Urteil des LSG Sachsen vom 24.05.2005

LSG Fss: ddr, industrie, verfassungskonforme auslegung, produktion, zugehörigkeit, verordnung, anwendungsbereich, einheit, ingenieurschule, berechtigung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.05.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 3 RA 1173/03 ZV
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 160/05
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. Januar 2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zu-satzversorgungssystem nach
Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, die
Beschäftigungszeiten der Klägerin vom 10.09.1973 bis 29.07.1978 und vom 06.11.1978 bis 30.06.1990 als Zeiten der
Zugehörig-keit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Die am ... geborene Klägerin erlangte nach erfolgreichem Abschluss eines Studi-ums an der Ingenieurschule für
Bauwesen L ... das Recht, die Berufsbezeichnung "In-genieur" zu führen (Urkunde vom 21.07.1973). Vom 10.09.1973
bis 29.07.1978 war sie beim VEB Baukombinat L ... Kombinatsbetrieb Produktionsvorbereitung beschäftigt, vom 02.
bis 10.09.1978 war sie Messeaushilfe beim L ... M ... Nach kurzer Zeit der Familienversicherung schloss sich vom
06.11.1978 bis 31.12.1979 eine Tätigkeit als Pro-jektingenieur beim VEB Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K
... L ..., vom 01.01.1980 bis 30.04.1981 beim VEB W ... der holzverarbeitenden Indust-rie und vom 01.05.1981 bis
30.06.1990 wieder beim VEB Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K ... an.
Zum 01.05.1978 trat die Klägerin der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete auf ihr
monatliches Einkommen bis maximal 1.200,00 Mark entsprechende Beiträge. Eine Versorgungszusage zur
Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem der DDR war ihr bis zum 30.06.1990 nicht erteilt worden.
Den Antrag der Klägerin auf Feststellung und Überführung von Zusatzversorgungsanwart-schaften in der zusätzlichen
Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) lehnte der beklagte Versorgungsträger mit Bescheid vom
07.02.2003 und bestätigendem Wider-spruchsbescheid vom 25.08.2003 ab. Die Klägerin habe bei In-Kraft-Treten des
AAÜG am 01.08.1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes ge-habt. Sie sei
weder in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen, noch habe sie eine Einbeziehung in die AVItech nachträglich
durch Rehabilitierung oder durch eine Entschei-dung nach Artikel 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages erlangt
oder habe auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage im Juli 1991 einen Anspruch auf Erteilung einer Ver-
sorgungszusage gehabt. Im Juni 1990 habe sie als Ingenieur eine ihrer Qualifikation ent-sprechende Beschäftigung in
einem Rationalisierungs- und Projektierungsbetrieb ausgeübt. Rationalisierung- und Projektierungsbetriebe zählten auf
Grund der in der Anordnung über die Aufgaben, die Arbeitsweise und die Finanzierung der volkseigenen Betriebe für
Ratio-nalisierung, der volkseigenen Ingenieurbüros für Rationalisierung und der volkseigenen Organisations- und
Rechenzentren der Wirtschaftsräte der Bezirke vom 29. März 1973 (GBl. I Nr. 17 S. 152) beschriebenen
Arbeitsaufgaben nicht zu den volkseigenen Produkti-onsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens und es habe sich
auch nicht um einen im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 gleichge-
stellten Betrieb gehandelt. Das AAÜG sei damit nicht anwendbar.
Mit der am 05.09.2003 beim Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage führte die Klägerin ihr Ziel zur Feststellung ihrer
Beschäftigungszeiten vom 10.09.1973 bis 30.06.1990 als Zuge-hörigkeitszeiten in der AVItech und der
entsprechenden Entgelte weiter. Der VEB Zentra-les Projektierungsbüro der H ...- und K ...L ... unterfalle dem
betriebli-chen Geltungsbereich der AVItech, weil der Betrieb sich mit der Planung und Projektie-rung von
Industrieanlagen sowie deren Inbetriebnahme beschäftigt habe und damit einem klassischen Baubetrieb entspreche.
Die Projektierung sei integraler Bestandteil der Bau-produktion und gehöre auch nach heutigem Begriffsverständnis zu
den Bauleistungen. Je-denfalls habe es sich bei dem Betrieb auf Grund der Aufgabe der bautechnischen Projektie-
rung von Industrieanlagen um ein Konstruktionsbüro gehandelt, das ebenfalls dem betrieb-lichen Geltungsbereich der
AVItech unterfalle.
Das Sozialgericht hat Auszüge aus der beim Register der volkseigenen Wirtschaft der DDR geführten Registerakte
des VEB Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K ... (Reg.-Nr. 110-13-2026), wonach der Betrieb zum 01.05.1981
durch Herauslö-sung des Bereichs 4 - Projektierung - aus dem VEB WTZ der holzverarbeitenden Industrie als
juristisch selbstständiger Kombinatsbetrieb des VEB Kombinate Holzwerkstoffe, Be-schläge und Maschinen L ...
entstanden ist, beigezogen. Ferner lagen ein Auszug aus dem Handelsregister zum Nachfolgeunternehmen, Industrie-
und Holzprojekt GmbH (Amtsge-richt Leipzig, HRB ...) sowie Auszüge aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige
der DDR vor.
Auf mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 25.01.2005 abgewiesen. Die Klägerin habe
keinen Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und 2 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit
zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie der erzielten Entgelte.
Sie falle nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bereits nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes.
Die Klägerin habe bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 weder einen Anspruch und eine Anwartschaft
aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungs-system erworben gehabt. Sie habe auch keinen "Anspruch auf eine
Versorgungszusage" erworben. Ein solcher hätte sich für die Klägerin nur aus den bundesrechtskonform auszu-
legenden Regeln der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.08.1950 (GBl. S. 844) und der dazu
ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24.05.1951 (GBl. S. 487) ergeben können. Auch wenn für
das Sprachverständnis dieser Texte vom staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30.06.1990 auszugehen sei (BSG,
Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 R), habe sich die Auslegung selbst an den objektiven Auslegungskriterien des
Bundesrechtes zu orientieren. Mithin komme es weder auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die
Staatsorgane der DDR, noch auf deren Verwaltungspraxis an. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liege
eine fikti-ve Zugehörigkeitszeit zur AVItech i.V.m. der 2. DB nur vor, wenn der "Versorgungsbe-rechtigte" drei
Voraussetzungen erfüllte: Er habe eine bestimmte Berufsbezeichnung füh-ren müssen (persönliche Voraussetzung),
eine der Berufsbezeichnung entsprechende Be-schäftigung oder Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung)
und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (betriebli-che
Voraussetzung). Vorliegend sei die betriebliche Voraussetzung für die Anerkennung fiktiver Zugehörig-keitszeiten zur
AVItech nicht erfüllt. Die Klägerin sei am 30.06.1990 weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie
oder des Bauwesens, noch in einem der in § 1 Abs. 2 der 2. DB aufgeführten gleichgestellten Betriebe beschäftigt
gewesen. Zur Be-antwortung der Frage, welche Aufgaben dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin, dem VEB
Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K ... L ..., das Gepräge gegeben hatten, sei auf den Hauptzweck des
Betriebs abzustellen. Dabei habe das Sozial-gericht zum einen auf die Angaben der Klägerin im
Verwaltungsverfahren, wonach der Betrieb sich mit der Planung und Projektierung von Industrieanlagen sowie deren
Inbe-triebnahme befasst habe, zurückgegriffen. Zum anderen habe sich ein Hinweis auf den Betriebszweck aus dem
Unternehmensgegenstand der Rechtsnachfolgerin des untergegan-genen VEB, der am 30.08.1990 im Handelsregister
eingetragenen Industrie- und Holzpro-jekt GmbH, ergeben. Danach habe der Gegenstand in der Beratung, Planung und
Projektie-rung von Industrie- und Teilanlagen vorwiegend für die holzbe- und -verarbeitende Indust-rie einschließlich
Inbetriebnahme von Ausrüstungen sowie Durchführung von Serviceleis-tungen bestanden. Da der VEB Zentrales
Projektierungsbüro der H ...- und K ... ausweislich der Auszüge aus der Registerakte seit 01.01.1990 dem Mi-
nisterium für Leichtindustrie unterstellt gewesen sei, habe schließlich auch die Anordnung über das Statut der VEB
Zentrale Projektierungsbüros im Bereich des Ministeriums für Leichtindustrie vom 27.02.1956 (GBl. II Nr. 10 S. 57)
herangezogen werden können. Dem danach in § 2 Abs. 2 der Anlage genannten Aufgabenkatalog seien
Betriebsaufgaben im Sinne des fordistischen Produktionsmodells nicht zu entnehmen. Vielmehr habe es sich um
Unterstützungsleistungen für die originären Produktions- oder Baubetriebe gehandelt, die als Dienstleistungsaufgaben
zu bewerten seien (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.07.2004 - B 4 RA 8/04 R). Damit im Einklang stehe auch die
Zuordnung des Betriebes zur Wirt-schaftsgruppe 63310 der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR. Dieser
Wirt-schaftsgruppe seien technologische Projektierungsbetriebe zugeordnet gewesen, also "selbstständige
Organisationen zur technischen (ingenieurtechnischen) Projektierung und Betreuung in allen Zweigen der materiellen
Produktion". Damit decke sich, dass in § 6 Abs. 1 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate,
Kombinatsbetriebe und volksei-genen Betriebe vom 08.11.1979 (GBl. I S. 355) festgehalten worden sei, ein
Kombinatsbe-trieb könne Produktionsbetrieb für Enderzeugnisse, Produktionsbetrieb für Zulieferungen, Forschungs-
und Entwicklungseinrichtung, Projektierungsbetrieb, Rationalisierungsmittel-betrieb und Baubetrieb sowie
Handelsbetrieb, Kundendiensteinrichtung u.a. sein. Hieraus ergebe sich, dass auch nach dem Sprachgebrauch der
DDR zwischen Produktions- und Baubetrieben einerseits und Projektierungsbetrieben andererseits unterschieden
worden sei. Projektierungsbetriebe unterfielen jedoch nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der A-VItech. Bei dem
Beschäftigungsbetrieb der Klägerin habe es sich auch nicht um ein "Konstrukti-onsbüro" im Sinne von § 1 Abs. 2 der
2. DB gehandelt. Der VEB Zentrales Projektie-rungsbüro der Holz- und Kulturwarenindustrie habe gerade nicht die
Bezeichnung "Kon-struktionsbüro" geführt. Eine erweiternde Auslegung dieses Begriffes komme nicht in Be-tracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG habe sich die Auslegung der einschlä-gigen Versorgungsordnungen eng
am jeweiligen Wortlaut zu orientieren, weil nur so aus-geschlossen werden könne, dass beliebige Umstände außerhalb
des von den Texten der Versorgungsordnungen vorgegebenen Rahmens, die sich mangels gesicherter faktischer
Beurteilungsgrundlage nicht willkürfrei erschließen ließen, bei der Auslegung der Versor-gungsordnungen
herangezogen würden (BSG, Urteil vom 10.04.2002 - B 4 RA 34/01 R). Das Bundesverfassungsgericht habe diese
vom BSG gefundene Auslegung bestätigt (Be-schluss vom 04.08.2004 - 1 BvR 1557/01) und hervorgehoben, dass es
zwangsläufig zu neuen Ungleichheiten innerhalb der Versorgungssysteme und im Verhältnis der Versor-gungssysteme
zueinander führen würde, wenn unter Missachtung des Textes der Versor-gungsordnungen rückschauend eigene
Kriterien für die Aufnahme in die Versorgungssys-teme entwickelt würden. Insbesondere halte der
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG die Sozialgerichte nicht allgemein an, eine Ungleichbehandlung von
Bürgern, die durch Normsetzung oder Verwaltungspraxis der DDR entstanden sei, zu überprüfen und gegebenenfalls
zu beseitigen. Damit könne als "Konstruktionsbüro" nur ein Betrieb ange-sehen werden, der auch diese Bezeichnung
geführt habe. Ein sich über diese enge Orientie-rung am Wortlaut der Versorgungsordnung hinwegsetzendes
Verständnis würde dazu füh-ren, dass jeder Betrieb mit einer irgendwie gearteten technischen Ausrichtung als "Kon-
struktionsbüro" bewertet werden müsste.
Gegen das am 17.02.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.02.2005 eingelegte Be-rufung der Klägerin, mit der
sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wieder-holt. So weit das Sozialgericht bei seiner
klageabweisenden Entscheidung besonderen Wert auf die Unterstellung des Beschäftigungsbetriebes der Klägerin zu
einem Industrie-ministerium und das "DDR-Sprachverständnis" gelegt habe, könne dem nicht gefolgt wer-den. Der
VEB Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K ... Leipzig sei dem Ministerium der Leichtindustrie unterstellt
gewesen. Der Verweis des Sozialgerichts auf die Zuordnung des Betriebes im Rahmen der Systematik der
Volkswirtschaftszweigen der DDR zur Wirtschaftsgruppen 63310 belege, dass die DDR eine Zuordnung zum produ-
zierenden Bereich getroffen habe. Schließlich könne auch der Hinweis auf das Urteil des BSG vom 27.07.2004 - B 4
RA 8/04 R - nicht überzeugen, denn insoweit habe es sich um einen so genannten Rationalisierungsbetrieb gehandelt,
welcher zumindest teilweise Dienstleistungsaufgaben wahrgenommen habe. Dies sei beim Beschäftigungsbetrieb der
Klägerin nicht der Fall; bei diesem Betrieb habe es sich ohne Zweifel um ein Unternehmen im Sinne des § 1 der 2. DB
zur AVItech gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25.01.2005 sowie den Bescheid der Be-klagten vom 07.02.2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom
10.09.1973 bis 29.07.1978 und vom 06.11.1978 bis 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zu-sätzlichen
Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten
Entgelte festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen
und die beigezogene Verwaltungsakte, die vorlagen und Gegens-tand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, in der Sache
jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 07.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
25.08.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat
keinen Anspruch darauf, in einem Feststellungsverfahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG, welches einem
Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buch Sozi-algesetzbuch (SGB VI) ähnlich und außerhalb des
Rentenfeststellungsverfahrens des Ren-tenversicherungsträgers durchzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.1996 -
4 RA 7/95 - in: SozR 3-8570 § 8 Nr. 2), die Zeiträume vom 10.09.1973 bis 29.07.1978 und 06.11.1978 bis 30.06.1990
als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die während dieser
Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt zu erhal-ten.
In dem Verfahren nach § 8 AAÜG ist die Beklagte nur dann zu den von der Klägerin be-gehrten Feststellungen
verpflichtet, wenn sie dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfällt (§ 1 Abs. 1 AAÜG). Erst wenn dies
zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob Tatbestände von Zugehörigkeitszeiten i.S. von § 5 Abs. 1
AAÜG und damit Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten i.S. des SGB VI vorliegen, auf deren
Feststellungen die Klägerin nach § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 3 AAÜG einen An-spruch gegen die Beklagte hätte.
Vom persönlichen Anwendungsbereich werden nach der Maßstabsnorm des § 1 Abs. 1 AAÜG die
Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften) erfasst, die auf Grund der Zugehörigkeit zu
Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.1991
bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten,
weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn beim Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser
Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetre-ten. Geht man vom Wortlaut der Vorschrift aus,
erfüllt die Klägerin - wie bereits das Sozi-algericht zutreffend festgestellt hat - beide Tatbestände nicht.
Die Klägerin war nicht Inhaberin einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 01.08.1991 beste-henden
Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihr zum 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft
zuerkannt worden ist, liegt nicht vor. Weder hatte sie eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt noch
hatte sie eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag bindend gebliebe-nen
Verwaltungsakts. Die Klägerin war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren
Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem (hier: AVItech) einbezogen worden. Für die Klägerin greift
schließlich auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn sie hatte vor dem 30.06.1990 keine Rechtsposition inne, die sie
hätte verlie-ren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG
fingiert (vgl. dazu BSG, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 15 und SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.).
Bei Personen, die am 30.06.1990 nicht einbezogen waren und auch nicht nachfolgend auf Grund originären
Bundesrechts (Art. 17 EV) einbezogen wurden, ist auf Grund einer vom BSG vorgenommenen erweiternden
verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am
01.08.1991 gültigen Bundesrechts nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer
Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2 bis 8). Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch
auf Erteilung einer Zusage hängt von der Ausgestaltung der zu Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen
Regelungen der Versorgungssysteme ab.
Eine solche fiktive Berechtigung hängt nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des BSG im Bereich der
AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersver-sorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrie-ben vom 17.08.1950 (VO-AVItech; GBl. S. 844) und der dazu
ergangenen Zweiten Durch-führungsbestimmung vom 24.05.1951 (2. DB; GBl. S. 487) von folgenden drei Vorausset-
zungen ab, und zwar von 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönli-che
Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), 3. in einem
volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem
durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Die Klägerin erfüllte zwar mit dem Abschluss ihres Studiums an der Ingenieurschule für Bauwesen Leipzig als
Ingenieur seit 21.07.1973 die vorstehend genannte erste (persönli-che) Voraussetzung für eine Einbeziehung in die
AVItech. Ob sie mit ihrer am 30.06.1990 ausgeübten Tätigkeit als Projektingenieur die sachliche Voraussetzung
(ingenieur-technischen Tätigkeit) erfüllt, kann offen bleiben. Denn sie hat ihre Tätigkeit nicht in ei-nem von der
Versorgungsordnung der AVItech erfassten (volkseigenen) Produktionsbe-trieb der Industrie oder des Bauwesens und
auch nicht in einem nach § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb ausgeübt und erfüllt damit nicht die betriebliche
Voraussetzung für einen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech. Der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin,
der VEB Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K ... L ..., ist - wie das Sozialgericht Leipzig zutreffend dargestellt
hat - weder ein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch ein diesen nach § 1 Abs. 2 der 2. DB zur
AVItech gleichgestellter Betrieb. Damit findet das AAÜG nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 auf die Klägerin keine
Anwendung.
Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung den Feststellungen des Sozialgerichts vollumfänglich an und sieht
daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entschei-dungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG)
Nach Überzeugung des Senates ist neben der Erläuterung der Aufgaben des Betriebes durch die Klägerin selbst
(Planung und Projektierung von Industrieanlagen und deren Inbe-triebnahme) gerade die Anknüpfung an die Zuordnung
des Betriebes in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR ein geeignetes abstrakt-generelles Kriterium der
Bewer-tung der Haupttätigkeit des jeweils maßgeblichen Beschäftigungsbetriebes. Dies ergibt sich vor allem aus dem
Vorwort zur Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR für das Jahr 1985, die im Bundesarchiv zugänglich ist
und die belegt, dass bereits die DDR im Rahmen ihrer ökonomischen Planung und statistischen Abrechnung eine
Einteilung der Betriebe nach ihren Hauptaufgaben (ihrem Hauptzweck) im System der erweiterten Re-produktion (und
damit nach ökonomischen Gesichtspunkten) vorgenommen hat. Die Zu-ordnung der selbstständigen wirtschaftlichen
Einheiten - Betriebe, Einrichtungen, Organi-sationen u.a. - erfolgte danach unabhängig von der Unterstellung unter ein
Staats- oder wirtschaftsleitendes Organ und der sozialökonomischen Struktur. Die Systematik der
Volkswirtschaftszweige war damit frei von möglichen Veränderungen, die durch verwal-tungsmäßige Unterstellungen
der Betriebe und Einrichtungen hervorgerufen werden konn-ten. Die Volkswirtschaft der DDR wurde in der Systematik
der Volkswirtschaftszweige in 9 Wirtschaftsbereiche gegliedert: 1 Industrie, 2 Bauwirtschaft, 3 Land- und Forstwirt-
schaft, 4 Verkehr, Post und Fernmeldewesen, 5 Handel, 6 Sonstige Zweige des produzie-renden Bereichs, 7
Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, Vermittlungs-, Werbe-, Bera-tungs-, u.a. Büros, Geld- und Kreditwesen, 8
Wissenschaft, Bildung, Kultur, Gesundheits- und Sozialwesen und 9 Staatliche Verwaltung, gesellschaftliche
Organisationen. Die Zu-ordnung der selbstständigen wirtschaftlichen Einheiten zu den Gruppierungen erfolgte ent-
sprechend dem Schwerpunkt der Produktion bzw. Leistung oder dem Hauptzweck der Ein-richtung, wobei jede Einheit
nur einer Gruppierung zugeordnet werden konnte, d.h. der Hauptzweck des Betriebes damit ermittelt werden musste.
Die Zuordnung der selbständi-gen wirtschaftlichen Einheit wurde von den Dienststellen der Staatlichen Zentralverwal-
tung für Statistik in Zusammenarbeit mit den Fachorganen festgelegt und erfolgte unab-hängig von der
sozialökonomischen Struktur und der Unterstellung unter ein Staats- oder wirtschaftsleitendes Organ. Eine Änderung
der Zuordnung bedurfte der Zustimmung der für den Wirtschaftszweig verantwortlichen Fachabteilung der Staatlichen
Zentralverwal-tung für Statistik und sollte nur dann erfolgen, wenn die Hauptproduktion des Betriebs grundsätzlich
umgestellt worden war.
Nach Überzeugung des Senates bildet gerade die Zuordnung der einzelnen Beschäfti-gungsbetriebe im Rahmen der
Systematik der Volkswirtschaftszweige ein wesentliches, von subjektiven Elementen freies, aus dem
Wirtschaftssystem der DDR selbst stammendes Kriterium zur Beurteilung des Hauptzweckes eines Betriebes um
festzustellen, ob für einen fiktiven Einbeziehungsanspruch in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intel-
ligenz die nach der vom BSG herausgearbeiteten verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG
erforderliche betriebliche Voraussetzung erfüllt ist. Soweit das Sozialgericht danach unter Heranziehung der im
Register der volkseigenen Wirtschaft der DDR einge-tragenen Betriebsnummer eine Zuordnung des
Beschäftigungsbetriebes der Klägerin, des VEB Zentrales Projektierungsbüro der H ...- und K ... L ..., zur Wirtschafts-
gruppe 63310 in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR vorgenommen hat, ist diese Herangehensweise
nicht zu beanstanden. Dieser Wirtschaftsgruppe sind - wie das Sozialgericht bereits dargestellt hat - selbstständige
Organisationen zur technischen (inge-nieurtechnischen) Projektierung und Betreuung in allen Zweigen der materiellen
Produkti-on, mit Ausnahme von Organisationen zur Projektierung von Bauobjekten und Projektie-rungsorganisationen,
die wissenschaftliche Arbeit verrichten, zugeordnet. Dem Beschäfti-gungsbetrieb der Klägerin gab somit nicht - wie
vom BSG für einen bundesrechtlichen Anspruch erforderlich - die industrielle Produktion im Sinne des fordistischen
Produkti-onsmodells, d.h. die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern (vgl.
BSG, Urteil vom 09.04.2002 – B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; Urteil vom 10.04.2002 – B 4 RA 10/02 R =
SozR 3-8570 § 1 Nr. 5; BVerfG, Beschluss vom 08.09.2004 – 1 BvR 1697/02), sondern Projektierungen und damit
Dienstleistungen das Gepräge.
Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen über die vom BSG gefundene erweiternde verfassungskonforme
Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hinaus ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber
durfte an die im Zeitpunkt der Wiederverei-nigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR
sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 04.08.2004 - 1 BvR 1557/01) und damit u.a. zu Grunde le-gen, dass nur derjenige in das
Zusatzversorgungssystem der AVItech einbezogen werden durfte, der am 30.06.1990 in einem volkseigenen
Produktionsbetrieb im Bereich der In-dustrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt
und tatsäch-lich ingenieur-technisch eingesetzt war. Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Grundgesetz (GG) gebie-tet nicht, von
jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versor-gungssysteme sowie den historischen Fakten,
aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der
heutigen Bei-trags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, Nr. 7, Nr. 8; BSG Urteile vom
18.06.2003 - B 4 RA 1/03 R = SGB 2003 S. 518 und vom 18.12.2003 - B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 1).
Da die Klägerin somit am 30.06.1990 keine Versorgungsanwartschaft i.S. des § 1 AAÜG erworben hatte, kann ihr
bereits aus diesem Grund kein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem
nach § 5 AAÜG und der dabei er-zielten Entgelte zustehen. Die angefochtene ablehnende Entscheidung der
Beklagten ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat deshalb die kombinierten Anfechtungs- und Verpflich-tungsklagen zu
Recht abgewiesen. Die Berufung war aus den genannten Gründen zurück-zuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).