Urteil des LSG Sachsen vom 13.12.2000

LSG Fss: anhaltende somatoforme schmerzstörung, selbständige erwerbstätigkeit, berufsunfähigkeit, ausbildung, erwerbsfähigkeit, koxarthrose, erwerbsunfähigkeit, osteochondrose, invalidität

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.12.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 5 RA 129/96
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 152/98
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juli 1998 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.
Die am ... geborene Klägerin hat den Beruf einer Fachverkäuferin erlernt und war danach als Buchbinderin,
Mitarbeiterin in einer Brauerei, Küchenhilfe und Köchin beschäftigt. Von 1982 bis 1990 leitete sie eine HO-
Verkaufsstelle. Seit 1990 ist sie selbständig als Einzelhändlerin im Lebensmittelbereich tätig und betreibt einen
Bahnhofskiosk. Seit 18. Mai 1998 ist sie arbeitsunfähig. Das Gewerbe ist nicht abgemeldet.
Am 28. Dezember 1994 beantragte die Klägerin nach Durchführung einer medizinischen Rehabilitation in der
Medianklinik B ...-G ... in der Zeit vom 24. November bis 22. Dezember 1994 bei der Beklagten Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit. Im ärztlichen Entlassungsbericht der Rehaklinik vom 20. Januar 1995 wurden als
Diagnosen
- chronisch multisegmentales cervicocraniales Syndrom, - chronisch multisegmentales cervicobrachiales Syndrom
funktioneller Genese, - muskuläre Dysbalance, - Überlastungssyndrom, - psychosomatische Fehlentwicklung mit
vertebragener Schmerzsymptomatik, - Herzrhythmusstörungen
festgestellt. Nach erneuter Beurteilung der Halswirbelsäule sei aus orthopädischer Sicht im zuletzt ausgeübten Beruf
vollschichtige Leistungsfähigkeit unter den Einschränkungen Überkopfarbeiten, schweres Heben und Tragen sowie
einseitige Körperhaltungen zu erwarten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 23.
Februar 1995 ab. Hiergegen legte die Klägerin am 6. März 1995 Widerspruch ein, da sie unter ständigen Schmerzen
leide. Die Beklagte zog Befundberichte Dr. D ... und Dr. F ... bei. Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 30.
Juni 1995 schätzte Dr. B ... ein, dass die selbständige Tätigkeit halb- bis untervollschichtig ausgeübt werden könne.
Dr. C ... gelangte im orthopädischen Gutachten vom 26. September 1995 zur Einschätzung, dass die Tätigkeit als
Verkaufsstellenleiterin noch vollschichtig ausübbar sei. Mit Bescheid vom 26. Januar 1996 wies die Beklagte den
Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit der am 20. Februar 1996 beim Sozialgericht (SG) Leipzig eingegangenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren
weiter. Das SG hat einen Befundbericht der behandelnden Orthopädin B ...vom 14. Januar 1997 sowie
Krankenunterlagen und Gutachten des ... vom 26. April 1996 beigezogen. Das bekannte Krankheitsbild habe sich
nach erneuter beruflicher Belastung Anfang 1996 verschlechtert, da sie die frühere Tätigkeit in einem Imbiss wieder
aufgenommen habe. Ab 6. Mai 1996 bestehe Arbeitsfähigkeit. Im orthopädischen Gutachten des Chefarztes der
Orthopädie der MEDIAN Klinik ... L ... Dr. F ... vom 31. Dezember 1997 wurde eingeschätzt, dass die Klägerin trotz
Einschränkungen in der Lage sei, insbesondere die derzeit ausgeübte Beschäftigung als selbständige Leiterin und
Verkäuferin einer Imbissgaststätte weiter auszuüben. Das Leistungsvermögen sei im Vergleich zu geistig und
körperlich gesunden Versicherten im Beitrittsgebiet um 30 % gemindert. Als Diagnosen gab der Sachverständige
- zervikokraniales Syndrom (Migräne zervikale) bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule mit
Funktionseinschränkungen, - Osteochondrose der Brustwirbelsäule und lumbosakral mit statischen Beschwerden, -
psychosomatische Funktionsstörungen
an.
Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 15. Juli 1998 abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, die
zuletzt ausgeübte selbständige Tätigkeit als Leiterin und Verkäuferin einer Imbissgaststätte vollschichtig, also etwa
acht Stunden täglich, auszuüben. Es seien Berufsunfähigkeit und demzufolge Erwerbsunfähigkeit und Invalidität nicht
gegeben. Die Wirbelsäulenerkrankungen stünden im Vordergrund. Seit August 1995 befinde sich die Klägerin nicht
mehr in psychologischer oder neurologischer Behandlung und die psychosomatischen Funktionsstörungen seien nach
der Einschätzung des Sachverständigen Dr. F ... nicht derart gravierend.
Gegen das am 12. Oktober 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Oktober 1998 eingelegte Berufung. Die
Klägerin trägt vor, dass die vorliegenden Gutachten nicht genügend beachtet worden seien. Nach der Verhandlung
habe sich das Krankheitsbild weiter verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Leipzig vom 15. Juli 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.
Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1996 zu verurteilen, Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit/Invalidität ab 1. Januar 1995 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungsgründe des SG für zutreffend. Eine Leistungsminderung für körperlich leichte Tätigkeiten
sei nicht erkennbar. Sofern die Klägerin meine, in ihrer letzten Tätigkeit nicht mehr einsetzbar zu sein, so könne sie
aufgrund ihrer beruflichen Ausbildungskenntnisse auf die Beschäftigung einer kaufmännischen Bürohilfe verwiesen
werden.
Der Senat hat wie folgt ermittelt:
Das Gutachten des ... vom 29. Juli 1998 schätzte ein, dass die Klägerin voraussichtlich auf Dauer arbeitsunfähig sei.
Die Klägerin arbeite unverändert in ihrer Imbissstube und das Krankheitsbild hätte sich weiter verschlechtert. Eine
orthopädische Kontrolluntersuchung hätte jetzt auch eine Koxarthrose rechts ergeben. Die Erwerbsfähigkeit sei auf
Dauer erheblich gemindert und die Voraussetzungen zur Anwendung des § 51 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB
V) würden vorliegen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie N ... teilte am 24. Februar 1999 mit, dass sich die
Klägerin zuletzt am 29. August 1995 vorgestellt habe. Die Hausärztin Dr. F ... berichtete am 22. Februar 1999 über
stetige Verschlechterung der Beschwerden. Im Arztschreiben der DM B ..., Fachärztin für Orthopädie, an die
Hausärztin vom 30. Dezember 1999 sind diagnostiziert chronisch rezivierendes Zervikolumbalsyndrom bei
Osteochondrose C 6/6, Skoliose sowie erhebliche muskuläre Dysbalance und beginnende Koxarthrose rechts.
Darüber hinaus wurde ein gynäkologischer Befundbericht eingeholt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie
Prof. Dr. G ... berichtete am 21. Juli 2000 über schmerzhaft eingeschränkte Halswirbelsäulen-Bewegungen und
Druckempfindlichkeit der Halswirbelsäule. Motorisch und sensibel bestünden keine sicheren Ausfälle. Sie
diagnostizierte ein Zervikalsyndrom. Seit dem Erstbefund vom 4. August 1999 sei keine Änderung eingetreten.
Das neurologisch-psychiatrische Gutachten Dr. S ... vom 4. September 2000, auf welches wegen der weiteren
Einzelheiten verwiesen wird, teilte als Gesundheitsstörungen neben den Veränderungen vonseiten des Stütz- und
Bewegungsapparates, insbesondere der Halswirbelsäule, eine nicht unwesentliche psychosomatische Komponente
mit. Auf dem Hintergrund einer psychischen Konfliktkonstellation im beruflichen und im ehelichen Bereich sei es in
Verbindung mit degenerativen Erscheinungen an der Wirbelsäule sowie in geringem Umfang auch im Bereich des
rechten Hüftgelenkes zu einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung im Sinne der ICD 10, Diagnosen Nr. F
45.4, gekommen. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung bestehe ohne eindeutige Hinweise auf
sensomotorische Nervenwurzelreiz- bzw. Nervenwurzelausfallerscheinungen im Bereich der Arme oder Beine. Es
ergebe sich kein Anhalt für eine sonstige organische Erkrankung des Nervensystems. Die geklagte
Kopfschmerzsymptomatik sei zweifellos multifaktorieller Genese. Verwunderlich sei, dass von der aktuell
mitbehandelnden Nervenärztin zur Psyche überhaupt keine Stellung genommen worden sei, weder in Form eines
detaillierten psychischen Befundes noch in der Diskussion über eine mögliche psychische Mitbeteiligung an der
Entstehung des Beschwerdekomplexes. Anlässlich der Begutachtung hätte sich im Bereich der Halswirbelsäule eine
deutliche Bewegungseinschränkung mit Schmerzangabe im Sinne eines Zervikalsyndroms sowie ein lokales
Wirbelsäulensyndrom mit leichter Funktionsbeeinträchtigung sowie eine geringe Bewegungseinschränkung im Bereich
des rechten Hüftgelenkes mit Schmerzangabe (Koxarthrose rechts) mit aktuell geringer Funktionsbeeinträchtigung
ergeben. Die Klägerin sei trotz der genannten Gesundheitsstörungen in der Lage, Tätigkeiten leichter, gelegentlich
auch mittelschwerer Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Ferner seien Tätigkeiten als selbständige
Imbissverkäuferin vollschichtig möglich, sofern bestimmte schwerere körperliche Tätigkeiten von Mitarbeitern
verrichtet werden könnten. Erschwerend für eine derartige Tätigkeit sei die ständige Belastung des Stütz- und
Bewegungsapparates durch die vorwiegend stehende Tätigkeit, die allerdings wiederholt durch kurze Gehstrecken
aufgelockert und somit auch die Belastung variiert werden könne. Unter neurologischem Aspekt würden sich keine
Einschränkungen ergeben, da keine spezifische Symptomatik festgestellt werden könne. Eine Tätigkeit als
kaufmännische Bürohilfe mit Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen dürfte bei der vorhandenen Befundlage
vollschichtig möglich sein. Die durch Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat hervorgerufenen körperlichen
Beschwerden ließen sich durch entsprechende somatische Behandlungsmaßnahmen in der Auswirkung mindern.
Parallel müsste eine intensive psychotherapeutische Einflussnahme geschehen. Dies sei aufgrund der weitgehend
somatisch orientierten Behandlungsmaßnahmen einerseits und der distanzierten Haltung der Klägerin bezüglich
psychotherapeutischer Maßnahmen andererseits nicht realisiert worden. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit
sei dahingehend gemindert, dass der Neueinstieg in ein neues Berufsfeld nicht mehr bewältigt werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich jedoch als unbegründet.
Die angefochtenen Entscheidungen des Sozialgerichts und der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist
weder berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) noch erwerbsunfähig (§ 44
Abs. 2 SGB VI), noch invalide im Sinne des Art. 2 § 7 Abs. 3 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG).
Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI liegt bei der Klägerin nicht vor, weil ihre Erwerbsfähigkeit noch
nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich und geistig und seelisch
gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fertigkeiten gesunken ist.
Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen
Verdienst er aus einer Erwerbstätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Berufswerdegang und nach seinem
Gesundheitszustand zumutbar verwiesen werden kann (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12
AJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO). Zur Frage, welche Tätigkeiten einem Versicherten zugemutet werden
können, hat das BSG ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt, nach welchem, in Anlehnung an das für die
Arbeiterrentenversicherung, die Angestelltentätigkeiten in ungelernte Angestelltentätigkeiten, Tätigkeiten mit einer
Ausbildung bis zu zwei Jahren und Tätigkeiten mit einer längeren Ausbildung (durchschnittlich drei Jahre) eingeteilt
sind (vergleiche BSGE 58, 203 ff.; 55, 45 ff.; BSG SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Jeder Angestellte kann, wenn es
um zumutbare Verweisungstätigkeiten geht, jeweils auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe tiefer
einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Angestellter mit beruflicher Ausbildung kann demnach
auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Angestellter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden usw.
Vorliegend stellt sich indessen die Frage der Verweisbarkeit nicht, da die Klägerin nach den vorliegenden, insgesamt
übereinstimmenden ärztlichen Gutachten ihre gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit als selbständige Imbissverkäuferin
weiterhin vollschichtig ausüben kann. Die Klägerin betreibt diese selbständige Tätigkeit bereits seit 1990, so dass
diese Tätigkeit eine sichere Erwerbsgrundlage darstellt und sie somit auf diese selbständige Erwerbstätigkeit
verwiesen werden kann (vergleiche Kassler Kommentar - Niesel zu § 43 SGB VI Rn. 116 m.w.N.). Eine wesentliche
Verschlimmerung, insbesondere der orthopädischen und neurologisch-psychiatrischen Krankheitsbilder, ergibt sich
aus den ergänzenden vom Senat beigezogenen Befundberichten, Krankenunterlagen und Gutachten nicht. Aus dem
Befund der Orthopädin DM B ... vom 30. Dezember 1999 ergeben sich die bekannten Diagnosen und zusätzlich eine
beginnende Koxarthrose rechts. Bereits das aus dem Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholte
orthopädische Gutachten Dr. C ... vom 26. September 1995 schätzte vollschichtiges Leistungsvermögen für eine
Tätigkeit als Imbissverkäuferin ein. Das vom SG beigezogene Sachverständigengutachten Dr. F ... vom 31.
Dezember 1997 ging ebenfalls von einer Zumutbarkeit der vollschichtigen Beschäftigung als selbständige
Imbissverkäuferin aus.
Nach der Überzeugung des Senats besteht kein Rentenanspruch, da der Sachverständige auf nervenärztlichem
Gebiet Dr. S ... im Gutachten vom 4. September 2000 schlüssig und nachvollziehbar und insgesamt überzeugend
darstellte und begründete, dass die Klägerin trotz der genannten Gesundheitsstörungen in der Lage ist, Tätigkeiten
leichter, gelegentlich auch mittelschwerer Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und die Tätigkeit als selbständige
Imbissverkäuferin vollschichtig zu verrichten. Die auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehende anhaltende
somatoforme Schmerzstörung ohne eindeutige Hinweise auf sensomotorische Nervenwurzelreiz- bzw.
Nervenwurzelausfallerscheinungen im Bereich der Arme oder Beine ergibt nach der Einschätzung des
Sachverständigen unter neurologischem Aspekt keine Einschränkung, da keine spezifische Symptomatik festgestellt
werden konnte. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Gutachten, dass die somatischen und psychotherapeutischen
Behandlungsmaßnahmen noch nicht ausgeschöpft worden sind und dies unter anderem auch aufgrund der
distanzierten Haltung der Klägerin bezüglich derartiger Maßnahmen nicht realisiert werden konnte. Der Senat stellte
dazu fest, dass sich die Klägerin in der Zeit von 1995 bis August 1999 auch nicht in entsprechender fachärztlicher
Behandlung befunden hat, obwohl bereits in den Vorgutachten Hinweise auf die zu beachtende psychische
Komponente enthalten sind.
Das vom Senat beigezogene Sachverständigengutachten bestätigt somit das vollschichtige Leistungsvermögen der
Klägerin. Eine Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustandes ist insbesondere von der behandelnden Neurologin
und Psychiaterin seit August 1999 nicht mitgeteilt. Das vom Senat in Auftrag gegebene Gutachten schließt somit die
Zweifel dahingehend aus, dass bei der Klägerin vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte und zum Teil
mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gegeben ist und sie in der Lage ist, die selbständige
Tätigkeit vollschichtig auszuführen. Dem steht nach der Einschätzung des Senats nicht entgegen, dass zur
Verrichtung bestimmter schwerer körperlicher Tätigkeiten die Hilfe anderer Personen erforderlich ist. Der
Sachverständige hat sich umfassend und ausführlich mit den bei der Klägerin bestehenden Leistungseinschränkungen
auseinandergesetzt und schlüssig und nachvollziehbar dargestellt, in welcher Art und Weise sich diese
Funktionsstörungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin auswirken. Ausschließlich stehende Tätigkeiten
ohne Möglichkeit eines Positionswechsels sind unter Berücksichtigung der orthopädischen Komponente des
Beschwerdekomplexes möglichst zu meiden. Gleiches gilt nach Einschätzung des Sachverständigen für Tätigkeiten
mit häufigem Bücken, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Heben und Tragen schwerer bzw. mittelschwerer
Lasten. Somit ist ein dem Leistungsvermögen adäquater Arbeitsplatz vorhanden.
Da die Klägerin zumutbar auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden kann, sind die Voraussetzungen für
die Bewilligungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 SBG VI nicht gegeben. Ihre
Leistungsfähigkeit wird dabei in erster Linie durch orthopädische und nervenärztliche Beeinträchtigungen berührt.
Zweifel an der Wegefähigkeit der Klägerin bestehen nach den gutachterlichen Äußerungen nicht. Da die Klägerin nach
den medizinischen Berichten, Äußerungen und Gutachten vollschichtig einsetzbar ist und sonstige Einschränkungen,
die den Arbeitsmarkt verschlossen erscheinen ließen (BSG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 5 a RKN 18/3 SozR 2200 §
1247 RVO Nr. 43 -; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13 - 5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10) nicht
gegeben sind, liegt Berufsunfähigkeit nicht vor. Die Klägerin kann ihre selbständige Tätigkeit noch vollschichtig
ausüben und somit mehr als die Hälfte des Lohnes einer gesunden Vergleichsperson verdienen.
Desweiteren ist sie in der Lage, die vorsorglich benannte Verweisungstätigkeit als kaufmännische Bürohilfe zu
verrichten. Dazu verfügt sie auf Grund der langjährigen Tätigkeit im Handel über ausreichende Berufserfahrung und ist
dazu auch gesundheitlich in der Lage, wie der Sachverständige beurteilte. Die Tätigkeit einer Imbissverkäuferin ist
nach der Überzeugung des Senats einer Angestelltentätigkeit mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren zuzuordnen.
Die frühere höherwertige Tätigkeit als Fachverkäuferin und Verkaufsstellenleiterin ist aus anderen als gesundheitlichen
Gründen aufgegeben worden. Die Klägerin ist somit objektiv und subjektiv auf die gesamten Anlerntätigkeiten
verweisbar. Dabei würde es sich auch nicht um ein neues Berufsfeld handeln, sofern der Sachverständige Dr. S ...
ausführte, dass die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit gemindert ist und ein Neueinstieg in ein neues Berufsfeld
nicht mehr bewältigt werden kann.
Gemäß § 44 Abs. 2 Ziff. 1 SGB VI ist nicht erwerbsunfähig, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt. Zutreffend hat
das SG festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach §
44 SGB VI hat. Die Nichtausübung einer selbständigen Tätigkeit im Falle andauernder Arbeitsunfähigkeit ist eine
negative Anspruchsvoraussetzung, deren Nichterweislichkeit zu Lasten des Versicherten geht (BSGE 45, 238, 241).
Versicherte, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, fallen somit nicht unter den Schutzbereich des § 44 SGB
VI. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit steht dem Anspruch auf EU-Rente entgegen. Selbständigkeit liegt
nach ständiger Rechtsprechung des BSG vor, wenn eine Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
ausgeübt wird. Ob aus einer selbständigen Tätigkeit Gewinn erzielt wird, ist dabei unbeachtlich, solange das Gewerbe
angemeldet ist und der Gewerbebetrieb demnach fortbesteht. Vorliegend betreibt die Klägerin die selbständige
Tätigkeit trotz mitgeteilter Arbeitsunfähigkeit weiter. Die Arbeitsunfähigkeit nach dem Krankenversicherungsrecht
richtet sich jedoch nach anderen Kriterien als die Erwerbsunfähigkeit im Rentenrecht.
Aus der Beurteilung des Sachverständigen Dr. S ... ist die Schlussfolgerung zu entnehmen, dass die Klägerin die
selbständige Tätigkeit noch nicht auf Kosten der Gesundheit ausübt, stattdessen vollschichtiges Leistungsvermögen
für leichte- und gelegentlich mittelschwere Arbeit gegeben ist.
Die Voraussetzungen zur Bewilligung einer Rente wegen Invalidität im Sinne von Artikel 2 § 7 Abs. 3 RÜG liegen bei
vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ebenfalls nicht vor.
Weitere Ermittlungen, insbesondere in medizinischer Hinsicht, hält der Senat nicht für erforderlich. Der medizinische
Sachverhalt ist durch die Gutachten hinreichend aufgeklärt.
Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).