Urteil des LSG Sachsen vom 02.11.2000
LSG Fss: verfassungskonforme auslegung, eintritt des versicherungsfalles, bfa, sozialversicherung, ddr, anpassung, krankenversicherung, verzicht, nachzahlung, vertrauensschutz
Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 02.11.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 12 RA 499/99
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 13/00
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 05. Oktober 1999 aufgehoben. Die
Klage gegen den Rentenbescheid vom 15.02.2000 wird abgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen
außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Tatbestand:
Streitig ist der Wert des Rechts auf Regelaltersrente; insbesondere streiten die Beteiligten darüber, nach welchen
Grundsätzen die Dynamisierung des bestandsgeschützten Wertes ab dem Jahr 1992 zu erfolgten hat.
Der ... geborene Kläger war bis 31.08.1988 als ordentlicher Professor an der Pädagogischen Hochschule D ... tätig.
Mit Versicherungsschein vom 11.01.1957 war er seit 01.12.1956 in die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz an
wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR nach der Verordnung
vom 12.07.1951 (GBl. S. 675) einbezogen. Danach war ihm die Gewährung einer monatlichen Rente i.H.v. 60 % des
im letzten Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalles bezogenen durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes
zugesichert. Seine Emeritierung erfolgte nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Juni 1988) zum 01.09.1988.
Mit Bescheid vom 10.03.1988 gewährte ihm der FDGB (Verwaltung der Sozialversicherung) ab 01.06.1988 eine
monatliche Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung in Höhe von 294 Mark zuzüglich 45 Mark Kinderzuschlag für
ein Kind (Gesamtrente 339 Mark), die sich zum 01.12.1989 auf der Grundlage des § 2 der 4. Rentenverordnung (4.
RentenVO, GBl. 1989 I S. 229) bei 49 berücksichtigungsfähigen Arbeitsjahren um 70 Mark auf 364 Mark erhöhte.
Auch der Kinderzuschlag erhöhte sich um 15 Mark auf 60 Mark. Damit belief sich die Gesamtrentenleistung aus der
Sozialpflichtversicherung ab 01.12.1989 auf 424 Mark.
Daneben gewährte ihm die Staatliche Versicherung der DDR aufgrund der Versorgungszusage aus der
Altersversorgung der Intelligenz (AVI) zunächst ab 01.06.1988 eine monatliche Altersversorgung von 2.190 Mark
(Bescheid vom 20.04.1988). Nach seiner Emeritierung erhöhte sich diese Versorgungsleistung ab 01.09.1988 auf 80
v.H. seines im letzten Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalles erzielten durchschnittlichen Brutto- Monatsgehalts von
3.650 Mark auf monatlich 2.920 Mark (Bescheid vom 16.08.1988).
Zum 30.06.1990 bezog der Kläger somit eine Gesamtrentenleistung von 3.344 Mark (424 Mark SV-Leistung und 2.920
Mark Zusatzversorgung), die in gleicher Höhe zum 01.07.1990 auf DM umgestellt wurde. Dieser Gesamtzahlbetrag
blieb nach den Rentenanpassungen zum 01.01.1991 und zum 01.07.1991 erhalten.
Zum 01.08.1991 begrenzte die Beklagte den Gesamtzahlbetrag auf 2.010,00 DM; damit verringerte sich der Betrag
der Zusatzversorgung, der zum 01.07.1991 noch 2.473,00 DM betrug, auf 1.199,00 DM monatlich. Den Widerspruch
des Klägers wies die Überleitungsanstalt Sozialversicherung, Bereich Zusatzversorgung mit Bescheid vom
08.11.1991 zurück.
Mit der am 28.11.1991 vor dem Sozialgericht Dresden gegen die Überleitungsanstalt Sozialversicherung, Bereich
Zusatzversorgung erhobenen Klage begehrte der Kläger die Gewährung einer dynamischen Rente aus der
Sozialpflichtversicherung zuzüglich der ungekürzten Leistung aus der Zusatzversorgung ab 01.01.1991. Er wandte
sich zugleich gegen die Abschmelzung im Jahr 1991.
Während des Klageverfahrens wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.1992 auch den Widerspruch
gegen die Rentenanpassungen 1991 zurück. Die Beklagte wertete die dem Kläger zum 31.12.1991 gezahlte
Bestandsrente ab 01.01.1992 nach § 307 b Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) pauschal in eine
Regelaltersrente um. Bei dem auf 2.010,00 DM begrenzten monatlichen Zahlbetrag verbleib es. Auf der Grundlage des
Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) hob die Beklagte sodann mit Bescheid vom 16.07.1993 die zum
01.08.1991 erfolgte Begrenzung des Gesamtzahlbetrages auf und begrenzte diesen ab 01.08.1991 auf 2.700,00 DM.
Der Kläger erhielt für den Zeitraum vom 01.08.1991 bis 31.12.1993 eine Nachzahlung von 20.010,00 DM (29 Monate x
690,00 DM Differenz).
Nach Klärung des Versicherungskontos des Klägers stellte die BfA als Rentenversicherungsträger mit den
Rentenbescheiden vom 26.04.1994 und vom 03.03.1995 den Wert des Rechts auf Regelaltersrente nach den
Grundsätzen des SGB VI ab 01.07.1990 neu fest. Für die Zeit vom 01.07.1990 bis 31.07.1991 berücksichtigte sie
einen Zahlbetrag von 3.284,00 DM. Ab 01.08.1991 erfolgte eine Absenkung auf 2.700,00 DM, da dieser Betrag jeweils
höher war als die nach dem SGB VI errechnete und dynamisierte Rente. Ab 01.07.1994 überstieg die nach dem SGB
VI ermittelte Rente den statischen Betrag von 2.700,00 DM.
Nach Auswertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.04.1999 (1 BvL 32/95; 1 BvR
2105/95) bestimmte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.1999 die Rente ab 01.08.1991 vorläufig der Höhe nach neu,
da das BVerfG die vorläufige Zahlbetragsbegrenzung des § 10 Abs. 1 Satz 2 AAÜG wegen Verstoßes gegen die
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) für nichtig erklärt hatte. Die Beklagte legte der
Neufeststellung folgende, dem Kläger am 31.07.1991 gewährten Zahlbeträge, zugrunde:
Rente aus der Sozialpflichtversicherung 811,00 DM Leistung aus der Zusatzversorgung 2.473,00 DM Summe der
Monatsbeträge: 3.284,00 DM erhöht ab 01.01.1992 um 6,84 % 3.508,63 DM.
In dieser Höhe sei der Rentenanspruch mindestens zu berücksichtigen (§ 307 b Abs. 3 SGB VI). Ferner verwies die
Beklagte darauf, dass der vor der Überführung zustehende Gesamtzahlbetrag nach den Entscheidungen des BVerfG
für Zeiten ab 01.01.1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen und im Rahmen des allgemeinen
Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG eine Neuberechnung der Versichertenrente nach gesetzlicher Neuregelung
vorzunehmen sei.
Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht erklärte sich die Beklagte bereit, den Kläger bezüglich
einer Vergleichsberechnung unter Zugrundelegung der letzten 20 Arbeitsjahre vor Beginn des Versicherungsfalles
nach Vorlage der vom BVerfG geforderten gesetzlichen Regelung so zu stellen, als hätte er seinen Anspruch
gerichtlich weiterverfolgt. Daraufhin erklärte der Kläger, dass er diesen Anspruch auf Neuberechnung nach § 307 b
SGB VI nicht mehr weiter gerichtlich verfolge. Er begehre nur noch eine Dynamisierung des besitzgeschützten
Zahlbetrages.
Das Sozialgericht gab der weiterhin gegen die BfA als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme
gerichteten Klage mit Urteil vom 05.10.1999 statt und verurteilte die Beklagte, dem Kläger über die Anpassung des
ihm am 31.12.1991 zustehenden Betrages für die Zeit ab dem 01.01.1992 unter Beachtung der in der Entscheidung
des BVerfG vom 28.04.1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95) vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung
der Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages einen Bescheid zu erteilen.
Die vom BVerfG festgestellte Dynamisierungsverpflichtung könne nur so verstanden werden, dass damit die
Dynamisierung nach den allgemeinen, durch die Rentenanpassungsverordnungen dargestellten rentenrechtlichen
Regelungen zu erfolgen habe. Das BVerfG führe auf Seite 58 des amtl. Umdrucks im zitierten Urteil aus, dass ohne
die Dynamisierung ab dem 01.01.1992 die durch Lebensleistung erreichte relative Position in der jeweiligen
Rentnergeneration nicht mehr erhalten bliebe und die Betroffenen von der Dynamisierung, die seit 1957 zu den
Wesensmerkmalen der gesetzlichen Rentenversicherung gehöre, ausgeschlossen blieben. Die deshalb gebotene
verfassungskonforme Auslegung, wonach eine Anpassung an die Lohn- und Einkommensentwicklung vorzunehmen
sei, lasse sich nur dahin verstehen, dass die jeweiligen Anpassungssätze der für alle Rentner im Beitrittsgebiet
gleichermaßen geltenden Rentenanpassungsverordnungen für die Dynamisierung der dem Kläger zu zahlenden
Leistung ab dem 01.01.1992 zum Tragen komme.
Gegen das der Beklagten am 20.12.1999 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 14.01.2000 eingelegte Berufung.
Streitig sei nur noch die Frage, in welchem Umfang die Beklagte zur Dynamisierung des Zahlbetrages verpflichtet sei,
der dem Kläger am 01.07.1990 nach den Vorschriften des Einigungsvertrages (EV Nr. 9 Satz 4) zugestanden habe.
Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts gehe sie vielmehr von der vom BSG in dem Urteil vom
03.08.1999 (B 4 RA 24/98 R) vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung der Entscheidung des BVerfG aus.
Das BSG habe die Entscheidung des BVerfG dahingehend ausgelegt, dass die Dynamisierung des
zahlbetragsgeschützten Wertes ausschließlich an dem Änderungsfaktor des aktuellen Rentenwertes
(Anpassungsfaktor) angeknüpft werden könne. Eine sog. Rentenanpassung/Ost sei nicht zugleich für die SGB VI-
Rente und für den bestandsgeschützten Betrag vorzunehmen. Die Dynamisierung habe durch Vervielfältigung des
besitzgeschützten Zahlbetrages zum 01.07. eines jeden Jahres mit dem Anpassungsfaktor des aktuellen
Rentenwertes, wie er sich aus § 63 Abs. 7 SGB VI ergebe, zu erfolgen (= Dynamisierung nach Maßgabe der
allgemeinen Rentenanpassung). Es bestehe kein inhaltlicher Gegensatz zwischen den "Dynamisierungsurteilen" des
BVerfG auf der einen und des BSG auf der anderen Seite.
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 05.10.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie über den
Bescheid vom 15.02.2000 hinausgeht.
Der Kläger beantragt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 05.10.1999 wird zurückgewiesen. 2.
Die Beklagte wird verurteilt, den inzwischen erteilten Rentenbescheid vom 15.02.2000 dahin zu ändern, dass - der
einigungsvertraglich garantierte Zahlbetrag für Juli 1990 nach Erhöhung um 6,84 % (3.508,63 DM) dynamisiert wird, -
die Dynamisierung mittels der Anpassungsfaktoren für die Anhebung des aktuellen Rentenwertes (Ost) vorgenommen
wird, - mit der Dynamisierung ab 01.01.1992 begonnen wird. 3. Hilfsweise wird die Revision zugelassen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie entspreche in ihrer Begründung den Formulierungen und
dem Sinn des Leiturteils des BVerfG vom 28.04.1999. Die Auslegung des BSG könne nicht Ausgangspunkt für die
Rechtsprechung sein. Vielmehr ergebe sich aus dem Urteil des BVerfG zweifelsfrei, dass der sich aus dem
Einigungsvertrag zum 01.07.1990 besitzgeschützte Zahlbetrag um 6,84 % zu erhöhen und nach den Regelungen für
die sog. Rentenanpassung/Ost ab 01.01.1992 zu dynamisieren sei.
Während des Berufungsverfahrens erließ die BfA in ihrer Eigenschaft als Rentenversicherungsträger den Bescheid
vom 15.02.2000, mit dem sie eine Dynamisierung des durch den Einigungsvertrag garantierten Betrages der Summe
der Rente und Leistung der Zusatzversorgung ohne Erhöhung um 6,84 % vornahm. Die Dynamisierung dieses
Betrages führte sie auf der Grundlage der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.08.1999 (B 4 RA
24/98 R) durch. Danach passte sie die Summe aus der Rente und der Leistung der Zusatzversorgung für Juli 1990 ab
1992, beginnend am 01.07.1992, entsprechend der Lohn- und Einkommensentwicklung in den alten Bundesländern
an. Nach dieser Berechnung verblieb es für die Zeit vom 01.01.1992 bis 30.06.1993 bei dem bereits gewährten
Zahlbetrag (3.284,00 DM). Eine geringfügige Erhöhung ergab sich nur aufgrund des geänderten Beitragsanteils zur
Krankenversicherung. Erst ab 01.07.1993 überstieg der an die Lohn- und Einkommensentwicklung in den alten
Bundesländern angepasste Gesamtzahlbetrag vom 01.07.1990 die um 6,84 % erhöhte Gesamtleistung vom
Dezember 1990. Für die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.03.2000 ergab sich eine Nachzahlung von 14.207,76 DM.
Da es dem Kläger im vorliegenden Verfahren um den Erhalt einer höheren Rentenleistung geht, richtet er mit
Schreiben vom 12.07.2000 im Wege der Klageänderung nunmehr seine ausschließlich gegen den während des
Berufungsverfahrens erteilten Rentenbescheid vom 15.02.2000 gerichtete Klage gegen die Beklagte in ihrer
Eigenschaft als Rentenversicherungsträger.
Mit Schreiben vom 08.08.2000 erklärte die BfA als Rentenversicherungsträger sich mit dem vom Kläger
vorgenommenen Beklagtenwechsel einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen
und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nachdem die Beklagte die grundsätzliche Verpflichtung zur Dynamisierung
des zum 01.07.1990 durch den Einigungsvertrag besitzgeschützten Betrages anerkannt hat, nur noch der
Rentenbescheid vom 15.02.2000.
Der ursprüngliche Klagegegenstand, die zum 01.08.1991 mit Bescheid ohne Datum in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.11.1991 vorgenommenen Zahlbetragsbegrenzung auf 2.010,00 DM, die - zwar mit
Bescheid vom 16.07.1993 auf 2.700,00 DM erhöht - grundsätzlich bestätigt wurde und die dem Rentenbescheid vom
26.04.1994 zugrunde lag, hat sich durch die mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Bescheid vom
28.06.1999 erfolgte Aufhebung der Begrenzung erledigt. Daraufhin hatte der Kläger bereits im Klageverfahren sein
Begehren auf den Erhalt einer höheren Rentenleistung, insbesondere auf Erhöhung des zum 01.07.1990
besitzgeschützte Zahlbetrag um 6,84 % und Dynamisierung nach den Regelungen für die sog. Rentenanpassung/Ost
ab 01.01.1992, umgestellt. Dieses Begehren richtete sich ersichtlich nicht mehr gegen die BfA als Träger der
Zusatzversorgung sondern gegen die BfA als Rentenversicherungsträger. Folgerichtig hat der Kläger auch insoweit
eine Klageänderung im Hinblick auf die Beklagtenstellung, der die BfA als Rentenversicherungsträger zugestimmt hat,
erklärt.
Nach diesen prozessualen Änderungen ist nur noch die Frage des Umfangs dieser Dynamisierungspflicht streitig.
Insoweit ist der Bescheid vom 15.02.2000 nach § 153 Abs. 1 und § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, denn dieser ist zwar in Ausführung des erstinstanzlichen Urteils,
aber inhaltlich abweichend von den in der Urteilsbegründung dargestellten, vom Sozialgericht für maßgeblich
erachteten Anpassungssätzen für das Beitrittsgebiet ergangen. Der Senat entscheidet damit erstinstanzlich über die
Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 15.02.2000, und zwar beschränkt auf die Frage der Dynamisierung (vgl. Meyer-
Ladewig, SGG, § 96 Rdnr. 7).
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Dynamisierung des durch den
Einigungsvertrag zum 01.07.1990 besitzgeschützten Zahlbetrages nach den Grundsätzen des § 255 a SGB VI und
damit nach den für das Beitrittsgebiet geltenden Anpassungssätzen nicht zu. Ebenso wenig ist der Ausgangsbetrag
vor der Dynamisierung um den Beitragsanteil des Klägers zur Krankenversicherung (6,84 %) zu erhöhen.
Der Rechtsauffassung der Beklagten ist zuzustimmen, dass eine Dynamisierung weder zum 01.07.1990 noch zum
01.01.1992 zu erfolgen hatte. Für die Zeit vom 01.07.1990 bis 31.12.1991 sind im Betrittsgebiet die Dynamisierungen
durch die 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung erfolgt. Hiervon hat auch der Kläger profitiert. Für das
weitergehende Begehren des Klägers fehlt eine Rechtsgrundlage.
Die Dynamisierung hat nach den Grundsätzen der §§ 63, 67 SGB VI zu erfolgen. Nach Anlage II Kap. VIII Sachgebiet
H Abschn. III Nr. 9 b Einigungsvertrag (EV) sind Ansprüche nach den allgemeinen Regeln des Sozialversicherung
unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlung anzupassen. Weiter ist bestimmt, dass für am 03.10.1990
Leistungsberechtigte der Zahlbetrag nicht unterschritten werden darf, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und
der Zusatzversorgung zu erbringen war.
§ 307 b Abs. 3 Satz 2 SGB VI bestimmt, dass die nach SGB VI neu berechnete Rente mit dem um 6,84 % erhöhten
Betrag der überführten Leistung zu vergleichen ist. Solange dieser erhöhte Betrag den Betrag der neu errechneten
Rente übersteigt, ist er zu bezahlen. Grund dieser Regelung ist, dass ab 01.01.1992 die Bestandsrentner an den
Aufwendungen für ihre Krankenversicherung beteiligt wurden. Durch diese Zahlungen sollte der besitzgeschützte
Zahlbetrag nicht vermindert werden (vgl. KassKomm-Polster § 307 b SGB VI RdNr. 26).
Das BVerfG hat im Urteil vom 28.04.1999 (1 BvL 32/95) ausgeführt, dass der Zahlbetrag bei verfassungskonformer
Auslegung kein statischer Betrag ist, sondern an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen sei. Es hat für
die Darstellung des geschützten Zahlbetrages diese Vorschrift der Anlage II zum EV genau aufgeführt (S. 60 des
amtl. Umdrucks) und ausgeführt, dass dieser garantierte Betrag zu dynamisieren sei. Auf § 307 b SGB VI ist bei
diesen Ausführungen nicht Bezug genommen. Der Hinweis von Thiessen (Zahlbetragsgarantie und
Rentendynamisierung in NJ 2000, 456), dass das BVerfG diese Vorschrift zitiert habe, geht in diesem
Zusammenhang fehl. Das BVerfG hat ausgeführt, es sei unzulässig, dass über lange Zeit nur der in dieser Vorschrift
garantierte Betrag zu leisten sei (S. 57 des amtl. Umdrucks). In dem besonderen Zusammenhang war auch nur dieser
Betrag zu nennen, da er als der nominal höchste Betrag auszuzahlen war.
§ 307 b Abs. 3 Satz 2 SGB VI garantiert, dass Bestandsrentner nach Einbehaltung des Beitrages zur Krankenkasse
nicht weniger erhalten, als zum 01.07.1990 ausgezahlt wurde. Der so zu berechnende Betrag ist mit der Rente nach
SGB VI und dem besitzgeschützten Betrag nach dem EV zu vergleichen. Damit war bei Höherversorgungen nach
dem Rechtsverständnis vor der Entscheidung des BVerfG immer der nach § 307 b SGB VI garantierte Betrag zu
leisten, da er höher ist als der Zahlbetrag vom 01.07.1990.
Das BVerfG hat weiter ausgeführt (S. 60 des amtl. Umdrucks), der nach Anlage II zum EV zum 01.07.1990 zu
erbringende Zahlbetrag dürfe nicht unterschritten werden. Dies erlaube ein Verständnis, nach dem der garantierte
Zahlbetrag an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen sei, wenn er für die davon betroffenen
Bestandsrentner auch nach dem 31.12.1991 weiter Bedeutung behalte (vgl. § 307 b Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Dies ist
ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber die Zahlungsgarantie gesehen hat und zum 01.01.1992 dadurch verhindert
hat, dass der Zahlbetrag unter den garantierten Betrag fällt. Der nach den Ausführungen des BVerfG zu
dynamisierende Betrag ist der im EV geschützte Betrag, denn hierauf ist Bezug genommen. Der in § 307 b Abs. 3
Satz 2 SGB VI genannte Betrag konnte auch durch den EV nicht in den Schutz des Art. 14 GG einbezogen werden,
denn die Vorschrift wurde erst durch das Rentenüberleitungsgesetz vom 25.07.1991 mit Wirkung vom 01.01.1992 in
das SGB VI eingefügt und diente dazu, ein Absinken des statischen Betrags unter den Zahlbetrag zum 01.07.1990 zu
verhindern.
2. Art der Dynamisierung
Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 28.04.1999 zur Überführung von Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungen
der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung zum 01.01.1992 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95) hat das BVerfG
festgestellt, dass die in der DDR erworbenen und im EV nach dessen Maßgaben als Rechtspositionen der
gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und
Sonderversorgungssystemen den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießen. Das BVerfG hat insoweit
ausgeführt, dass sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG keine Verpflichtung des Gesetzgebers ergibt, das
Altersversorgungssystem der DDR einschließlich der Zusatz- und Sonderversorgungen beizubehalten. Ausweislich
der Entscheidungsgründe begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber
die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der
gesetzlichen Rentenversicherung stammende Versorgungsleistung unter Verzicht auf Zusatzleistungen, die der
betrieblichen Altersversorgung oder der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in Westdeutschland gleichen,
ersetzt hat. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG lässt es jedoch nicht zu, dass die Umstellung mit Einbußen einhergeht, die dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen und Eigentumspositionen in unzumutbarer Weise schmälern. Zur
Gewährleistung eines Bestandsschutzes bei der Überführung hat der Einigungsvertrag deshalb in Anlage II, Kap. VIII,
Sachgebiet H, Abschn. III Nr. 9 Buchst. b Satz 4 und 5 bestimmt, dass bei versorgungsberechtigten Personen, die
am 03.10.1990 leistungsberechtigt waren, bei der Anpassung der Zahlbetrag nicht unterschritten werden darf, der für
Juli 1990 aus der Sozialversicherung und dem Versorgungssystem zu erbringen war (sog. Zahlbetragsgarantie).
In seiner Entscheidung hat das BVerfG (a.a.O.) bereits festgestellt, dass im Normalfall die Zahlbetragsgarantie die auf
Grund der Überführung verursachten Einbußen ausgleichen konnte, denn sie hat nur einen kurzen Zeitraum
überbrückt, bis die dynamisierte Rente nach dem SGB VI den Zahlbetrag überstieg. Diese Situation trifft jedoch -
wiederum ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils des BVerfG (a.a.O.) auf höher verdienende Berechtigte
aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen - nicht zu, denn die auf der Grundlage des SGB VI unter
Berücksichtigung der geltenden Beitragsbemessungsgrenzen berechnete Rente erreicht für einen langen Zeitraum
oder sogar niemals den nach § 307 b Abs. 3 Satz 2 SGB VI garantierten Zahlbetrag. Dies führt dazu, dass das
Versorgungsniveau dieser Personengruppe trotz nominal gleichbleibenden Zahlbetrages schrittweise auf dasjenige
von Rentnern mit Ansprüchen ausschließlich aus der Sozialpflichtversicherung und der freiwilligen Zusatzversicherung
absinken würde. Darüber hinaus träte inflationsbedingt eine fortlaufende Wertverminderung der Sozialleistungen ein.
Dieses Ergebnis entspricht aber nicht den Intentionen des EV, denn die Garantie der Weiterzahlung des für Juli 1990
geltenden Betrages nach EV Nr. 9 Buchst. b Satz 4 und 5 sollte lediglich als Überbrückungsmaßnahme bis zur
endgültigen Eingliederung in die Rentenversicherung dienen.
Mit anderen Worten: Nach dem Ende der bis zum 31.12.1991 dauernden Übergangsphase durfte sich der
Gesetzgeber, ohne diesen Personenkreis unverhältnismäßig zu belasten, nicht mehr auf die weite Gestaltungsfreiheit
berufen, die ihm zur Zeit der Verkündung der Übergangsregelungen zukam. Der Verzicht auf eine Dynamisierung der
Leistungen würde sonst einen für die Betroffenen nicht mehr zumutbaren Eingriff in ihre eigentumsgeschützten
Ansprüche bewirken. Unterbliebe die Dynamisierung für die Bestandsrentner aus Zusatz- und
Sonderversorgungssystemen, käme dies der Beseitigung ihrer relativen versorgungsrechtlichen Position gleich. Der
Wert ihrer Ansprüche würde sich damit stetig auf einen Bruchteil seines ursprünglichen Wertes mindern.
Dieses verfassungswidrige Ergebnis lässt sich jedoch durch eine verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Nach
Anlage II Kap. VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9 Buchst. b Satz 4 EV darf bei der Anpassung nach Satz 3 Nr. 1 der
Zahlbetrag nicht unterschritten werden, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und dem Versorgungssystem zu
erbringen war. Damit ist der garantierte Zahlbetrag an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen, soweit der
Monatsbetrag der neu berechneten Rente diesen Betrag zum 01.01.1992 nicht erreicht. Bei dieser Auslegung behält
die Zahlbetragsgarantie auf Dauer die ihr verfassungsrechtlich zukommende Ausgleichsfunktion. Durch eine
Dynamisierung der Renten für Rentenbezugszeiten ab 01.01.1992 kann die durch die Absenkung auf das in der
gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Sicherungsniveau und die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze
bewirkte Verschlechterung der eigentumsgeschützten Rechtsposition ausgeglichen werden. Das BVerfG (a.a.O.) ließ
dabei ausdrücklich offen, ob mit einer Dynamisierung des zum 01.07.1990 bestandsgeschützten Betrages im Wege
einer allgemein vorgesehenen Anpassung von Renten nach § 63 Abs. 7 SGB VI dem verfassungsrechtlichen Gebot
aus Art. 14 Abs. 1 GG Genüge getan ist.
Diese vom BVerfG geforderte verfassungskonforme Auslegung der Bewertung des nach Einigungsvertrag Nr. 9 b Satz
4 geforderten bestandsgeschützten Zahlbetrages im Rahmen der Überführung hat das BSG mit seiner Entscheidung
vom 03.08.1999 (B 4 RA 24/98 R), der sich der Senat anschließt, vorgenommen. Danach ist der aus
verfassungsrechtlichen Gründen zu dynamisierende besitzgeschützte Zahlbetrag (Gesamtanspruch Juli 1990) als
maßgeblicher Monatsbetrag der Rente festzusetzen, wenn und solange er höher ist als der durch § 307 b Abs. 3 Satz
2 SGB VI statisch ausgestaltete weiterzuzahlende Betrag und der monatliche Wert der nach den besonderen
Rentenanpassungsvorschriften/Ost dynamisierte Wert der SGB VI-Rente. Die Dynamisierung hat nach Maßgabe der
allgemeinen Rentenanpassungen, wie sie sich aus § 63 Abs. 7 SGB VI ergibt, jeweils zum 01.07. eines jeden Jahres
mit dem Anpassungsfaktor des aktuellen Rentenwertes zu erfolgen. Die Anwendung der allgemeinen
Dynamisierungsvorschriften (§§ 63 Abs. 7 68 SGB VI) auf den bestandsgeschützten Wert sichert den zusatz- und
sonderversorgten Bestandsrentnern wie allen anderen Bestandsrentnern im ganzen Bundesgebiet die
Aufrechterhaltung des an ihre berufliche Stellung anknüpfenden Lebensstandards, den sie im Zeitpunkt der
Wiedervereinigung (03.10.1990) hatten. Damit ist die Forderung des BVerfG erfüllt. Eine in dieser Weise
vorgenommene Dynamisierung geht über die vom BVerfG verlangte Erhaltung des Realwertes des Rentenwertes
hinaus. Denn unter Realwert ist lediglich eine Anpassung des Zahlbetrages an die Entwicklung der Preise zu
verstehen.
Die vom Kläger begehrte Dynamisierung des bestandsgeschützten Wertes nach den Anpassungsfaktoren für den
aktuellen Rentenwert/Ost (§§ 255 a, 255 b SGB VI) würde im Gegensatz zur Entscheidung des BVerfG dazu führen,
dass der zum 01.07.1990 bestandsgeschützte Zahlbetrag im gleichen Prozentsatz wie die neu ermittelte SGB VI-
Rente stiege. Rechnerisch würde sich damit der Abstand zwischen dem dynamisierten bestandsgeschützten Betrag
und dem Wert des subjektiven Rechts auf eine SGB VI-Rente nicht verringern, sondern ständig vergrößern. Der
Anspruch auf Neufeststellung des Rentenwertes nach den Vorschriften des SGB VI ginge damit bei höher
verdienenden Berechtigten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen regelmäßig ins Leere. Zwar dient die
Zahlbetragsgarantie des EV nach der Entscheidung des BVerfG dem Schutz der Bestandsrentner und bestimmter
rentennaher Jahrgänge. Sie sollte in erster Linie Rentenansprüche und Rentenanwartschaften oberhalb der
Höchstgrenzen der allgemeinen Rentenversicherung absichern. Dass dieser Schutz in Einzelfällen Leistungen bis
zum Mehrfachen der Höchstgrenze erfassen würde, sei unverkennbar gewesen und auch vom Gesetzgeber des EV
typisierend in Kauf genommen worden. Der EV-Gesetzgeber habe insoweit nicht verkannt, dass die
Zahlbetragsgarantie privilegierten Personengruppen und ihren überhöhten Ansprüchen zugute kommen würde. Er hat
sie ausdrücklich von dem Vorbehalt ausgenommen, dass überhöhte Leistungen abzubauen sind. Ohne Hinzutreten
neuer Umstände oder Erkenntnisse, die eine andere Sicht des Gesetzgebers sachlich rechtfertigen könnten, könne
dieser Vertrauensschutz auch nicht beseitigt werden. An diese Erkenntnisse des BVerfG anknüpfend ist aber
festzustellen, dass eine kontinuierliche Erhöhung dieses Vertrauensschutzes über die allgemeinen
Dynamisierungsregeln hinaus nicht beabsichtigt war. Aus dem zu bejahenden Vertrauensschutz zu einer bestehenden
Position würde sonst eine Privilegierung, für die eine Rechtfertigung nicht ersichtlich ist.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Der Senat hat berücksichtigt, dass der Kläger mit der
ursprünglichen Klage gegen die Zahlbetragsbegrenzung erfolgreich war.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Das BSG hat bereits zur Rechtsfrage
der Dynamisierungen entschieden. Auch weicht der Senat nicht von der Entscheidung des BSG ab, der sich im
Übrigen auch das Thüringer LSG im Urteil vom 31.08.2000 (L 2 RA 296/99) angeschlossen hat.