Urteil des LSG Sachsen vom 17.11.2000

LSG Fss: rente, rückforderung, rücknahme, zukunft, rechtswidrigkeit, nachzahlung, betrug, widerspruchsverfahren, höchstbetrag, fahrlässigkeit

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.11.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Leipzig S 13 RA 739/97
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 45/99
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. Januar 1999 wird zurückgewiesen, soweit eine
Weiterzalung des Sozialzuschlages über den 30.06.1994 hinaus begehrt ist. II. Die Beklagte hat der Klägerin die
außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge je zur Hälfte zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung des Sozialzuschlages bis zum 31.12.1996 nach Feststellung der
Rechtswidrigkeit der Rückforderung bis 30.06.1994.
Die am ... geborene Klägerin bezog seit 01.10.1985 eine monatliche Rente aus der Sozialversicherung von 340,00 M.
Die Rente wurde zum 01.01.1992 umgewertet und in einer Höhe von 554,00 DM bezahlt. Außerdem wurde ein
Sozialzuschlag von 77,00 DM gewährt. Zum 01.07.1992 wurde mit Entscheidung vom 11.06.1992 die Rente wiederum
angepasst. Sie wurde mit 681,57 DM errechnet. Der Sozialzuschlag von 77,00 DM wurde weiterbezahlt, sodass der
Zahlbetrag 715,29 DM betrug. Darunter war vermerkt:
"Der Sozialzuschlag wird nur als Vorschuss weitergezahlt, weil das monatliche Gesamteinkommen nicht bekannt ist.
Zu der Rente ist ein Sozialzuschlag zu zahlen, wenn bei Verheirateten das monatliche Gesamteinkommen den Betrag
von 1.054,00 DM (bis 30.06.1992 - 960,00 DM) nicht überschreitet.
Wird neben der Rente von dem Rentenempfänger oder seinem Ehegatten noch weiteres Einkommen bezogen, besteht
die gesetzliche Verpflichtung, uns dieses Einkommen unverzüglich mitzuteilen".
Nach der weiteren Rentenanpassungsmitteilung zum 01.01.1993 teilte der Ehemann der Klägerin mit Schreiben vom
16.12.1992 mit, dass das gemeinsame Einkommen über 1.054,00 DM monatlich liege und es werde gebeten, den
Sozialzuschlag zu streichen. Nach Überprüfung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.1994 rückwirkend ab
01.01.1992 und für die Zukunft ab 01.07.1994 die Rente neu fest. Dabei wurde festgestellt, dass durch die
Weiterzahlung des Sozialzuschlages bis 30.06.1994 eine Überzahlung von 1.457,94 DM entstanden war. Dieser
Betrag wurde zurückgefordert. Die Klägerin leistete in der Folgezeit Rückzahlungen. Auf einem Überprüfungsantrag
von ihr wurde am 27.04.1995 die Rente neu festgestellt. Hierbei ergab sich eine höhere Rente, sodass eine
Nachzahlung von 1.117,24 DM errechnet wurde. Soweit noch die Rückforderung offen stand, verrechnete die Beklagte
diese mit der Nachzahlung.
Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.07.1996 (Az. 5 RJ 42/95) forderte die Klägerin mit
Hinweis auf dieses Urteil die Rückerstattung des zurückgezahlten Sozialzuschlages. Diesen Antrag wies die Beklagte
mit Bescheid vom 31.07.1997 zurück. Die Rückforderung sei zwar auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt worden.
Der Rückforderungsbescheid könne aber nicht zurückgenommen werden. Für die Rücknahme des Bescheides gelte §
44 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach müsse die Behörde über die Rücknahme eines
rechtswidrigen Bescheides mit Wirkung für die Vergangenheit nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden. Die
Aufhebung des Rückzahlungsbescheides würde bedeuten, dass mehr gezahlt würde, als nach der materiellen
Rechtslage zugestanden hätte. Dieses Ergebnis entspreche nicht dem Sinn und Zweck eines
Überprüfungsverfahrens. Der Rückzahlungsantrag müsse deshalb abgelehnt werden.
Mit der am 15.08.1997 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Sie ist der Meinung, dass der Bescheid
hinsichtlich der Rückforderung zurückgenommen werden müsse. Dies würde dazu führen, dass der Sozialzuschlag
bis Dezember 1996 ausgezahlt werden müsse. Im Rahmen des Klageverfahrens wurde das Widerspruchsverfahren
nachgeholt. Die Klägerin wies mit Bescheid vom 12.02.1998 den Widerspruch zurück und wiederholte die bereits im
ersten Bescheid angeführten Gründe.
Das Sozialgericht (SG) wies schließlich die Klage mit Urteil vom 25.01.1999 ab. Die Beklagte habe zu Recht den
Rückzahlungsantrag der Klägerin zurückgewiesen. Sie habe hierbei § 44 SGB X richtig angewandt. Das SG hat hierzu
seine Entscheidung ausführlich begründet. Das SG hat weiterhin ausgeführt, dass der Klägerin auch kein Anspruch
auf Weiterzahlung des Sozialzuschlages über den 30.06. hinaus zustehe. Diesem Anspruch stehe der
bestandskräftige Bescheid vom 26.05.1994 entgegen, in dem die Rente neu festgestellt wurde. Es lägen keinerlei
Anhaltspunkte dafür vor, dass nach diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des Artikel 40 § 2
Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) für die Zahlung eines Sozialzuschlages vorlegen.
Gegen das am 19.02.1999 als zugestellt geltende Urteil hat die Klägerin am 12.03.1999 Berufung eingelegt. Sie trägt
vor, dass nach den Entscheidungen des BSG die Rückforderung des Sozialzuschlages unzulässig war. Es soll
erreicht werden, dass der Bescheid vom 26.05.1994 zurückgenommen wird und deshalb bis Dezember 1996 ein
Sozialzuschlag ausbezahlt wird.
Die Beklagte hat in einem Teilanerkenntnis den Bescheid vom 26.05.1994 hinsichtlich der Rückforderung aufgehoben,
den Bescheid vom 31.07.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1998 aufgehoben und sich
verpflichtet, den zurückgezahlten Sozialzuschlag an die Klägerin zu erstatten. Diese hat das Teilanerkenntnis
angenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25.01.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.07.1997 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom
26.05.1994 zu ändern und für die Zeit vom 01.07.1994 bis 31.12.1996 den Sozialzuschlag weiterzugewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25.01.1999 hinsichtlich des über den 30.06.1994 hinaus
zu zahlenden Sozialzuschlages zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und zulässige Berufung, § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), erweist sich als unbegründet.
Streitgegenstand ist nach Annahme des Teilanerkenntnisses nur die Frage, ob die Beklagte den Sozialzuschlag über
den 30.06.1994 weiterzugewähren hat.
Soweit die Klägerin die Weiterzahlung des Sozialzuschlages begehrt, steht ihr keinerlei Anspruch zu.
Mit dem Gesetz zur Zahlung eines Sozialzuschlages zur Rente im Beitrittsgebiet vom 25.06.1991 (Artikel 40 RÜG)
wurde unter anderem Altersrentnern ein Anspruch auf einen Sozialzuschlag eingeräumt, wenn bei Verheirateten das
monatliche Gesamteinkommen unter 960,00 DM lag. Dieser Höchstbetrag stieg in der Folgezeit mit den Renten und
betrug zum 01.07.1995 schließlich 1.093,00 DM. Der Sozialzuschlag war nach Artikel 40 § 2 RÜG in Höhe des
Unterschiedsbetrages zwischen Gesamteinkommen und dem festgesetzten Mindesteinkommen zu zahlen. Nach
Mitteilung des Ehemannes der Klägerin überstieg das Gesamteinkommen diesen Betrag. Damit besteht nach dem
Gesetz kein Anspruch auf einen Sozialzuschlag.
Der an die Klägerin ausgezahlte Sozialzuschlag war durch den Rentenbescheid und die jeweiligen
Rentenanpassungsmitteilungen gewährt. Diese Entscheidungen waren rechtswidrig, da ein Anspruch auf die Zahlung
nicht bestand. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes ist unter den Voraussetzungen
des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zukunft zulässig. Danach kann ein Verwaltungsakt, der
einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat und rechtswidrig ist, nach seiner Unanfechtbarkeit mit
Wirkung für die Zukunft dann nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des
Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Auf das Vertrauen kann sich nach § 45 Abs. 2 Nr.
3 SGB X nicht berufen, wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit
nicht kannte.
Der Klägerin und ihrem Ehemann war die Rechtswidrigkeit der Gewährung des Sozialzuschlages bekannt, denn mit
Schreiben vom 16.12.1992 wurde darum gebeten, den Sozialzuschlag zu streichen, da der Anspruch nicht bestand.
Es bestand damit kein Vertrauen mehr in die Weitergewährung des Sozialzuschlages. Die "vorläufige" Gewährung des
Sozialzuschlags konnte durch die neue Rentenfestsetzung vom 26.05.1994 zurückgenommen werden.
Dieser Rentenbescheid und die Folgerentenbescheide wurden nicht angefochten. Damit sind sie bestandskräftig
geworden und auf Grund der Rentenbescheide besteht kein Anspruch auf Auszahlung des Sozialzuschlages bis Ende
1996.
Ein Anspruch bestünde dann, wenn sich bei Überprüfung dieser Rentenbescheide ab 01.07.1994 ergibt, dass bei
Erlass dieser Verwaltungsakte das Recht unrichtig angewandt wurde und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht
erbracht wurden, § 44 SGB X. Als ein Antrag auf Überprüfung der Rentenbescheide nach dieser Vorschrift ist das im
Klageverfahren erhobene Begehren auf Weitergewährung des Sozialzuschlages zu werten. Aber auch hieraus ergibt
sich kein Anspruch auf Weitergewährung des Sozialzuschlages. Wie bereits ausgeführt, waren die Voraussetzungen
des Artikel 40 RÜG für die Gewährung des Sozialzuschlages nicht erfüllt. Die Rücknahme der rechtswidrigen
Gewährung durch den Rentenbescheid vom 26.05.1994 für die Zukunft war nach § 45 SGB X zulässig. Die
Rentenbescheide ab dem 26.05.1994 sind damit zulässig und rechtmäßig.
Nach alledem erweist sich die Berufung, soweit sie über den von der Beklagten anerkannten Anspruch hinaus geht,
als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.