Urteil des LSG Sachsen vom 07.01.2009
LSG Fss: umbau, dialyse, eltern, einbau, krankenversicherung, anpassung, wohnhaus, ermessen, behinderter, nacht
Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 6 P 89/07
Sächsisches Landessozialgericht L 1 P 15/08
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 9. April 2008 wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklage unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. Juni 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 verpflichtet wird, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats
über den Antrag des Klägers vom 7. März 2007 auf Gewährung eines finanziellen Zuschusses für ein Dialysezimmer
im elterlichen Haus erneut zu entscheiden. II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für
das Berufungsverfahren zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten einen Zuschuss für den – mittlerweile erfolgten – Umbau eines Zimmers im
elterlichen Haus zum Dialysezimmer.
Der am ...2006 geborene Kläger ist bei der Beklagten sozial pflegeversichert. Er bezieht seit Oktober 2006 Leistungen
nach der Pflegestufe I. Der Bewilligungsentscheidung der Beklagten ging das Gutachten des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung (MDK) vom 15.01.2007 voraus. Danach leidet der Kläger unter körperlicher Schwäche bei
bekannter Nierenhypoplasie beidseits mit präterminaler Niereninsuffizienz; ferner unter Ernährungsproblemen, weshalb
Nahrung über eine Nasensonde zugeführt werden muss. Zur ambulanten Wohnsituation hatte der MDK in dem
Gutachten wie folgt ausgeführt: "EFH, Schlafzimmer der Eltern, wo Kinderbett aufgestellt wurde, befindet sich im
Obergeschoss, im Umbau Dialysezimmer Parterre Küche, Bad mit Duschkabine, ca. 20 cm hoher Einstieg,
Waschbecken, Toilette, im Obergeschoss Kinderzimmer." Mit Schreiben vom 07.03.2007 beantragte die Mutter des
Klägers bei der Beklagten die Übernahme der Umbaukosten des Hauses zur Einrichtung des Dialysezimmers. Der im
Pflegegutachten von Januar 2007 erwähnte Umbau sei mittlerweile abgeschlossen. Wegen der langfristig notwendig
werdenden Dialyse sei es erforderlich gewesen, für den Kläger ein eigenes Zimmer einzurichten, weshalb das
gesamte Erdgeschoss umgebaut worden sei. Um das "Extrazimmer" überhaupt möglich zu machen, habe das
Wohnzimmer aufgegeben werden müssen. Da die Bauchfelldialyse über Nacht zu Hause erfolgen solle, benötige der
Kläger ein steriles Zimmer. Dementsprechend hoch seien die Anforderungen. Der Umbau habe erhebliche Ausmaße
angenommen, namentlich auf Grund des Legens der neuen Wasserleitungen, wodurch das angrenzende Badezimmer
auf Grund der Bohrungen durch die Wände und durch das Aufhacken des Fußbodens enorm beschädigt worden sei.
Da der Vater des Klägers seit 27 Jahren auf dem Bau arbeite, habe er die Umbaumaßnahmen selbst ausgeführt, da
es viel zu teuer gewesen wäre, eine Baufirma zu beauftragen. Der Umbau habe Ende November 2006 begonnen und
sei im März 2007 abgeschlossen worden. Die Kosten hätten sich insgesamt auf 4.195,14 EUR belaufen. Die Beklagte
bat den MDK daraufhin um eine gutachtliche Stellungnahme. Dieser legte sein Gutachten vom 27.03.2007 vor.
Danach sei die häusliche Pflege seinerzeit auch ohne Umbaumaßnahme realisierbar gewesen. Sie sei auch nicht
durch die Umbaumaßnahme erleichtert worden. Eine selbstständigere Lebensführung sei bei einem fast 11 Monate
alten Kleinkind noch nicht zu erwarten. Eine Hilfsmittelversorgung sei medizinisch nicht notwendig. Allerdings empfahl
der MDK, unabhängig von der Beantwortung der von der Beklagten aufgeworfenen Fragen für den Kläger eine
Einzelfallprüfung vorzunehmen. Denn laut der Epikrise des Städtischen Klinikums " ..." L. sei mittelfristig der Beginn
einer Peritonealdialysetherapie medizinisch indiziert. Somit sei die Einrichtung eines Dialysezimmers mittelfristig nicht
zu umgehen. Bei bereits vorhandenem Dialysezimmer könne bei sich ergebender medizinischer Indikation sofort mit
der Behandlung im Wohnhaus begonnen werden. Bei bekannter renaler Osteopathie sei trotz adäquater medizinischer
Versorgung mit einem retardierten Körperwachstum des Klägers zu rechnen. Dieser werde langfristig auf
grundpflegerische Hilfeleistungen angewiesen bleiben. Mit steigendem Lebensalter und zunehmendem Körpergewicht
sei perspektivisch durch den Einbau einer ebenerdigen Dusche eine Pflegeerleichterung für die Pflegeperson (die
Mutter des Klägers) zu erwarten. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab (Bescheid vom 01.06.2007,
Widerspruchsbescheid vom 10.10.2007), da die häusliche Pflege gegenwärtig auch ohne den durchgeführten Umbau
sichergestellt sei und daraus keine Erleichterung für die Pflege resultiere.
Dagegen hat sich die am 12.11.2007 vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage gerichtet. Die Mutter des
Klägers hat vorgetragen, dass dieser mit einer hochgradigen Niereninsuffizienz geboren worden sei. Deshalb werde er
seit dem 19.07.2006 im Kinderdialysezentrum am Städtischen Klinikum "." L. behandelt. Da er gut gediehen sei,
hätten es die behandelnden Ärzte seinerzeit für vertretbar gehalten, noch mit der Dialyse abzuwarten. Allerdings seien
die Eltern des Klägers darüber informiert worden, dass ein steriles Dialysezimmer eingerichtet werden müsse, um die
Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse) in der häuslichen Umgebung vornehmen zu können. Da die Blutwerte des Klägers
von Beginn an im Grenzbereich gelegen hätten, sei täglich mit dem Beginn der lebensnotwendigen Dialyse zu rechnen
gewesen. Bereits im Arztbrief vom 22.07.2006 sei bei Verschlechterung die Einleitung der Dialysebehandlung erwähnt
worden. Im Schreiben der Ärzte vom 13.09.2006 an die Krankenkasse sei ein stationärer Krankenhausaufenthalt des
Klägers mit Dialysebeginn vorgesehen gewesen. Da nach Anlage einer Magensonde die Ernährung des Klägers
optimiert worden sei und sich in der Folge seine Nierenwerte nicht weiter verschlechtert hätten, sei es möglich
gewesen, den Beginn der Dialysebehandlung hinauszuzögern. Da ständig mit dem Beginn dieser Behandlung zu
rechnen gewesen sei, sei der Umbau Ende November 2006 begonnen worden; zumal sich diese Maßnahme auf Grund
der Wohnverhältnisse sowie der wenigen Zeit des vollberufstätigen Vaters des Klägers erwartbar langwierig gestaltet
habe. Die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten seien auch deshalb nicht nachvollziehbar, da der MDK in
seinem Gutachten vom 27.03.2007 die Gewährung des beantragten Zuschusses befürwortet habe.
Das SG hat sodann Befundberichte und Krankenunterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers angefordert. Nach
dem Arztbrief von Dr. N1 vom 15.06.2006 sei der Kläger zunächst im Universitätsklinikum D. behandelt worden. Seine
Mutter sei über die Prognose, Dialysemöglichkeiten und -alternativen sowie die Nierentransplantation ausführlich
aufgeklärt worden. Anschließend sei die Überweisung des Klägers an das Städtische Klinikum " " L. erfolgt. Die
dortige Oberärztin Dr. W1 , die als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kindernephrologie auch
für das K ... e. V. – Nierenzentrum für Kinder und Jugendliche am Klinikum " gGmbH" – tätig ist, hat in ihrem
Befundbericht vom 06.12.2007 mitgeteilt, dass der Kläger unter einer Niereninsuffizienz an der Grenze zur
Dialysepflichtigkeit leide. Es bestehe ferner eine schwere Ernährungsstörung, die die Nahrungsaufnahme mit
Spezialnahrung über eine PEG-Sonde notwendig mache. Eine Verbesserung der Niereninsuffizienz sei nicht zu
erwarten. Es könne nicht genau gesagt werden, wann die "mit 100 % Wahrscheinlichkeit" zu erwartende
Dialysebehandlung erforderlich werde, wahrscheinlich sei dies jedoch in den nächsten drei bis sechs Monaten der
Fall. Dann müsse die Dialysebehandlung täglich über 12 Stunden erfolgen – bis zu einer erfolgreichen
Nierentransplantation. Bei Säuglingen und Kleinkindern sei die häusliche Peritonealdialyse der Standard. Notwendig
sei dazu ein Einzelzimmer mit wischbarem Bodenbelag als Dialysezimmer, Waschbeckenanschluss zur
Händereinigung und Desinfektion sowie Lagermöglichkeiten für das Dialysematerial mit Zimmertemperatur. Sollte die
Dialyse nicht zu Hause stattfinden können, müsse der Kläger im Städtischen Klinikum "." L. – dem einzigen
Kinderdialysezentrum in Sachsen – versorgt werden. Nach dem Befundbericht von Dr. S1 (die behandelnde
Kinderärztin des Klägers) vom 10.12.2007 besteht bei dem Kläger eine schwerste Nierenschädigung, die mit
Sicherheit eine Dialyse nach sich ziehe. Die Dauerernährung über eine PEG-Sonde sei erforderlich, weil die
Gewichtszunahme sehr zögerlich erfolge. Voraussetzung für die Dialysebehandlung sei jedoch ein Mindestgewicht
von etwa 15 kg. Die Dialyse könne im Wohnbereich erfolgen, da die Eltern des Klägers bereits ein Zimmer
dialysegerecht nach den Vorgaben des Dialysezentrums L. eingerichtet hätten. Wegen der weiteren medizinischen
Unterlagen wird auf Blatt 50 bis 196 der SG-Akte verwiesen.
Die Beklagte hat daraufhin erwidert, dass die Herstellung eines eigenen Zimmers in der Wohnung der Eltern für den
Kläger nicht Aufgabe der sozialen Pflegeversicherung sei (Schriftsatz vom 05.02.2008). Dies nunmehr damit zu
begründen, dass demnächst eine Heimdialyse erforderlich sei, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Die
Umbaumaßnahmen wären aus Sicht der Beklagten nicht erforderlich gewesen, sofern für den Kläger in der Wohnung
der Eltern ein eigenes Zimmer vorhanden gewesen wäre. Der Einbau eines Dialysezimmers entspreche nicht der
Zielsetzung des § 40 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), da dadurch weder die häusliche Pflege erst
ermöglicht noch diese erheblich erleichtert werde. Zudem hat die Beklagte auf die im Internet zugängliche Homepage
des K ... hingewiesen. Danach lasse das Kuratorium die dort notwendigen technischen Installationen durch
Fachpersonal ausführen und übernehme die dadurch anfallenden Kosten.
Die Eltern des Klägers haben mit Schriftsatz vom 14.02.2008 dargelegt, dass für den Kläger kein eigenes
Kinderzimmer eingerichtet worden sei. Auch wenn noch keine Dialysebehandlung erfolgen müsse, werde durch die
Einrichtung des Dialysezimmers die Pflege erheblich erleichtert. An "schlechten" Tagen erbreche sich der Kläger bis
zu fünfmal über den Tag und die Nacht verteilt. Als er noch im elterlichen Schlafzimmer übernachtet und sich nachts
erbrochen habe, sei es notwendig gewesen, den Kläger ins im Erdgeschoss befindliche Badezimmer zu tragen, ihn
dort auszuziehen, zu waschen und neu einzukleiden. Seine im Obergeschoss befindlichen Kleidungsstücke hätten
von dort geholt werden müssen. Dann habe die Mutter des Klägers ihn wieder hochgetragen, sein Bett abgezogen,
alles gesäubert und die verschmutzte Bettwäsche wieder ins im Erdgeschoss befindliche Bad gebracht. Durch das
Dialysezimmer sei dies leichter geworden. Die Mutter des Klägers müsse nun nicht etwa zehnmal zwischen Erd- und
Obergeschoss hin- und herlaufen. Der Kläger könne nunmehr im Dialysezimmer gewaschen werden. Wäsche und
Badezimmer seien im Erdgeschoss in unmittelbarer Umgebung. Der Kläger müsse nun nicht mehr so oft durch das
ganze Haus getragen werden und komme dadurch wesentlich früher wieder zur Ruhe und zum Einschlafen. Da er
inzwischen im Dialysezimmer schlafe – mit dem Ziel, ihn an die Umstände der nächtlich erfolgenden
Dialysebehandlung zu gewöhnen – sei insgesamt eine erhebliche Erleichterung auch für die Mutter des Klägers zu
verzeichnen. Die Mutter des Klägers habe sich vor dem Umbau bei vielen Stellen danach erkundigt, ob die Kosten für
den Umbau bezuschusst werden würden, da sie und ihr Ehemann zusätzlich Arbeitslosengeld II erhielten. Sie sei
jedoch stets an die Krankenkasse verwiesen worden. Diese habe ihr mitgeteilt, dass sie nach Abschluss des Umbaus
die Rechnungen einreichen möge.
Das SG hat darauf die Auskunft des K ... e. V. vom 22.02.2008 eingeholt. Danach übernimmt diese Einrichtung auf
Nachweis Kosten für notwendige Installationen und Einrichtungen beim Beginn einer Heimdialysebehandlung. Das SG
hat sodann der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, über
den Antrag des Klägers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden
(Gerichtsbescheid vom 09.04.2008). Das SG hat zunächst ausgeführt, dem Anspruch auf Zuschussgewährung stehe
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht entgegen, dass mit der Umbaumaßnahme
bereits vor Antragstellung begonnen worden sei. Ein vorrangiger Anspruch gegen andere Leistungsträger komme nicht
in Betracht. Das K ... e. V. übernehme lediglich die Kosten für die technische Installation. Die Ausgaben für das
Ausschachten des Zimmerbodens, den Aufbau eines neuen wischbaren Bodenbelages, die Wandverkleidung, das
Fliesen von Wand und Boden, das Verlegen neuer elektrischer Leitungen einschließlich der Steckdosen, die
Malerarbeiten, das Verlegen von Wasserleitungen, den Einbau des Waschbeckens und der ebenerdigen Dusche seien
von keinem anderen Kostenträger übernommen worden. Bei dem Umbau des Wohnzimmers zu einem Dialysezimmer
handele es sich um eine Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sei ein solches Zimmer zur Durchführung der Dialysebehandlung notwendig. Den
Befundberichten von Dr. W1 und Dr. S1 sei zu entnehmen, dass ein "normales Kinderzimmer" dafür nicht ausreiche,
da für eine solche Behandlung ein wischbarer Bodenbelag, ein Waschbecken sowie die Möglichkeit zur
Händereinigung und Desinfektion vorhanden sein müsse. Zudem müsse eine ausreichende Lagerungsmöglichkeit für
das Dialysematerial bei Zimmertemperatur, Platz für das Aufstellen der Geräte sowie eine Schlafmöglichkeit für das
Kind vorhanden sein, da die Dialyse über 12 Stunden, bevorzugt nachts, durchgeführt werde. Es könne deshalb
dahinstehen, ob und über wie viele Wohn-, Schlaf- oder Kinderzimmer die Familie des Klägers verfüge. Insgesamt
diene die Maßnahme dazu, dem Kläger das Verbleiben in seinem häuslichen Umfeld zu ermöglichen, und erleichtere
seine Pflege zu Hause wesentlich. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger anderenfalls täglich in das
einzige sächsische Kinderdialysezentrum nach L. begeben müsste, um dort mindestens 12 Stunden pro Tag bzw.
Nacht behandelt zu werden. Es entspreche dem elementaren Bedürfnis eines Kindes, nicht jede Nacht und einen Teil
des Tages außer Haus verbringen zu müssen. Zudem werde durch die Umbaumaßnahme die Pflege zu Hause
wesentlich erleichtert. Es entfalle nicht nur die tägliche Hin- und Rückfahrt nach L. sowie das Hin- und Herschaffen
der notwendigen Pflegeutensilien. Die Dialysebehandlung außer Haus bedeute eine derartige Beanspruchung der
Pflegepersonen, dass sogar an eine dauerhafte stationäre Unterbringung des Klägers zu denken sei. Da die
Dialysepflicht nach den eingeholten Befundberichten mit Sicherheit in nächster Zukunft eintreten werde, sei die
Umbaumaßnahme auch erforderlich gewesen, um dem Kläger und seinen Angehörigen die Belastungen durch eine
auch nur übergangsweise Dialyse außer Haus zu ersparen. Hinsichtlich der Höhe des Zuschusses habe die Beklagte
ihr Ermessen auszuüben, wobei sie einerseits die Kosten der Maßnahme und andererseits das Einkommen des
Pflegebedürftigen zu berücksichtigen habe. Dabei sei auch zu bedenken, dass der Vater des Klägers sämtliche
Arbeiten selbst ausgeführt und lediglich die Erstattung der Materialkosten beantragt habe, weshalb der Umbau aus
Sicht des SG besonders kostengünstig durchgeführt worden sei.
Gegen das ihr am 17.04.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.05.2008 Berufung zum Sächsischen
Landessozialgericht eingelegt. Sie meint, der Umbau erfülle die Voraussetzungen des § 40 Abs. 4 SGB XI nicht. Es
genüge nicht, dass sich die Pflegeperson durch eine solche Maßnahme subjektiv entlastet fühle. Hätte der Kläger
bereits ein Zimmer gehabt, so hätte dieses nach Auffassung der Beklagten angepasst werden können, wobei eine
Kostenübernahme dafür ihrer Ansicht nach ausgeschlossen gewesen sei, da der Austausch eines Bodenbelages zur
Optimierung der Hygiene sich nicht auf die Pflege des Klägers ausgewirkt hätte. Zudem sei für die weiteren
technischen Änderungen das K ... e. V. zuständig gewesen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 09. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Seine Mutter hat mit Schriftsatz vom 16.08.2008
nochmals hervorgehoben, dass für den Kläger kein Kinderzimmer, sondern ein Dialysezimmer eingerichtet worden sei.
Bis zum Schulbeginn solle sich der Kläger ein Kinderzimmer mit seiner knapp 23 Monate älteren Schwester teilen. Da
es sich um das eigene Wohnhaus handele, müsse man aus den baulichen Gegebenheiten das Beste machen. Anders
als bei einer Mietwohnung sei es nicht möglich, ohne Weiteres in eine größere, behindertengerechte Wohnung
umzuziehen. Ihr bereits seit September 2006 seitens der behandelnden Ärzte dazu geraten worden, alles
vorzubereiten, um die Dialysebehandlung zu Hause zu ermöglichen, da nach Behandlungsbeginn kaum noch Zeit für
Umbauarbeiten bliebe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Vater des Klägers vollzeitberufstätig sei und sich
während der Zeiten, in denen der Kläger stationär im Krankenhaus behandelt werden müsse, um die gemeinsame
Tochter kümmern müsse, da die Mutter des Klägers stets ebenfalls stationär aufgenommen werde, um dem Kläger
beizustehen.
Ausweislich des von der Mutter des Klägers übermittelten Berichts des K ... e. V. (Dr. W1 ) vom 19.04.2008 sei bei
dem Kläger eine deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustands mit rezidivierenden Infekten, Mangelgedeihen
trotz Ernährung über PEG-Sonde zu verzeichnen gewesen, sodass mittlerweile die Einleitung einer
Nierenersatztherapie zwingend erforderlich geworden sei. Seit Mai 2008 sei der Kläger dialysepflichtig, wobei die
täglich 12-stündige Behandlung im Wohnhaus der Eltern erfolgen könne.
Der Senat hat ein Gutachten eingeholt, welches der Pflegesachverständige S2 am 23.09.2008 erstellt hat. Wegen des
Inhalts dieses Gutachtens sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider
Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Einrichtung eines Dialysezimmers für den
Kläger eine zuschussfähige Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes ist, die Beklagte im Wege
der Neubescheidung aber noch – unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens – über die Gewährung eines
Zuschusses der Höhe nach zu entscheiden hat. Unerheblich ist, dass der Antrag erst nach ausgeführtem Umbau
gestellt wurde (1). Auch handelt es sich bei dem erfolgten Umbau der Art nach um eine Maßnahme zur Verbesserung
des individuellen Wohnumfeldes (2). Dadurch wird die häusliche Pflege des Klägers ermöglicht und erleichtert (3). Die
Kosten dieser Maßnahme sind nicht durch einen anderen Sozialleistungsträger zu übernehmen (4). Die Beklagte hat
bezüglich der Höhe des Zuschusses ihr Ermessen auszuüben (5).
1. Dem erhobenen Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger die Gewährung eines Zuschusses erst nach
abgeschlossenem Umbau beantragt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG genügt in solchen Fällen auch
die nachträgliche Antragstellung (Urteil vom 30.10.2001 – B 3 P 3/01 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 8 S. 41; grundlegend
Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S. 33; Urteil vom 14.12.2000 – B 3 P 1/00 R – SozR
3-3300 § 40 Nr. 3 S. 16 ff. – dort zur privaten Pflegepflichtversicherung). Rechtsgrundlage für Zuschüsse zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in der sozialen Pflegeversicherung ist § 40 Abs. 4 SGB XI. Dort heißt
es: "Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen
Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im
Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung
des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der
Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu
bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2.557,00 EUR je Maßnahme nicht übersteigen." Die Norm
ist Teil des Gesetzesprogramms, der häuslichen Pflege den Vorrang vor der stationären Pflege zu geben (§ 3 Satz 1
SGB XI). Sie berücksichtigt, dass Leistungen zur Anpassung des Wohnumfeldes an die Bedürfnisse kranker und
behinderter Menschen im Sozialleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung seit jeher nicht vorgesehen
waren und deshalb ein in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallender Leistungsbedarf bestehen kann, soweit
nicht andere Träger für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes einzustehen haben. Hat kein anderer
Leistungsträger vorrangig einzutreten, soll deshalb die soziale Pflegeversicherung – allerdings beschränkt auf den
finanziellen Rahmen des § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB XI – die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des
Pflegebedürftigen fördern, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht oder erheblich erleichtert wird
oder ein Verbleiben des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung und damit eine möglichst selbstständige
Lebensführung sichergestellt werden kann (vgl. BT-Drucksache 12/5262 S. 114 zu Art. 1 § 36 Abs. 4 des
Gesetzesentwurfs von CDU/CSU und FDP zum Pflege-Versicherungsgesetz).
2. Die von den Eltern des Klägers vorgenommenen Umbaumaßnahmen sind Maßnahmen zur Verbesserung des
individuellen Wohnumfeldes. Mit dem Tatbestandsmerkmal "Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen
Wohnumfeldes" knüpft § 40 Abs 4 Satz 1 SGB XI an die seit langem eingeführte Unterscheidung zwischen der
behindertengerechten Anpassung der Wohnsituation einerseits und der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Bewältigung
oder Minderung von Behinderungsfolgen andererseits an. In diesem Sinne war bereits in der Einweisungsnorm des §
29 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in der insoweit bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung vom 11.12.1975
(BGBl. I 3015) bei Leistungen zur Eingliederung behinderter Menschen unterschieden worden zwischen Leistungen zur
allgemeinen sozialen Eingliederung mit Hilfen u. a. "zur Verbesserung der wohnungsmäßigen Unterbringung" (§ 29
Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe h SGB I) auf der einen und medizinischen Leistungen unter Einschluss von Hilfsmitteln (§ 29
Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d SGB I) auf der anderen Seite. Daran anschließend ist in dem am 01.01.1997 in Kraft
getretenen Siebtes Buch Sozialgesetzbuch in seinem § 41 eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für
Wohnungshilfe normiert worden, wonach diese erbracht wird, "wenn infolge Art oder Schwere des
Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die
Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist". Andererseits hat der Gesetzgeber in Abgrenzung
dazu durch das zum 01.07.2001 in Kraft getretene Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in seinem § 31 Abs. 1
explizit klargestellt, dass zur Hilfsmittelversorgung solche Hilfen nicht rechnen, die bei einem Wohnungswechsel
"nicht mitgenommen werden können". Ähnlich ist in § 18 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung über die Versorgung mit
Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz mit der am 01.01.1990 in Kraft getretenen
Fassung (BGBl. I 1989, 1834) zur Hilfsmittelversorgung bestimmt: "Unbewegliche Gegenstände werden nicht
geliefert."
Diese Grenzziehung zwischen der Hilfe zur Anpassung an die Wohnsituation einerseits und der Hilfsmittelversorgung
andererseits ist seit langem auch für die Rechtsprechung des BSG zum Hilfsmittelbegriff der gesetzlichen
Krankenversicherung leitend. In diesem Sinne ist bereits unter Geltung der Reichsversicherungsordnung entschieden
worden, dass Hilfen bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen behinderter Menschen
entsprechenden Wohnung insbesondere dann über die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung
hinausreichen, wenn sie mit einer Veränderung der Wohnung selbst verbunden sind (BSG, Urteil vom 12.06.2008 – B
3 P 6/07 R – juris Rn. 13; Urteil vom 19.12.1978 – 3 RK 26/78 - SozR 2200 § 182b Nr. 10 S. 30 ff.; Urteil vom
04.08.1981 – 5a/5 RKn 16/80 – SozR 2200 § 182b Nr. 23 S. 59; Urteil vom 23.10.1984 – 8 RK 43/83 – KVRS A-
2240/21 S. 68). Daran hat das BSG nach Inkrafttreten von § 40 SGB XI und § 31 SGB IX festgehalten und aus dem
Hilfsmittelbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung die Hilfen
ausgeschieden, die nunmehr im Sinne der Legaldefinition des § 31 Abs. 1 SGB IX bei einem Wohnungswechsel "nicht
mitgenommen werden können" oder sonst der Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse des
behinderten Menschen dienen (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.1998 – B 3 KR 14/97 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 30 S. 177
ff.; Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R - SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S. 31).
Maßgebend für die Auslegung des Begriffs "Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes" ist eine
Orientierung an dem Maßnahmezweck einerseits und der Dauerhaftigkeit des Wohnungseinbaus andererseits.
Auch solche Hilfe stellen eine Maßnahme der Wohnumfeldverbesserung nach § 40 Abs. 4 SGB XI dar, die – ohne
unmittelbar den Zweck des Behinderungsausgleiches zu verfolgen – der Wohn- oder Gebäudesubstanz auf Dauer
hinzugefügt werden. Davon ist das BSG ausgegangen, wenn die Hilfe befestigungsbedingt zum dauerhaften
Bestandteil von Wohnung oder Haus wurde (vgl. Urteil vom 03.11.1999 – B 3 P 6/99 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 2 S. 9;
Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S. 31) und bei Umzug nicht ohne Weiteres
mitgenommen werden konnte (Urteil vom 13.05.2004 – B 3 P 5/03 R – SozR 4-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 3). Damit ist nicht
auf die Festigkeit der Verbindung im statischen Sinn abgestellt worden, denn darauf kann es für die rechtliche
Einordnung nicht ankommen. Die Abgrenzung zwischen Hilfsmittel und Maßnahme der Wohnumfeldverbesserung
erfordert vielmehr eine wertende Betrachtung, die auf die Dauerhaftigkeit der Befestigung in zeitlicher Hinsicht abstellt.
Danach scheidet die Zuordnung der Hilfsmittelversorgung nach Sinn und Zweck des Mitnahmekriteriums aus, wenn
die Hilfe so in das Gebäude eingebaut ist, dass sie nach der Verkehrsauffassung bei einem Umzug regelmäßig dort
verbleiben und nicht mitgenommen wird, der Einbau also von Dauer ist. Dies ist der Fall, wenn entweder der Einbau
selbst mit einem wesentlichen Eingriff in die Bausubstanz verbunden ist (z. B. rollstuhlgerechte Türverbreiterung) oder
der Ausbau der Hilfe mit so erheblichen Substanzeinbußen verbunden wäre, dass die Mitnahme nicht sinnvoll
erscheint. Kann eine Hilfe hingegen bei einem Wohnungswechsel ohne wesentliche verbleibende Folgen ausgebaut
und mit vertretbarem Anpassungsaufwand in eine neue Wohnung wieder eingebaut werden, steht die Verbindung mit
dem Gebäude einer Qualifizierung als Hilfsmittel nicht entgegen.
Die von den Eltern des Klägers vorgenommenen Umbaumaßnahmen stellen sich vor diesem Hintergrund ihrer Art
nach als Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs. 4 SGB XI dar. Die
Erneuerung einer Außenwand, der Einbau einer Trennwand, die Zuführung von Wasser- und Elektroleitungen, die
Schaffung eines Abfluss-Systems sowie die Schaffung barrierefreier Zugänge zum Hausflur und zur Dusche sind
ebenso bauliche Veränderungen, die dauerhafter Bestandteil des Wohnhauses geworden sind, wie das Anbringen der
Fliesen und der Aufbau eines wischbaren, rutschhemmenden Bodenbelags. Für den Einbau der ebenerdige
Nischendusche, des Waschbeckens und der Steckdosen gilt dasselbe. Diese Maßnahmen verbessern das
Wohnumfeld des Klägers, da dieses nunmehr angesichts der notwendig gewordenen (Heim)-Dialyse
behindertengerecht gestaltet ist.
3. Durch die erfolgten Umbaumaßnahmen wird die häusliche Pflege des Klägers seit Beginn der Dialysebehandlung
ermöglicht. Die Umbaumaßnahmen stellen sich auch als pflegeversicherungsrechtlich relevante Maßnahmen zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs. 4 SGB XI dar.
Nach der Rechtsprechung des BSG sind Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nicht auf die
für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit maßgebenden Verrichtungen des täglichen Lebens beschränkt (Urteil vom
03.11.1999 – B 3 P 3/99 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 S. 5, Urteil vom 26.04.2001 – B 3 P 15/00 R – SozR 3-3300 § 40
Nr. 4 S. 21; Urteil vom 26.04.2001 – B 3 P 24/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 5 S. 27). Die Einstandspflicht der
Pflegekassen ist jedoch nach der Konzeption des § 40 Abs. 4 SGB XI – nicht zuletzt angesichts der restriktiv
bemessenen Höchstbetragsregelung des Satzes 3 der Vorschrift – auf die Wahrung elementarer Bedürfnisse der
Pflegebedürftigen beschränkt. In diesem Sinne zielt das Tatbestandsmerkmal "Ermöglichung oder erhebliche
Erleichterung der häuslichen Pflege" darauf ab, die Pflegebedürftigen möglichst lange in der häuslichen
Wohnumgebung belassen und eine Heimunterbringung abwenden zu können. Daher "ermöglicht" eine Maßnahme zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes die häusliche Pflege, wenn sie objektiv erforderlich ist, um die Pflege
im häuslichen Umfeld erst durchführen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 P 12/07 R – juris Rn. 11;
Urteil vom 26.04.2001 – B 3 P 15/00 R -SozR 3-3300 § 40 Nr. 4 S. 22). "Erheblich erleichtert" wird sie, wenn ohne
Durchführung der zu bezuschussenden Maßnahme eine Überforderung der Pflegeperson droht und deshalb eine
stationäre Unterbringung des Pflegebedürftigen in Betracht zu ziehen ist (vgl. Udsching, SGB XI, 2. Aufl., § 40 Rn.
23). In entsprechender Weise sind Maßnahmen zur Wiederherstellung einer möglichst selbstständigen Lebensführung
(§ 40 Abs. 4 Satz 1 2. Alt. SGB XI) nur bezuschussungsfähig, soweit elementare Belange der Lebensführung
betroffen sind (vgl. BSG, Urteil vom 03.11.1999 – B 3 P 3/99 R - SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 S. 6; Urteil vom 26.04.2001
– B 3 P 24/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 5 S. 26; Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S.
33; Urteil vom 13.05.2004 – B 3 P 5/03 R - SozR 4-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 5). Das ist ausgeschlossen, wenn das
verfolgte Bedürfnis über die üblichen und durchschnittlichen Anforderungen des Wohnstandards und Wohnkomforts
hinausgeht (vgl. BSG, Urteil vom 03.11.1999 – B 3 P 3/99 R - SozR 3-3300 § 40 Nr. 1 S. 6 f.; Urteil vom 26.04.2001 –
B 3 P 15/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 4 S. 22; Urteil vom 26.04.2001 – B 3 P 24/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 5 S.
27; Urteil vom 13.05.2004 – B 3 P 5/03 R - SozR 4-3300 § 40 Nr. 1 Rn. 7). Die Zuschüsse nach § 40 Abs. 4 SGB XI
haben sich primär vor dem Zweck zu rechtfertigen, das Verbleiben in häuslicher Pflege zu fördern und die
Notwendigkeit der Heimpflege zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2001 – B 3 P 3/01 R - SozR 3-3300 § 40 Nr.
8 S. 42 f.). Zuvorderst müssen sie deshalb zur Überwindung von Hindernissen beitragen, die dem Verbleib des
Pflegebedürftigen in der häuslichen Umgebung und deren möglichst selbstständiger Nutzung entgegenstehen. Dabei
hat die Pflegeversicherung bei einer Gewährung von Leistungen zur Pflege im Rahmen des Leistungsrechts des SGB
XI dem besonderen Entwicklungsbedarf von behinderten Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen. Denn auch
die Träger der sozialen Pflegeversicherung sind nach § 1 Satz 2 SGB IX dazu verpflichtet, bei der
Leistungsgewährung den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder
Rechnung zu tragen. Dieses Petitum beansprucht über die in § 7 Satz 1 SGB IX angeordnete Geltung für Leistungen
zur Teilhabe, die von den Rehabilitationsträgern zu erbringen sind, zu denen die Pflegekassen nach § 6 Abs. 1 SGB
IX nicht zählen, entsprechende Beachtung auch im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung. Es ist Ausdruck einer
allgemeinen Zielvorgabe, bei der Ausgestaltung von Leistungen für behinderte Menschen die Besonderheiten von Alter
und Geschlecht angemessen zu berücksichtigen und vor allem der besonderen Benachteiligung von Kindern
Rechnung zu tragen. Insoweit ist der Förderauftrag des § 1 Satz 2 SGB IX ein Ausschnitt der die Pflegekassen
unmittelbar bindenden Zielvorgabe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XI, wonach die Leistungen der Pflegeversicherung den
Pflegebedürftigen helfen sollen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu
führen, das der Würde des Menschen entspricht; die Hilfen sind darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und
seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten (BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 P
12/07 R – juris Rn. 17; dort zum Anspruch auf eine Rollstuhlrampe).
Aufgrund des Vortrags der Mutter des Klägers sowie der eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte ist der
Senat davon überzeugt, dass nur den Umbau die häusliche Pflege trotz Dialysebehandlung nach wie vor möglich ist.
Soweit der vom Senat beauftragte Sachverständige S2 diesbezüglich ausführt, dass die häusliche Pflege auch ohne
Umbau möglich sei, ist dem nicht voll umfänglich beizupflichten. Allerdings hat der Sachverständige die vom Senat
aufgeworfene Frage zunächst auf die Erlangung einer Pflegestufe bezogen. Seinen weiteren Ausführungen ist zu
entnehmen, dass auch aus seiner Sicht die häusliche Pflege nach begonnener Dialysebehandlung nur aufgrund des
Umbaus realisierbar war. Die Dialysebehandlung würde – täglich – in L. erfolgen und zwölf Stunden dauern; zuzüglich
der An- und Abfahrtszeiten vom Wohnort wären dies insgesamt 14 Stunden (die Fahrkosten müsste die
Krankenkasse des Klägers gemäß § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 8 der Krankentransport-
Richtlinien erstatten, in weniger als zwei Monaten würden diese den Höchstbetrag von 2.557 Euro nach § 40 Abs. 4
SGB XI übersteigen). Damit nähme die häusliche Pflege einen deutlich geringeren Teil des Tages ein und entspräche
nicht mehr der Vorstellung, die der Gesetzgeber dem § 3 SGB XI zugrunde gelegt hat: der Pflegebedürftige soll
demnach möglichst lange in seiner häuslichen Umgebung verbleiben können. Angesichts der Anstrengungen, die ihm
– auch angesichts seines Alters – durch eine Dialysebehandlung in L. abverlangt würden, bestünde die schon vom
SG angenommene Gefahr, dass der Kläger mittelfristig stationär untergebracht werden müsste. Dies würde seinem
Wunsch- und Wahlrecht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XI in Verbindung mit § 33 SGB I, das auch im Lichte des § 1
Abs. 2 SGB IX auszulegen ist, zuwiderlaufen, da es – worauf das SG zutreffend hingewiesen hat – zum Bedürfnis
von Kindern im Alter des Klägers zählt, vornehmlich in der häuslichen Umgebung und von seinen Eltern gepflegt,
versorgt und betreut zu werden.
Die häusliche Pflege des Klägers wird durch den Umbau auch in rechtserheblicher Weise erleichtert. So wird auch
seiner Mutter als Pflegeperson der erhebliche Zeitaufwand erspart, der mit der Begleitung zur Dialysebehandlung in L.
verbunden ist. Der Aufwand, den sie allein mit dem Waschen des Klägers und der Reinigung seiner Wäsche nach
Erbrechen zu tragen hat, ist mit der Einrichtung des Behandlungszimmers im Erdgeschoss erheblich reduziert
worden, da sie nicht mehr zwischen Ober- und Erdgeschoss hin- und herlaufen muss. Bereits deshalb wird die Mutter
als Pflegeperson – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv bei der Pflege des
Klägers entlastet. Darauf hat auch der Sachverständige S2 hingewiesen. Ob allein deswegen die häusliche Pflege
erheblich erleichtert wird, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls wird sie dadurch erheblich erleichtert, dass die im
Wohnhaus erfolgende Dialyse es der Mutter des Klägers ermöglicht, in deutlich höherem Maße die verbleibende Zeit
auch für den Kontakt zu Ehemann und Tochter sowie Angehörigen aufzuwenden. Insgesamt wird damit der
Überforderung der Mutter als Pflegeperson und damit zugleich der Notwendigkeit der stationären Pflege des Klägers
entgegengewirkt; die Mutter wird dadurch in die Lage versetzt, über einen langen Zeitraum eine 24-stündige
Pflegebereitschaft aufrechtzuerhalten.
Der Vortrag der Beklagten, wonach der Umbau nicht notwendig gewesen wäre, sofern der Kläger bereits ein eigenes
Zimmer gehabt hätte, greift nicht durch. Denn § 40 Abs. 4 SGB XI zielt darauf ab, die behindertengerechte
Umgestaltung der Wohnung zu fördern. Gegenstand dieser Leistung ist die Anpassung des individuellen
Wohnumfeldes an die besonderen Bedürfnisse des behinderten Menschen. Bezugspunkt der Leistungsgewährung
sind die Umstände des individuellen Wohnumfeldes und die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen für den
Verbleib des oder der Pflegebedürftigen in der häuslichen Wohnumgebung (vgl. BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 P
12/07 R – juris Rn. 21). Im Falle des Klägers ist somit von dem Zustand auszugehen, wie er vor dem Umbau gewesen
ist; seinerzeit war kein weiteres Zimmer im Wohnhaus verfügbar, welches zu einem dialysegerechten
Behandlungsraum hätte umgestaltet werden können. Um die Schaffung eines Kinderzimmers im herkömmlichen Sinn
ging es ohnehin zu keinem Zeitpunkt. Aber selbst wenn ein "normales" Zimmer zur Verfügung gestanden hätte, hätte
es dialysegerecht umgebaut werden müssen.
4. Die Kosten des Umbaus sind von keinem anderen Sozialleistungsträger zu übernehmen. Zwar sieht § 40 Abs. 4
Satz 1 SGB XI lediglich die subsidiäre Einstandspflicht der Pflegekassen vor. Diese Vorschrift ist aber im Anschluss
an die Rechtsprechung des BSG dahin auszulegen, dass sie sich auf die Leistungsverpflichtung von
Sozialleistungsträgern bezieht (vgl. Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S. 31). Die
subsidiäre Leistungspflicht der Pflegekassen bezieht sich dabei insbesondere auf die Einstandspflicht der
Krankenkassen. Eine solche besteht indes in diesem Fall nicht, da Umbaumaßnahmen in der Wohnung oder der
dauerhafte Einbau von Geräten, die dem Behinderten ein weitgehend selbständiges Wohnen ermöglichen sollen, nicht
dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen (BSG, Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R
– SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S. 31). Ob die vom K ... e.V. übernommenen Kosten für Installationen und Einrichtungen
beim Beginn einer Heimdialysebehandlung als vorrangig im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI anzusehen wären,
kann offen bleiben, da sich der vom Kläger beantragte Zuschuss darauf nicht bezieht.
5. Nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI steht die Gewährung finanzieller Zuschüsse im Ermessen der Pflegekassen. Die
Beklagte hat ihr Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt, als sie den beantragten Zuschuss zu den Umbaukosten zu
Unrecht wegen fehlender tatbestandlicher Voraussetzungen abgelehnt und infolgedessen von ihrem Ermessen keinen
Gebrauch gemacht hat. Bei der Neubescheidung hat die Beklagte gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB XI das Einkommen
des Pflegebedürftigen, die Kosten der Maßnahme sowie einen angemessenen Eigenanteil zu berücksichtigen (vgl.
dazu BSG, Urteil vom 28.06.2001 – B 3 P 3/00 R – SozR 3-3300 § 40 Nr. 6 S. 34 f.). Dabei dürfen Zuschüsse zur
Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB XI einen Betrag in Höhe von 2.557,00
EUR je Maßnahme nicht übersteigen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Nichtzulassung der Revision
folgt aus § 160 Abs. 2 SGG.