Urteil des LSG Sachsen vom 25.02.2010

LSG Fss: vwvg, mahnung, verwaltungsakt, behörde, juristische person, mahngebühr, arbeitsgemeinschaft, verwaltungshandeln, vorbereitungshandlung, heizung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 23 AS 457/08
Sächsisches Landessozialgericht L 2 AS 451/09
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Leipzig vom 26.05.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Mahngebühren durch die Beklagte.
Die nach § 44b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) errichtete Arbeitsgemeinschaft L. (im Folgenden: ARGE)
hob gegenüber dem Kläger mit einem Bescheid vom 02.08.2007 frühere Leistungsbewilligungen nach dem SGB II
(3.266,30 EUR Regelleistung und 2.619,95 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum September 2005
bis Januar 2007) auf und machte ihm gegenüber eine Erstattungsforderung in Höhe von 5.886,25 EUR geltend. Gegen
diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Anschließend übergab die ARGE die Forderung der
Regionaldirektion (RD) Sachsen der beklagten Bundesagentur für Arbeit zur Einziehung.
Die Beklagte betreibt auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung den Einzug von Forderungen für die ARGE.
Hierzu gehören ausweislich § 1 der vorliegend maßgeblichen "Verwaltungsvereinbarung zur Erbringung von
Dienstleistungen 2007" vom 02./03. Januar 2007 i.V.m. dem dort in Bezug genommenen Dienstleistungskatalog
sämtliche Aufgaben, die für die Durchführung des Einziehungsverfahrens notwendig werden. In § 3 der
Verwaltungsvereinbarung ist geregelt:
"Fakultative Dienstleistungen der BA für die Arbeitsgemeinschaft L.
Dienstleistungen, die nicht den Voraussetzungen des § 2 entsprechen, werden im Dienstleistungskatalog als
fakultative Dienstleistungen bezeichnet. Die Arbeitsge- meinschaft L. kann diese Dienstleistungen der BA in Anspruch
nehmen. Die Dienstleistungen sind im gewählten Umfang dieser Vereinbarung als Anlage beige- fügt."
Ausweislich der vorgelegten Aufstellung nimmt die ARGE die Dienstleistung Forderungseinzug in Anspruch. Diese
Dienstleistung wird im Katalog beschrieben:
Mit Schreiben vom 03.08.2007 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung des von der ARGE geltend gemachten
Erstattungsbetrages auf. Mit einer weiteren, mit "Mahnung" überschriebenen Mitteilung vom 14.10.2007 teilte die
Beklagte dem Kläger Folgendes mit: "Sie haben folgende Zahlungsverpflichtung/en:
Forderung: Mahngebühren 29,70 EUR Bescheid: 14.10.07 RD Sachsen
Forderung: Arbeitslosengeld II – Regelleistung 3.266,30 EUR Bescheid: 02.08.07 ARGE L., Stadt
Forderung: Leistungen für Unterkunft und Heizung 2.619,95 EUR Bescheid: 02.08.07 ARGE L., Stadt
Summe: ( ) 5.915,95 EUR Fälligkeit der Forderung: sofort einschließlich Mahngebühren 5.915,95 EUR."
Gegen die Mahnung erhob der Kläger mit einem bei der Beklagten am 29.10.2007 eingegangenen Schreiben
Widerspruch und teilte mit, dass im Vertrauen auf den Bestand der Leistungen diese verbraucht worden seien. Der ihr
zugesandte Widerspruch sei auch den Bearbeitern der ARGE zugesandt worden.
Den Widerspruch verwarf die Widerspruchsstelle der beklagten Bundesagentur mit Widerspruchsbescheid vom
08.01.2008, abgesandt am 09.01.2008, mit der Begründung als unzulässig, dass die Mahnung kein Verwaltungsakt,
sondern eine bloße Verwaltungsäußerung sei. Die eigentliche Entscheidung, die Rechtswirkung nach außen entfalte,
sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der ARGE vom 02.08.2007. Hinsichtlich der Mahnung fehle es an der
notwendigen Beschwer durch einen Verwaltungsakt.
Mit der am 12.02.2008 beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die
Festsetzung von Mahngebühren. Die Festsetzung von Mahngebühren sei jedenfalls dann als anfechtbarer
Verwaltungsakt zu betrachten, wenn die festsetzende Behörde nicht gesetzlich ermächtigt sei, die Vollstreckung der
gegenständlichen Hauptforderung vorzunehmen. Dies sei vorliegend der Fall, da § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II der
ARGE die Aufgaben der Agentur für Arbeit nach dem SGB II zuweise. Die in der Verwaltungsvereinbarung zu sehende
Redelegation sei von der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht gedeckt.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass keine Bedenken bestünden, dass im Wege der
Arbeitsteilung eine an der ARGE beteiligte juristische Person die Forderungsbeitreibung durchführe. Die
Aufgabenwahrnehmung sei durch § 88 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gedeckt.
Das SG Leipzig hat mit Urteil vom 26.05.2009 den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 aufgehoben, soweit Mahngebühren in Höhe von 29,70 EUR festgesetzt
wurden. Insoweit enthalte das Mahnschreiben der Beklagten vom 14.10.2007 einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31
SGB X. Die Beklagte sei nicht zur Festsetzung von Mahngebühren gegenüber dem Kläger befugt gewesen.
Gegen das ihr am 18.06.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.07.2009 beim Sächsischen
Landessozialgericht (LSG) die vom SG Leipzig zugelassene Berufung eingelegt.
Sie verweist darauf, dass das BSG die Rechtsauffassung vertreten habe, dass die Mahnung im Sinne des§ 3 Abs. 3
Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) eine unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung
sei (BSG, Beschluss vom 05.08.1997 – 11 BAr 95/97 – und Beschluss vom 07.06.1999 – B 7 AL 264/98 B -).
Deshalb müssten auch Mahngebühren als notwendiger Teil der Mahnung gewertet werden; dies habe auch das OVG
Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13.03.2008 – 12 B 253/08 – Randnr. 5) entschieden. Damit in Übereinstimmung
stehe, dass § 18 VwVG Rechsmittel nur gegen die Androhung eines Zwangsmittels oder seine Anwendung vorsehe.
Hieraus und aus der systematischen Stellung des § 19 VwVG ergebe sich, dass gegen die Mahnung und damit auch
gegen die Erhebung einer Mahngebühr kein Rechtsbehelf zulässig sei. Dies sehe auch der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof so (Beschluss vom 13.09.1999 – 23 ZB 99.2507 -). Die Beklagte meint, auf die vom
erstinstanzlichen Gericht aufgeworfenen Fragen des SGB X komme es deshalb nicht an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26.05.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger meint, der Rechtsauffassung, dass es sich bei Mahngebührenfestsetzungen nicht um Verwaltungsakte
handele, könne nicht gefolgt werden. Anderenfalls könne die Behörde die Gebühren nicht gegen den Bürger
vollstrecken und die Bürger wären in ihren Rechten aus Artikel 19 Abs. 4 Grundsgesetz verletzt. Unzweifelhaft sei,
dass die Rechtsauffassung, nach der es sich bei Mahngebührenerhebungen nicht um Verwaltungsakte handele, nur
Gebührenerhebungen meine, die von der zuständigen Behörde erhoben worden seien. Die Beklagte setzte weiterhin in
einer Vielzahl von Fällen Mahngebühren fest.
Dem Senat liegen die Verfahrens beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten vor; diese waren
Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG Leipzig den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 aufgehoben, soweit die Beklagte darin eine Mahngebühr in Höhe von 29,70
EUR festgesetzt hat. Die Klage ist, wie das SG zutreffend entschieden hat, als Anfechtungsklage zulässig. Entgegen
der Auffassung der Beklagten beinhaltet ihr Schreiben vom 14.10.2007 insoweit ein Verwaltungshandeln mittels
Verwaltungsaktes, als sie gegenüber dem Kläger Mahngebühren in Höhe von 29,70 EUR festgesetzt hat. Die
Festsetzung von Mahngebühren beruht auf einer gesetzlichen Grundlage. Gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das
SGB II das SGB X. Da der zu vollstreckende Verwaltungsakt vom 02.08.2007 von der ARGE L. erlassen wurde,
richtet sich das bei der Zwangsvollstreckung anzuwendende Verfahren nach dem SGB X. Gem. § 66 Abs. 1 Satz 1
SGB X gilt für die Vollstreckung zugunsten der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG). Für die Vollstreckung der übrigen Behörden
gelten dagegen gem. § 66 Abs. 3 Satz 1 SGB X die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das
Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob Rechtsgrundlage für die Erhebung einer
Mahngebühr die Vorschrift - des § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG darstellt, nach der für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG
eine Mahngebühr erhoben wird, die gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG eins v.H. des Mahnbetrages bis 100 DM
einschließlich, ein halbes vom Hundert von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 DM und höchstens 100 DM
beträgt, oder - die entsprechende Vorschrift des § 4 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für den Freistaat
Sachsen (SächsVwVG) i.V.m. §§ 1, 6 Verwaltungskostengesetz des Freistaates Sachsen (SächsVwKG). Angesichts
der (unzulässigen, vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 -)
Mischverwaltung im Bereich der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II ließe sich sowohl an die Anwendbarkeit
von bundes- wie auch landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsvorschriften denken. So hat auch das
Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 20.12.2007 (a.a.O., Rn. 194) die Unsicherheiten über die Zuordnung von
Zuständigkeiten bei der Verwaltungsvollstreckung angesprochen und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass
bei der Rückforderung einer Gesamtleistung, bei der - wie hier - teilweise Leistungen in der Trägerschaft der
Bundesagentur und teilweise solche in kommunaler Trägerschaft berührt sind, dies sogar Anlass für unterschiedliche
Vollstreckungsverfahren bieten könnte. Ein Verwaltungsakt ist in § 31 Satz 1 SGB X als hoheitliche Maßnahme einer
Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung nach außen
definiert. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass eine Mahnung lediglich eine unselbstständige
Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen darstellt und
damit nicht anfechtbar ist (so z.B. BSG, Beschluss vom 07.06.1999 – B 7 AL 264/98 B -). Anders als die Mahnung
selbst stellt jedoch die Festsetzung von Mahngebühren in bestimmter Höhe auf gesetzlicher Grundlage ein
hoheitliches Handeln mit Außenwirkung zur Regelung eines Einzelfalls dar (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom
05.11.2008 – 6 A 713/08 – zitiert nach Juris Randnr. 54; App, in: Engelhardt/App, VwVG und VwZG, 8. Aufl. 2008, § 3
Randnr. 8 und § 19 Randnr. 7 VwVG), da hierdurch Zahlungspflichten des Bürgers durch einseitige behördliche
Anordnung in einer genau bestimmten Höhe begründet werden sollen und wegen dieser auch die Zwangsvollstreckung
erfolgen soll. Im Übrigen hat die Beklagte selbst in dem Mahnschreiben vom 14.10.2007 als Erläuterung für die
"Forderung: Mahngebühren" den Bezug "Bescheid: 14.10.07 RD Sachsen" angegeben. Die Bezeichnung "Bescheid"
wird regelmäßig als Synonym für einen Verwaltungsakt verwendet. Diese Bemerkung kann daher von einem
objektiven Empfänger des Mahnschreibens nur so verstanden werden, dass die Beklage durch Bescheid, d.h. durch
Verwaltungsakt handeln wollte. An diesem förmlichen Vorgehen muss sie sich festhalten lassen. Aus der Systematik
des VwVG lassen sich nicht die von der Beklagten genannten Schlussfolgerungen ziehen. Da die Androhung eines
Zwangsmittels kein Verwaltungsakt ist, sondern nur eine Vorbereitungshandlung, also schlichtes Verwaltungshandeln,
bedarf die Zulassung von Rechtsmitteln einer expliziten Regelung, hier in § 18 Abs. 1 Satz 1 VwVG. Da die
Festsetzung von Mahngebühren nach der hier vertretenen Rechtsauffassung Verwaltungsaktqualität hat, ist eine
gesonderte gesetzliche Regelung dagegen zulässiger Rechtsbehelfe überflüssig. Die Vorschrift des § 19 VwVG regelt
dagegen nicht die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen und schließt solche auch nicht aus; Regelungsgegenstand des §
19 VwVG sind, wie die Überschrift eindeutig erkennen lässt, ausschließlich "Kosten". Der auf Aufhebung dieses
Verwaltungsaktes gerichtete Widerspruch war daher zulässig.
Der Bescheid vom 14.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 ist rechtswidrig und verletzt
den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte war nicht zur Festsetzung von Mahngebühren gegenüber dem Kläger
befugt.
Eine originäre vollstreckungsrechtliche Befugnis der Beklagten zur Festsetzung von Mahngebühren gegenüber dem
Kläger besteht nicht; Inhaber der Erstattungsforderung war und ist die ARGE L ... Auch insoweit kann dahinstehen, ob
Rechtsgrundlage für die Vollstreckung das VwVG des Bundes oder das SächsVwVG darstellt: - Nach der
bundesrechtlichen Regelung des § 3 Abs. 3 VwVG soll vor Anordnung der Vollstreckung der Schuldner mit einer
Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden. Zuständig für die Vollstreckungsanordnung ist
nach § 3 Abs. 4 VwVG die Behörde, die den Anspruch geltend machen darf. Mangels expliziter anderweitiger
Zuständigkeitszuweisungen muss davon ausgegangen werden, dass die für die Vollstreckungsanordnung zuständige
Behörde auch für die vorgelagerte Mahnung und die Festsetzung der Mahngebühr nach § 19 Abs. 2 VwVG zuständig
ist. Vorliegend ergibt sich hieraus eine Zuständigkeit der ARGE L. als der den Anspruch geltend machenden Behörde.
- Nach der landesrechtlichen Regelung des § 13 Abs. 2 SächsVwVG ist vor der Beitreibung der Schuldner von der
Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch verschlossenes Schreiben zu mahnen. Die Befugnis zur
Festsetzung von Mahngebühren folgt sodann aus § 4 Satz 2 SächsVwVG i.V.m. §§ 1, 6 SächsVwKG und Nr. 1
Tarifstelle 8.1 der Anlage 1 zu § 1 des – vorliegend in zeitlicher Hinsicht maßgeblichen – 7. Sächsischen
Kostenverzeichnisses vom 24.05.2006 (SächsGVBl. S. 189) und ist damit vorliegend ebenfalls der ARGE L. als den
Bescheid erlassenden Behörde zugewiesen.
Übereinstimmend mit dem SG Leipzig ist der Senat der Auffassung, dass die Beklagte nicht bereits aufgrund der
rechtlichen Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II zur Wahrnehmung der diesen zugewiesenen
Aufgaben befugt ist. Die ARGE L. ist wie alle Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II eine gemeinschaftliche
Verwaltungseinrichtung der beklagten Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger zum Vollzug der
Grundsicherung für Arbeitsuchende (BVerfG, a.a.O., Rn. 165). Bei den Arbeitsgemeinschaften handelt es sich nicht
lediglich um eine räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden; denn die beiden Träger der Grundsicherung
für Arbeitsuchende übertragen die Aufgabenwahrnehmung nach § 44b Abs. 3 SGB II auf die Arbeitsgemeinschaften,
die sich mithin nicht auf eine bloße Zusammenfassung selbstständiger Einheiten beschränken, sondern die gesamten
operativen Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung wahrnehmen (a.a.O., Rn. 163). Die durch § 44b Abs. 3
Satz 3 SGB II zugewiesene Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten und Widerspruchsbescheiden beinhaltet die
Ermächtigung, als Ausgangsbehörde mit Wirkung für den Leistungsträger, dessen Aufgabenzuständigkeit
wahrgenommen wird, Einzelfallregelungen zu treffen (a.a.O., Rn. 217). Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der
Beklagten unzutreffend, sie nehme als (Mit-) Trägerin der Grundsicherung bei der Vollstreckung von durch die
Arbeitsgemeinschaft erhobenen Forderungen, insbesondere der Erhebung von Mahngebühren, ein eigenes Geschäft
wahr. Diese Sichtweise ignoriert die gesetzliche Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaft als eigenständige
Verwaltungseinrichtung. Im Übrigen könnte die von der Beklagten für sich in Anspruch genommene Ausübung eigener
Aufgaben im konkreten Fall allenfalls die Beitreibung des Teils der Erstattungsforderung betreffen, der auf zu Unrecht
erbrachte eigene Leistungen entfällt, würde aber nicht auch die Beitreibung zu Unrecht erbrachter Leistungen des
kommunalen Trägers umfassen. Ausweislich des Mahnschreibens der Beklagten vom 14.10.2007 werden jedoch auch
die in der Gesamterstattungsforderung enthaltenen Leistungen für Unterkunft und Heizung gegenüber dem Kläger
geltend gemacht. Jedenfalls insoweit ist offenkundig, dass die Beklagte keine eigene Aufgabe wahrnimmt.
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang auch, ob die 2007 getroffene Verwaltungsvereinbarung i.V.m. §§ 88 ff.
SGB X eine zulässige Übertragung von an sich der ARGE L. zugewiesenen Aufgaben auf die Beklagte darstellt;
zumindest hätte die Beklagte im Namen der ARGE auftreten müssen und sie hätte nicht selbst über den Widerspruch
des Klägers entscheiden dürfen. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann ein Leistungsträger (Auftraggeber) ihm
obliegende Aufgaben durch einen anderen Leistungsträger oder seinen Verband (Beauftragter) mit dessen
Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn dies wegen des sachlichen Zusammenhangs der Aufgaben vom Auftraggeber
und Beauftragten, zur Durchführung der Aufgaben und im wohl verstandenen Interesse der Betroffenen zweckmäßig
ist. Entgegen der Auffassung des Gerichts erster Instanz dürfte § 44b Abs. 3 SGB II insoweit keine
spezialgesetzliche Zuständigkeitsregelung, darstellen, die eine (Re-)Delegation ausschließt, sondern sie stellt
vielmehr eine Regelung des anzuwendenden Verfahrensrechts dar. Der Sinn und Zweck des SGB II, die Leistungen
der Grundsicherung trotz geteilter Leistungsträgerschaft "aus einer Hand" zu gewähren, wird durch die Beauftragung
der Beklagten mit der Verwaltungsvollstreckung nicht unterlaufen. Allerdings hat die ARGE die Beklagte mit dem
Dienstleistungskatalog lediglich – wie ein Inkassobüro – mit der Einziehung der Forderung beauftragt. Genannt ist die
Erstellung von Zahlungsaufforderungen und Mahnungen, nicht aber die Festsetzung von Mahngebühren. Selbst bei
Annahme einer wirksamen Beauftragung mit der Vollstreckung nach § 88 SGB X erweist sich das
Verwaltungshandeln der Beklagten jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil sie zum Einen hinsichtlich der
Festsetzung von Mahngebühren das Tätigwerden im fremden Auftrag nicht deutlich gemacht hat und zum Anderen als
Beauftragte nicht über den Widerspruch des Klägers entscheiden durfte. Verwaltungsakte, die eine beauftragte
Behörde erlässt, haben gem. § 89 Abs. 1 SGB X im Namen des Auftraggebers zu ergehen. Die Beklagte hätte die
Mahngebühren im Bescheid vom 14.10.2007 folglich ausdrücklich im Namen der sie beauftragenden ARGE
festsetzen müssen. Indem die Beklagte in dem Mahnschreiben als Rechtsgrund für die Position Mahngebühren
"Bescheid: 14.10.2007 RD Sachsen" angegeben hat, hat sie den Verwaltungsakt auch Sicht eines objektiven
Empfängers im eigenen Namen erlassen. Rechtsfolge des Handelns im eigenen Namen entgegen § 89 Abs. 1 SGB X
ist die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (Engelmann, a.a.O., § 89 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch LSG Mecklenburg-
Vorpommern, Beschluss vom 19.03.2009 – L 8 B 208/07 – zitiert nach Juris Randnr. 20). Erhebt der Beteiligte gegen
eine Entscheidung des Beauftragten Widerspruch und hilft der Beauftragte diesem nicht ab, erlässt den
Widerspruchsbescheid gem. § 90 Satz 2 SGB X die für den Auftraggeber zuständige Widerspruchsstelle. Den
Widerspruch des Klägers hätte die Beklagte demnach der ARGE L. zur Entscheidung vorlegen müssen und deren
Widerspruchsstelle hätte über den Widerspruch entscheiden müssen und nicht die Beklagte selbst.
Nach alledem hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG; sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
III.
Die Revision wird gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen im Rahmen
der Vollstreckung im Auftrag von Leistungsträgern nach dem SGB II Mahngebühren im eigenen Namen erhoben. Eine
Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt dagegen nicht vor; denn in den vom BSG
entschiedenen Fällen zu Mahnungen im Sinne des § 3 Abs. 3 VwVG (Beschlüsse vom 07.06.1999 – B 7 AL 264/98
B- und vom 05.08.1997 – 11 BAr 95/97 -) wurden mit den Zahlungsaufforderungen jeweils keine Mahngebühren
geltend gemacht. Auch kann entgegen der Auffassung der Beklagten aus dem Beschluss des OVG für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 13.03.2008 – 12 B 253/08 – nicht geschlussfolgert werden, dass das OVG Mahngebühren
als notwendigen Teil der Mahnung – ohne Verwaltungsaktsqualität - gewertet hat. In der von der Beklagen zitierten
Randnr. 5 des Beschlusses sieht das OVG in der "Auflistung der Kindergartenbeiträge, Säumniszuschläge und
Mahngebühren" keine Vollstreckungsmaßnahme. Dem ist zuzustimmen, eine "Auflistung" aller geltend gemachten
Forderungen stellt lediglich eine Zusammenfassung des Sachverhalts dar. Über den Rechtscharakter einer
(erstmaligen) Festsetzung von Mahngebühren hat das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss
vom 13.03.2008 bei genauer Betrachtung der Wortwahl gerade nicht entschieden.