Urteil des LSG Sachsen vom 19.03.2001

LSG Fss: ratenzahlung, altersrente, zivilprozessordnung, miete, belastung, heizung, auflage, erwerbsunfähigkeit, rechtsgrundlage, abtretung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 19.03.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 9 U 66/95
Sächsisches Landessozialgericht L 2 B 33/00 U-PKH
Auf die Beschwerde der Staatskasse vom 15.03.2000 wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 03.03.2000
geändert. Dem Beschwerdegegner wird für das vor dem Sozialgericht Leipzig anhängig gewesene Verfahren
Prozesskostenhilfe gegen Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von 350,- DM, beginnend am 01.05.2001 gewährt.
Gründe:
I.
Streitig im Beschwerdeverfahren ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung. In dem dem
Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger und Beschwerdegegner (Bg.) die
Erhöhung der aufgrund einer anerkannten Lärmschwerhörigkeit gewährten Rente begehrt.
Nachdem die Beklagte im Hauptsacheverfahren mit Bescheid vom 08.06.1994 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10.05.1995 die beantragte Erhöhung der Rente verweigert hatte, hat der Bg. am
17.05.1995 Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Mit Schreiben vom 12.07.1996 hat sich Rechtsanwalt
H ..., Geithain als Prozessbevollmächtigter angezeigt und gleichzeitig die Bewilligung von PKH beantragt. Nach
Durchführung von Ermittlungen hat das SG mit Beschluss vom 03.03.2000 PKH ohne Ratenzahlung bewilligt und mit
Urteil vom 05.04.2000 die Klage abgewiesen.
Mit Schreiben vom 10.03.2000 ist durch die Bezirksrevisorin am Sächsischen Landessozialgericht Beschwerde gegen
den Beschluss vom 03.03.2000 eingelegt worden mit dem Begehren der Bewilligung von PKH mit monatlicher
Ratenzahlung. Das SG hat der Beschwerde mit Verfügung vom 20.03.2000 nicht abgeholfen.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin (Bf.) kann vom Gesamteinkommen des Bg. in Höhe von 2.596,19 DM lediglich
ein Betrag von 672,- DM (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -) und ein weiterer Betrag von 400,- DM
(hälftige Miete - § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) abgesetzt werden, so dass ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. 1.524,19
DM verbleibe und Bewilligung von PKH in monatlichen Raten möglich sei.
Aus der vom Bg. vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen,
insbesondere dem Rentenbescheid der Bundesknappschaft vom 30.06.2000 ergibt sich, dass er seit 01.09.2000 über
eine Altersrente in Höhe von monatlich netto 2016,05 DM und eine Unfallrente in Höhe von monatlich netto 595,47 DM
bezieht. Der Mietzins (inkl. Betriebskostenvorauszahlung) für die von ihm und seiner Ehegattin bewohnte Wohnung
beträgt 800,- DM. Der Bg. hat angegeben, er trage hiervon 400,- DM. Ferner hat er mitgeteilt, dass er mit seiner
Ehefrau in Gütertrennung lebe.
Hinsichtlich weiterer finanzieller Belastungen hat er vorgetragen, die AOK Finsterwalde pfände jeweils einen Betrag
von 553,70 DM von seiner monatlichen Altersrente. Aus einem Schreiben des Rentenversicherungsträgers des Bg.
vom 03.08.1999 an diesen ergibt sich insoweit, dass ein Betrag von monatlich 553,70 aufgrund eines
Verrechnungsersuchens der AOK für das Land Brandenburg von der Altersrente des Bg. einbehalten wird. Des
Weiteren hat der Bg. u. a. eine Abtretungserklärung vom 16.03.1999 vorgelegt, wonach er monatlich 1.500,- DM von
seinem Renteneinkommen an Frau Christa Walther abtritt. In der Abtretungserklärung wird Bezug genommen auf
einen Vollstreckungsbescheid vom 18.07.1997 über eine Forderung i. H. v. 89.842,80 DM gegen die Ehefrau des Bg.
Ferner hat der Bg. einen Darlehensvertrag über einen PKW vorgelegt, in dem seine Ehefrau als Schuldnerin
ausgewiesen ist sowie Telefon- und Stromrechnungen. Nach Angaben des Bg. bezieht seine Ehegattin eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit über 1.908,45 DM.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die PKH-Beiakte des SG verwiesen.
II.
Die fristgemäß erhobene und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Bg. ist PKH gegen Zahlung von
monatlichen Raten in Höhe von 350,- DM zu gewähren.
Gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen PKH bewilligt werden
kann, die Vorschriften der §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 114 ZPO wird PKH nur
bewilligt, wenn die Prozessführung erfolgversprechend erscheint und der Beteiligte die Kosten der Prozessführung
nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. §
115 ZPO regelt näher, in welchen Fällen die PKH zu versagen und in welchen Fällen sie gegen Raten oder ohne
Ratenzahlung zu bewilligen ist. Insoweit ist in § 115 Abs. 1 ZPO bestimmt, welche Beträge vom Einkommen
abgesetzt werden können. § 115 Abs. 2 ZPO bestimmt darüber hinaus, dass Vermögen einzusetzen ist, soweit dies
zumutbar ist. Gemäß § 115 Abs. 3 ZPO wird PKH nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung vier
Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.
Nach den Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bg. ist davon auszugehen, dass er
die Kosten für das Verfahren vor dem SG nur in monatlichen Raten von 350,- DM tragen kann. Er verfügt zum
Zeitpunkt der Entscheidung über ein monatliches Einkommen in Höhe von 2.057,82 DM (Altersrente in Höhe von
2016,05 DM zuzüglich 595,47 DM abzüglich des verrechneten Betrages in Höhe von 553,70 DM). Von diesem
Einkommen ist nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO ein eigener Unterhaltsfreibetrag in Höhe von nunmehr 676,00 DM
abzusetzen, ferner nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,- DM
(anteilige Miete).
Nicht als besondere Belastung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 4 ZPO) abgesetzt werden kann ein Betrag in Höhe von
1.500,- DM aufgrund der Abtretungserklärung vom 16.03.1999, da die Abtretung während des laufenden
sozialgerichtlichen Verfahrens erklärt wurde. Ferner können Belastungen der Ehefrau des Bg. nicht berücksichtigt
werden. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der Bg. Aufwendungen hinsichtlich des Unterhaltes seiner über
eigenes Einkommen verfügenden Ehegattin hat, da, sofern aus dem Vollstreckungsbescheid vom 18.07.1997
vollstreckt wird, jedenfalls die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO i. V. m. § 850 Abs. 2 ZPO zu beachten sind. Die
geltend gemachten Stromkosten können ebenfalls nicht abgesetzt werden, da Stromkosten in der Regel im
Unterhaltspauschbetrag enthalten sind (Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 22. Auflage 1999, § 115 Rn. 11). Für die
Absetzung von Telefonkosten existiert keine Rechtsgrundlage.
Soweit der Bg. Ratenzahlung an seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 100,- DM monatlich geltend macht, ist
dies nicht belegt. Der Bg. hat insoweit trotz Nachfrage durch das Gericht lediglich einen Überweisungsbeleg über
100,00 DM vom Konto seiner Ehefrau auf das Konto seines Prozessbevollmächtigten vom 01.02.2000 vorgelegt, auf
dem "Rechnung vom 29.11.1999" vermerkt ist.
Somit ergeben sich ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 991,82 DM und nach der Tabelle zu § 115 ZPO eine
Ratenzahlungsverpflichtung von monatlich 350,00 DM.
Ein nach § 115 Abs. 2 ZPO einsetzbares Vermögen ist nicht vorhanden.
Die Bewilligung der PKH kann nicht nach § 115 Abs. 3 ZPO versagt werden, obwohl die Kosten der Prozessführung
vier Monatsraten nicht übersteigen. Kosten der Prozessführung sind jedenfalls die Rechtsanwaltskosten. Hierfür ist im
Regelfall die Mittelgebühr nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) zuzüglich
Mehrwertsteuer und Unkostenpauschale nach § 26 Satz 2 BRAGO in Höhe von insgesamt 777,20 DM anzusetzen.
Hieraus errechnen sich weniger als vier Monatsraten. Jedoch darf das Beschwerdegericht auf die Beschwerde der
Staatskasse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht völlig aufheben, da die Beschwerde gem. § 127 Abs. 3
Satz 2 ZPO nur darauf gestützt werden kann, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat (vgl. BGH NJW 1993, 135 und Sächs. LSG, Beschluss vom 13.01.1999, Az.:
L 3 B 8/98 AL-PKH).
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).