Urteil des LSG Sachsen vom 08.11.2000

LSG Fss: wiedereinsetzung in den vorigen stand, vollmacht, verwaltungsverfahren, anforderung, rechtsgrundlage, klagebegehren, bevollmächtigung, vertretung, auszahlung, sachprüfung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 08.11.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 3 KG 3/98
Sächsisches Landessozialgericht L 3 KG 3/99
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16. März 1999 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf rückwirkende Gewährung ungekürzten Kindergeldes für das Jahr 1994
streitig.
Der am ... geborene, verheiratete Kläger ist Vater dreier ehelicher Kinder, für welche er von der Beklagten seit 1991
Kindergeld (Kig) in wechselnder Höhe erhält. Der Kläger ist als Schwerbehinderter im Sinne des Gesetzes zur
Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (SchwbG) anerkannt.
Wegen ausstehender Nachweise über das endgültige Jahreseinkommen 1992 bewilligte ihm die Beklagte mit
bindendem Bescheid vom 11.02.1994 für das Jahr 1994 die Leistung vorläufig nur in Höhe der Sockelbeträge von
insgesamt 210,00 DM monatlich. Ob ein höherer Anspruch zustehe, könne nicht festgestellt werden. Mit Schreiben
vom 01.02.1995 legte der Kläger der Beklagten den Steuerbescheid für das Jahr 1992, datiert vom 08.11.1994, unter
Hinweis auf einen hiergegen eingelegten Einspruch vor und beantragte die "Abrechnung des Kindergeldes für 1994". In
der Folgezeit führte der Kläger wegen der ihm für die Jahre 1991, 1992 zustehenden Kig-Ansprüche bzw. einer
nachträglichen Erstattungsforderung der Beklagten ein Widerspruchs- und ein Überprüfungsverfahren durch, welches
mit Bescheid vom 30.01.1996 abgeschlossen wurde. Wegen ausstehender Kindergeldzahlungen für den Zeitraum
zwischen 1991 und 1995 erhob er am 28.07.1996 Klage zum Sozialgericht Leipzig. In diesem Klageverfahren ließ sich
der Kläger durch den seinerzeitigen cand. jur. P. W ... vertreten. Hierzu legte dieser dem Sozialgericht eine
Prozessvollmacht vom 03.03.1997 vor, welche besagte, dass der Bevollmächtigte den Kläger als Rechtsbeistand in
dem Verfahren S 3 Kg 43/96 Sozialgericht Leipzig vertreten solle. Die Vollmacht werde insbesondere für
Prozesshandlungen in der mündlichen Verhandlung erteilt. Zustellungen sollten weiterhin an die angegebene Adresse
des Klägers selbst erfolgen. Das Klageverfahren wurde durch einen im Verhandlungstermin am 24.03.1997
geschlossenen Vergleich beendet, in welchem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, die Anträge des Klägers auf
ungeminderte Kindergeldzahlung für 1994 zu verbescheiden.
In Ausführung des gerichtlichen Vergleiches vom 24.03.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheiden vom
21.05.1997 u.a. für das Jahr 1994 nachträglich ein auf 280,00 DM monatlich erhöhtes Kindergeld, woraus sich eine
Nachzahlung von 840,00 DM für das Gesamtjahr errechnete. Bei der Festsetzung der monatlichen Anspruchshöhe
ging sie von dem im Steuerbescheid für das Jahr 1992 von der Finanzbehörde festgestellten Jahreseinkommen 1992
in Höhe von 61.343,00 DM sowie der für das Jahr 1994 kindergeldrechtlich geltenden Einkommensgrenze von
54.679,00 DM aus. Die Bescheide vom 21.05.1997 wurden an den Kläger selbst bekannt gegeben, Abdrucke davon
sandte die Beklagte mit einem Begleitschreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers im Klageverfahren S 3
Kg 43/96 zur Kenntnisnahme.
Mit einem am 13.06.1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 11.06.1997 legte der später ausdrücklich
bestellte Bevollmächtigte namens und vollmachts des Klägers gegen die Leistungsfestsetzung für das Jahr 1994
Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 10.11.1997 forderte die Beklagte daraufhin diesen auf, bis zum 30.11.1997 eine
diesen Widerspruch betreffende, vom Kläger unterschriebene Vollmacht vorzulegen. Ansonsten sei sie gehalten, über
den Widerspruch nach Lage der Akten zu entscheiden.
Nachdem ein Eingang einer Antwort auf das Schreiben vom 10.11.1997 nicht zu verzeichnen war, verwarf die
Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.1997 als unzulässig. Der am 11.06.1997 nicht von
dem Berechtigten selbst unzulässig, denn die gemäß § 73 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderliche
Vollmacht sei nicht vorgelegt worden. Eine Überprüfung des Bescheides in der Sache sei daher im Rahmen des
Vorverfahrens nach dem SGG nicht möglich gewesen. Nach Abschluss des Vorverfahrens reichte der
Bevollmächtigte des Klägers mit einem beim Arbeitsamt Leipzig am 12.01.1998 eingegangenen Schreiben vom
08.01.1998 eine vom Kläger am 05.01.1998 unterzeichnete Vollmacht ein, in welcher er berechtigt wird, für den Kläger
"allumfänglich" gegenüber dieser Behörde tätig zu werden. Der Kläger führt darin außerdem aus, er habe
angenommen, die in der Akte des Sozialgerichts vorliegende Vollmacht sei ausreichend gewesen.
Unter Vorlage einer weiteren Vollmacht des Klägers vom 17.01.1998 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers für
diesen am 19.01.1998 gegen die Bescheide der Beklagten Klage zum Sozialgericht erhoben, mit welcher er die
nachträgliche Zahlung ungeminderten Kindergeldes für das Jahr 1994 in Höhe von 5.040,00 DM begehrt.
Die Beklagte ist der Klage mit dem Vortrag entgegengetreten, die angefochtenen Entscheidungen seien rechtmäßig,
denn der Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid sei mangels einer rechtzeitigen Vollmachtseinreichung zu Recht
als unzulässig verworfen worden. Das Klagebegehren sei aber auch in der Sache unbegründet. Nach den für den
streitigen Zeitraum maßgeblichen Vorschriften sei die Höhe des einkommensabhängigen Kig für das Jahr 1994
anhand des Einkommens für das Kalenderjahr 1992 errechnet worden. Der Kläger habe (erst) mit der Klageschrift
(richtig wohl mit der Klagebegründung vom 10.02.1998) den Steuerbescheid 1994 "zur Bestimmung der Höhe des
zustehenden Kindergeldes 1994 nach § 11 Abs. 4 BKGG" vorgelegt. Kig nach dem Einkommen im Leistungsjahr
könne aber nur gezahlt werden, wenn der Antrag vor Ende des Leistungsjahres gestellt werde. Im Laufe des Jahres
1994 habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt erwähnt, dass sich sein Einkommen im Jahr 1994 gegenüber dem
Einkommen 1992 "derart verschlechtert (habe), so dass Kindergeld 1994 nach dem Einkommen dieses Jahres
berechnet werden sollte". Damit sei eine Anwendung des § 11 Abs. 4 BKGG wegen fehlender Antragstellung nicht
möglich.
Nach mündlicher Verhandlung am 16.03.1999 hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 16.03.1999 als
unbegründet abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Beklagte habe den vom
Prozessbevollmächtigten ohne Vorlage einer Prozessvollmacht eingelegten Widerspruch zu Recht als unzulässig
zurückgewiesen. Rechtsgrundlage hierfür sei allerdings nicht die von der Beklagten angeführte Vorschrift des § 73
Abs. 1 SGG, sondern § 13 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -. Auch danach setze eine
zulässige Widerspruchseinlegung voraus, dass der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich
nachweise. Dies sei hier innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist - und darüber hinaus auch bis zum Erlass
des Widerspruchsbescheides am 17.12.1997 - nicht geschehen. Der Kläger könne sich auch nicht auf die bereits im
gerichtlichen Verfahren S 3 Kg 43/96 vorgelegte Vollmacht berufen. Diese habe sich nach ihrem Wortlaut nur auf das
dortige Klageverfahren und insbesondere auf Prozesshandlungen in der mündlichen Verhandlung dieses
Klageverfahrens bezogen. Damit seien die (danach) ohne die notwendige Vollmachtsvorlage getätigten - bisherigen -
Verfahrenshandlungen, hier also die Widerspruchseinlegung, unwirksam gewesen.
Im Übrigen sei das Klagebegehren aber auch in der Sache nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine
Nachzahlung von Kig in der vom Kläger verlangten Höhe seien nicht erfüllt. Die Höhe des Kig-Anspruches des
Klägers richte sich nach §§ 10, 11 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG vom 14.04.1968 - BGBl. I S. 265 - i.d.F.
der Bekanntmachung vom 31.01.1994, BGBl. I S. 168, 701). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BKGG sei deshalb für den
Anspruch das Einkommen des vorletzten Kalenderjahres vor dem Leistungsjahr in der Weise maßgeblich, wie es der
Besteuerung zugrunde gelegt worden sei. Beim Kläger sei deshalb der Steuerbescheid für das Jahr 1992
heranzuziehen gewesen. Hiervon ausgehend habe die Beklagte zutreffend den zu berücksichtigenden
Einkommensbetrag unter Beachtung der gesetzlich vorgesehenen Freibeträge errechnet (wird im einzelnen dargelegt).
Der Einwand des Klägers, sein Einkommen für 1992 sei bei der Festsetzung des Kig-Anspruches um eine im Jahre
1992 für das Jahr 1991 nachträglich erhaltene Einmalzahlung zu mindern, sei unerheblich. Die maßgebliche
Einkommensgrenze von 54.679,00 DM würde im Übrigen selbst dann überschritten, wenn entgegen § 11 Abs. 3 Satz
1 BKGG nicht das der Besteuerung zugrunde gelegte Einkommen berücksichtigt, sondern dieser Betrag in Abzug
gebracht würde. Im Hinblick auf die festgestellten Einkommensverhältnisse sei dem Kläger für 1994 nur das von der
Beklagten bewilligte geminderte Kig zu zahlen gewesen.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 04.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich
die am 01.06.1999 zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegte Berufung.
Die Entscheidung des Sozialgerichts sei unzutreffend, da der Widerspruch des Klägers entgegen der Ansicht des
Sozialgerichts zulässig gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte sei von der Beklagten nicht ordnungsgemäß "unter
Darlegung der einschlägigen Rechtsnorm" und der sich "aus der nichtfristgerechten Vorlage ergebenden Folgen" zur
Vollmachtsvorlage aufgefordert worden. Der Hinweis auf eine sonst zu treffende "Entscheidung nach Lage der Akten"
bedeute "eine Sachentscheidung und keine Verwerfung des Rechtsbehelfes als unzulässig". Der
Prozessbevollmächtigte sei der Beklagten auch - aus den vorausgegangenen Verfahren - bekannt gewesen. Der
angegriffene Bescheid sei auf der Grundlage des im Klageverfahren S 3 Kg 43/96 abgeschlossenen Vergleichs vom
24.03.1997 - in welchem der Kläger durch den Bevollmächtigten vertreten gewesen ist - erlassen worden. Deshalb sei
die Verwerfung des Widerspruchs "ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig" gewesen. Darüber hinaus sei eine
"Heilung eines eventuellen Vollmachtsmangels im Verwaltungsverfahren noch im Termin der letzten gerichtlichen
mündlichen Verhandlung möglich" (Hinweis auf Kommentierung von Krause u. a., Gemeinschaftskommentar zum
SGB X, § 13 Rdnr. 19 m. w. N.). In der Sache sei der Anspruch des Klägers auf ungemindertes Kig für das Jahr 1994
begründet. Eine Berechnung des Kindergeldes nach dem Einkommensbescheid 1992 sei unzutreffend, da sich darin
eine Einmalzahlung in Höhe von 17.452,00 DM aus dem Jahre 1991 ausgewirkt habe. Die späte Vorlage des
Einkommens-Steuerbescheides für das Jahr 1992 habe der Kläger nicht verschuldet. Die Beklagte sei auf Grund ihrer
Kenntnis der Verhältnisse zu einer Beratung des Klägers verpflichtet gewesen. Unmittelbar nach Vorlage des
Bescheides aus dem Jahre 1992 hätte sie sich mit in Verbindung setzen müssen, um ihn auf die Möglichkeit eines
Wiedereinsetzungsantrages hinzuweisen.
Die Beklagte hat sich in ihrer Berufungserwiderung dem angefochtenen Urteil angeschlossen. Ergänzend hat sie
vorgetragen, ihr sei auch keine Beratungspflichtverletzung gegenüber dem Kläger vorzuhalten. Der Kindergeldkasse
seien keine Tatsachen bekannt gewesen, um ihn rechtzeitig - im laufenden Kalenderjahr 1994 - auf besondere
Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Das Einkommen des Jahres 1992 sei ihr frühestens am 06.02.1995 bekannt
geworden.
Auf Anforderung des Senats hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers für den mündlichen Verhandlungstermin
eine Ablichtung der Einspruchsentscheidung des Finanzamtes Leipzig III vom 21.08.1995 vorgelegt, mit welcher der
Einspruch des Klägers gegen den Einkommenssteuerbescheid vom 08.11.1994 als unbegründet zurückgewiesen
worden war.
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16.03.1999 sowie den Bescheid vom 21.05.1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17.12.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Jahr 1994
ungemindertes Kindergeld nebst gesetzlicher Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Leistungsakten der Beklagten
sowie die Verfahrensunterlagen aus beiden Rechtszügen und die Akte des SG Leipzig S 3 Kg 43/96 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, fristgemäß eingelegte und auch im
Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache im Ergebnis nicht begründet. Beim Kläger waren jedenfalls
die gesetzlichen Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf nachträgliche Gewährung
ungekürzten Kindergeldes in Höhe von 420,00 DM monatlich für das Jahr 1994 nicht gegeben.
Dem klägerischen Begehren konnte nach Überzeugung des Senats entgegen der vom Sozialgericht und der Beklagten
vertretenen Auffassung der Erfolg nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen versagt werden. Die mit dem
angefochtenen Urteil des Sozialgerichts als rechtmäßig bestätigte Verwerfung des von seinem Bevollmächtigten am
13.06.1997 gegen den Bescheid vom 21.05.1997 eingelegten Widerspruchs ohne eine sachliche Überprüfung wegen
Unzulässigkeit beruht auf einer Verkennung der maßgeblichen Verfahrensbestimmungen und verletzt den Kläger in
seinem Anspruch auf eine verfahrens- und materiell-rechtlich ordnungsgemäße Überprüfung. Als Prüfungsmaßstab für
die verfahrensrechtlich wirksame und somit zulässige Einlegung des Widerspruchs ohne Vorlage einer hierfür eigens
ausgestellten schriftlichen Vollmacht hat das Sozialgericht abweichend von der Beklagten zutreffend § 13 Abs. 1 des
Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) herangezogen. Die von der Beklagten im
Widerspruchsbescheid genannte Bestimmung des § 73 Abs. 1 und 2 SGG regelt lediglich die Frage des Nachweises
der Bevollmächtigung im gerichlichen Verfahren und nicht für das vorausgegangene Verwaltungsverfahren. Aus
diesen unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ergeben sich für die beiden Verfahrensarten jedoch auch inhaltlich
unterschiedliche Anforderungen an eine wirksame Bevollmächtigung bzw. deren Nachweis. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz
1 1. Halbsatz ist im sozialgerichtlichen Verfahren die Vollmacht schriftlich zu erteilen und bis zur Verkündung der
Entscheidung zu den Akten einzureichen. Daraus folgt nach allgemeiner Ansicht, dass in diesem Verfahren das
Fehlen einer Prozessvollmacht von Gerichts wegen zu beachten ist, auch wenn das Verfahren von einem
Rechtsanwalt als Bevollmächtigten betrieben wird (vgl. zuletzt etwa LSG Schleswig, Urteil vom 03.11.1999 - L 4 KA
4/99 - m. w. N.; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 73 Rdnr. 14, 18a). Im Übrigen bedeutet diese Regelung nach
Wortlaut und Systematik, dass Prozesshandlungen, die ohne eine diesen Anforderungen entsprechende
Prozessvollmacht vorgenommen werden, ohne weiteres auch dann unwirksam sind, wenn das Fehlen der Vollmacht
vom Gericht nicht festgestellt oder nicht beanstandet wird. Die für das Verwaltungsverfahren einschlägige Regelung
des § 13 Abs. 1 SGB X unterscheidet sich davon wesentlich. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 hat der Bevollmächtigte, der
einen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vertritt, seine Vollmacht nicht ohne weiteres in allen Fällen, sondern
lediglich "auf Verlangen" schriftlich nachzuweisen. Daraus folgt, dass im Verwaltungsverfahren der Leistungsträger in
jedem Einzelfall nach seinem sachgemäßen Ermessen über die Anforderung einer schriftlichen Vollmacht gemäß § 13
Abs. 1 Satz 3 zu entscheiden hat (so wohl allgemeine Auffassung, vgl. Schröder-Printzen u.a., SGB X, § 13 Rdnr. 15;
Pickel, SGB X, § 13 Rdnr. 33 m. w. N.). Für eine solche, den Ermessensspielraum erkenntlich ausfüllende
Entscheidung der Beklagten anlässlich der Vollmachtsanforderung vom 13.06.1997 ist den Leistungsakten nichts zu
entnehmen. Bereits dabei dürfte die Beklagte vielmehr wie im Widerspruchsbescheid vom 17.12.1997 von einem
Verfahren nach der hier nicht einschlägigen Regelung des § 73 Abs. 1 SGG, also einer gebundenen Entscheidung,
ausgegangen sein. Bei der im Falle des Klägers konkret gegebenen Sachlage, insbesondere der der Beklagten
bekannten Vertretung des Klägers in dem vorausgegangenen Klageverfahren vor dem SG Leipzig (S 3 Kg 43/96), als
dessen Konsequenz der Ausführungsbescheid vom 21.05.1997 erlassen worden ist, kann auch nicht von einem Fall
einer Ermessensreduzierung auf Null im Sinne einer unbedingten Notwendigkeit der Vollmachtsanforderung
ausgegangen werden, vielmehr wäre durchaus auch ein Absehen von einer solchen Anforderung in Betracht
gekommen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist dabei allerdings mit der Beklagten davon auszugehen, dass die in
diesem vorausgegangen Klageverfahren vor dem SG Leipzig gemäß § 73 SGG zu den Akten des Gerichts
eingereichte Vollmacht nach ihrem Inhalt und im Hinblick darauf, dass dieses Klageverfahren mit dem Vergleich vom
24.03.1997 endgültig abgeschlossen war, ihre Wirksamkeit verloren hat (Erlöschen) und damit grundsätzllich keine
ordnungsgemäße und hinreichend belegte Grundlage für eine Vertretung des Klägers in dem Widerspruchsverfahren
gegen den Bescheid vom 21.05.1997 darstellen konnte. Insoweit wird im Einzelnen zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen, denen sich der Senat im vollen
Umfang anschließt. Nicht zu folgen vermochte der Senat aber weiterhin der Ansicht des Sozialgerichts und der
Beklagten, dass letztere mit dem Schreiben vom 10.11.1997 den Bevollmächtigten des Klägers hinreichend eindeutig
über die Folgen einer unterbliebenen Vorlage der schriftlichen Vollmacht unterrichtet hätte. Die in diesem Schreiben
hierzu lediglich enthaltenen Ankündigung, bei Nichtvorlage der Vollmacht, innerhalb der Frist "nach Lage der Akten zu
entscheiden", lässt vielmehr nicht eindeutig erkennen - worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu Recht
hingewiesen hat -, dass eine solche Entscheidung ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Erwägungen und ohne
eine Sachprüfung erfolgen würde. Auch diese, den Rechtsschutzinteressen des Bürgers dienende Erwägung hätte die
Beklagte bei der von ihr im Ermessenswege zu treffenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer
Vollmachtsvorlage nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X beachten müssen. Da dies nicht der Fall war und die Beklagte
das Unterbleiben der Vollmachtsvorlage als einzige und ausreichende Grundlage für die Entscheidung über den
Widerspruch des Klägers angesehen und diesen Widerspruch dementsprechend ohne eine sachliche Überprüfung als
unzulässig verworfen hat, waren diese Entscheidungen ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig.
Auch wenn damit dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts und den Bescheiden der Beklagten in der Begründung
nicht zu folgen war, konnte die Berufung in der Sache dennoch keinen Erfolg haben. Für das klägerische Begehren
auf Zahlung ungekürzten Kindergeldes für das Jahr 1994 besteht keine ausreichende Rechtsgrundlage. Insoweit hat
auch das Sozialgericht in seiner hilfsweisen weiteren Begründung nach eingehender Sachprüfung das Vorliegen der
gesetzlichen Voraussetzungen des Klagebegehrens im Ergebnis zutreffend verneint. Ein Anspruch auf nachträgliche
Zahlung ungekürzten Kindergeldes in Höhe von 420,00 DM monatlich im Jahre 1994 ergibt sich zunächst nicht aus §
11 Abs. 4 BKGG a. F. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck dieser von dem allgemeinen Regelungssystem in §§ 10, 11
Abs. 1 - 3 abweichenden Sonderregelung kann ein Anspruch auf Zahlung von Kig jeweils während eines laufenden
Jahres (Leistungsjahr) in einer von dem Einkommen im maßgeblichen Berechnungsjahr unabhängigen und deshalb
nicht auf die Sockelbeträge gekürzten Höhe nur ausgelöst werden, wenn der Berechtigte noch vor Ablauf des
Kalenderjahres (= Leistungsjahr) das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür glaubhaft macht. Dies ist beim Kläger
jedoch nicht der Fall gewesen. Aus den in den Leistungsunterlagen enthaltenen sowohl formularmäßigen als auch in
freier Form abgegebenen Äußerungen des Klägers lässt sich auch sinngemäß eine Geltend- und Glaubhaftmachung
dieser Voraussetzungen im Laufe des Jahres 1994 nicht entnehmen. Dass das für den Kig-Anspruch maßgebliche
Jahreseinkommen 1994 voraussichtlich nur eine Höhe erreichen würde, bei welcher das Kig nicht nur in Höhe des
Sockelbetrages zu leisten ist, wurde seitens des Klägers - sinngemäß - erstmalig im Zusammenhang mit der Vorlage
des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1992 (datierend vom 08.11.1994) mit dem Schreiben vom 01.02.1995,
also erst nach Ablauf des hier streitigen Leistungsjahres 1994 geltend gemacht. Eine nachträgliche, auf das
Leistungsjahr 1994 rückwirkende Bewilligung und Auszahlung von Kig ohne Kürzung auf den Sockelbetrag nach § 11
Abs. 4 Satz 1 BKGG kommt damit nicht in Betracht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch eine solche
Leistungsgewährung lediglich unter dem Vorbehalt einer Überprüfung und Rückforderung nach endgültiger Feststellung
des im Leistungsjahr erzielten Einkommens erfolgen kann. Die Regelung des § 11 BKGG läßt nach ihrer Systematik
und Rechtsnatur eine Verlängerung der Antragsfrist für die Geltendmachung eines Anspruchs nach Absatz 4a über
den Ablauf des danach maßgeblichen Jahres hinaus grds. nicht zu (vgl. dazu LSG Saarbrücken v. 10.06.1999 - L 6
Kg 12/97 -, Fundstelle: Dokumentation Juris). Insbesondere scheidet insoweit eine Gewährung einer
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" unter - auch analoger - Heranziehung von § 28 SGB X aus, da § 11 Abs. 4
BKGG diese Norm als eigenständige Sonderregelung verdrängt.
Auf der Grundlage der somit für den Anspruch des Klägers maßgeblichen Bemessungsregelungen in § 11 Abs. 1 und
Abs. 2 BKGG hat die Beklagte dem Kläger mit dem Bescheid vom 21.05.1997 zu Recht für das Jahr 1994 Kig über
den vorläufig bewilligten Sockelbetrag von 210,00 DM hinaus in Höhe von 280,00 DM monatlich gewährt und in Höhe
von 840,00 DM nachbezahlt. Die dieser Leistungsberechnung zu Grunde liegende Berücksichtigung des im
maßgeblichen Berechnungsjahr 1992 erzielten Einkommens ist tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Das
Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil die hierfür einschlägigen Rechtsnormen zutreffend benannt und zur
Anwendung gebracht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen in den
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist
festzustellen, dass das Verlangen des Klägers, bei der Heranziehung des Einkommens für das Jahr 1992 abweichend
von den Feststellungen in dem Steuerbescheid der zuständigen Finanzbehörde eine aus Arbeitsentgeltansprüchen im
Jahre 1991 stammende, dem Kläger aber im Jahre 1992 zugeflossene Einmalzahlung in Höhe von 17.452,00 DM
außer Betracht zu lassen, nicht begründet ist. Maßgeblich ist vielmehr nach übereinstimmenden Wortlaut und
Regelungszweck für die Bemessung des Kindergeldes das im Berechnungsjahr, das ist hier das Jahr 1992, erzielte
und auch steuerlich berücksichtigte Einkommen (vgl. dazu Wickenhagen/Krebs, BKGG, § 11 Anm. 38 m. w. N.). Das
Gesetz sieht eine Differenzierung nach Zeitpunkten, für welche ein Einkommen erzielt wurde, nicht vor. Das ist auch
nach Zweck- und Regelungssystem der Bestimmungen über die Höhe des Kig-Anspruches in §§ 10 - 11a BKGG
sachgerecht (vgl. dazu etwa BSG vom 02.10.1997 - 14/10 RKg 14/95 -). Im Übrigen ergibt sich aus dem vom Kläger
dem Senat vorgelegten Einspruchsbescheid des Finanzamtes Leipzig III vom 21.08.1995, dass an der im
Einkommensteuerbescheid 1992 vom 08.11.1994 festgesetzten und von der Beklagten zur Grundlage ihrer
Entscheidung gemachten Festsetzung des Jahreseinkommens im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des
Einkommenssteuergesetzes auch steuerrechtlich keine Änderung eingetreten ist.
Gegen die Feststellung der Freibeträge und der sich daraus ergebenden schrittweisen Minderung des Kig-
Zahlungsbetrages sind vom Kläger keine Einwendungen erhoben worden. Daran ergeben sich nach eigener
Überprüfung der in den Unterlagen der Beklagten enthaltenen Angaben durch den Senat keinerlei begründete Zweifel.
Insoweit wird im Übrigen auf die eingehende Darlegung der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte im
angefochtenen Urteil Bezug genommen. Nicht nachvollziehbar, allerdings auch nicht entscheidungserheblich ist
lediglich die abschließende Bemerkung des Sozialgerichts (Seite 7 letzter Absatz), an dem Ergebnis würde sich auch
bei Absetzung eines Einmalzahlungsbetrages in Höhe von 2.575,00 DM nichts ändern.
Da nach alldem ein Anspruch des Klägers auf die begehrte Auszahlung ungekürzten Kindergeldes nicht begründet
war, konnte auch sein Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur nachträglichen Zahlung einer solchen Leistung
nebst gesetzlicher Zinsen keinen Erfolg haben. Die Berufung war vielmehr im Ergebnis als unbegründet
zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht unter Berücksichtigung des Verfahrensausganges auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 160 ABs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.