Urteil des LSG Sachsen vom 29.11.2010

LSG Fss: costa rica, aufenthalt im ausland, notlage, sozialhilfe, pflegebedürftigkeit, verschlechterung des gesundheitszustandes, freiheit der person, vorläufiger rechtsschutz, hauptsache, eng

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 29.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 13 SO 128/10 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 7 SO 80/10 B ER
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 3. November 2010 wird aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers
vom 27. Oktober 2010, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab
dem 01. November 2010 bis vorläufig 30. April 2011 Sozialhilfe im Ausland zu gewähren, wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Sozialhilfe für einen in
Costa Rica lebenden deutschen Staatsangehörigen.
Der 1953 geborene Antragsteller und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsteller) lebt seit 1999 in Costa Rica.
Seit Anfang 2000 leidet er an einer schweren Herzerkrankung, wegen der er sich im April 2003 in Deutschland
behandeln ließ. Anschließend kehrte er wieder nach Costa Rica zurück. Am 21.08.2009 beantragte er bei der
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in San José, Costa Rica Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. Den
Antragsunterlagen waren mehrere ärztliche Zeugnisse/Stellungnahmen beigefügt, wonach ein Verbleib des
Antragstellers in Costa Rica gesundheitsfördernd und lebensverlängernd sei.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.11.2009 unter Hinweis auf § 24 Zwölftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab. Der Antragsteller sei nicht gehindert, das Aufenthaltsland zu verlassen und nach
Deutschland zurückzukehren. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit
Widerspruchsbescheid vom 15.03.2010 zurück.
Am 03.05.2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben sowie einstweiligen Rechtsschutz
beantragt. Zunächst habe er von seinen Ersparnissen gelebt. Diese seien aber im Sommer 2009 zur Neige gegangen.
Dann habe er seine Möbel verkauft und im August 2009 noch ca. 600,00 US-Dollar besessen. Seit Herbst 2009 habe
er keinen festen Wohnsitz mehr und wohne teilweise bei Bekannten für wenige Tage, teilweise campiere er im Freien.
Er sei in der sozialen Hilfskasse Costa Ricas krankenversichert. Darüber werde aber nur eine ärztliche
Grundversorgung gewährleistet. Der Antragsteller hat ein ärztliches Attest vom 09.04.2010, unterzeichnet von Dr. A1,
vorgelegt, wonach er an erweiterter Myokardiopathie ischämischer Genese leide, weshalb ihm in Deutschland ein
Herzdefibrillator eingesetzt worden sei. Die Herzleistung sei um 15 % gemindert. Er sei dadurch stark behindert und
leide infolge seiner Krankheit unter einer starken Minderung seiner Lebensqualität sowie unter Depressionen und
konstanten Angstzuständen. Ihm sei bereits eine Herztransplantation nahegelegt worden, doch auf Grund seines
gegenwärtig bestehenden Herzleidens und seiner beeinträchtigten emotionalen Verfassung könne er mit keinem
Verkehrsmittel in sein Heimatland Deutschland reisen.
Mit Beschluss vom 10.05.2010 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
dem Antragsteller ab 03.05.2010 bis vorläufig 31.10.2010 Sozialhilfe im Ausland zu gewähren. Zwar sei eine
längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 24 Abs. 1
Nr. 2 SGB XII nicht gegeben. Die Vorschrift sei jedoch grundrechtsorientiert auszulegen. Weil vorliegend ein Transport
des Antragstellers nach Deutschland lebensbedrohlich sei, sei der Antragsteller auf Grund der Schwere der
Pflegebedürftigkeit nicht in der Lage, die Rückreise nach Deutschland anzutreten.
Mit Schreiben vom 27.10.2010, durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland San José an das SG Leipzig
übermittelt, hat sich der Antragsteller erneut mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das SG
gewandt und beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem
01.11.2010 bis vorläufig 30.04.2011 Sozialhilfe im Ausland zu gewähren. Die bisherige einstweilige Anordnung laufe
zum 31.10.2010 aus. Er sei ohne Sozialhilfe völlig mittellos. Sein gesundheitlicher Zustand sei gleichbleibend kritisch
und er sei weiterhin reiseunfähig. Mit Beschluss vom 03.11.2010 hat das SG den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 01.11.2010 vorläufig bis 30.04.2011 weiter Sozialhilfe im
Ausland zu gewähren, und auf die Gründe seines Beschlusses vom 03.05.2010 Bezug genommen. Anhaltspunkte
dafür, dass sich an dem Gesundheitszustand des Antragstellers seitdem etwas geändert hätte, bestünden nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 08.11.2010. Der angefochtene Beschluss des SG sei
schon deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil vor der Einholung gerichtlichen Rechtsschutzes keine Entscheidung
der Verwaltung beantragt worden sei, obwohl der Antragsgegner den Antragsteller auf die Notwendigkeit eines
Folgeantrages hingewiesen habe. Weder die persönlichen noch die sachlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz
2 SGB XII seien nachgewiesen, weshalb es bei dem Grundsatz verbleibe, dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Ausland hätten, keine Leistungen erhielten. Auch wenn der Antragsteller an Herzinsuffizienz leide und
einen Herzschrittmacher trage, sei keine Reise- bzw. Transportunfähigkeit nachgewiesen. Vielmehr zeuge das vom
Antragsteller an den Antragsgegner ebenfalls herangetragene Begehren auf Kostenübernahme für ein Fahrrad nebst
Regenbekleidung, Beleuchtung und Helm sowie Laufschuhen von einen Gesundheitszustand, der es dem
Antragsteller ermögliche, offensichtlich neben diversen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln (die einfache Fahrt
zur Botschaft dauere fünf Stunden) aktiv Sport zu treiben. Ferner stehe die behauptete Aussage zur
Transportunfähigkeit auch im Widerspruch zu allen bislang vorliegenden ärztlichen Attesten, die sich lediglich für
einen Verbleib des Antragstellers in Costa Rica wegen des günstigen Klimas aussprächen, eine Rückkehr jedoch für
möglich erachteten, da die befürchtete Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei Rückkehr mit dem in
Deutschland vorherrschenden Klima begründet werde und diese nicht Folge des Transports sei.
Der Antragsgegner beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 03.11.2010 aufzuheben und den Antrag
des Antragstellers auf Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 SGB XII abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus
beiden Rechtszügen verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das SG hat die Voraussetzungen für den Erlass der
begehrten einstweiligen Anordnung zu Unrecht bejaht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG bereits vor
Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die
Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der
Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert
werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der
einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Ast. nicht schon in
vollem Umfang das gewähren, was er im Hauptsacheverfahren erreichen kann. Die summarische Prüfung kann sich
insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., § 86b RdNr. 16c; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 – L 9 B 192/08
KR ER), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in Hk-SGG, 2. Aufl., §
86b RdNr. 42). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden können und wenn sich das Gericht in solchen Fällen an den
Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist
eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist aufgrund einer
Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).
Letzteres bestätigend hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 25.02.2009 – 1 BvR 120/09 weiter ausgeführt,
dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso
weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung
vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind. Art 19 Abs. 4 Grundgesetz verlange auch bei Vornahmesachen
jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare
Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage
wäre.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle
Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des
Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – unzumutbar erscheinen lässt, den
Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg u.a.,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, RdNr. 108 m.w.N.; ähnlich: Krodel, NZS 2002,
234 ff). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher
Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig
erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der
Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller,
a.a.O., § 86b RdNr. 27a).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sie sich in einer
Wechselbeziehung zueinander, in welcher die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender
Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein
bewegliches System (HessLSG, Beschluss vom 29.09.2005 – L 7 AS 1/05 ER; Keller, a.a.O., § 86b RdNrn. 27 und
29 m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf
einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes
Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich
die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund
verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der
Sach- oder Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege
einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher
zuzumuten ist.
Hieran gemessen hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht.
Einer vorläufigen Leistungsgewährung steht zunächst der Leistungsausschluss des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII
entgegen. Nach dieser Vorschrift erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine
Leistungen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann hiervon im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer
außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus
folgenden Gründen nicht möglich ist: 1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland
bleiben muss,
2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder
3. hoheitliche Gewalt.
Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII regelt somit im Grundsatz, dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen
Aufenthalt – wie hier der Kläger – im Ausland haben, keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten; regelmäßig wird einem
Hilfesuchenden vielmehr die Rückkehr nach Deutschland abverlangt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom
21.12.2005 – L 7 SO 4166/05 ER-B – FEVS 57, 403 und Beschluss vom 17.06.2008, L 7 SO 2489/07 ER; BT-Drucks.
15/1761, S. 6 zu § 24 Abs. 1). Durch die mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das
Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) bereits mit Wirkung vom 01.01.2004 in Kraft gesetzte Vorschrift
des § 24 SGB XII (vgl. Art. 70 Abs. 2 Satz 2 a.a.O.) wurde die bis dahin geltende Regelung in § 119 des
Bundessozialhilfegesetzes – BSHG – (eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung des föderalen
Konsolidierungsprogramms vom 23.06.1993 (BGBl. I S. 944)) abgelöst, die die Hilfeleistung an Deutsche mit
gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland – in Abkehr zum früheren Rechtszustand – unter die Voraussetzung einer
besonderen Notlage gestellt hatte (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 105, 44; BVerwG Buchholz
436.0 § 119 BSHG Nr. 5). Ein erneuter Paradigmenwechsel ist mit dem hier anzuwendenden § 24 SGB XII
eingetreten. Nunmehr sind Sozialhilfeleistungen in das Ausland nicht mehr (bloß) an einschränkende
Voraussetzungen geknüpft, sondern im Regelfall überhaupt ausgeschlossen (vgl. Hohm in
Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 24 RdNr. 3; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNrn. 3, 19 f.).
Ausnahmen hiervon sind nur zugelassen, soweit eine außergewöhnliche Notlage unabweisbar ist und darüber hinaus
aus bestimmten, in § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abschließend aufgezählten objektiven Gründen eine Rückkehr in das
Bundesgebiet nicht möglich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.2005; Hohm in
Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O.; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 8; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr.
25; Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., § 24 RdNr. 24; Baur in Mergler/Zink, SGB XII, § 24 RdNr. 19).
Dass der dort genannte Katalog der Ausnahmegründe keiner Erweiterung zugänglich ist, ergibt sich bereits aus dem
eindeutigen Wortlaut der vorbezeichneten Bestimmung sowie ihrem systematischen Zusammenhang mit § 24 Abs. 1
Satz 1 SGB XII; diese Wertung entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der die Sozialhilfegewährung an Deutsche
im Ausland – als Reaktion auf die nach seinem Dafürhalten als teilweise sehr weit ausgelegte Rechtsprechung der
Instanzgerichte zur "besonderen Notlage" im Sinne des § 119 BSHG – durch die Neufassung von § 24 SGB XII auf
außergewöhnliche Notlagen in den "drei in § 24 Abs. 1 genannten Ausnahmefällen" beschränkt sehen wollte (vgl. BT-
Drucks. 15/1761 S. 6 zu Art. 1 (§ 24 Abs. 1 bis 6)). Sozialhilfe soll mithin – auch in Ansehung des völkerrechtlich
verankerten Territorialitätsprinzips (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.09.2008 – L 15 B 172/08 SO ER
–; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 1) – grundsätzlich nur noch im Inland und lediglich in eng begrenzten
Einzelfällen in das Ausland gezahlt werden. Wegen des abschließenden Charakters des Katalogs der
Rückkehrhindernisse in § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII spielen sonstige Gründe, z.B. die persönliche oder soziale
Verwurzelung im Ausland, das Alter des Hilfesuchenden oder eine nicht auf den Gründen des § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr.2
SGB XII beruhende Reiseunfähigkeit bzw. eine Pflegebedürftigkeit unterhalb der dort genannten Schwelle, ebenso
wenig eine Rolle wie Schwierigkeiten bei der Reintegration im Bundesgebiet oder zu erwartende Mehrkosten im Fall
der Rückkehr ins Inland (vgl. LSG Brandenburg, Beschluss vom 30.06.2005 – L 23 B 109/05 SO ER – FEVS 57, 177;
Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr. 28; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 8). Liegen allerdings die
Voraussetzungen des § 24 SGB XII vor, kann im Rahmen dieser Vorschrift auch eine Krankenbehandlung zu
übernehmen sein (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.06.2008 a.a.O.; Oberverwaltungsgericht (OVG)
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.04.1995 – 8 B 2426/94 –; Verwaltungsgericht (VG) Cottbus, Urteil vom
26.03.2003 – 5 K 2349/99 –; VG München, Urteil vom 15. Oktober 2004 – M 15 K 04.2701 – alle zitiert nach Juris).
Die Auslandssozialhilfe greift – wie bereits der Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sowie der abschließende
Charakter der Regelung zeigen – nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage ein; vielmehr
bedarf es einer sich hiervon deutlich abhebenden, außergewöhnlichen Notlage. Eine solche Notlage ist gegeben, wenn
ohne die Hilfeleistung an den im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller
Rechtsgüter droht, mithin Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen
Existenz (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG)) unmittelbar gefährdet sind (vgl. LSG Baden-
Württemberg, Beschluss vom 21.12.2005 und 17.06.2008 a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom
06.02.2006 – L 20 B 50/05 SO ER – und vom 02.03.2007 – L 20 B 119/06 SO ER –; LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 10.09.2008 a.a.O.; Bayer. LSG, Beschluss vom 08.09.2009 – L 18 SO 119/09 B ER –; Hohm in
Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., RdNr. 9; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr. 25; Berlit in LPK-SGB XII,
a.a.O., RdNr. 6; ferner zur restriktiven Auslegung des Merkmals des "besonderen Notfalls" in § 119 Abs. 1 BSHG
schon BVerwGE 105, 44; BVerwG Buchholz 436.0 § 119 BSHG Nrn. 4 und 5). Darüber hinaus muss die
außergewöhnliche Notlage – in weiterer Abgrenzung zum Begriff der "besonderen Notlage" in dem bis 31.12.2003
geltenden § 119 BSHG (vgl. hierzu nochmals BVerwGE 105, 44; BVerwG Buchholz 436.0 § 119 Nrn. 4 und 5) – im
Einzelfall unabweisbar, d.h. durch kein anderes Mittel als durch die begehrte Hilfeleistung zu beheben sein (vgl. LSG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.12.2005 und 17.06.2008 a.a.O.; ähnlich Hohm in
Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., RdNr. 13; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 7; ferner Schoenfeld in
Grube/Wahrendorf, a.a.O., RdNr. 21, der allerdings dem Merkmal der Unabweisbarkeit keine eigenständige Bedeutung
beimisst; ebenso Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr. 26). Als Mittel zur Behebung der Notlage kommt etwa die
Rückkehr nach Deutschland in Betracht, welche bei Eintritt der Bedürftigkeit vom Hilfesuchenden grundsätzlich
erwartet wird (vgl. BT-Drucks. 15/1761 S. 6 zu § 24 Abs. 1; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 8). Nur
ausnahmsweise kann im Einzelfall von diesem Grundsatz abgewichen werden, wenn kumulativ zu der
Leistungsvoraussetzung der "unabweisbaren außergewöhnlichen Notlage" eine Rückkehr nach Deutschland aus
einem der in § 24 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB XII abschließend genannten Hinderungsgründe nicht möglich oder
nicht zumutbar ist. Letztere Ausnahmegründe hat der Hilfesuchende in Abweichung von dem im Sozialhilferecht
geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) nachzuweisen (vgl. LSG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 06.02.2006 a.a.O.; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr. 27; Berlit in LPK-SGB XII,
a.a.O., RdNr. 8; Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, a.a.O., RdNr. 22). Im Ergebnis kann dahinstehen, ob der
Antragsteller ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass die Leistungsgewährung wegen einer außergewöhnlichen
Notlage unabweisbar ist, oder ob es vorliegend schon an der Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit im Allgemeinen
sowie der außergewöhnlichen Notlage im Sinne des § 24 SGB XII fehlt. Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft
gemacht, dass eine Rückkehr in das Inland aus den in § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB XII abschließend
genannten Gründen nicht möglich ist. Infrage steht allein ein Rückkehrhindernis auf Grund der Schwere der
Pflegebedürftigkeit (Nr. 2 Alt. 2). Bei der Auslegung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit ist zu berücksichtigen, dass
die Rückkehrhindernisse des § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sämtlich als objektive Hinderungsgründe zu verstehen sind,
die einer Rückkehr nach Deutschland entgegenstehen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Satzes 2 der
Formulierung "nicht möglich" anstatt "nicht zumutbar". Auch in den Gesetzesmaterialien wird eine objektive Hinderung
an der Rückkehr aus dem Ausland vorausgesetzt (BT-Drucks. 15/1761 S. 6). Hieraus folgt, dass eine Erkrankung
oder die Pflegebedürftigkeit des Betroffenen an sich einen Hinderungsgrund nicht begründen kann. Es müssen
tatsächliche Umstände hinzukommen, die eine Rückkehr objektiv unmöglich machen. Insoweit ist nicht auf die im
Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) festgelegten Pflegestufen abzustellen, sondern darauf, ob der Aufwand der
erforderlichen Pflege eine Rückkehr nicht zulässt (vgl. KSW/Coseriu, § 24 SGB XII, RdNr. 4). Eine Pflegebedürftigkeit
oder gar schwere Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes liegt beim Antragsteller nicht vor. Die vom Antragsteller
vorgetragene Reiseunfähigkeit ist, selbst wenn sie nachgewiesen wäre, der Pflegebedürftigkeit nicht gleichzusetzen
und begründet selbst auch keine Pflegebedürftigkeit (vgl. BayLSG, Beschluss vom 08.09.2009 L 18 SO 119/09 B ER,
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2010 L 7 SO 5106/07, RdNr. 29). Gesundheitliche Beeinträchtigungen
stehen einer Rückführung nur entgegen, wenn eine wegen der Schwere der Erkrankung erforderliche längerfristige
Aufnahme in eine stationäre Einrichtung oder aber das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit eine Heimkehr objektiv
unmöglich oder unzumutbar machen. Allein eine - vorliegend ohnehin nicht nachvollziehbar begründete -
Reiseunfähigkeit reicht mithin als Hinderungsgrund im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XII nicht aus.
Verfassungsrecht ist durch die gesetzgeberische Entscheidung, Sozialhilfe an Deutsche im Ausland nur noch in eng
begrenzten Ausnahmefällen zu zahlen, nicht verletzt (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2010, L 7
SO 5106/07, RdNr. 35; LSG Brandenburg, Beschluss vom 30.06.2005 a.a.O.; Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr.
23; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., RdNr. 8; Baur in Mergler/Zink, a.a.O., RdNr. 7). Die sich aus Art. 1 Abs. 1 GG
i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) ergebende Pflicht des Staates zur Gewährleistung eines
Existenzminimums (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a., NJW 2010, 505) erfordert von
Verfassungs wegen zwingend nur eine Hilfe, die die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins
sicherstellt (vgl. schon BVerfGE 40, 121, 133; 43, 13, 19; 82, 60, 80 f.). Dieser Maßstab ist bei der hier umstrittenen
Auslandssozialhilfe, welche – wie die Sozialhilfe überhaupt – nach ihrem Sinn und Zweck nur eine subsidiäre
Grundsicherung für jedermann in einer gegenwärtigen Notlage darstellt (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss
vom 12.06.1991 – 1 BvR 540/91, info also 1991, 154), nicht tangiert. Insoweit sind dem Gesetzgeber im Rahmen der
Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer
gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden können, weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt (vgl. BVerfGE 82,
60, 80 f.; 98, 169, 204; 100, 195, 205). Die Grenzen dieses weiten Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber hier
nicht überschritten. Dem einklagbaren Anspruch des Einzelnen auf das Existenzminimum ist zunächst dadurch
Rechnung getragen, dass dem Hilfesuchenden bei einer Rückkehr nach Deutschland bei Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzungen des § 19 i.V.m. §§ 27 ff. SGB XII Inlandssozialhilfe zusteht. Der Gesetzgeber konnte ferner in
Ansehung des Territorialitätsprinzips davon ausgehen, dass es grundsätzlich Aufgabe des Aufenthaltsstaates ist, im
Falle von Hilfebedürftigkeit für entsprechende Fürsorgeleistungen Sorge zu tragen (vgl. hierzu auch § 24 Abs. 2 SGB
XII). Soweit er sich dennoch, unter Durchbrechung des vorgenannten völkerrechtlich anerkannten Prinzips, vorrangig
aus sozialpolitischen Erwägungen (vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., RdNr. 1; Baur in Mergler/Zink,
a.a.O.) für die – rechtsvergleichend betrachtet wohl einzigartige (vgl. Schlette in Hauck/Noftz, a.a.O., RdNr. 4) –
Leistungserbringung an im Ausland in Not geratene deutsche Staatsangehörige entschieden hat, durfte er einen
solchen Sozialhilfeexport mithin auf unabweisbare, d.h. verfassungsrechtlich gebotene, Hilfeleistungen in
außergewöhnlichen Notlagen beschränken, in denen jegliche anderweitigen Unterstützungsmöglichkeiten versagen.
Ebenso wenig sind die durch Art. 2 GG verfassungsrechtlich geschützten persönlichen Freiheitsrechte dadurch
betroffen, dass den im Ausland lebenden deutschen Staatsangehörigen im Fall der Hilfebedürftigkeit regelmäßig die
Rückkehr nach Deutschland abverlangt wird. Das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist
schon deswegen nicht berührt, weil dieses nach seinem Gewährleistungsinhalt nur die tatsächliche körperliche
Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen – also z.B. Verhaftung, Festnahme und ähnliche Maßnahmen des
unmittelbaren Zwangs – schützt (vgl. BVerfGE 94, 166, 198; 96, 10, 21; BVerfG, Beschluss vom 13.12.2005 – 2 BvR
447/05 – NVwZ 2006, 579). In Betracht kommt deshalb allein das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
(Art. 2 Abs. 1 GG), das indes nicht vorbehaltlos, sondern im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet
ist; hierzu zählen auch sämtliche formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehende Rechtsnormen. Mit
Blick hierauf hat der Einzelne Einschränkungen seiner Handlungsfreiheit hinzunehmen, die im überwiegenden
Interesse der Allgemeinheit unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffen werden (vgl. BVerfGE 96,
10, 21; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.02.2001 – 1 BvR 781/98, DVBl. 2001, 892). Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit ist hier indessen gewahrt, denn die grundsätzliche Begrenzung der Sozialhilfe auf Leistungen im
Inland beruht auf sachgerechten Erwägungen. Der Gesetzgeber durfte die Gewährung von Auslandssozialhilfe im
Interesse des Gemeinwohls an der zweckgerichteten Verwendung der für staatliche Fürsorgeleistungen zur Verfügung
stehenden Mittel an strenge Voraussetzungen knüpfen; die für den Hilfesuchenden grundsätzlich bestehende
Rückkehrpflicht rechtfertigt sich daraus, dass regelmäßig nur im Inland die Überprüfbarkeit einer konkreten, aktuelle
Hilfebedürftigkeit zur Folge habenden Notlage hinreichend gewährleistet ist (vgl. hierzu auch LSG Brandenburg,
Beschluss vom 30.06.2005 a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 04.07.1991 – Bf IV 45/90, MDR 1992, 57).
Den schützenswerten Interessen des Hilfesuchenden wird dadurch Rechnung getragen, dass § 24 Abs. 1 Satz 2 Nrn.
1 bis 3 SGB XII Ausnahmegründe statuiert, bei deren vorliegen eine Rückkehr ins Inland nicht zugemutet wird. Selbst
wenn aber diese Hinderungsgründe eng formuliert sind und deshalb Fälle denkbar sein könnten, in denen über diese
Gründe hinaus dennoch eine Heimreise zunächst unmöglich oder unzumutbar erscheint, wird der Hilfesuchende im
Ausland in seiner Not nicht allein gelassen, weil insoweit – freilich zeitlich begrenzt – Hilfeleistungen nach § 5
Konsulargesetz in Betracht kommen können.
Des Weiteren ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Die bloße Behauptung völliger Mittellosigkeit ist insoweit nicht ausreichend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).