Urteil des LSG Sachsen vom 07.09.2001

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Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.09.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 4 U 156/97
Sächsisches Landessozialgericht L 2 U 48/99
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Februar 1999 aufgehoben und die
Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. III. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen der Folgen eines Motorradunfalls Anspruch auf eine
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Der am ... geborene Kläger absolvierte ab 1.9.1952 eine Ausbildung als Elektriker. Er erlitt am 13.7.1953 einen
schweren Motorradunfall, in dessen Folge insbesondere der linke Unterschenkel des Klägers amputiert werden
musste. Im Unfallzeitpunkt erhielt der Kläger im Rahmen der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) eine
Fahrschulausbildung im Motorradfahren. Der Unfall ereignete sich während der ersten praktischen Fahrübung.
Bestätigt wurde der Unfall mit seinen näheren Umständen durch die Stiefschwester des Klägers (Blatt 30 der
Beklagtenakte). Wegen der aus der Amputation resultierenden und fortbestehenden körperlichen Beeinträchtigungen
wird auf die beiden von der Beklagten bei den Chirurgen Dr. Du ... und Dr. Sch ... nach ambulanter Untersuchung des
Klägers bzw. nach Aktenlage eingeholten Gutachten verwiesen (Blatt 52 bis 54 und 60 bis 64 der Beklagtenakte), die
die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 bzw. 40 v.H. einschätzen. Zu Zeiten der DDR erhielt der Kläger keine
Leistungen aus einer Unfallversicherung. Ein eventueller Schriftwechsel der Eltern des Klägers mit der Staatlichen
Versicherung der DDR ist nicht vorhanden, auch Hinweise auf einen solchen sind nicht bekannt.
Erstmals mit Schreiben vom 5.11.1992 wandte sich der Kläger mit der Bitte an das Amt für Familie und Soziales in
Leipzig, seinen in einer Anlage (Blatt 6 der Beklagtenakte) näher geschilderten Unfall zu bearbeiten. Das Amt für
Familie und Soziales wies den Kläger am 8.12.1992 darauf hin, dass in der DDR die Mitglieder der GST aufgrund
eines zwischen der GST und der Staatlichen Versicherung der DDR abgeschlossenen Vertrages Versicherungsschutz
erhalten hätten und erklärte sich im Übrigen für nicht zuständig. Es nannte dem Kläger als weitere Anlaufstellen die
Deutsche Versicherungs-AG in L ... und die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Dresden -
Entschädigungsstelle - in Radebeul. Am 6.8.1993 schrieb der Kläger an die letztgenannte Stelle und erhielt von dort
am 15.9.1993 die Empfehlung, sich an den für ihn zuständigen Rentenversicherungsträger zu wenden (Blatt 10 der
Beklagtenakte).
Nicht bekannt ist, welche weiteren Schritte der Kläger unternommen hat, um seinen Anspruch durchzusetzen.
Aktenkundig ist erst wieder ein Schreiben des Klägers vom 20.2.1995 an die Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am
Main (dort eingegangen am 27.2.1995), der gegenüber er seinen Unfall schilderte (Blatt 2 f. der Beklagtenakte). Die
Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am Main leitete das Schreiben zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter.
Nach Angaben der Beklagten im Berufungsverfahren lägen ihr keine Erkenntnisse darüber vor, dass
Unfallversicherungsträger vor dem 20.2.1995 Kenntnis von dem Unfall des Klägers erlangt hätten. Am 31.5.1995
übersandte die Beklagte dem Kläger ein Formular, auf dem dieser nähere Angaben zum Unfall machte (Blatt 13 bis 15
der Beklagtenakte). Im weiteren Verlauf holte die Beklagte neben diversen medizinischen Unterlagen jeweils ein
Gutachten bei Dr. D ... und Dr. Sch ... ein. Ferner versuchte die Beklagte Zeugen zu ermitteln, die Angaben zu dem
Unfall des Klägers machen könnten. Hierzu war nur die Stiefschwester des Klägers, Frau F ..., in der Lage (Blatt 30
der Beklagtenakte). Die Zweigniederlassung der Allianz Versicherungs-AG teilte telefonisch mit, dass sie über keine
Unterlagen verfüge (Aktenvermerk vom 28.3.1996).
Mit Bescheid vom 2.9.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus der gesetzlichen
Unfallversicherung ab, weil der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Der
Sozialversicherungsschutz für Mitglieder der GST sei erstmalig durch Nr. 10 Buchstabe g der Anlage zu § 1 der
Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen vom 15.3.1962 (GBl. II Nr. 15 S. 123; )
eingeführt worden. Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, Versicherungsschutz
habe nach Nummer 24.1 der Anlage zur Zweiten Durchführungsverordnung (2. DVO)-Deckung der Lasten aus
Arbeitsunfällen - vom 24.7.1947 zum Befehl Nr. 28 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung,
Oberkommandierender der Gruppe Sowjetischer Besatzungstruppen in Deutschland vom 28.1.1947
(Zentralverordnungsblatt 1947, 160) bestanden. Hiernach hätten die öffentliche Verwaltung und die Körperschaften des
öffentlichen Rechts der Sozialversicherungspflicht unterlegen, die insbesondere Unfälle und Betriebserkrankungen
erfasst habe, die mit dem Betrieb verbunden gewesen seien. Die GST sei auch eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts gewesen. Die im Rahmen der GST ausgeübte Tätigkeit des Klägers habe nach Art. 2 (Zu §§ 39 47 Abs. 1 - 5)
der 1. Durchführungsverordnung vom 9. April 1947 der Deutschen Verwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge der
sowjetischen Besatzungszone in Deutschland zum Befehl Nr. 28 des Obersten Chefs der Sowjetischen
Militärverwaltung, Oberkommandierender der Gruppe Sowjetischer Besatzungstruppen in Deutschland vom 28.1.1947
(1. DVO) der Versicherungspflicht unterlegen. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit, es sei durchaus möglich
gewesen, dass Beschäftigte der GST im Jahre 1953 unter Versicherungsschutz gestanden hätten. Hier gehe es
jedoch um die Frage der organisierten gesellschaftlichen Tätigkeit, die vor der ErweiterungsVO 1962 nicht vom
Unfallversicherungsschutz erfasst gewesen sei. Dem hielt der Kläger nunmehr entgegen, er sei nach § 1 Nr. 1 und § 6
der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen vom 4.2.1954 (GBl. I Nr. 21 S. 169; )
versichert gewesen. Ohne auf den letztgenannten rechtlichen Aspekt einzugehen, wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 13.6.1997 aus den im Eingangsbescheid genannten Gründen den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat dagegen das Sozialgericht Leipzig (SG) angerufen und u.a. vorgetragen, nach der ErweiterungsVO
1954 bestehe für Personen, die bei der organisierten freiwilligen Aufbauarbeit Unfälle erlitten hätten,
Unfallversicherungsschutz. Gemäß § 6 ErweiterungsVO 1954 sei der Versicherungsschutz auch auf Unfälle
ausgedehnt worden, die sich vor dem Inkrafttreten der ErweiterungsVO, aber nach dem 31.1.1947 ereignet hätten.
Gemäß § 2 der Verordnung über die Bildung der GST vom 7.8.1952 (GBl. Nr. 108 S. 712; ) sei es Aufgabe der GST
gewesen, die Regierung der DDR beim Aufbau des Sozialismus und bei der Stärkung der volksdemokratischen
Grundlagen der Staatsmacht zu unterstützen. Nach der Präambel habe hierzu auch der Motorsport gehört. Nach der
GST-VO sei mithin auch die Tätigkeit des Klägers in der Motorsportsektion der GST Teil des Nationalen Aufbauwerks
der DDR und damit freiwillig organisierte Aufbauarbeit gewesen. Infolgedessen sei er während des Unfallgeschehens
versichert gewesen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, unter freiwilliger Aufbauarbeit sei das Beseitigen der
Kriegsschäden durch Aufräumarbeiten sowie ehrenamtliche Helfertätigkeiten beim Neu- bzw. Aufbau von Gebäuden
und Straßen verstanden worden. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Auffassung sei auch, dass die Sozialversicherung
der DDR den Unfall des Klägers nicht anerkannt habe.
Mit Urteil vom 23.2.1999 hat das SG die Beklagte verpflichtet, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anzuerkennen
und ihm infolgedessen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Das SG hat sich der im
Klageverfahren entwickelten Argumentation des Klägers angeschlossen und diese noch vertieft. Schon aus der
Präambel der ErweiterungsVO 1954 gehe hervor, dass es nicht bloß um den Aufbau von Häusern, sondern auch und
sogar in allererster Linie um den Aufbau des politischen Systems gegangen sei. Auch im Gesetz über die Teilnahme
der Jugend am Aufbau der DDR und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung vom
8.2.1950 (GBl. I Nr. 15 S. 95) werde die Jugend als "Baumeister der Demokratischen Republik" bezeichnet. Die GST-
VO habe die Ziele des vorgenannten Gesetzes konkretisieren sollen. Die Anerkennung als Arbeitsunfall scheitere
auch nicht daran, dass die Beklagte erst nach dem 31.12.1993 von dem Unfall erfahren habe. Sie müsse sich den
beim Amt für Familie und Soziales gestellten Antrag zurechnen lassen.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung hält die Beklagte an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest und führt
ergänzend aus, dass es im Hinblick auf die GST der ErweiterungsVO 1962 nicht bedurft hätte, wenn
Versicherungsschutz schon nach der ErweiterungsVO 1954 bestanden hätte. Nicht richtig sei die vom Kläger und
vom erstinstanzlichen Gericht vertretene Auffassung, dass bereits die GST-VO die Entwicklung des Motorsports als
Aufbauarbeit des Sozialismus in der DDR bezeichnet habe. Aufgabe der GST sei es gewesen, Jugendliche und
Erwachsene durch den Sport körperlich zu ertüchtigen und mit technischen Kenntnissen zu versehen (§ 2 Abs. 2
GST-VO). Wenn überhaupt, dann habe der Kläger Aufbauleistungen des Fahrlehrers in Anspruch genommen, nicht
aber selbst solche erbracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23.2.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Betätigung im Rahmen der GST habe keinen Freizeitcharakter gehabt, sondern paramilitärische
Zwecke verfolgt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 4.1.2001 die Deutsche Angestellten-Krankenkasse beigeladen und in der
mündlichen Verhandlung am 7.2.2001 den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Im Hinblick auf die Möglichkeit
einer anderweitigen, bislang unbekannten sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Mitglieder der GST vor dem
Inkrafttreten der ErweiterungsVO 1962 hat der Senat den Rechtsstreit vertagt und weiter ermittelt. Eine Auskunft der
"Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv" hat ergeben, dass alle Mitglieder
der GST durch eine Sammelversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR gegen das Unfallrisiko versichert
waren. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 67 bis 74 der LSG-Akte verwiesen. Daraufhin hat der Senat dem Kläger
mit Schreiben vom 19.7.2001 den richterlichen Hinweis gegeben, die weiteren Ermittlungen hätten gezeigt, dass der
Kläger allenfalls privatversicherungsrechtlich gegen Unfallrisiken abgesichert gewesen sei. Von einer Einbeziehung in
die Sozialversicherung könne jedenfalls nicht ausgegangen werden. Ferner hat der Senat mit Schreiben vom
26.7.2001 den Kläger darauf hingewiesen, dass sein eventueller Anspruch schon im Hinblick auf die mittlerweile
gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, (Urt. v. 01.09.2000 - B 2 U 8/00 R - HVBG-INFO 2001,
308; Urt. v. 20.02.2001 - B 2 U 11/00 R - HVBG-INFO 2001, 1086) zur Ausschlussfrist des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Reichsversicherungsordnung (RVO) jedenfalls untergegangen sei.
Hierauf Bezug nehmend hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 27.8.2001 und vom 7.9.2001 umfänglich vorgetragen.
Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 111 bis 115 und Blatt 118 bis 127 der LSG-Akte verwiesen.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger stand
im Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Unfallversicherungsschutz der RVO.
Die Berufung der Beklagten hat bereits deswegen Erfolg - selbst wenn man unterstellt, dass er nach der
ErweiterungsVO 1954 oder aufgrund einer anderen DDR-Rechtsgrundlage versichert war -, weil kein
Unfallversicherungsträger vor dem 1.1.1994 Kenntnis von dem Unfall des Klägers gehabt hat. Auch erfüllte der Unfall
des Klägers keinen sonstigen Unfallversicherungstatbestand der Reichsversicherungsordnung (RVO) außerhalb von §
1150 Abs. 2 Satz 1 RVO.
Nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle, die vor dem 1.1.1992 eingetreten sind und die nach dem im
Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten
Buches der RVO. Dies gilt gem. Satz 2 dieser Vorschrift allerdings dann nicht, wenn der Unfall einem ab 1.1.1991 für
das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden ist und nach
dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wäre. Diese Regelungen sind auch nach Inkrafttreten des Siebten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) weiterhin anzuwenden (§ 215 Abs. 1 SGB VII).
Der vom Kläger am 13.7.1953 erlittene Unfall, der sich während der ersten praktischen Fahrübung einer im Rahmen
der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) durchgeführten Fahrschulausbildung im Motorradfahren ereignete, wäre
nach der RVO nicht zu entschädigen gewesen. Es findet sich keine Norm des sozialen Unfallversicherungsrechts der
RVO, unter die sich dieser Vorgang subsumieren ließe. Insbesondere sind die Voraussetzungen von § 539 Abs. 1 Nr.
1 RVO nicht erfüllt, da die Ausbildung im Motorradfahren sich außerhalb seiner Ausbildung zum Elektriker vollzog und
auch sonst der Unfall in keinem inneren Zusammenhang mit seiner (versicherten) Berufsausbildung stand. Ebenso
kommt ersichtlich keiner der in Abs. 1 genannten übrigen Tatbestände in Betracht; ebensowenig war der Kläger gem.
§ 539 Abs. 2 RVO "wie" ein nach Abs. 1 Versicherter tätig geworden.
Es käme deshalb darauf, ob der Unfall der Klägers nach dem Recht der DDR ein Unfall der Sozialversicherung war,
nur dann an, wenn er einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung vor
dem 1.1.1994 bekannt geworden wäre (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Einem Träger der Unfallversicherung überhaupt - der Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt am Main - ist der Unfall erst
durch das Schreiben des Klägers vom 20.2.1995 (s.o. S. 3) bekannt geworden (die vom Kläger zuvor angegangenen
Stellen waren ersichtlich keine Träger der Unfallversicherung). Diese Datum liegt aber nach dem 31. Dezember 1993
und damit außerhalb des vom Gesetzgeber bestimmten zeitlichen Rahmens.
Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt,
kommt es darauf an, dass der Unfallversicherungsträger tatsächlich Kenntnis erlangt hat (BSG, Urt. v. 20.02.2001 - B
2 U 11/00 R - HVBG-INFO 2001, 1086). Nach dieser Rechtsprechung (bestätigt nunmehr durch Urt. v. 26.06.2001 - B
2 U 31/00 R -) kann ein Unfall dem Unfallversicherungsträger zwar auch durch einen Antrag bekannt werden, auch ist
der Eingang eines Antrags für das Bekanntwerden i.S. des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO nicht erforderlich; die
Kenntnis von dem Unfall kann auch auf jede andere Weise eintreten. Das Bekanntwerden i.S. dieser Vorschrift
bezeichnet jedoch ein rein tatsächliches Geschehen. Ferner hat das BSG bereits in seinem Urteil vom 26.10.1998 - B
2 U 26/97 R - (HVBG-Info 1998, 3381) entschieden, dass § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO keine einer Nachsicht
zugängliche Antrags-, sondern eine gesetzliche absolute Ausschlussfrist enthält. Da § 16 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I) lediglich die Einhaltung eines Zeitablaufs für den Eingang eines Antrags fingiert, nicht
jedoch andere Voraussetzungen für Sozialleistungen wie etwa das - hier geforderte - tatsächliche Bekanntwerden
eines Vorfalls bei einem Unfallversicherungsträger (vgl. auch BSG SozR 2200 § 216 Nr. 5), kann dieser Umstand
nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I einem Unfallversicherungsträger nicht zugerechnet werden, wenn nur ein anderer
Sozialleistungsträger oder gar eine dritte Institution außerhalb der durch das Sozialgesetzbuch vorgegebenen
Zuständigkeiten Kenntnis erlangt hat (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.02.1999 - L 7 U 1616/97 - HVBG-
Info 1999, 1257).
Der Senat geht mit dem BSG davon aus, dass gem. § 1150 Abs. 2 RVO alle Teile des Unfallversicherungsrechts der
DDR ohne Entsprechung im bundesdeutschen Unfallversicherungsrecht mit Ablauf des 31.12.1993 endgültig außer
Kraft treten, es sei denn, bis zu diesem Zeitpunkt hat der Unfallversicherungsträger von dem Arbeitsunfall tatsächlich
Kenntnis erlangt. An diesen vom Gesetzgeber bestimmten Anknüpfungspunkt eines rein tatsächlichen Vorgangs sind
Verwaltung und Rechtsprechung gebunden. Hiernach sind die für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entwickelten Grundsätze nicht anzuwenden. Die an das Amt für Familie und
Soziales und das Oberlandesgericht Dresden gerichteten Schreiben des Klägers waren infolgedessen nicht geeignet,
die Ausschlussfrist des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO zu wahren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht
vor. Insbesondere ist eine über den hier entschiedenen Einzelfall hinausweisende grundsätzliche Bedeutung nicht
erkennbar.