Urteil des LSG Sachsen vom 22.06.2005

LSG Fss: arglistige täuschung, befund, kurzsichtigkeit, form, verdacht, tumor, erlass, kataraktoperation, post, anfang

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.06.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 2 BL 1/01
Sächsisches Landessozialgericht L 6 BL 6/03
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04.03.2003 sowie der Bescheid des
Beklagten vom 24.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2001 hinsichtlich des Zeitraums
01.08.1998 bis 30.09.1999 aufgehoben. II. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Nachteilsausgleich für hochgradig Seh-schwache nach Sächsischem
Landesblindengeldgesetz für den Zeitraum vom 01.08.1998 bis 30.09.1999. Unstreitig bestand für die Zeit bis zum
31.07.1988 und für die Zeit ab dem 01.08.2000 Anspruch auf Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache. Nicht
streitgegenständlich ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich vom 01.10.1999 bis zum 31.07.2000. In diesem
Zeitraum hat die Klägerin keine Leistungen erhalten; der Aufhebungsbescheid wurde in-soweit nicht angefochten. Die
am ...1927 geborene Klägerin beantragte am 04.09.1997 bei dem Beklagten Blindengeld und legte ein Pflegegutachten
bei, in welchem ein "geringes Sehvermögen" bescheinigt wurde, es bestehe ein verschwommenes Sehbild und eine
Gesichtsfeldein-schränkung links mit Lichtempfindlichkeit der Augen. Im April 1997 war ein Hirntumor diagnostiziert
worden. In dem Pflegegutachten war festgestellt werden, dass die Klägerin wegen des geringen Sehvermögens
hauptsächlich Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich benötige.Dem Beklagten wurde außerdem eine Kopie eines
Schreibens der Universität L ... – Augenklinik – vom 10.10.1997 übersandt, in welchem eingeschätzt wurde, dass eine
ope rationswürdige Katarakt links mehr als rechts bestehe, wobei die ausgeprägten myopen Netzhautveränderungen
sowie der Gesichtsfeldausfall insgesamt nur eine geringe post-operative Funktionsverbesserung erwarten lassen
könnten. Die Kataraktoperation am ers-ten Auge links sei für Anfang 1998 geplant. Die stationäre Aufnahme erfolge
am 16.01.1998Vom Beklagten wurden daraufhin die Voraussetzungen einer "hochgradigen Sehschwä-che" im Sinne
des Landesblindengeldgesetzes bejaht, da eine Störung des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliege,
dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von nicht mehr als 1/20 gleichzuachten seien. Es sei nämlich
entsprechend Nr. 46.4 der Anhaltspunkte ein GdB bzw. MdE-Grad nach § 30 Abs. 1 BVG von 100 zu bejahen,
wenngleich auch die Kriterien für eine Blindheit noch nicht erfüllt seien. Gleichzeitig wurde verfügt, nach einer evtl.
Kataraktoperation sei eine Nachprüfung erforderlich Mit Bescheid vom 02.04.1998 wurde der Klägerin daraufhin ein
Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache in Höhe von monatlich 100,00 DM bewilligt. Als Leistungsbe-ginn
wurde der 01.09.1997 festgesetzt. Auf Seite 4 des Bescheides wurde auf Mittei-lungspflichten hingewiesen. Der
Klägerin wurde mitgeteilt, dass sie verpflichtet sei, jede Änderung der persönlichen Verhältnisse, insbesondere auch
die Besserung der bestehen-den Behinderung anzuzeigen, wenn auf Grund dieser Behinderungen Leistungen nach
dem Landesblindengeldgesetz zustünden. In Klammern findet sich der Zusatz, dass zur Prüfung auch jede
diesbezügliche Operation mitzuteilen sei. Im Mai 1999 leitete der Beklagte von Amts wegen eine Überprüfung ein. Die
Klägerin wurde gebeten, auf einem Fragebogen bestimmte Fragen in Bezug auf eine mögliche Veränderung der
Behinderung mitzuteilen. Die Klägerin sandte den Fragebogen umge-hend ausgefüllt wieder zurück und teilte mit, dass
sie bei der Neurologin Frau Dr. B1 ... und bei der Augenärztin Frau DM S1 ... in Behandlung sei und dass sie sich in
Bad B ... in der Neurochirurgie und in der Augenklinik L ... befunden habe. Es sei eine Operation durchgeführt worden.
Der nächste Vorstellungstermin bei der Neurologin sei für den 23.08.1999 vereinbart worden. Die Frage, ob sich die
Behinderungen bisher verbessert haben, beantwortete die Klägerin nicht.Die daraufhin mitgeteilten Befunde erbrachten
eine Sehschärfenbestimmung von 0,6 (kor-rigiert) rechts und 0,2 (korrigiert) links. Die Gesichtsfeldeinschränkung
hatte sich links gegenüber dem Befund vom 17.07.1997 etwas verbessert, war aber immer noch deutlich schlechter
als der – unveränderte – Befund am rechten Auge.Nach versorgungsärztlicher Einschätzung waren deswegen die
Voraussetzungen für eine hochgradige Sehschwäche nunmehr zu verneinen. Die Klägerin wurde deswegen mit
Schreiben vom 07.09.1999 angehört, ihr wurde mitgeteilt, dass durch die am 19.01.1998 und am 23.02.1998 erfolgten
Augenoperationen und der daraus resultierenden Besserung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten
sei. Es sei daher beabsichtigt, den Bescheid vom 02.04.1998 mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben. Der Wortlaut dieser Vorschrift wurde mit-geteilt. Die
Klägerin teilte daraufhin mit, dass durch die im Januar und Februar 1998 erfolgten Kataraktoperation durch
Einpflanzung der künstlichen Linsen lediglich die angeborene Kurzsichtigkeit verbessert worden sei. Es sei ihr schon
vor der Operation mitgeteilt wor-den, dass diese nur eine geringe Verbesserung der Sehfähigkeit erbringen werden. Die
weiteren Beschwerden, bedingt durch einen im Mai 1997 operierten Hirntumor, der nach Aussage der Ärzte am
Sehnerv und Sehleiter gelegen habe, bestünden nach wie vor Ge-sichtsfeldeinschränkungen, ein schraffiert
unterbrochenes Erkennen von Zahlen und Buchstaben und vor allem erhebliche Nebelschleier vor beiden Augen,
sodass sie bei ver-schiedenen Verrichtungen des täglichen Lebens, wie zum Beispiel bei Einkaufen, Schrift-verkehr
usw. fremde Hilfe benötige. Sie komme nur in der Wohnung alleine zurecht. Mit Bescheid vom 24.02.2000 hob
daraufhin der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 02.04.1998 mit Wirkung ab 01.08.1998 insoweit auf, als ab
diesem Zeitpunkt kein Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Landesblinden-geld
mehr zustehe. Der für den Zeitraum 01.08.1998 bis 30.09.1990 gezahlte Nachteilsausgleich mit einer Gesamthöhe
von 1.400,00 DM sei zu erstatten. Mit dem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass auch beim besseren Auge
immer noch ein erheblicher Nebel davorliege, der sich durch die im Mai 1997 erfolgte Tumor-operation immer noch
nicht gegeben habe und sich schon bei geringer Belastung verstär-ke. Im Reha-Abschlussbericht sei der Verdacht auf
eine apperzeptive visuelle Agnosie erwähnt worden.Frau Dr. B1 ... teilte dem Beklagten mit, dass im Vordergrund des
Beschwerdebildes bei der Klägerin derzeit die komplexe Sehstörung stehe. Es liege eine Kurzsichtigkeit, eine
Erhöhung des Augeninnendrucks sowie eine Trübung im Linsenapparat vor. Darüber hinaus sei im Zusammenhang
mit der Hirntumorerkrankung das Gesichtsfeld einge-schränkt und auch die zentrale Sehleistung beeinträchtigt. Dies
habe zur Folge, dass die Klägerin zum einen das Geschehen unscharf und unvollständig mit den Augen aufnehme
und zum anderen diese geringe Information dann mit ihrem Gehirn nicht richtig verarbei-ten könne. Es bestehe eine
homonyme Hemianopsie links, eine Visusminderung bei Kurzsichtigkeit, ein Katarakt, ein Glaukom und der dringende
Verdacht einer apperzepti-ven visuellen Agnosie.Vom Beklagten wurde daraufhin eine augenärztliche Untersuchung
durch Dr. W1 ... in Auftrag gegeben, welcher nunmehr wieder ab der durchgeführten Untersuchung am 16.08.2000 die
Voraussetzungen für eine hochgradige Sehschwäche bejahte.Mit Teil-Abhilfebescheid vom 14.09.2000 bewilligte der
Beklagte daraufhin wiederum Leistungen für hochgradige Sehschwäche ab dem 01.08.2000.Der Widerspruch wurde im
Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2001 als un-begründet zurückgewiesen. Für die Beurteilung des
Sehvermögens komme es in erster Linie auf die korrigierte Seh-schärfe (Prüfung mit Gläsern) an. Daneben seien
Ausfälle des Gesichtsfeldes und des Blickfeldes zu berücksichtigen. Dabei müsse der morphologische (organische)
Befund des Sehorgans die Sehstörung erklären. Eine ganzheitliche Beurteilung der Sehfähigkeit in Form der
Einbeziehung zentraler hirnorganischer Störung der Erkennungsfähigkeit sei nach den vorgegebenen
Bewertungskriterien der Anhaltspunkte nicht möglich. Diese Stö-rungen lägen außerhalb der optischen Bahn und
könnten deshalb nicht in die Beurteilung einbezogen werden. Der Verdacht einer visuellen Agnosie spreche daher
gerade gegen hochgradige Sehschwäche im Sinne des Landesblindengeldgesetzes.Der versorgungsärztlichen
Feststellungen zufolge sei am 17.07.1998 auf dem besseren rechten Auge eine Sehschärfe von 0,5, also mehr als
1/20 (0,05) gemessen worden. Eine Gesichtsfeldeinschränkung von einem solchen Schweregrad, der eine
Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/20 (0,05) gleichzuachten wäre, habe nach den Ergebnissen der durchge-führten
Gesichtsfeldbestimmung nicht festgestellt werden können. Erst auf Grund des Befundes vom 16.08.2000 habe erneut
hochgradige Sehschwäche im Sinne des Landes-blindengeldgesetztes festgestellt werden können. Die
Leistungsbewilligung sei deswegen nach der zwingenden Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft
aufzuhe-ben gewesen, wie es auch mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.02.2000 in Gestalt des Teil-
Abhilfebescheides vom 14.09.2000 für den Zeitraum 01.04.2000 bis 31.07.2000 geschehen sei. Der Klägerin sei der
Vorwurf zu machen, dass sie grobfahrlässig ihrer Mit-teilungspflicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht
nachgekommen sei. Sie sei in dem Bewilligungsbescheid unmissverständlich darüber belehrt worden, dass sie
bestimm-te für den Leistungsumfang wesentliche Umstände, insbesondere auch jede diesbezügli-che Operation
mitzuteilen habe. Sie habe jedoch dies erst anlässlich einer Nachprüfung von Amts wegen am 27.05.1999 getan. Mit
der Klage zum Sozialgericht Leipzig brachte die Klägerin vor, bereits ihren Antrag vom September 1997 habe sie mit
einer dauerhaft funktionalen Sehstörung im Zusam-menhang mit einer Hirntumorerkrankung begründet und nicht mit
einer verminderten Sehschärfe von mehr als 1/20. Anderslautende Begründungen, zum Beispiel von augen-ärztlichen
Fachärzten seien ihr zum Antrag nicht bekannt und seien ihr auch nicht kund-getan worden. Die in den verschiedenen
Stellungnahmen zu Grunde gelegten Daten in Bezug auf Veränderungen der Sehschärfe auf beiden Augen möchte sie
weder bestätigen noch anzweifeln, sie belegten aber gerade nicht den Veränderungsprozess einer komple-xen
Sehstörung und der damit verbunden hochgradigen Sehschwäche. Die Sehstörungen bestünden in ihrem Fall in der
Form von stark eingeschränktem bildlichen Erkennen des fixierten Punktes /Bildes und des Umfeldes, daher müsse
sie aus dem Gedächtnis heraus mehr raten, wer und was es sein könne. Außerdem lägen erhebliche Gesichtsfeldein-
schränkungen und eine belastungsabhängige Sehschärfe vor. Diese Sehstörungen hätten mit den 1998
durchgeführten Operationen weder gemindert noch beseitigt werden. Der Befundbericht der Neurologin vom
20.04.2000 weise auch für den strittigen Zeitraum einen unveränderten Befund aus. Das Sozialgericht hat die Klage
mit Urteil vom 04.03.2003 abgewiesen. Der Klägerin sei der Vorwurf zu machen, die Operation nicht mitgeteilt zu
haben. Die Mitteilungspflicht bestehe in jedem Fall und unabhängig davon, ob die Operation eine Besserung des Zu-
standes bewirke oder nicht. Die neurologischerseits bestehende Beeinträchtigung werde nach dem Landesblinden-
geldgesetz nicht berücksichtigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie führt aus, dass sie keinen Grund
gesehen habe, die Operation anzuzeigen, da der Antrag vom September 1997 sich auf die Tumor-OP-bedingte
Sehstörung bezogen habe und nicht auf den Grauen Star. Sie sei un-ter anderem wegen der erheblichen
Einschränkung der Wahrnehmung nach der Tumor-OP aus der Reha-Klinik Bad L ... als Pflegefall entlassen worden.
Sie sei 100 % schwerbehindert unter anderem mit den Zeichen "H" und "P". Die Klägerin beantragt,das Urteil des
Sozialgerichts Leipzig vom 04.03.2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24.02.2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 08.01.2001 aufzuheben, soweit darin 1.400,00 DM zurückgefordert werden.Der
Beklagte beantragt,die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 04.03.2003
zurückzuweisen.Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogene
Landesblindengeldakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Einer nachträglichen Aufhebung der Bewilligung stehen Gesichtspunkte des Vertrauens-schutzes entgegen. Zum
Zeitpunkt der Bewilligung am 02.04.1998 waren die Augenoperationen bereits durchgeführt worden, auf deren "grob
fahrlässige Nichtmitteilung" das Sozialgericht die klageabweisende Entscheidung gestützt hat. Tatsächlich hatte die
Klägerin aber bei An-tragstellung veranlasst, dass dem Beklagten ein Schreiben der Augenklinik übersandt wur-de,
aus welchem hervorging, dass die Operationen für Anfang 1998 geplant waren. Durch den Bewilligungsbescheid vom
02.04.1998 konnte also nicht mehr eine Pflicht be-gründet werden, diese bereits abgeschlossene Operation als
"wesentliche Änderung der Verhältnisse" im Sinne des § 48 SGB X mitzuteilen. § 48 Abs. 1 SGB X hat als
Vorausset-zung, dass seit dem Erlass des Verwaltungsaktes (bzw. genauer: bei seiner Aufgabe zur Post, vgl.
KassKomm-Steinwedel § 48 SGB X Rn. 13) eine wesentliche Änderung einge-treten ist. Diese Regelung trägt dem
Rechtsgedanken Rechnung, dass der Bürger, der einen formel-len Bescheid erhält, sich grundsätzlich – wenn nicht
bestimmte Ausnahmetatbestände vor-liegen – darauf verlassen kann, dass diesem Bescheid auch die aktuelle Sach-
und Rechts-lage zu Grunde liegt. Ausnahmetatbestände im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X lagen im Falle der
Klägerin nicht vor: Die Klägerin hatte den Bewilligungsbescheid weder durch arglistige Täuschung, Drohung oder
Bestechung erwirkt noch hatte sie vorsätzlich oder grob fahrlässig bei An-tragstellung in wesentlicher Beziehung
unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht. Der vorliegende Fall hat darüber hinaus die Besonderheit, dass nach
übereinstimmender, wenn auch nicht explizit erklärter Rechtsauffassung der Beteiligten die Operationen gar nicht den
Charakter einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse hatten, denn sie wirkten sich jedenfalls zunächst nicht
anspruchsvernichtend aus. Somit war der Bescheid vom 02.04.1998 ursprünglich rechtmäßig, einer Anwendbarkeit
von § 45 SGB X, der die Rück-nahme eines ursprünglich rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes regelt,
schei-det damit aus.
Konsequenterweise hat daher der Beklagte auch die Aufhebungsentscheidung auf eine erst im Juni 1998 erfolgte
Verbesserung der Sehschärfe gestützt. Gleichwohl wurde der Kläge-rin nicht zum Vorwurf gemacht, dass sie diese
Verbesserung der Sehschärfe nicht mitge-teilt habe, vielmehr wurde die Nichtmitteilung der Operation als ein
Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X angesehen, wobei es hier auch nach Auffassung des Beklag-ten
allenfalls eine Fernwirkung dieser Operation war, die eine Verneinung des Anspruchs auf Nachteilsausgleich für
hochgradig Sehschwache begründete. Die Operation selbst brauchte aber aus mehreren Gründen nicht mehr
bestätigend in dem Sinne, dass sie nun-mehr also, wie angekündigt auch tatsächlich durchgeführt worden sei,
mitgeteilt zu wer-den: - die Operation stellte keine wesentliche, also rechterhebliche Änderung der Verhältnisse dar, -
selbst wenn man – anders als der Beklagte – die Operation als wesentliche Änderung der Verhältnisse hätte ansehen
wollen, hätte sich die Pflicht zur Mitteilung nicht aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X herleiten lassen können, denn
es hätte sich insoweit nicht um eine Änderung der Verhält-nisse nach Erlass des Verwaltungsaktes gehandelt, - eine
Mitteilungspflicht zwischen Antragstellung und Bewilligung ergibt sich auch nicht aus § 45 Abs. 2 Satz 3 Ziffer 2 SGB
X, denn diese Norm findet nur für so genannte ursprünglich rechtswidrige Verwaltungsakte Anwendung. Der Klägerin
kann nicht zum Nachteil gereichen, dass der Beklagte nicht vor Erlass des Bewilligungsbescheides das Ergebnis der
an-gekündigten Operation eingeholt hat.
Eine Aufhebung wäre daher nur in Betracht gekommen, wenn man der Klägerin hätte vor-werfen können, sie habe die
Verbesserung der Sehleistung im Juli 1998 zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Die Untersuchung vom
17.07.1998 bei Frau Dr. S1 ... erbrachte zwar eine Sehschärfe von rechts 0,5 und links 0,2, die also auch
größenordnungsmäßig nicht mehr im Grenzbereich zur hochgradigen Sehschwäche liegt, andererseits teilte aber auch
Frau Dr. S1 ... mit, dass die Visusangaben sehr zögernd, unsicher und schwankend seien und dass eine korrekte
Beurteilung wahrscheinlich nur im Zusammenhang mit dem neurologischen Befund mög-lich sei. Vor diesem
Hintergrund kann der Klägerin nicht einmal der Vorwurf der leichten Fahrläs-sigkeit gemacht werden, wenn sie diesen
– ihr sehr wahrscheinlich explizit mitgeteilten – Befund über die Sehschärfe nicht von sich aus sofort an den
Beklagten weiterleitete. Die Staroperation hatte ein Augenleiden betroffen, das für den Anspruch nicht ursächlich
gewesen war. Ursächlich waren die Komplikationen im Zusammenhang mit dem Hirntu-mor, dies war der
entscheidende Grund für den Eintritt der hochgradigen Sehschwäche und ist es noch. Der Senat glaubt der Klägerin,
dass ihre Sehstörungen im Prinzip durchgehend seit der Tumoroperation in der Form von stark eingeschränktem
bildlichen Erkennen des fixierten Punktes/Bildes und des Umfeldes bestehen und dass die Klägerin daher mehr aus
dem Gedächtnis heraus rät, um was es sich handeln könne. Der Senat glaubt auch der Klä-gerin und sieht dies durch
die Befundberichte bestätigt, dass die Sehschärfe je nach Belas-tung stark schwankt. Es kann dahingestellt bleiben,
ob tatsächlich durch die an sich das Grundleiden nicht betreffenden Staroperationen für eine Zwischenzeit die
ob tatsächlich durch die an sich das Grundleiden nicht betreffenden Staroperationen für eine Zwischenzeit die
Voraussetzun-gen für Leistungen nach den Landesblindengeldgesetz entfielen, da der Zeitraum, in wel-chem die
Klägerin keine Leistung erhalten hat und für den sie auch keine zurückzahlen muss, nicht streitgegenständlich ist. Für
den streitgegenständlichen Zeitraum entfällt ein Rückzahlungsanspruch aus verwaltungsverfahrensrechtlichen
Gründen: Der Klägerin kann weder der Vorwurf gemacht werden, eine – als rechtserheblich unter-stellte – Änderung
der Sehschärfe im Juli 1998 nicht mitgeteilt zu haben (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X), noch, dass sie leicht einen
Anspruchswegfall etwa zu diesem Zeit-punkt habe erkennen können (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 SGB X). In keinem
Fall wäre der Klägerin der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen. Sie durfte davon ausgehen, dass – wie auch
mit der Wiederbewilligung vom 14.09.2000 bestä-tigt – die komplexe Sehstörung anspruchsbegründend war und
schwankende Werte bei der isolierten Feststellung der ohnehin stark konditionsabhängigen und somit schwankenden
Sehschärfe keine Auswirkungen auf den Anspruch hätten, daher auch nicht mitgeteilt zu werden brauchten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen
nicht vor.