Urteil des LSG Sachsen vom 22.01.2002

LSG Fss: diabetes mellitus, innere medizin, arbeitsmarkt, gutachter, erwerbsunfähigkeit, wechsel, pause, invalidität, gonarthrose, coxarthrose

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.01.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 13 RJ 729/97
Sächsisches Landessozialgericht L 6 RJ 302/99
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. September 1999 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die am ... geborene Klägerin war von 1955 bis 1960 als Anlegerin in einer Spinnerei tätig. Hiernach war sie Arbeiterin
beim Fernsehwerk S ... und bei der "W ...". Von 1970 bis 1973 und 1980 bis 1985 war sie wiederum in einer Spinnerei
tätig. Dazwischen und von 1985 bis 1990 war die Klägerin Hausmeisterin. Zuletzt war sie von 1990 bis 1996 als
Reinigungskraft beschäftigt. Hiernach erhielt sie Krankengeld und ab 1997 Arbeitslosengeld. Seit Juni 2001 gewährt
ihr die Beklagte Altersrente.
Die Klägerin beantragte am 19.04.1996 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der
Beklagten. Diese zog einen ärztlichen Befundbericht von Dr. V ... vom 12.05.1996 bei und ließ die Klägerin durch Dr.
L ... am 15.10.1996 begutachten. Der Gutachter diagnostizierte Diabetes mellitus, Fettsucht und Struma diffusa und
sprach sich dafür aus, dass die Klägerin vollschichtig für ihre letzte Tätigkeit als Reinigungskraft einsetzbar sei.
Nachtarbeit sollte hierbei jedoch vermieden werden. Mit Bescheid vom 03.12.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung
einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ab, da mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten noch vollschichtig ausgeübt werden könnten. Ebenso wurde das Vorliegen von
Invalidität im Sinne des Art. 2 § 7 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) verneint.
Der Widerspruch der Klägerin vom 16.12.1996 wurde unter Berücksichtigung des Befundes der orthopädischen
Gemeinschaftspraxis Dipl.-Med. S .../L ... vom 16.12.1996 und der Epikrise des Kreiskrankenhauses K ... vom
13.01.1997 mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.1997 zurückgewiesen. Zwar könne die Klägerin nach
sozialmedizinischer Feststellung nicht mehr ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Reinigungskraft ausüben, jedoch
könne sie vollschichtig Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Nach ihrem beruflichen Werdegang sei
sie der Berufsgruppe des ungelernten Arbeiters zuzuordnen und somit verweisbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei grundsätzlich entbehrlich.
Mit der am 30.06.97 beim Sozialgericht (SG) Chemnitz eingegangenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren
weiter. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass sie an Rheuma und Kniebeschwerden leide und dass der
Ischiasnerv eingeklemmt sei. Daher falle ihr Treppensteigen und längeres Stehen sehr schwer. Auch könne sie die
Arme nicht mehr ganz nach oben heben.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Sachaufklärung eine Auskunft der zuständigen Krankenkasse eingeholt und
Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. V ... und Dipl.-Med. S ... Die behandelnde Orthopädin Frau Dipl.-Med. S ...
teilte in dem Befundbericht vom 04.11.1998 folgende Diagnosen mit: Cervikalsyndrom, Lumbalsyndrom, Coxarthrose,
Gonarthrose, Omarthrose rechts, Osteochondrose der Wirbelsäule, Spondylose und Gicht. Darüber hinaus wurde die
Klägerin im Auftrag des Sozialgerichts durch Herrn Dr. F ..., Facharzt für Arbeitsmedizin, begutachtet. Dr. F ...
diagnostizierte in dem Gutachten vom 03.08.1999 eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung ohne wesentliche
Einschränkungen der Beweglichkeit, Coxarthrose beiderseits mit beginnender Funktionseinschränkung, Gonarthrose
beiderseits ohne Einschränkung der Beweglichkeit, aber mit schmerzbedingter Funktionsbehinderung unter Belastung,
Diabetes mellitus ohne Komplikationen, Schlafapnoesyndrom, Gicht, Leberfunktionsstörung, Hyperlipidämie,
Adipositas, Varicosis beider Unterschenkel, Struma diffusa ohne Funktionsstörungen, Hörminderung rechts ohne
Einschränkung im umgangssprachlichen Bereich, und anamnestisch bestehende Hinweise auf Platzangst. Trotz
dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin jedoch Tätigkeiten leichter Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vollschichtig verrichten. Tätigkeiten als Reinigungskraft könnten aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung
sowie der Arthrose in den Hüft- und Kniegelenken nicht vollschichtig verrichtet werden. Der Klägerin sollte frei wählbar
ein Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen möglich sein. Häufiges Bücken, einseitige Körperhaltungen,
Arbeiten unter Zeitdruck, im Freien, auf Leitern und Gerüsten, häufiges Treppensteigen sowie das Heben und Tragen
schwerer und mittelschwerer Lasten müsse vermieden werden.
Mit Urteil vom 29.09.1999 wies das Sozialgericht Chemnitz die Klage ab. Die Klägerin sei weder berufsunfähig i. S. d.
§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB
VI noch invalide im Sinne des Artikel 2 § 7 Abs. 3 RÜG. Als Reinigungskraft sei die Klägerin allenfalls der Gruppe der
Angelernten des unteren Bereichs zuzurechnen und somit grundsätzlich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verweisbar. Derartige Tätigkeiten könne die Klägerin noch vollschichtig ausüben. Aus sämtlichen
vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten ergebe sich, dass sie durch die vorliegenden
Gesundheitsstörungen in ihrer Leistungsfähigkeit lediglich qualitativ, nicht jedoch quantitativ eingeschränkt sei.
Hierbei bezog sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. F ... Da die Klägerin auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt verwiesen werden könne, sei die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht erforderlich.
Gegen das der Klägerin mit Einschreiben vom 14.10.1999 zugestellte Urteil legte ihr Prozessbevollmächtigter am
12.11.1999 Berufung ein. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die bei der Klägerin bestehenden Leiden sich in
jüngster Zeit erheblich verschlechtert hätten. Dies betreffe insbesondere die Diabeteserkrankung mit einhergehender
Polyneuropathie sowie die Einschränkung am Bewegungsapparat. Zu beachten sei auch das komplexe
Zusammenwirken der verschiedenen Krankheitsbilder. Selbst leichte Tätigkeiten könne die Klägerin weder halb- noch
vollschichtig ausführen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.09.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 03.12.1996 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, hilfsweise Invalidität ab 01.04.1996 zu gewähren und den
Nachzahlungsbetrag mit 4 % Zinsen p.a. zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil weiterhin für zutreffend. Insbesondere ergäben sich keine Anhaltspunkte für
das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Die bei der Klägerin bestehenden
Leistungseinschränkungen gingen nicht wesentlich über das hinaus, was bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" mit
umfasst werde. Auch die Erforderlichkeit betriebsunüblicher Pausen könne nicht gesehen werden.
Zur weiteren Ermittlung des Leistungsvermögens der Klägerin wurde die Akte des Amtes für Familie und Soziales
Chemnitz beigezogen. Ferner wurde auf Antrag der Klägerin ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
von Frau Dipl.-Med S ... eingeholt. Frau Dipl.-Med. S ... stellte letztlich eine schmerzhafte Einschränkung der
Beweglichkeit, die das Altersmaß überschreitet, im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule, in beiden
Hüftgelenken und im rechten Schultergelenk fest. Außerdem wurden Hinweise auf eine Irritation des Ischiasnerven
rechts gefunden. Im Vergleich zum Vorgutachten vom August 1999 sei eine Progredienz der schmerzhaften
Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule wie der Lendenwirbelsäule, in beiden Hüftgelenken und in der rechten
Schulter zu verzeichnen. Insgesamt werde eingeschätzt, dass leichte Arbeiten im freien Wechsel der Körperhaltung
möglich seien. Ohne Gefährdung der Restgesundheit könnten berufliche Tätigkeiten zwei bis vier Stunden täglich
ausgeübt werden. Dieses Leisungsbild bestehe seit Beginn des Jahres 2000.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 06.04.2001 führte Frau Dipl.-Med. St ... aus, dass ihre Beurteilung auch
jetzt noch Geltung beanspruchen könne. Die zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf zwei bis vier
Stunden habe ihren Grund in der chronischen Erkrankung des Bewegungsapparates mit erheblicher
Funktionseinschränkung und erheblichem Funktionsschmerz.
Ferner wurde ein Befundbericht der behandelnden Internistin Dr. Schröder vom 26.03.2001 beigezogen. Hiernach
muss die Klägerin mindestens vier mal täglich ihren Blutzucker bestimmen und durch Insulin und Siofor 850
korrigieren. Außerdem liegt ein augenärztlicher Befund von Frau Dipl.-Med. K ... vom 04.04.2001 und ein HNO-
ärztlicher Befund von Frau H ... H ... vom 19.04.2001 vor.
Abschließend wurde die Klägerin durch Prof. Dr. Sch ..., Facharzt für Arbeitsmedizin, ambulant begutachtet. In dem
Gutachten vom 23.11.2001 führte er aus, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Begutachtung für
das SG Chemnitz verschlechtert habe. Seitens des Bewegungsapparates sei eine Bewegungseinschränkung des
rechten Schultergelenkes hinzugekommen. Ein Anheben des Armes über die Horizontale hinaus sei ebenso wie der
Nackengriff nicht möglich. Bezüglich des Diabetes mellitus sei eine Sensibilitätsstörung (Polyneuropathie) in den
Füßen als Komplikation hinzugetreten. In Zusammenschau aller Befunde seien der Klägerin leichte körperliche
Tätigkeiten zumutbar. Einschränkungen bestünden hinsichtlich Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband
sowie hinsichtlich Nachtschichttätigkeit. Auch Arbeiten mit Zwangshaltungen, wie Heben, Tragen und Bewegen von
sowie hinsichtlich Nachtschichttätigkeit. Auch Arbeiten mit Zwangshaltungen, wie Heben, Tragen und Bewegen von
Lasten, im Bücken, im Knien, auf Treppen, auf Leitern und Gerüsten oder an laufenden Maschinen seien nicht
möglich. Ebenso seien Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände voraussetzten sowie Arbeiten mit
besonderer Anforderung an das Gehör oder im Lärmbereich nicht möglich. Aufgrund des Diabetes mellitus seien
Zwischenmahlzeiten erforderlich. Aus diesem Grund sollte der Klägerin die Möglichkeit während einer Früh- bzw.
Spätschicht gegeben werden, zusätzlich je eine Pause von etwa 15 Minuten wahrzunehmen. Insgesamt könnten noch
Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen acht Stunden täglich verrichtet werden.
Mit Schriftsatz vom 14.01.2002 bzw. 17.01.2002 erkärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die
Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und im Übrigen zulässige Berufung erweist sich als nicht
begründet. Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs.
2 SGG.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit. Insofern wird Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des Sozialgerichts und
von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Maßstab für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit § 43 SGB VI in der bis
zum 31.12.2000 geltenden Fassung ist, da der Rentenantrag bereits im Jahre 1996 gestellt wurde und sich auf einen
Leistungsfall in diesem Zeitraum und damit vor dem 01.01.2001 bezieht (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Diese Fassung des
Gesetzes hat das SG zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Dabei ist es zu Recht davon ausgegangen, dass auf die Tätigkeit der Klägerin als Reinigungskraft als bisherigen
Beruf abzustellen ist.
Ebenso zutreffend sind die Ausführungen des SG zum positiven und negativen Leistungsbild der Klägerin. Das SG
stützt sich insoweit auf die Ausführungen des Gutachters Dr. F ..., welche im Wesentlichen durch das Gutachten von
Prof. Dr. Sch ... bestätigt werden.
Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Begutachtung
durch Dr. F ... tatsächlich verschlechtert hat. Dies wurde auch von Prof. Dr. Sch ... in seinem Gutachten vom
23.11.2001 festgestellt. Insbesondere sind Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus in Form von
Augenhindergrundsveränderungen und Nieren- und Beinnervenschädigungen aufgetreten sowie eine verstärkte
Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes hinzugekommen.
Dennoch ist die vom SG zugrunde gelegte Leistungseinschätzung weiterhin gültig. Bei Würdigung aller medizinischer
Befunde sind der Klägerin weiterhin leichte Tätigkeiten vollschichtig zumutbar. Der Senat folgt hierbei den
überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Sch ... Der Gutachter hat die Klägerin umfassend untersucht und auch die
von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Fachbefunde in die Beurteilung aufgenommen. Die bei der Klägerin
zahlreich vorliegenden Gesundheitsstörungen sind nicht geeignet das Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht
herabzusetzen. Den Gesundheitsstörungen wird jedoch dadurch Rechnung getragen, dass qualitativ gewisse
Einschränkungen beim Leistungsvermögen vom Gutachter vorgenommen wurden. So sind der Klägerin lediglich
Tätigkeiten im frei wählbaren Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen möglich. Auch bedingen die
Bewegungseinschränkungen eine qualitative Leistungsminderung im Hinblick auf Arbeiten unter Zeitdruck bzw. am
Fließband und hinsichtlich Arbeiten mit Zwangshaltungen. Der schmerzhaften Bewegungseinschränkung der
Schultergelenke wurde dadurch Rechnung getragen, dass Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände
voraussetzten, vom Gutachter nur mit Einschränkungen für möglich gehalten wurden. Ferner wurde die negative
Auswirkung von Schichtsystemen auf die Zuckererkrankung und von Arbeiten im Lärmbereich auf die Hörminderung
am rechten Ohr beachtet. Ebenfalls Berücksichtigung fand der intermittierende Schwindel unbekannter Genese, der
Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an den Gleichgewichtssinn ausschließt. Eine zeitliche Limitierung des
Leistungsvermögens der Klägerin ergibt sich aus diesen Gesundheitsstörungen jedoch nicht. Zwar leidet die Klägerin
an Schmerzen an der Wirbelsäule, den Hüftgelenken, den Kniegelenken und den Schultergelenken, doch gehen damit
im Wesentlichen keine ausgeprägten Funktionseinschränkungen einher. Lediglich im Bereich des rechten
Schultergelenkes konnte eine deutliche Funktionseinschränkung festgestellt werden. Die Wirbelsäule wies hingegen
keine über das Altersmaß hinausgehende Bewegungseinschränkung auf. Ebenso konnte im Bereich der Hüft- und
Kniegelenke lediglich eine beginnende oder keine wesentliche Funktionseinschränkung festgestellt werden. Auch
fehlen bei der Klägerin echte Nervenbeeinträchtigungen.
Soweit Frau Dipl.-Med. St ... in dem Gutachten nach § 109 SGG zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens auf
zwei bis vier Stunden gelangt, kann dies nicht überzeugen. Wie sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom
06.04.2001 ausführte, beruhte ihre Einschätzung vor allem auf der chronischen Erkrankung des Bewegungsapparates
mit erheblichen Funktionseinschränkungen und erheblichem Funktionsschmerz. Das Vorliegen von erheblichen
Funktionseinschränkungen konnte gerade nicht festgestellt werden. Nach den aktuellen Bewegungsmesswerten, die
am 01.10.2001 bei der Begutachtung erhoben wurden, geht das Funktionsdefizit nicht wesentlich über das Altersmaß
hinaus. Damit kann als leistungslimitierend lediglich noch der Funktionsschmerz angenommen werden. Dieser ist als
subjektive Größe kaum zu objektivieren. Allerdings wird weder von den behandelnden Ärzten eine übermäßige
Schmerzhaftigkeit beschrieben noch befindet sich die Klägerin in schmerztherapeutischer Behandlung. Daher kann
nicht angenommen werden, dass dem Schmerz eine zusätzliche leistungseinschränkende Funktion zukommt.
Der Kritik des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass das Gutachten von Prof. Dr. Sch ... den klägerseits zur
Verfügung gestellten Befundbericht von Frau Dipl.-Med. St ... vom 22.05.2000 außer Acht lasse, ist
entgegenzuhalten, dass dieser Befundbericht bereits Bestandteil der dem Gutachter übersandten Akte des LSG war.
Zwar hat Frau Dipl.-Med. St ... auch in diesem Befundbericht ausgeführt, dass sie die Klägerin für erwerbsunfähig
halte, doch hat sie hier zur Begründung neben den Veränderungen am Bewegungsapparat auch die physische und
psychische Beeinträchtigung durch das Schlafapnoesyndrom herangezogen. Insofern zog sie fachfremde Diagnosen
zur Beurteilung heran. Der Arbeitsmediziner Prof. Dr. Sch ... hat hingegen überzeugend dargelegt, dass nach dem
Befundbericht der Abteilung Innere Medizin des Krankenhauses K ... das Schlafaponoesyndrom gut eingestellt sei
und bei der Begutachtung keine Hinweise auf eine vermehrte Tagesmüdigkeit verzeichnet wurden. Im Übrigen ergaben
sich bei der Begutachtung auch keine psychischen Auffälligkeiten.
Mit diesem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten ist die Klägerin, die maximal als
angelernte Arbeiterin im unteren Bereich einzustufen ist, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Der konkreten
Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf es nicht.
Von diesem Grundsatz ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn bei Versicherten eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. In diesem
Fall kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an
sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist, (vgl. z. B. BSG
19.08.1997, Aktenzeichen 13 RJ 91/96). Dieser Tatbestand ist bei der Klägerin jedoch nicht erfüllt. Eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur dann vor,
wenn die Fähigkeit der Versicherten, zumindest körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten, zusätzlich in
erheblichem Umfang eingeschränkt ist. Für eine derartige zusätzliche erhebliche Einschränkung bestehen nach dem
medizinischen Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte. Die seitens der Sinnesorgane vorliegenden Einschränkungen
sind nicht so erheblich, als dass sie zusätzlich ins Gewicht fallen würden. Insbesondere ist nach den Feststellungen
des Gutachters der Klägerin Arbeit mit Publikumsverkehr weiterhin möglich.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen BU unter dem Gesichtspunkt der Verschlossenheit des
Arbeitsmarktes wegen der Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen. Zwar ist die Zuckererkrankung mittlerweile
insulinpflichtig und die Klägerin muss mindestens vier mal täglich Blutzucker bestimmen und Insulin injizieren, doch
ist dies innerhalb der gewöhnlichen Pausenzeiten möglich. Nach den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. Sch ...
benötigt sie in der Früh- bzw. Spätschicht lediglich eine zusätzliche Pause von etwa 15 Minuten neben einer
regelmäßigen Pause für die Mittags- oder Abendmahlzeit. Bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs bis zu neun
Stunden ist die Arbeit gemäß § 4 Arbeitszeitgesetz durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30
Minuten zu unterbrechen. Diese Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden, so
dass einer optimalen Zuckereinstellung nichts entgegenstünde (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 10.07.2000, L 3 RJ
53/98).
Da die Klägerin nicht berufsunfähig ist im Sinne des § 43 Abs. 2 (a. F.) ist, liegen auch die strengeren
Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 44 Abs. 2 SGB VI a. F.) nicht vor. Bei
vollschichtigem Leistungsvermögen ist ebenso eine Rentengewährung wegen Invalidität nach Art. 2 § 7 RÜG
ausgeschlossen.
Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem
ab dem 01.01.2001 geltenden Recht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).