Urteil des LSG Sachsen vom 14.04.2005

LSG Fss: schutz der ehe, eheähnliche lebensgemeinschaft, erlass, einkommensgrenze, verordnung, abtretung, sozialhilfe, homosexueller, witwenrente, gleichbehandlung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 14.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 7 AS 14/05 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 3 B 30/05 AS-ER
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 08.02.2005 wird die Beigeladene zu 3.
verpflichtet, die Krankenbehandlung des Beschwerdeführers vom 15.04.2005 bis zum 30.06.2005 gegen
Kostenerstattung durch die Beigeladene zu 2. vorläufig übernehmen. II. Im Übrigen wird die Beschwerde
zurückgewiesen. III. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer dessen außergerichtliche Kosten für
Antrags- und Beschwerdeverfahren zur Hälfte zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II)
und des damit verbundenen Schutzes in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Der im Jahre 1964 geborene Antragsteller bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe und war als Leistungsbezieher
kranken- und pflegeversichert.
Er beantragte am 10.12.2004 bei der Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg II. Im An-trag gab er an, mit der
Beigeladenen zu 1. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Er selbst habe ab dem 01.01.2005 keinerlei Einkommen
mehr; er und die Beigeladene zu 1. verfüg-ten auch über kein Vermögen von nennenswerter Höhe. Die Beigeladene zu
1. erziele ei-nen Bruttoarbeitslohn in Höhe von monatlich EUR 1.025,-, was einem Nettolohn von EUR 786,70
entspreche. Darüber hinaus beziehe sie von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Witwenrente in
Höhe von EUR 565,50. Für die gemeinsam bewohnte Wohnung sei als Mietzins EUR 350,- zzgl. einer Miete für einen
Pkw-Stellplatz zu zahlen. Zusätzlich seien je EUR 65,- für Heiz- und Warmwasserkosten sowie für weitere
Betriebskosten zu entrichten. Für den auf ihn zugelassenen Pkw zahle er vierteljährlich einen
Haftpflichtversicherungs-beitrag in Höhe von EUR 126,89.
Mit Bescheid vom 16.12.2004 lehnte die Beschwerdegegnerin die Bewilligung von Alg II ab. Der Beschwerdeführer sei
nach den von ihm nachgewiesenen Einkommensverhältnis-sen nicht hilfebedürftig, weil das Einkommen der
Beigeladenen zu 1. aus Witwenrente und Lohn den Bedarf ihrer Bedarfsgemeinschaft übersteige.
Zum 01.01.2005 begründete der Beschwerdeführer bei der Beigeladenen zu 3. ein Versi-cherungsverhältnis als
freiwilliges Mitglied in der Kranken- und Pflegeversicherung. Als monatliche Beiträge waren EUR 101,40 für die
Krankenversicherung und EUR 13,68 für die Pfle-geversicherung festgesetzt. Der Beschwerdeführer zahlte die
Beiträge für die Monate Ja-nuar und Februar 2005 - auch nach Mahnung der Beigeladenen zu 3. mit Schreiben vom
07.03.2005 und 01.04.2005 unter Hinweis auf das drohende Ende der freiwilligen Versi-cherungen, dem Ausschluss
aus der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und der Möglichkeit der Bezuschussung durch den örtlichen
Träger der Sozialhilfe- nicht.
Am 19.01.2005 legte der Beschwerdeführer Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.12.2004 ein.
Am 24.01.2005 hat er beim Sozialgericht Leipzig den Erlass einer einstweiligen Anord-nung mit dem Ziel der
Gewährung von Alg II beantragt. Die Sache sei besonders dringlich, weil er das Ende der freiwilligen Kranken- und
Pflegeversicherung zu gewärtigen habe. Er habe einen Anspruch auf Alg II. Die Ablehnung sei rechtswidrig, weil beim
Bedarf nicht die Beiträge für die mittlerweile abgeschlossenen freiwilligen Versicherungen berücksich-tigt worden
seien. Diese könnten durch den von der Beschwerdegegnerin festgestellten Einkommensüberhang nicht gedeckt
werden. Darüber hinaus seien vom Einkommen der Beigeladenen zu 1. die monatlichen Kreditraten in Höhe von EUR
484,- abzuziehen. Die Kre-ditraten würden sofort vom Konto der Beigeladenen zu 1. abgebucht und flössen dieser
nicht zu. Zur Sicherung habe sie den pfändbaren Teil ihrer Ansprüche auf Arbeitseinkom-men und Sozialleistungen an
die Darlehensgläubigerin abgetreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2005 wies die Beschwerdegegnerin den Wider-spruch des Beschwerdeführers
als unbegründet zurück. Er habe keinen Anspruch auf Alg II. Denn der Bedarf könne durch Einkommen gedeckt
werden. Der Bedarf bestehe aus der Regelleistung für beide in Höhe von insgesamt EUR 596,- sowie den
Aufwendungen für Un-terkunft und Heizung in Höhe von EUR 486,24, also insgesamt EUR 1.064,24. Dem stehe ein
Einkommen der Beigeladenen zu 1. in Höhe von EUR 1.108,36 gegenüber, so dass dieses ?ohne die Beiträge zur
Kranken- und Pflegeversicherung des Beschwerdeführers- den Be-darf um EUR 44,32 übersteige. Es komme für die
Versicherung grundsätzlich ein Beitragszu-schuss in Betracht, weil der Beschwerdeführer sich nicht über die
Beigeladene zu 1. fami-lienversichern könne. Rechtsgrundlage hierfür sei die entsprechende Anwendung des § 26
Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Dieser könne aber nur für den Teil des
Versicherungsbeitrages gewährt werden, der nicht durch das über-schießende Einkommen in Höhe von EUR 44,32
abgedeckt sei. Der Zuschuss komme tatsäch-lich derzeit nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer den Abschluss
der freiwilligen Versicherung bisher nicht nachgewiesen habe.
Mit Beschluss vom 08.02.2005 hat das Sozialgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass der begehrten
Anordnung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage in der Hauptsache keine Aussicht auf
Erfolg habe. Das Gesetz sehe nicht vor, dass Schuldverpflichtungen aus privaten Darlehensverträgen vom
Einkommen abzu-ziehen seien; dies gelte für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Das Einkommen flie-ße der
Beigeladenen zu 1. auch zu, weil die Darlehensgläubigerin von der Abtretung noch keinen Gebrauch gemacht habe.
Am 09.02.2005 hat der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung der Bewilligung von Alg II vor dem Sozialgericht
Leipzig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung hat der Beschwerdefüh-rer am 15.02.2005
Beschwerde erhoben. Er ist der Ansicht, dass die von der Beigeladenen zu 1. zu leistenden monatlichen Kreditraten
bei der Einkommensanrechnung zu berück-sichtigen seien. Denn insoweit fließe ihr kein Einkommen zu. Die volle
Anrechnung des Einkommens führe die Beigeladene zu 1. in die Privatinsolvenz. Dies sei ihr, die selbst keinen
Anspruch auf Alg II geltend mache und keine zivilrechtliche Unterhaltsverpflich-tung gegen den Beschwerdeführer
habe, nicht zuzumuten. Darüber hinaus habe sich das Sozialgericht nicht mit der Bedarfserhöhung durch die Beiträge
zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung auseinandergesetzt.
Mit Beschluss vom 16.02.2005 hat das Sozialgericht die Lebensgefährtin des Beschwer-führers als Beigeladene zu 1.
beigeladen. Am 07.03.2005 hat das Sozialgericht der Be-schwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.
Der Berichtserstatter hat die Sache mit den Beteiligten am 17.03.2005 in Leipzig erörtert.
Mit Beschluss vom 22.03.2005 hat der Senat die kreisfreie Stadt Leipzig als örtlichen Trä-ger der Sozialhilfe als
Beigeladene zu 2. beigeladen. Mit Beschluss vom 30.03.2005 hat der Senat die Esso Betriebskrankenkasse als die
vom Beschwerdeführer gewählte Kran-kenkasse als Beigeladene zu 3. beigeladen.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts vom 08.02.2005 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Rahmen des
einstweiligen Rechtsschut-zes zu verurteilen, ihm Alg II in gesetzlicher Höhe für die Zeit bis zum 30.06.2005 vorläufig
zu zahlen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist nunmehr der Ansicht, dass sie die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegever-sicherung weder
bedarfserhöhend noch im Wege des Zuschusses übernehmen müsse. Der Beschwerdeführer müsse auf die Hilfen zur
Gesundheit des zuständigen Träger der Sozial-hilfe nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB XII) verwie-sen werden.
Die Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt. Sie hält die Ablehnung aus den Gründen, die der Beschwerdeführer
vorgetragen hat, ebenfalls für rechtswidrig.
Die Beigeladene zu 2. hat ebenfalls keinen Antrag gestellt. Sie ist der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer mangels
Hilfebedürftigkeit keine Sozialhilfe zustehe.
Auch die Beigeladene zu 3. hat keinen Antrag gestellt. Sie meint, dass die Beigeladene zu 2. dem Beschwerdeführer
Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung gewähren solle.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug
genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht im Sinne der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) erhoben.
1. Sie ist nur teilweise begründet.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts war insoweit zurückzuweisen, als es gegen die
Beschwerdegegnerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Denn eine einstweilige Anordnung kann
zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Be-zug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Vorliegend ist der
Erlass einer solchen Regelungsanordnung zwar statthaft, weil zwischen Beschwer-deführer und Beschwerdegegnerin
noch kein Rechtsverhältnis besteht und damit eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage oder eine
Sicherungsanordnung ins Leere gehen würde.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beschwerdegegnerin war aber abzu-lehnen, weil dem
Beschwerdeführer bei der gegebenen Sachlage keinen Anspruch auf das begehrte Alg II zusteht. Denn die
Regelungsanordnung erfordert neben einem Anord-nungsgrund im Sinne einer besondere Dringlichkeit der
Entscheidung einen Anordnungs-anspruch, also einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch
des Antragstellers (Berlit, Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz im Leistungsrecht der Grundsicherung für
Arbeitssuchende - Ein Überblick, in: info also 2005, Seiten 3ff., insbs. Seite 7).
a) Es besteht zwar ein Anordnungsgrund. Denn der Beschwerdeführer hat im Antragsverfah-ren glaubhaft gemacht,
dass ihm durch ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsa-che wesentliche Nachteile drohen. Nach
derzeitigem Sachstand ist er seit dem 15.04.2005 nicht mehr in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Die
freiwillige Krankenver-sicherung endet mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge
trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet werden, § 191 Satz 1 Ziff. 3 des Fünften Buhces Sozialgesetzbuch
(SGB V). Der Beschwerdeführer hat die Beiträge für Januar und Februar 2005 nicht entrichtet; eine Mahnung, die den
Erfordernissen des § 191 Satz 1 Ziff. 3, Satz 2 SGB V entspricht, liegt ebenfalls vor. Eines gesonderten Bescheides
der Beigeladenen zu 3. bedarf es hierzu nicht. Denn das Ende tritt bei Vorliegen der Vor-aussetzungen kraft Gesetzes
ein (Kasseler Kommentar, SGB V, § 191, Rz. 14). Gleiches gilt für die freiwillige Pflegeversicherung nach § 49 Abs. 3
Satz 2 des Elften Buches Sozi-algesetzbuch (SGB XI).
Des weiteren kann sich für ihn und die Beigeladene zu 1. die Gefahr der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit
irreversiblen Nachteilen ergeben.
b) Gegen die Beschwerdegegnerin steht dem Beschwerdeführer aber kein Anordnungsan-spruch zu, weil er nach der
im Antragsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keinen Anspruch auf Alg II hat. Denn erwerbsfähige
Hilfebedürftige erhalten als Alg II Leistun-gen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen
Kosten für Un-terkunft und Heizung, § 19 Satz 1 SGB II; erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II sind
Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und
hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, § 7 Abs. 1 Satz 1
SGB II. Der Beschwerdefüh-rer ist mittlerweile 41 Jahre alt, wohnhaft in Leipzig und nach Aktenlage erwerbsfähig.
Er ist aber nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Denn hilfebedürftig ist, wer seinen
Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsge-meinschaft lebenden Personen nicht oder
nicht ausreichend aus eigene Kräften und Mit-teln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder
Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen und Trägern
andere Sozialleistungen erhält, § 9 Abs. 1 SGB II. Es ist somit dem Unterhaltsbe-darf der Bedarfsgemeinschaft deren
zu berücksichtigendes Einkommen gegenüberzustellen (Münder et al., Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II (im
folgenden: LPK), § 9, Rz. 12).
aa) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen oder Ver-mögen des Partners zu
berücksichtigen, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Der Bedarfsgemein-schaft gehören der erwerbsfähige Hilfsbedürftige und
als dessen Partner die Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, § 7 Abs. 3 Ziff. 1, 3 lit. b SGB II. Das
Einkommen der Beigeladenen zu 1. ist demnach von Gesetzes wegen grundsätzlich anzurechnen. Diese
Regelungslage ist von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten.
Die Einbeziehung von Partner aus eheähnlichen Lebensgemeinschaften und die Außeracht-lassung homosexueller
eheähnlicher Lebensgemeinschaften verstößt nicht gegen den all-gemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Zwar gebietet Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten
und erlaubt eine Differenzierung nur aus sachlichen Gründen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
07.10.1980, Az.: 1 BvL 50/79 u.a., abgedruckt in BVerfGE 55, Seiten 72ff., insbs. Seiten 88ff.). Die beiden zu
vergleichenden Sachverhalte sind aber nicht wesentlich gleich (andere Ansicht: Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss
vom 16.02.2005, Az.: S 35 SO 28/05 ER, zu finden in JURIS). Denn insofern sind nicht jegliche Gemeinschaften
heterosexuel-ler und homosexueller Prägung zu vergleichen, weil der Gesetzgeber auch die Partner im Sinne des
Lebenspartnerschaftsgesetzes zur Bedarfsgemeinschaft und damit zur Einkom-mensanrechnung herangezogen hat (§
7 Abs. 3 Ziff. 3 lit. c SGB II, § 33b SGB I). Als Vergleichsgruppen sind daher nur die Mitglieder eheähnlicher und
partnerschaftsähnlicher Lebensgemeinschaften heranzuziehen. Eine Gleichbehandlung dieser beiden Lebensge-
meinschaften ist aber verfassungsrechtlich nicht geboten. Denn bei der Ordnung von Mas-senerscheinungen darf der
Gesetzgeber generalisieren, typisieren und pauschalieren (Be-schluss des Bundesverfassungsgerichts vom
08.10.1991, Az.: 1 BvL 50/86, abgedruckt in BVerfGE Bd. 84, Seiten 348ff., insbs. Seite 359). Er darf bei
bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen, die auch vom Einkommen eines Partners abhängig gemacht werden, zwi-
schen eheähnlicher und partnerschaftsähnlicher Gemeinschaft differenzieren, weil erstere in weitaus größerer Zahl
vorkommt und sich als sozialer Typus deutlicher herausgebildet hat als letztere (Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.1992, Az.: 1 BvL 8/87, zu der schon im Recht der Arbeitslosenhilfe
vorgenommenen Differenzierung, abgedruckt in BVerfGE Bd. 87, Seiten 234ff., insbs. Seite 267). Hieran hat sich seit
dieser Entschei-dung des Bundesverfassungsgericht nicht Grundlegendes geändert; insbesondere hat die
partnerschaftsähnliche Lebensgemeinschaft noch keinen vergleichbaren sozialen Stellen-wert wie die eheähnliche
Lebensgemeinschaft (Anmerkung von Hänlein zum Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.02.2005, zu
finden in JURIS, Praxisreport Sozial-recht Nr. 9/2005); ansonsten bedürfte es keines "Gesetzes zur Umsetzung
europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien (Antidiskriminierungsgesetz)", dessen Benachteiligungs-verbot wegen der
geschlechtlichen Identität den Schutz Homosexueller bezweckt (vgl. BT-Drs. 15/4538, Seite 21).
Darüber hinaus würde die Gleichbehandlung von eheähnlicher und partnerschaftsähnlicher Lebensgemeinschaft im
Sinne einer Anrechnungsfreiheit ebenfalls zu ?noch schwerwie-genderen- verfassungsrechtlichen Friktionen führen.
Besondere Einschränkungen der o.g. gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit können sich nämlich aus anderen
Verfassungsnor-men wie Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie) ergeben (Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 17.11.1992, aaO., insbs. Seite 256). Die durch das Grundgesetz beson-ders geschützte Ehe wäre
in diesem Falle besonders benachteiligt, weil sie -neben der Le-benspartnerschaft- als einzige Lebensgemeinschaft
zur vorrangigen Unterstützung des Ar-beitssuchenden herangezogen würde (Anmerkung von Hänlein, aaO.).
bb) Das Bedarf von Beschwerdeführer und Beigeladener zu 1. kann durch das Einkommen dieser
Bedarfsgemeinschaft gedeckt werden.
Den Bedarf hat die Beschwerdegegnerin korrekt mit EUR 1.064,24 beziffert. Denn dies ist die Summe aus den
Regelleistungen für Beschwerdeführer und Beigeladene (je EUR 298,-, § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II), dem Mietzins
(EUR 350,-), den weitere Betriebskosten (EUR 65,-) und den Heiz- und Warmwasserkosten (EUR 65,- abzüglich der
vom Regelsatz bereits erfassten Kosten der Warmwasserzubereitung, hier pauschaliert EUR 11,76).
Das zu berücksichtigende Einkommen dürfte allerdings auf EUR 1.100,41 festzusetzen sein; das ist die Summe aus
dem Arbeitseinkommen der Beigeladenen zu 1. (EUR 1.050,-) und ihrer Rente (EUR 565,50) abzüglich der in §§ 11
Abs. 2, 30 SGB II und § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von
Einkommen und Ver-mögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vorgesehenen Freibeträge und Ab-züge
(insgesamt EUR 515,09). Abweichend vom Widerspruchsbescheid ist dabei als Freibe-trag bei Erwerbstätigkeit nach
§ 30 SGB II ein Betrag in Höhe von EUR 164,16 zu berücksich-tigen (zur Berechnungsweise vgl. LPK, § 30, Rz. 7ff.).
cc) Vom Einkommen sind nicht die monatlichen Kreditraten in Höhe von EUR 484,- abzuziehen. Zu Recht hat das
Sozialgericht ausgeführt, dass es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Insofern gilt auch in der Grundsicherung
für Arbeitssuchende der Grundsatz des So-zialhilfe- und Arbeitslosenhilferechts, dass in aller Regel
Tilgungsleistungen für Schulden nicht als einkommensmindernd berücksichtigt werden (zum Sozialhilferecht vgl. Urteil
des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.06.1965, Az.: BVerwG V C 63.64, abgedruckt in BVerwGE Bd. 21, Seiten
208ff., insbs. Seite 209; Schellhorn, Kommentar zum Bundesso-zialhilfegesetz (BSHG), § 76, Rz. 40; zum
Arbeitslosenhilferecht vgl. Urteil des Bundes-sozialgerichts vom 26.10.2004, Az.: B 7 AL 2/04 R, abgedruckt in
Breithaupt 94. Jg. (2005), Seiten 164ff., insbs. Seiten 166f.). Das Einkommen fließt der Beigeladenen zu 1. insoweit
auch ungemindert zu. Denn Zufluss ist die wertmäßige Vermehrung der geld- oder geldwerten Mittel, die dem Inhaber -
wenn auch nur für einen Augenblick- endgültig zur Verfügung stehen und deshalb zur Bestreitung des
Lebensunterhalts verwendet werden können (Schellhorn, aaO., § 88, Rz. 16; Urteil des Urteil des
Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.2.1999, Az.: BVerwG 5 C 35.97, abgedruckt in BVerwGE Bd. 108, Seiten 296ff.;
Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.06.1985 , Az: 7 RAr 27/84, abgedruckt in BSGE Bd. 58, Seiten 160ff.). Nur
Vermögenszuflüsse, die von Anfang an mit einer entsprechen-den Rückzahlungspflicht verbunden sind, fallen nach
der gebotenen wirtschaftlichen Be-trachtungsweise nicht unter den Einkommensbegriff (Urteil des
Bundessozialgerichts vom 06.04.2000, Az: B 11 AL 31/99 R, abgedruckt Breithaupt 89. Jg. (2000), Seiten 883ff.,
insbs. Seiten 884f.). Über den Arbeitslohn und die Witwenrente kann die Beigeladene zu 1. zunächst einmal frei
verfügen; sie kann sie zur Tilgung ihrer Schulden einsetzen, muss es aber nicht. Hieran ändert auch die zur Sicherung
des Darlehensrückzahlungsanspruches erklärte Abtretung der Lohn- und Sozialleistungsansprüche an die
Darlehensgläubigerin nichts. Denn eine Abtretung von Ansprüchen zur Tilgung von Schulden ist als freiwillige
Disposition über die eigenen Mittel bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nicht zu be-rücksichtigen (vgl. zum
insofern vergleichbaren § 2 Abs. 1 BSHG Urteil des Bundesver-waltungsgerichtes vom 13.01.1983, Az.: BVerwG 5 C
114.81, abgedruckt in BVerwGE Bd. 66, Seiten 342ff., insbs. Seite 346).
dd) Der Bedarf ist auch nicht um den Schutz der Kranken- und Pflegeversicherung zu erwei-tern; einer Bewilligung von
Alg II allein zur Vermeidung eines sog. infiniten Regresskrei-sels bedarf es ?zumindest bei der vorliegenden
Fallgestaltung- nicht. Der Beschwerdefüh-rer ist vielmehr auf die Leistung der Beigeladenen zu 2. zu verweisen. Denn
gemäß § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V wird die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Fünften
bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), die nicht versichert sind, von der gewählten
Krankenkasse übernommen; die Aufwendungen, die der Krankenkasse über die Übernahme dieser
Krankenbehandlung entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgern erstattet, § 264 Abs.
7 Satz 1 SGB V. Der Beschwerdeführer ist -wie bereits ausgeführt- ab dem 15.04.2005 nicht mehr versichert. Er hat
nach der gebotenen summarischen Prüfung einen sozialhilferechtlichen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit. Der das
Sozialhilferecht bestimmende Nachrangigkeits-grundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII ist dadurch nicht verletzt, weil der
Beschwerdeführer keine vorrangigen anderen Sozialleistungen erhält. Des weiteren ist die Gewährung der Krankenhilfe
auch nicht durch § 5 Abs. 2 SGB II oder § 21 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen (zur anderen Ansicht vgl. den
Beschluss des Sozialgerichts Saarbrücken vom 28.01.2005). Denn hiernach sind nur Leistungen nach dem Dritten
Kapitel des SGB XII, also Hilfen zum Lebensunterhalt, ausgeschlossen; nicht berührt sind hingegen die Hilfen in
besonde-ren Lebenslagen, zu denen auch die Krankenhilfe zählt (LPK, § 5, Rz. 50). Der Gewährung der Krankenhilfe
steht auch nicht die Eigenleistungsfähigkeit des Be-schwerdeführers und der Einsatzgemeinschaft entgegen. Weder
der Beschwerdeführer noch die Beigeladene zu 1. verfügen über nennenswerte Vermögensgegenstände, deren
Einsatz zumutbar im Sinne von § 90 Abs. 2, 3 Satz 2 SGB XII ist. Auch das Einkommen der Einsatzgemeinschaft
erreicht die Einkommensgrenze nicht. Denn insofern gilt eine für die Einsatzgemeinschaft günstigere
Einkommensgrenze als bei Hilfen zum Lebensunter-halt oder für das Alg II. Bei der Hilfe nach dem Fünften bis
Neunten Kapitel des SGB XII ist der nachfragenden Person und der Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft
lebt, die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn ihr monatliches Einkommen zu-sammen eine
Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes,
den Kosten der Unterkunft und einem Familienzu-schlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 v.
H. des Eckregelsatzes für die Person, die mit ihr in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, § 85 Abs. 1 in Verbindung mit §
20 Satz 1 SGB XII. Der Eckregelsatz bestimmt sich nach dem Ort, an dem der Leis-tungsberechtigte seine Leistung
erhält, § 85 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Im Freistaat Sachsen beträgt der Eckregelsatz EUR 331,-, § 1 Abs. 1 der
Verordnung der Sächsischen Staatsregie-rung über die Festsetzung der Regelsätze nach § 28 Abs. 2 SGB XII vom
28.02.2005 (GVBl. Seite 2); folglich beträgt der zweifache Eckregelsatz EUR 662,-. Die Kosten der Un-terkunft
betragen ?ohne Heizkosten (vgl. hierzu Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XIII, § 85, Rz. 14)- EUR 415,-. Der
Familienzuschlag beträgt EUR 232,-; denn dies ist der aufge-rundete Betrag von EUR 231,70 als 70 v. H. von EUR
331,-. Hiernach ist die Einkommensgrenze auf EUR 1.309,- als Summe aus zweifachem Eckregelsatz, Kosten der
Unterkunft und Famili-enzuschlag zu bestimmen.
Dem steht ein zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 und 2 SGB XII in Höhe von EUR
1.304,70 gegenüber. Denn dies ist die Summe aus dem Arbeitseinkommen der Beigeladenen zu 1. (EUR 1.050,-) und
ihrer Rente (EUR 565,50) abzüglich der in § 82 Abs. 2 Ziff. 1 bis 4 SGB XII in Verbindung mit § 3 Abs. 1, 3 bis 5 der
Verordnung zur Durchfüh-rung des § 82 SGB XII vorgesehenen Freibeträge und Abzüge (insgesamt EUR 310,80).
Dem Anspruch auf Erbringung der Krankenbehandlung kann schließlich auch nicht entge-gengehalten werden, dass
der Beschwerdeführer tatsächlich deswegen keine Krankenhilfe beanspruchen könnte, weil er von der Beigeladenen
zu 3. Krankenbehandlungen erhält. Denn aus Sinn und Zweck der Vorschrift, insbesondere dem Auffangcharakter der
Kran-kenhilfe nach § 48 SGB XII, ergibt sich, dass auch derjenige Leistungsempfänger im Sinne des § 264 Abs. 2
SGB V ist, der ausschließlich Hilfen bei Krankheit beanspruchen kann, die ihm aber wegen des Vorrangs der
Versicherung nach § 264 Abs. 2 SGB V tatsächlich nicht gewährt werden müssen (Grube/Wahrendorf, aaO., § 48, Rz.
15).
2. Die Beschwerde hat deshalb nur dahingehend Erfolg, als die Beigeladene zu 3. zu ver-pflichten war, vorläufig die
Krankenbehandlung des Beschwerdeführers gegen Kostener-stattung durch die Beigeladene zu 2. zu gewährleisten.
Anordnungsgrund und Anord-nungsanspruch ergeben sich aus den obigen Ausführungen. Die vorläufige Verpflichtung
war gemäß des Antrages des Beschwerdeführers und in Anlehnung an die halbjährlichen Bewilligungsabschnitte des
Alg II (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) auf die Zeit bis zum 30.06.2005 zu beschränken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dem-nach entspricht es
billigem Ermessen, der Beschwerdegegnerin die Erstattung der hälftigen außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeführers aufzuerlegen. Denn der Beschwerdefüh-rer hat mit einem seiner beiden Vorbringen
(Gewährleistung des Krankenversicherungs-schutzes) faktisch Erfolg. Die Übernahme der Krankenbehandlung nach §
264 Abs. 2 SGB V entspricht -weil ohne Leistungseinschränkungen gewährt- dem Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung. Dieser Kostenanteil war auch der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen, weil diese das Verfahren
zumindest teilweise dadurch veranlasst hat, dass sie -entgegen den ihr nach den §§ 14ff. SGB I obliegenden
Beratungspflichten- den Be-schwerdeführer nach der Ablehnung der Leistung nicht an den zuständigen Leistungsträ-
ger, die Beigeladene zu 2., verwiesen hat.
Eine weitere Kostenerstattung zugunsten des Beschwerdeführers erscheint angesichts des Unterliegens mit der
anderen Begründung (Berücksichtigung der Tilgungsleistungen) nicht billig. Die Kostenerstattung der Beigeladenen zu
2. und zu 3. scheidet wegen § 193 Abs. 4 SGG aus. Eine Kostenerstattung der Beigeladenen zu 1. entspricht nicht
billigem Ermes-sen, weil sie am Verfahren nur untergeordnet beteiligt und zudem mit ihren Begehren (kei-ne
Anrechnung ihres Einkommens; Abzug ihrer Tilgungsleistungen) nicht erfolgreich war.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.