Urteil des LSG Sachsen vom 21.02.2011

LSG Fss: erbschaft, rückforderung, erbe, anhörung, verwaltungsakt, nachlass, umzug, erbteil, ausschluss, form

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 21.02.2011 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 37 AS 6068/08
Sächsisches Landessozialgericht L 7 AS 724/09
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Oktober 2009 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anrechung einer dem Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger)
zugeflossenen Erbschaft bei der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für
die Zeit von 01.07.2007 bis 30.11.2007.
Der 1951 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II, damals noch im
Zuständigkeitsbereich der ARGE SGB II A Land. Von dort wurden ihm mit Bescheid vom 12.10.2006 monatliche
Leistungen in Höhe von 597,66 EUR bewilligt.
Laut Sterbeurkunde verstarb der leibliche Vater des Klägers, W H , am 25.02.2007 in C. Ausweislich des Erbscheins
vom 12.06.2007 beerbte der Kläger den verstorbenen W H zu 1/4. Am 25.06.2007 erhielt der Kläger in dieser
Erbschaftssache von Frau H H 4.406,04 EUR in bar entsprechend seinem Anteil an der nach Abzug der
Beisetzungskosten vorhanden Erbmasse in Höhe von 17.624,15 EUR.
In seinem Fortzahlungsantrag vom 28.03.2007 hatte der Kläger gegenüber der damals zuständigen ARGE SGB II A
Land keine Änderungen in seinen Vermögensverhältnissen angegeben. Daraufhin waren ihm mit Bescheid vom
04.04.2007 weiterhin monatliche Leistungen von 01.05.2007 bis 31.10.2007 in Höhe von 597,66 EUR bewilligt worden.
Am 17.04.2007 hatte der Kläger die Zustimmung zum Umzug nach W ohne Kostenzusage erhalten. Der Umzug war
zum 01.06.2007 erfolgt. Mit Bescheid vom 26.07.2007 hob die ARGE SGB II A Land die Bewilligung ab 01.06.2007
wegen des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit auf.
Am 10.04.2007 hatte der Kläger beim Beklagten und Berufungsbeklagten (damals Arbeitsgemeinschaft, jetzt:
Jobcenter; im Folgenden: Beklagter) unter Vorlage der Zustimmung zum Umzug der ARGE SGB II A Land vom
17.04.2007 Leistungen nach dem SGB II beantragt und einen ab 01.06.2007 geltenden Mietvertrag vorgelegt. Unter
dem Datum 23.04.2007 hatte er im Zusatzblatt 2.1 (Einkommen) keine Angaben gemacht und im Zusatzblatt 3
(Vermögen) nur das Vorhandensein eines Guthabens auf dem Girokonto bejaht. Der Beklagte hatte ihn aufgefordert,
die Ummeldebescheinigung sowie einen Nachweis für die Schwerbehinderung bis zum 15.06.2007 nachzureichen. Mit
Bescheid vom 10.05.2007 wurden für die Zeit von 01.06.2007 bis 30.11.2007 monatliche Leistungen in Höhe von
620,55 EUR, mit Änderungsbescheid vom 02.06.2007 aufgrund der Regelsatzerhöhung ab 01.07.2007 monatlich
622,55 EUR bewilligt. Die Meldebestätigung hatte der Kläger mit Schreiben vom 14.06.2007 eingereicht und sich
gleichzeitig für die Zeit vom 15.06.2007 bis 23.06.2007 wegen Urlaubs abgemeldet. Am 23.10.2007 beantragte er die
Fortzahlung von Leistungen bei unveränderten Verhältnissen. Daraufhin wurden ihm ab 01.12.2007 weiterhin
monatliche Leistungen in Höhe von 622,55 EUR bewilligt, so auch auf seinen nächsten Fortzahlungsantrag vom
02.05.2008.
Durch ein anonymes Schreiben erfuhr der Beklagte am 10.07.2008 von der Erbschaft und forderte mit Schreiben vom
16.07.2008 Unterlagen über den Nachlass vom Kläger zwecks Prüfung des Leistungsanspruchs ab August 2007.
Diese Unterlagen (Sterbeurkunde, Erbschein u.a.) gelangten am 31.07.2008 zur Akte.
Mit Bescheid vom 01.08.2008 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum 01.07.2007 bis
30.11.2007 ab und bewilligte in dieser Zeit nur noch monatlich 152,55 EUR, wobei sie von Juli bis November 2007
jeweils monatlich 500,00 EUR abzüglich 30,00 EUR Versicherungspauschale als Einkommen berücksichtigte. Nach
vorheriger Anhörung vom 04.08.2008 und Mitteilung des Klägers vom 12.08.2008, dass er nicht bereit sei
zurückzuzahlen, erließ der Beklagte am 13.08.2008 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezüglich der
Bewilligung von Leistungen in der Zeit vom 01.07.2007 bis 31.03.2008 und forderte insgesamt 4.136,04 EUR vom
Kläger zurück, weil er in dieser Zeit Einkommen aus einer Erbschaft erhalten habe, die gemäß § 11 SGB II auf einen
angemessenen Zeitraum mit entsprechenden Teilbeträgen anzusetzen sei, so dass sein monatlicher Anspruch nur in
geringerer Höhe bestanden habe.
Gegen den Änderungsbescheid vom 01.08.2008 und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13.08.2008 legte
die Prozessbevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein und beantragte die Stundung. Die Erbschaft sei nicht als
Einkommen sondern als Vermögen gemäß § 12 SGB II zu bewerten, so dass ihm mindestens 3.100,00 EUR als
Grundfreibetrag zu belassen seien. Außerdem habe sich der Kläger nach Trennung von seiner Lebensgefährtin und
Auszug aus der gemeinsamen Wohnung von dem Geld Mobiliar und Hausratsgegenstände angeschafft, so dass die
Erbschaft bereits im Juni verbraucht gewesen sei. Daraufhin stellte der Beklagte die Rückforderung ruhend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die im Juni 2007 erhaltene
Erbschaft sei Einkommen i.S.d. § 11 SGB II. Einkommen seien Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die jemand in
der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalte, Vermögen, was er in der Bedarfszeit schon habe. Der Vermögensfreibetrag
finde daher keine Anwendung. Einmalige Einnahmen seien auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und
monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Die Anrechung könne im Folgemonat des Zuflusses
erfolgen. Um den Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, solle die Anrechung so vorgenommen werden, dass
ein Zahlbetrag Arbeitslosengeld II verbleibe. Die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 sei
aufgrund des Fortzahlungsantrages vom 23.10.2007 erfolgt. Der Kläger habe keine Angaben zur erhaltenen Erbschaft
gemacht. Mit Bescheid vom 01.08.2008/¬13.08.2008 sei die Aufhebung für die Zeit von 01.12.2007 bis 31.03.2008
ebenfalls nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgt. Dies sei fehlerhaft und
werde nun korrigiert. Maßgebend sei § 45 SGB X. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt könne nicht
zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe. Auf
Vertrauen könne sich der Begünstigte nicht berufen, soweit (u.a.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruhte, der der
Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe
oder er die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3
SGB X). Lägen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines
rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, sei dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen (§ 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)). Der Erhalt der Erbschaft sei vom Kläger bei
der erneuten Antragstellung am 23.10.2007 nicht mitgeteilt worden. Bedingt durch die unterlassenen Angaben des
Klägers sei es zu einer rechtswidrigen Bewilligung von Leistungen ab 01.11.2007 gekommen. Der Bescheid vom
25.10.2007 sei demnach ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt und gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3
SGB X zurückzunehmen. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 SGB X.
Dagegen hat der Kläger am 30.10.2008 beim Sozialgericht Chemnitz Klage mit dem Begehren erhoben, im streitigen
Zeitraum ungekürzte Leistungen zu erhalten, weil die Erbschaft als Vermögen anzusehen sei. Dem ist die Beklagte
unter Bezugnahme auf ihre Bescheide entgegen getreten, weil die Erbschaft während des Arbeitslosengeld II-Bezuges
zugeflossen sei.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.10.2009
abgewiesen. Die dem Kläger nach dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II zugeflossene Erbschaft sei
Einkommen i.S.d. § 11 SGB II. Ob eine andere Betrachtungsweise dann angebracht sei, wenn die Erbschaft z.B. aus
einer Immobilie bestehe, könne dahinstehen, da ein derartiger Sachverhalt nicht vorliege. Der Kläger habe die
Erbschaft in Form von Geld erhalten. Es komme nicht darauf an, dass die Erbschaft im Juni/Juli 2007 verbraucht
gewesen sei; Aspekte der Entreicherung spielten keine Rolle. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der
zurückgeforderten Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum werde auf den Widerspruchsbescheid Bezug
genommen.
Gegen den ihm am 28.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.11.2009 Berufung eingelegt, mit
der er sein Begehren weiterverfolgt.
Er beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.10.2009 und die Bescheide der Beklagten vom
01.08.2008 und vom 13.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2008 die Leistungszeit
01.12.2007 bis 31.03.2008 betreffend aufzuheben,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre Bescheide und hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die
Verwaltungsakte des Beklagten (1 Band) sowie die Verwaltungsakte der damaligen ARGE SGB II A Land (1 Band)
verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch
Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2, 151 Abs. 1 SGG) ist zulässig.
Insbesondere ist die Berufungssumme in Höhe von 750,00 EUR erreicht. Denn für die Zeit von 01.07.2007 bis
30.11.2007 hat der Beklagte die Bewilligung von Leistungen in Höhe von 2.350,00 EUR aufgehoben und
zurückgefordert.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger vor Erlass des Änderungsbescheides vom 01.08.2008 für die Zeit 01.12.2007 bis 31.03.2008 nicht
angehört worden war, ist dieser Mangel durch die mit Schreiben vom 04.08.2008 erfolgte Anhörung zur Aufhebung und
Rückforderung von Leistungen im genannten Zeitraum geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Denn in diesem Schreiben
hat der Beklagte die entscheidungserheblichen Umstände, die Anlass sowohl für den Änderungsbescheid vom
01.08.2008 wie auch für den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13.08.2008 waren, mitgeteilt und
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Insbesondere ist im Anhörungsschreiben aufgeführt, dass der Kläger seiner
Verpflichtung, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich sind, zumindest grob
fahrlässig nicht nachgekommen sei. Der Kläger hat die Gelegenheit zur Stellungnahme dahingehend wahrgenommen,
dass er am 12.08.2008 mitgeteilt hat, dass er nicht bereit sei zurückzuzahlen.
Zutreffend hat der Beklagte den dem Kläger als Erben zugeflossenen Anteil an der Erbschaft nach seinem Vater W H
als einmalige Einnahme bedarfsmindernd als Einkommen i.S.d. § 11 SGB II berücksichtigt. Die Abgrenzung zwischen
Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst zwar nicht vor. Die für das SGB II zuständigen Senate des
Bundessozialgerichts (BSG) haben jedoch in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, dass Einkommen i.S.d.
§ 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das ist, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und
Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R, zitiert
nach Juris, RdNr. 21 m.w.N.). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer
Zufluss als maßgeblich bestimmt. Insoweit besteht vorliegend kein Zweifel, dass der Erbteil am Nachlass des W H
dem Kläger nach Antragstellung zugeflossen ist, denn sowohl der Erbfall am 25.02.2007 als auch der konkrete
Zufluss des Erbteils am 25.06.2007 lagen beide nach der Antragstellung des Klägers auf Leistungen nach dem SGB
II. Unerheblich ist insoweit, dass in der Zwischenzeit ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit eingetreten ist. Denn
der Kläger hat von sich aus weder die damalige ARGE SGB II A Land noch den Beklagten vom Erbfall und der
Erbschaft unterrichtet.
Der Senat folgt in ebenfalls ständiger Rechtsprechung der Rechtsansicht des BSG zur Abgrenzung von Einkommen
und Vermögen. In Hinblick auf die hier streitige Erbschaft ergibt sich nichts anderes. Insbesondere ist kein Grund
ersichtlich, weshalb einem Leistungsbezieher nach dem SGB II als Erben zugeflossenes Geldvermögen des
Erblassers als Vermögen i.S.d. § 12 SGB II zu bewerten sein könnte. Dies ergibt sich auch nicht aus den
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Erbrecht. Soweit in § 1922 Abs. 1 BGB als Erbschaft das
Vermögen des Erblassers als Ganzes bezeichnet wird, ist dieser Vermögensbegriff ein anderer als in § 12 SGB II.
Denn zum Vermögen als Ganzes im erbrechtlichen Sinne gehören nicht nur die in § 12 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II
konkret aufgezählten Vermögensgegenstände wie Geldguthaben, geldwerten Ansprüche, Hausrat, ggf. ein Fahrzeug
und ein angemessenes Hausgrundstück, sondern neben den dem Erblasser zustehenden Ansprüchen auch alle seine
Verbindlichkeiten und insbesondere auch seine Schulden. Dies verdeutlicht, dass sich der in beiden Gesetzen
verwendete Begriff "Vermögen" inhaltlich grundsätzlich unterscheidet.
Zutreffend hat der Beklagte den dem Kläger aus der Erbschaft zugeflossenen Erbteil in Höhe von 4.406,04 EUR erst
ab dem Zeitpunkt des konkreten Zuflusses beim Kläger im Juni 2007 ab Juli 2007 als einmalige Einnahme
berücksichtigt. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der damals geltenden Verordnung zur Berechung von Einkommen sowie zur
Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 21.12.2006 ((Alg II-V)
in der vom 01.01.2007 bis 31.12.2007 geltenden Fassung) waren einmalige Einnahmen von dem Monat an zu
berücksichtigen, in dem sie zuflossen; abweichend war eine Berücksichtigung ab dem Monat der auf den Monat des
Zuflusses folgt zulässig, wenn – wie hier – für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen – in der Regel zum
Monatsanfang – erbracht worden waren (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V).
Vorliegend ist der Kläger ausweislich des Erbscheins des Nachlassgerichts vom 12.06.2007 Erbe des W H geworden.
In diese Rechtsstellung ist der Kläger zwar schon im Zeitpunkt des Erbfalls, also mit dem Tod seines Vaters am
25.02.2007 eingetreten (§§ 1922, 1942 Abs. 1 BGB). Nach Ansicht des Senats ist es aber zulässig und sachgerecht,
bei der Berücksichtigung von Geldbeträgen, die einem Leistungsbezieher nach dem SGB II von Todes wegen
zufallen, ohne dass er zuvor die Leistungsbehörden über den Erbfall unterrichtet und auf seine Erbenstellung
hingewiesen hat, nicht auf den Anfall der Erbschaft nach den zivilrechtlichen Regelungen abzustellen, weil dies in der
Regel der konkreten Bedarfslage nicht entspricht und die Gewährung von Leistungen einerseits und die Aufhebung
und Rückforderung von bereits bewilligten Leistungen andererseits unnötig erschwert. Wäre allein der Erbfall
maßgeblich, so wäre ein Bewilligungsbescheid u.U. von Anfang an rechtswidrig i.S.d. § 45 SGB X und es müsste
ermittelt werden, ob und wann der Leistungsempfänger vom Erbfall Kenntnis erhalten hat, um bewerten zu können, ab
welchem Zeitpunkt er grob fahrlässig leistungsrelevante Umstände verschwiegen hat. Denn mitunter steht im
Zeitpunkt des Erbfalls keineswegs fest, wer Erbe ist, weil z.B. nicht alle Miterben bekannt sind oder der Betreffende
nichts von seiner Erbenstellung weiß. Stellt man hingegen auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses beim
erbberechtigten Leistungsempfänger ab, so erspart man der Behörde derartige zeitraubende und womöglich erfolglose
Ermittlungen als Voraussetzung für eine rechtmäßige Aufhebung und Rückforderung von gewährten Leistungen. Denn
spätestens wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld II Geld aus einer Erbschaft auf seinem Konto gutgeschrieben
oder – wie hier – bar auf die Hand bekommt, wird für jeden offensichtlich, dass sich die Erbschaft spätestens ab
diesen Zeitpunkt auf die Leistungsansprüche nach dem SGB II auswirkt und dass spätestens ab diesem Zeitpunkt
den Leistungsbehörden Mitteilung zu machen ist.
Im Übrigen entspricht diese Vorgehensweise dem den SGB II-Regelungen zugrunde liegenden Prinzip von aktueller
Bedarfsdeckung bei Hilfebedürftigkeit einerseits und Zuflussprinzip anderseits. Gibt der Hilfebdürftige indes bei der
Abgabe eines Weitergewährungsantrags oder im Wege einer Veränderungsmitteilung an, dass ein womöglich
lei¬stungsrechtlich relevanter Erbfall eingetreten oder dass er Erbe geworden ist, dann dürfte die Bewilligung nur
vorläufig oder – soweit möglich – nur als Darlehen erfolgen, wenn der (Mit-)Erbe tatsächlich nicht über sein Erbteil
verfügen kann, was aus den unterschiedlichsten Gründen, die nicht immer im Einflussbereich des Erben stehen, der
Fall sein kann, etwa weil bei mehreren Erben noch keine Erbauseinandersetzung stattgefunden hat. Der Senat lässt
dabei ausdrücklich offen, zu welchem Zeitpunkt vom Zufluss einer einmaligen Einnahme ausgegangen werden muss
oder darf, wenn der Nachlass etwa aus einer zu verwertenden Immobilie besteht.
Nach alledem hat der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.07.2007 bis 30.11.2007 zu Recht gemäß
§ 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, § 330 Abs. 3 SGB III im Wege einer
gebundenen Entscheidung teilweise aufgehoben. Da der Kläger verpflichtet war, jedenfalls den konkreten Zufluss von
Geld aus dem Erbe seines Vaters als Änderung der Verhältnisse mitzuteilen und er dies nicht getan hat, obwohl er es
u.a. aufgrund der von ihm unterzeichneten Erklärung im Leistungs- und Weitergewährungsantrag hätte angeben
müssen, war die Leistungsbewilligung auch für die Folgezeit vom 01.12.2007 bis 31.03.2008 von Anfang an
rechtswidrig. Sie konnte von der Beklagten – wie geschehen – gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m.
§ 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 N. 2 bzw. Nr. 3 SGB X, §330 Abs. 2 SGB III aufheben und die zuviel gewährten
Leistungen nach § 50 SGB X zurückfordern.
Keine Bedenken bestehen hinsichtlich der teilweisen Rückforderung von Beträgen, die als Kosten der Unterkunft
gewährt worden waren. Eine Reduzierung des zu erstattenden Betrages nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II scheidet
nach Satz 2 dieser Vorschrift (in der seit dem 01.04.2006 geltenden Fassung) aus, weil die Bewilligung nur teilweise
aufgehoben worden ist. Soweit in der Literatur verfassungsrechtliche Einwände gegen § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II
geltend gemacht werden (vgl. z.B. Conradis in Münder, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 40 RdNr. 24), teilt der Senat diese
nicht. Vielmehr ist die Unterscheidung gerechtfertigt, weil dem Grunde nach ein Anspruch auf Gewährung von
Wohngeld bestanden hätte, wenn keine Leistungen nach dem SGB II gewährt worden wären. Nach dem Willen des
Gesetzgebers sollten die Regelungen des SGB II materiell-rechtlich den Vorschriften des Wohngeldgesetzes
angeglichen werden. So heißt es in der Gesetzbegründung (BT Drucks. 15/1516 S. 63): "Mit der Regelung soll bewirkt
werden, dass sich der Ausschluss der Empfänger des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes nach diesem Buch
vom Wohngeld nach § 1 Abs. 2 WoGG – neu – rechtlich und tatsächlich nicht auf die Betroffenen auswirkt. Das
Wohngeld unterliegt grundsätzlich nicht der Rückforderung. Die Betroffenen werden durch den teilweisen Ausschluss
der Rückforderung der Transferleistung so gestellt, wie sie stünden, wenn sie Wohngeld erhalten hätten. Der Satz von
56 vom Hundert orientiert sich am tatsächlichen Subventionssatz des besonderen Mietzuschusses auf der Basis der
empirischen Werte der Wohngeldstatistik 2001. Der durchschnittliche Subventionssatz ergibt sich durch Teilung des
durchschnittlichen Wohngeldanspruchs durch die durchschnittliche berücksichtigungsfähige Miete."
Soweit es durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Pauschalierung des Anteils an den Kosten der Unterkunft, der
bei vollständiger Aufhebung und Rückforderung der Leistungen gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II verbleibt, im
Einzelfall zu ungleichen Ergebnissen gegenüber denjenigen kommen kann, bei denen die Bewilligung lediglich
teilweise aufgehoben wird, sind diese wegen der weitreichenden Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers im Bereich
der Leistungsverwaltung hinzunehmen.
Gegen die Ermittlung seines Bedarfs im streitigen Zeitraum und gegen die Verteilung des zugeflossenen Erbes hat
der Kläger nichts vorgebracht. Fehler sind insoweit und auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die Verteilung
der insgesamt 4.406,04 EUR über den ursprünglichen Bewilligungszeitraum hinaus so vorgenommen, dass ein
monatlicher Leistungsanspruch auf Arbeitslosengeld II verblieben ist und beim Kläger durchgängig
Krankenversicherungsschutz bestand. Diese Aufteilung ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.