Urteil des LSG Sachsen vom 14.07.2010

LSG Fss: vorläufiger rechtsschutz, heizung, umzug, zusicherung, absicht, form, ausbildung, hauptsache, haushalt, arbeitsmarkt

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 14.07.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 5 AS 804/10 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 7 AS 175/10 B ER
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 25. Februar 2010 wird hinsichtlich Ziff. I und II des
Beschlusstenors geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der
Antragstellerin 303,00 EUR zu bewilligen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ein Zehntel ihrer außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu
erstatten.
III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von
Rechtsanwalt X, R , bewilligt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Verpflichtung der Antragsgegnerin
und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin), der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden:
Antragstellerin) ab 27.11.2009 bis zum 31.05.2010 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich ihrer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zu
gewähren.
Die Antragstellerin ist am ... 1988 geboren. Sie gehörte vom 07.08.2008 bis 28.02.2009 zur Bedarfsgemeinschaft ihrer
Mutter; in diesem Zeitraum wurden der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebenshaltes nach dem
SGB II bewilligt. Nach dem 28.02.2009 befand sich die Antragstellerin nicht im Leistungsbezug.
Seit dem 14.08.2008 befindet sie sich in einer bis zum 31.08.2010 dauernden Qualifizierungsmaßnahme des Projekts
"Individuelle Ausbildungspläne (IAP)", bei der es sich um ein Modellprojekt des Freistaates Sachsen handelt. Am
29.09.2009 suchte sie die Agentur für Arbeit Riesa auf; dort erhielt sie vorab als Information den Ausdruck einer
"Anlage zum BAB-Bescheid", wonach für sie eine Berufsausbildungsbeihilfe (im Folgenden: BAB) von 472,00 EUR
monatlich errechnet worden war (Bl. 19 der Gerichtsakte).
Mit Mietvertrag vom 03./05.11.2009 mietete die Antragstellerin für die Zeit ab 16.11.2009 eine 32,27 qm große
Einzimmerwohnung zu einem Mietzins von monatlich insgesamt 229,00 EUR (165,00 EUR Grundmiete zuzügl. 32,00
EUR Betriebskosten zuzügl. 32,00 EUR Heizung/Warmwasser). Für November 2009 wurde eine Gesamtmiete von
64,00 EUR errechnet.
Mit Bescheid der Agentur für Arbeit Riesa vom 16.11.2009 wurde der Antrag der Antragstellerin auf BAB abgelehnt.
Es handele sich um keine förderfähige Ausbildung, da nur ein Qualifizierungsvertrag und kein Ausbildungsvertrag
vorliege. Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009
zurückgewiesen.
Am 27.11.2009 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie gab dabei an, das Kindergeld in Höhe von 164,00 EUR erhalte ihre Mutter
und zahle es bar an sie aus. Ausweislich einer vom IHK-HWK-Ausbildungsverbund D e.V. erstellten
Einkommensbescheinigung vom 30.11.2009 bezog die Antragstellerin seit März 2009 ein monatliches Arbeitsentgelt
i.H.v. 165,00 EUR. Diese Ausbildungsvergütung floss ihr letztmalig Anfang Dezember 2009 zu.
Mit Bescheid vom 15.12.2009 in Form des Änderungsbescheides vom 19.01.2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 wurden Leistungen in Höhe von 9,47 EUR für die Zeit vom 27.11.2009 bis
30.11.2009, in Höhe von 71,00 EUR für Dezember 2009 und von monatlich 133,00 EUR von Januar bis Mai 2010
bewilligt. Einen Anspruch auf KdU habe die Antragstellerin nicht, da sie in der Absicht umgezogen sei, die
Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III (BAB) oder dem SGB II herbeizuführen. Für
die Regelleistung ergebe sich ein Betrag von 287,00 EUR monatlich. Insoweit sei aus dem Einkommen i.H.v. 165,00
EUR im Dezember 2009 ein Anrechnungsbetrag von 52,00 EUR berücksichtigt worden. Hinzu komme Kindergeld in
Höhe von 164,00 EUR. Ab Januar 2010 sei nur noch Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR zu berücksichtigen.
Am 16.02.2010 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht
Dresden (SG) gestellt und höhere Leistungen nach dem SGB II beantragt. Gleichzeitig ist die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt worden. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 25.02.2010 abgelehnt und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sowohl bezüglich der Zeit vom 27.11.2009 bis zur Entscheidung
des Gerichts als auch für die Zeit ab der Entscheidung des Gerichts bis zum Ende des streitigen Zeitraums an einem
Anordnungsgrund fehle. Die Antragstellerin verfüge seit Januar 2010 über monatlich 317,00 EUR (Leistung nach dem
SGB II zuzügl. Kindergeld) und könne damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Eine einstweilige Verpflichtung der
Antragsgegnerin zur Übernahme der vollen KdU scheide ebenfalls aus, da aktuell weder Wohnungs- noch
Obdachlosigkeit drohe, da das Mietverhältnis nicht einmal gekündigt worden sei, so dass ein Abwarten des Ausgangs
des Hauptsacheverfahrens noch zumutbar sei.
Gegen den ihr am 02.03.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 23.03.2010 Beschwerde eingelegt
und gleichzeitig die Bewilligung von PKH beantragt. Dem Antrag war eine Erklärung der Antragstellerin über ihre
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt.
Zur Begründung der Beschwerde ist insbesondere ausgeführt worden, die Zusicherung der Antragsgegnerin zum
Umzug sei nur deshalb nicht eingeholt worden, weil der Antragstellerin zugesagt worden sei, ihre Ausbildung sei über
eine BAB förderfähig, wenn sie eine eigene Wohnung bewohne. Der Umzug sei erforderlich gewesen, um über die
Ausbildung eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das Kindergeld sei zu Unrecht angerechnet
worden, da Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten und somit nicht der Mutter der Antragstellerin sei. Zwar
unterstütze die Mutter aus dem Kindergeld ihre Tochter z.B. durch Zuschüsse zu Fahrtkosten oder beim Kauf von
Nahrungsmitteln. Keinesfalls aber werde der Betrag quasi "durchgereicht". Die Antragstellerin hat in einer
Eidesstattlichen Versicherung vom 15.03.2010 erklärt, dass das an ihre Mutter gewährte Kindergeld nicht in voller
Summe an sie weitergereicht werde. Ihre Mutter unterstütze sie insoweit durch Lebensmittel, Geld für ihren
Arbeitsweg und Ähnliches. Mit ihrem Vermieter gebe es andauernde Auseinandersetzungen über ihre Rückstände,
insbesondere im Hinblick auf die noch nicht erbracht Mietkaution. Sie hat die Kopie eines Mahnbescheides vorgelegt,
in welcher als Hauptforderung eine Summe von 280,00 EUR als Restforderung der zu zahlenden Sicherheitsleistung
lt. Mietvertrag vom 03./05.11.2009 und als Nebenforderung Gebühren in Höhe von 23,00 EUR genannt werden. Auf
Anfrage des Gerichts hat sie des Weiteren erklärt, sie verfüge zur Zeit über kein eigenes Konto, da sie die
Kontoführungsgebühren nicht zahlen könne. Die von der Antragsgegnerin gezahlte Leistung (133,00 EUR) gehe auf
das Konto ihrer Mutter und werde dann für die Zahlung der Miete genutzt.
Sie beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 25.02.2010 aufzuheben und die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II ohne
Anrechnung von Kindergeld und einschließlich ihrer Kosten der Unterkunft und Heizung zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf die den Beschluss vom 25.02.2010 tragenden Gründe verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die
Leistungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig; insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 SGG). Sie ist teilweise
begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG bereits vor
Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint,
wobei sich der Anordnungsanspruch auf den im Hauptsache- oder Widerspruchsverfahren streitigen Anspruch bezieht
(Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, RdNr. 291). Es sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V.
m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren
geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser
Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu
machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend
grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und Antragstellern nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was
sie im Hauptsacheverfahren erreichen können. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen
Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr.
16c; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - L 9 B 192/08 KR ER), wobei dann die
Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in Hk-SGG, 2. Aufl. 2006, § 86b RdNr. 42). Zu
berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und
unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren
nicht mehr beseitigt werden können und sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache
orientieren will, die Sach- und Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist eine vollständige Aufklärung der
Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05).
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle
Interessenlage eines Antragstellers unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des
Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller
zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg u.a., Vorläufiger
Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, RdNr. 108 m.w.N.; ähnlich: Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob
die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile
oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu
müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des
wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 86b RdNr. 27a). Soweit Leistungen für die Vergangenheit im Streit stehen, besteht -
dem Grunde nach - nach allgemeiner Auffassung kein Anordnungsgrund, soweit nicht Tatsachen für einen besonderen
Nachholbedarf glaubhaft gemacht wurden, d.h. wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der
Vergangenheit in die Gegenwart (und Zukunft) fortwirkt und noch eine gegenwärtige Dringlichkeit oder Notlage
begründet Dabei gilt dies nicht nur für Zeiten vor dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht, sondern
ebenso für zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits vergangene und streitgegenständliche
Bewilligungszeiten. Denn die geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigungen, die sich auf vergangene Zeiten beziehen,
lassen sich grundsätzlich im Hauptsachverfahren klären (Beschluss des erkennenden Senates vom 30.04.2010 - Az.
L 7 AS 43/10 B ER mit zahlreichen weiteren Nachweisen). An die Annahme eines Nachholbedarfs als Ausnahme
hiervon sind allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (a.a.O., vgl. hierzu auch SächsLSG, Beschlüsse
vom 22.04.2008 - L 2 B 111/08 AS-ER und 18.12.2008 - L 7 B 737/08 AS-ER).
Vorliegend hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch jedenfalls hinsichtlich ihrer - i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1
SGB II angemessenen - KdU glaubhaft gemacht. § 22 Abs. 2a SGB II bestimmt zwar, dass Personen, die das 25.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sofern sie umziehen, Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach
einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht werden, wenn der kommunale Träger dies vor
Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat, wobei der kommunale Träger gemäß Satz 2 dieser
Vorschrift zur Zusicherung verpflichtet ist, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die
Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den
Arbeitsmarkt erforderlich ist oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt. Nach Satz 3 dieser Norm
kann unter den Voraussetzungen des Satzes 2 vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem
Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zuzumuten war, die Zusicherung einzuholen, gemäß Satz 4 werden
Leistungen für Unterkunft und Heizung Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht erbracht,
wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für
die Gewährung der Leistungen herbeizuführen. Satz 1 bis 3 Vorschrift ist nach Ansicht des Senates jedoch nicht auf
Personen anwendbar, die zum Zeitpunkt ihres (erstmaligen) Auszuges aus dem elterlichen Haushalt nicht Mitglied
einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II waren und Leistungen bezogen haben. Dies ergibt sich schon aus
der Regelung des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II, die überflüssig wäre, wenn der Gesetzgeber alle erwerbsfähigen
Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dem Zustimmungserfordernis des § 22 Abs. 2a SGB II
hätte unterwerfen wollen. Ohnehin kann eine solche Absicht des Gesetzgebers der Beschlussempfehlung und dem
Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 15.02.006 (BT-Drucks. 16/688) nicht entnommen werden (vgl.
hierzu im Einzelnen und zustimmungswürdig LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007 - L 7 AS
626/07 ER; ebenso Berlit in Münder, Sozialgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, § 22 RdNr. 90). Da die
Voraussetzungen des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II ersichtlich nicht vorliegen und für die Entscheidung der anhängigen
Streitfrage unbeachtlich ist, ob die Antragstellerin den elterlichen Haushalt in der Erwartung, BAB zu erhalten,
verlassen hat, wäre die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, der Antragstellerin Leistungen auch für die KdU zu
bewilligen. Zur Übernahme der Mietkaution (als Darlehen) dürfte die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung
jedoch nicht verpflichtet gewesen sein, da dies gemäß § 22 Abs. 3 SGB II auch im Falle eines Anspruchs aus § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II eine vorherige Zustimmung zum Umzug voraussetzt.
Hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen hat die Antragstellerin einen
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II i.V.m. §
1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und
Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld bestimmt, dass Kindergeld grundsätzlich dem jeweiligen
Kindergeldberechtigten (hier der Mutter der Antragstellerin) als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es nicht
nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet. Hieraus folgt, dass Kindergeld
dem Kind als Einkommen zugerechnet wird, soweit es ihm nachweislich zugeleitet worden ist. Ob eine Weiterleitung
in Form von Sachmitteln ausreichend ist und falls ja, in welcher Höhe vorliegend von einer Weiterleitung des
Kindergeldes an die Antragstellerin auszugehen wäre, kann jedoch offen bleiben, da das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes nur insoweit glaubhaft gemacht worden ist, als ein Geldbetrag im tenorierten Umfang betroffen ist
und ein Nachteil insoweit schon aus der (vorläufigen) Nichtgewährung der von der Antragsgegnerin zu tragenden KdU
resultiert.
Die Antragstellerin hat nämlich einen Anordnungsgrund nur in Höhe von 303,00 EUR glaubhaft gemacht. Da vorliegend
Leistungen nur für die Vergangenheit (vom 27.11.2009 bis 31.05.2010) im Streit stehen, müsste aus der
Nichtgewährung der Leistungen, hinsichtlich derer ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist, ein bis
heute fortdauernder Nachteil bestehen, der jetzt noch eine Notlage bewirkt. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall,
soweit der Lebensunterhalt der Antragstellerin und ihre Verpflichtung zur Zahlung des monatlichen Mietzinses
betroffen sind, da die Antragstellerin dargelegt hat, dass ihre Miete jeweils vom Konto ihrer Mutter an ihre Vermieterin
überwiesen wird und dass ihre Mutter sie im streitgegenständlichen Zeitraum mit Lebensmitteln und sonstigen
Sachleistungen unterstützt habe. Allerdings war die Antragstellerin aufgrund der nur teilweisen Gewährung der ihr
zustehenden Leistungen auch nur zur Zahlung eines Teils ihrer Mietkaution in der Lage. Da dies letztlich aus der
Nichtzahlung der der Antragstellerin insgesamt zustehenden Leistungen resultiert, hat sie mit der Vorlage des
Mahnbescheides ihrer Vermieterin einen Nachholbedarf in Höhe der im Mahnbescheid geltend gemachten Forderung
glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin über die vorläufige Bewilligung von 303,00 EUR hinaus gehende
Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht hat, war die Beschwerde jedoch mangels Vorliegen eines
Anordnungsgrundes zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Antragstellerin ist gemäß § 73a SGG i. V. m. den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung PKH für das
Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung
jedenfalls teilweise hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (s.o.) und weil sie auch bedürftig ist, wie sich aus der
eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin vom 15.03.2010
nebst Belegen ergibt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).