine Argumentation, die darauf abstelle, der
nicht erwerbstätige Ehegatte könne doch den wegen seiner ehrenamtlichen richterlichen Tätigkeit abwesenden
anderen Ehegatten ersetzen und den Haushalt quasi übernehmen, entferne sich nicht nur zu weit von der gesetzlichen
Regelung, sie arbeite auch mit einer Unterstellung, dass nämlich die Haushaltsführung ständig austauschbar sei, was
indessen nicht zutreffe. In aller Regel würden Eheleute gute Gründe haben, dass einer von ihnen die Haushaltsführung
übernehme, während der andere davon verschiedenen Dingen nachgehe. Der Vielgestaltigkeit des Lebens sei keine
Grenze gesetzt, vom Schrebergarten bis zu eigenen ehrenamtlichen Tätigkeit. Dies alles, wie auch die hier
vorliegende Pflege von Familienangehörigen, interessiere aber im Rahmen der Entschädigungsregelung nicht, außer,
dass die Entschädigung je Haushalt nur eine Person erhalten könne, und zwar derjenige, der als Haushaltsführer auch
tatsächlich tätig sei.
Das Sozialgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 3 JVEG die Beschwerde zugelassen.
Diese wurde vom Bezirksrevisor erhoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bewiesen werden müsse, ob
überhaupt während der Heranziehung Haushaltstätigkeiten hätten verrichtet werden müssen (Verweis auf LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 24.04.2007, Az. L 9 SF 197/06). Etwas anderes könne nur gelten, wenn zum Beispiel
Schöffen in der Strafgerichtsbarkeit in Großverfahren mitwirkten, so dass eine Beeinträchtigung der Haushaltsführung
unterstellt werden könne (Hinweis auf LSG Berlin, Beschluss vom 18.01.2001, Az. L 9 SF 1/01 ERi). Im Übrigen seien
der Beschwerdeführerin, selbst wenn sie die Voraussetzungen des § 17 JVEG dem Grunde nach erhöhen würde, nur
vier Stunden zu erstatten.
Auf Nachfrage hat die Beschwerdegegnerin erklärt, dass sie im maßgebenden Zeitraum arbeitslos und ohne
Leistungsbezug war, dies wurde durch entsprechende Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit belegt.
II.
Die zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist nicht begründet.
Bereits das Sozialgericht hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, warum die Auffassung des Bezirksrevisors im
Gesetz keine Stütze findet.
Zur Verdeutlichung dessen Auffassung sei die Grafik aus dem Kostenleitfaden abgedruckt.
Zahl der Personen im Haushalt x 2 Std. = rechnerischer Aufwand für Haushaltsführung "A"; 10 Std. – Aufwand "A" =
erforderliche Mindestabwesenheit vom Haushalt. Erst wenn diese erfüllt ist, hat eine Berechnung zu erfolgen.
Maximalzeit 10 Std. – notwendige Zeit der Zuziehung "Z" = Restzeit "R" Erforderlicher Aufwand "A" – Restzeit "R" =
Entschädigung für entgangene Haushaltsführung "E"
Zur Verdeutlichung als Grafik:
A
Die Formel lautet:
(Z + A) – 10 = E
(Zuziehungszeit + Zahl der Personen im Haushalt x 2 Std.) – 10 Std. = Zahl der Stunden, die für entgangene
Haushaltsführung zu entschädigen sind.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 JVEG wird die Entschädigung, soweit sie nach Stunden bemessen ist, für die gesamte
Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch für nicht mehr als 10 Stunden je
Tag, gewährt. Maßgeblich für die "Stundenzahl" ist also die Dauer der Heranziehung und nicht die Dauer eines
eventuellen "Ausfalls" im Haushalt oder Betrieb. Für Zeugen findet sich die entsprechende Regelung in § 19 Abs. 2
Satz 1 JVEG.
Für die Entschädigung, die pauschal gewährt wird, gilt also hinsichtlich der zeitlichen Komponente unterschiedslos die
Zeit der Heranziehung.
Gemäß § 18 Satz 1 JVEG beträgt die Entschädigung für Verdienstausfall höchstens 20,00 EUR je Stunde für
ehrenamtliche Richter; für Zeugen gemäß § 22 Satz 1 JVEG für jede Stunde höchstens 17,00 EUR. Hiermit wird von
der Systematik des Gesetzes her eindeutig auf die in § 15 Abs. 2 bzw. § 19 Abs. 2 JVEG genannte "Stunde", also
die Zeit der Heranziehung Bezug genommen. Vergleichsmaßstab ist also nicht der Bruttostundenlohn, sondern der
Gesamtverdienstausfall, der im Einzelnen nachgewiesen werden muss. Wenn es in der Kommentarliteratur heißt,
dass man von dem Stundensatz des Bruttodurchschnittseinkommens einschließlich eines etwaigen 13. oder gar 14.
Gehalts und einschließlich des gesetzlichen Arbeitgeberanteils der Sozialversicherung sowie des zugehörigen
Arbeitnehmeranteils, soweit der Arbeitgeber ihn auch übernommen habe, ausgehen müsse (Hartmann, Kostengesetze
40. Auflage 2010, § 22 JVEG Rn. 8), so macht das deutlich, dass eine Berechnung des konkreten Stundenlohnes
äußerst unpraktikabel wäre und so auch nicht mit dem Gesetzeswortlaut im Einklang steht. Ein Verdienstausfall, der
Anknüpfungspunkt für eine Entschädigung nach § 18 und 22 JVEG ist, entsteht grundsätzlich nicht in der Form von
"Stunden", sondern in Euro. Nachzuweisen ist also der konkrete Betrag, der vom Arbeitgeber abgezogen wurde, bzw.
bei Selbständigen, der sich als konkret entgangener Gewinn ergibt. Das Gesetz differenziert nicht nach
"Stundenlöhnen" für Zeugen und ehrenamtliche Richter in dem Sinne, dass je nach Qualifikation und Stundenlohn im
"Zivilberuf" eine unterschiedliche Quasientlohnung gewährt wird. Entschädigungen von 16,00 EUR, 15,00 EUR etc.
pro Stunde werden also nicht gezahlt. Vielmehr ist die Verdienstausfallentschädigung nach dem Modell eines echten
Schadensersatzanspruches konstruiert; der Lohnabzug bzw. entgangene Gewinn muss beziffert werden; der so
errechnete Betrag ist nach oben hin durch die Pauschale 17,00 EUR bzw. 20,00 EUR (in Sonderfällen für
ehrenamtliche Richter 39,00 EUR bzw. 51,00 EUR) pro Stunde limitiert, nach unten durch die Regelung des § 16 bzw.
20 JVEG. Ist der Verdienstausfall also geringer als der Betrag, der sich für ehrenamtliche Richter nach § 16 JVEG
(5,00 EUR je Stunde Heranziehungszeit) bzw. für Zeugen § 20 (3,00 EUR je Stunde Heranziehungszeit) ergibt, so wird
nur diese Mindestentschädigung statt des Verdienstausfalls gewährt.
Die maximale Entschädigung von 17,00 EUR pro Stunde für Zeugen macht deutlich, dass eine Lohn ersetzende oder
Arbeitseinkommen ersetzende Vergütung überhaupt nicht beabsichtigt ist. Schon für Ingenieure dürfte gegenwärtig
dieser Betrag als Lohnersatz nicht ausreichen. Es wird allerdings allen Bürgern einheitlich zugemutet, für die Zeit ihrer
Heranziehung als ehrenamtlicher Richter oder Zeuge gewisse Einbußen in Kauf zu nehmen. Wenn der teilweise
Verlust eines Tageseinkommens nur unvollständig ausgeglichen wird, ist das zu verschmerzen. Anderes liegt die
Sache, wenn ehrenamtliche Richter über längere Zeit beansprucht werden: dann steigt die Maximalentschädigung auf
bis zu 39,00 EUR (mehr als 20 Tage in dem selben Verfahren oder mehr als sechs Tage innerhalb von 30 Tagen)
bzw. 51,00 EUR (50 Tage in dem selben Verfahren), § 18 Satz 2 und 3 JVEG. Diese Heraufsetzung des
Maximalstundensatzes hängt nicht damit zusammen, dass ehrenamtliche Richter bei längeren Verfahren etwa "höher
qualifiziert" sind; vielmehr wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass ein auch nur teilweiser
Einkommensverlust für eine längere Zeit schwerer zu verkraften ist und dass deswegen in solchen Fällen die
pauschale Entschädigung sich an dem tatsächlich eingetretenen Ausfall orientieren sollte.
In den Fällen des Verdienstausfalles ist also der Ausfall konkret nachzuweisen, die Entschädigung erfolgt dann
pauschal nach Stunden der Heranziehung.
Für den Fall der Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gilt, dass ein konkreter Schaden nicht
nachgewiesen werden muss. Der Haushaltsführer hat die Wahl, die Kosten einer notwendigen Vertretung - konkret -
geltend zu machen (§ 17 Satz 3 JVEG, § 21 Satz 3 JVEG) oder die Pauschale von 12,00 EUR je Stunde der
Heranziehungszeit geltend zu machen. In letzterem Fall findet eine Zuordnung zu "Ausfallstunden" nicht statt. Aus
dem oben Dargelegten ergibt sich, dass dies systemgerecht ist, denn auch beim Verdienstausfall findet eine
Zuordnung zu Ausfallstunden nicht statt, sondern lediglich eine Vergleichsberechnung Pauschale/konkret
nachgewiesener Verdienstausfallschaden. Der Fall der konkreten Berechnung findet bei der Haushaltsführung nur über
§ 17 Satz 3 bzw. § 21 Satz 3 JVEG statt; darüber hinaus ist eine Herunterrechnung nach dem Motto "das bisschen
Haushalt" nicht zulässig.
Es mag sein, dass es heutzutage zu Tage als "zeitgemäß" empfunden wird, mit dem Schlagwort der Emanzipation
Hausfrauenarbeit als minderwertig zu qualifizieren und überhaupt als eine Tätigkeit anzusehen, die nebenbei erledigt
werden kann und muss. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass es ausgerechnet der Gedanke der
Gleichberechtigung war, der die Gleichstellung der Hausfrauentätigkeit mit der Erwerbstätigkeit auch bei der
Zeugenentschädigung und der Entschädigung ehrenamtlicher Richter einführte (vgl. BT-Drucks. II, 2545, Gesetz zur
Änderung und Ergänzung kostenrichtige Vorschriften vom 26.07.1957 - BGBl. I, 902). Das Bundesverfassungsgericht
hat hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber in jenem Gesetz erstmalig eine Sonderregelung für nicht erwerbstätige
Hausfrauen getroffen habe und ihnen eine höhere Entschädigung zugebilligt habe. Es heißt dann weiter
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.10.1978 - 2 BvL 3/78 - NJW 1979, 32): "Er trug damit auch in diesem
Bereich einer im Grundsatz enthaltenen Forderung Rechnung. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in anderem
Zusammenhang hervorgehoben hat, ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Artikel 3 Abs. 2 GG der rechtlichen
Unterbewertung der Arbeit der Frau im Haushalt und Familie ein Ende zu setzen und ihre eine gerechte
Berücksichtigung zu sichern (vgl. BVerfGE 17, 1 [12 f.] = NJW 1963, 17.23 Uhr). Die Ehefrau, der die
Haushaltsführung überlassen ist, erfüllt ihre Verpflichtung durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der
Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 Satz 2 BGB) und leistet damit einen der Erwerbstätigkeit des Mannes
gleichwertigen Beitrag zur Existenzsicherung der Familie. Unter diesem Gesichtspunkt steht die Hausfrau, die durch
die Erfüllung der Zeugenpflicht ihrer - nur beschränkt nachholbaren - häuslichen Tätigkeit entzogen wird, dem
Erwerbstätigen, der einen Verdienstausfall erleidet, näher, als dem Zeugen, der einen sonstigen - meist in der Einbuße
von Freizeit sich erschöpfenden - Nachteil hinnehmen muss".
Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder betont, dass die Beiträge der Eheleute zum Familienunterhalt
grundsätzlich gleichwertig sind (Obligationssymmetrie, vgl. BVerfG FamRZ, 527). Leistungsempfänger ist die Familie
(Benchler in Bamberger/Roth BGB, 2. Auflage 2008 § 1360 Rn. 1). Es steht also dem Gericht und der
Kostensachbearbeitung nicht zu, eine eigene Bewertung dieser Leistungen bzw. ihrer Erforderlichkeit vorzunehmen.
Ebenso wenig wie die Kostensachbearbeitung berechtigt ist, gedanklich in die Organisation eines Betriebes
einzugreifen, in dem Sinne, dass sie die Auffassung vertritt, die von dem herangezogenen Arbeitnehmer geleistete
Arbeit hätte auch in der Hälfte der Zeit erledigt werden können oder hätte ohnehin keinen wirtschaftlichen Wert, haben
solche Erwägungen auch bei der Bewertung der Hausfrauenarbeit zu unterbleiben. Es gilt der Grundsatz des
persönlichen Ehezuschnitts. Die konkrete Ausgestaltung der Unterhaltsgewährung bleibt weitestgehend dem
gegenseitigen Einvernehmen der Ehegatten überlassen (vgl. BAG FamRZ 1986, 573, BGHZ 77, 157, 162).
Aus der Parallele zwischen Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung folgt also gerade nicht, das - wie das
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg meint (Beschluss vom 24.04.2007 - L 9 SF 197/06) - konkret zu prüfen ist, ob
durch die Heranziehung Haushaltstätigkeit "ausgefallen" ist. Ein solcher Nachweis wird sich kaum führen lassen und
wird ja auch gerade in dem Parallelfall der Erwerbstätigkeit nicht verlangt: Wenn ein Arbeitnehmer an einem Tag zur
Arbeit nicht erscheint, wird normalerweise der Betrieb nicht zusammenbrechen, seine Arbeit wird von den Kollegen mit
erledigt werden. Deswegen muss ja auch in dem Fall der Erwerbstätigkeit nicht der Ausfall von Arbeit, sondern der
Ausfall von Verdienst nachgewiesen werden, um zur Verdienstausfallentschädigung zu gelangen. Da im Falle der
Haushaltsführertätigkeit eine Barverrechnung nicht stattfindet, wird der eingetretene "Schaden", der als solcher nicht
zu beziffern ist und daher "Nachteil" genannt wird, pauschal entschädigt. Wird aber eine Entschädigung nach Stunden
vorgenommen, so gelten - wie bei dem Verdienstausfallschaden - selbstverständlich die Stunden der Heranziehung
und nicht die Stunden eines nach irgendwelchen Formeln berechneten "Fehlens".
Eine stundenmäßige Limitierung nach der oben abgedruckten Formel des Bezirksrevisors ist daher nicht zulässig.
Eine Limitierung ergibt sich nach dem Gesetz (§ 17 Satz 2 und § 21 Satz 2 JVEG) nur bei Teilzeitbeschäftigten. Hier
werden pauschal vom Maximalwert von 10 Stunden die Stunden abgezogen, "die der vereinbarten regelmäßigen
täglichen Arbeitszeit" entsprechen, ohne Rücksicht, ob diese Stunden an dem entsprechenden Tag auch gearbeitet
worden wären. Durch diese ab dem 01.07.1994 eingeführte Regelung wurde so zu sagen die Möglichkeit geschaffen,
auch den Haushaltsführerberuf zu "verteilzeiten", je nach Umfang der Teilzeitarbeit, verbleibt ein 60 % - oder 80 % -
etc. Haushaltsführer, woraus allerdings nicht folgt, dass nur nach diesem Prozentsatz entschädigt wird, vielmehr
findet eine volle Entschädigung nach den allgemeinen Grundsätzen, also nach der Zahl der herangezogenen Stunden
statt; die spezielle Entschädigung für die Haushaltsführung ist dann allerdings hinsichtlich der Maximalstundenzahl
begrenzt. Ist also ein "60 % Haushaltsführer" (vier Stunden tägliche Teilzeitarbeitszeit) für sieben Stunden
herangezogen worden, so kommt es für die Entschädigung der siebten Stunde darauf an, ob ein konkreter
Verdienstausfallschaden entstanden ist, der dann mit maximal 20,00 EUR (ehrenamtliche Richter) bzw. 17,00 EUR
(Zeuge) entschädigt wird. Ist ein solcher konkreter Schaden nicht entstanden, verbleibt es für die siebte Stunde bei
der Mindestentschädigung entsprechend § 16 bzw. § 20 JVEG.
Wie das Sozialgericht schon zutreffend dargelegt hat, gehört die Beschwerdegegnerin, welche kein
Erwerbsersatzeinkommen bezieht und damit nicht als erwerbstätig gilt, zum Personenkreis der nach § 17 JVEG
Berechtigten; darüber hinaus ist festzustellen, dass auch eine zeitliche Limitierung auf die Stunden der vermutet
ausgefallenen Hausarbeit nicht in Betracht kommt.
Diese Entscheidung ergeht wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG durch den
zuständigen Kostensenat des Landessozialgerichts. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§
4 Abs. 8 JVEG).
Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).