Urteil des LSG Sachsen vom 15.01.2003

LSG Fss: fristlose kündigung, anhörung, fahrlässige tötung, aufschiebende wirkung, versorgung, verwaltungsakt, krankenkasse, wichtiger grund, ambulante behandlung, abrechnung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.01.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 16 P 51/98
Sächsisches Landessozialgericht L 1 P 1/01
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 02.11.2000 abgeändert. Die
Bescheide der Beklagten vom 26.06.1998 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. II. Die
Beklagten haben der Klägerin als Gesamtschuldner die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu
erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Kündigungen der Versorgungsverträge über eine
Kurzzeitpflegeeinrichtung sowie des ambulanten Pflegedienstes.
Die Klägerin betrieb in der K ...straße ... in D ... eine Kurzzeitpflegeeinrichtung.
Mit Wirkung ab 01.04.1995 war die Klägerin aufgrund des Versorgungsvertrages vom 01.09.1995 zur Erbringung
ambulanter Pflegeleistungen zugelassen.
Mit Wirkung ab 01.01.1997 schloss die Klägerin mit den Landesverbänden der Pflegekassen einen
Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI für Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI. Wegen der
Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vereinbarung Bezug genommen.
Mit Anhörungsschreiben vom 05.03.1998, das im Briefkopf den Arbeitskreis der Verbände der gesetzlichen
Pflegekassen im Freistaat Sachsen" ausweist, wurde die Klägerin auf Defizite in der Versorgung hingewiesen. Als
Mitglieder des Arbeitskreises sind die AOK Sachsen, der BKK-Landesverband Ost, der IKK-Landesverband Ost, die
VdAK-Landesvertretung Sachsen, die AEV-Landesvertretung Sachsen, die Bundesknappschaft, die Pflegekasse für
den Gartenbau und die Landwirtschaftliche Krankenkasse angegeben.
Es lägen Informationen vor, nach denen mit der personellen Ausstattung der Kurzzeitpflegeeinrichtung und des
ambulanten Pflegedienstes keine bedarfsgerechte, gleichmäßige sowie fachlich qualifizierte Pflege gewährleistet sei.
Leistungen der Behandlungspflege seien von nicht qualifiziertem Personal erbracht worden. Zur Übung der
Verabreichung von Spritzen sei das Setzen von Spritzen mit Kochsalzlösungen durchgeführt worden; dies sei an einer
verstorbenen Person geprobt worden.
Pflegebedürftige seien außerhalb der zugelassenen Kurzzeitpflegeeinrichtung im A ...weg in D ... untergebracht
gewesen. Bei Notwendigkeit ärztlicher Versorgung seien die Personen in die Einrichtung in die K ...straße verbracht
worden. Ein im A ...weg untergebrachter Pflegebedürftiger sei dort nach Krampfanfällen verstorben, ohne dass
ärztliche Hilfe hinzugezogen worden sei. Eine Pflegebedürftige sei als Arbeitskraft in der Küche der
Kurzzeitpflegeeinrichtung eingesetzt. Im Vorfeld von Begutachtungen zur Feststellung der Pflegestufe seien den
Bewohnern Beruhigungsmittel verabreicht worden.
Im Rahmen der häuslichen Pflege seien von den versorgten Personen Blanko-Leistungsnachweise unterzeichnet
worden.
Darüber hinaus lägen Informationen vor, dass Pflegebedürftige aufgrund unzulänglicher pflegerischer Betreuung und
einer verspäteten Hinzuziehung ärztlicher Hilfe verstorben seien. Eine Lungenentzündung sei nicht ärztlich behandelt
worden, so dass die Pflegebedürftige verstorben sei. Am 10.01.1998 solle es wegen einer durch unzulänglich
qualifiziertes Personal vorgenommenen Pflege zu einem Todesfall gekommen sein.
Die Ausstattung der Einrichtung sei mangelhaft. Es fehlten Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Schutzhandschuhe
und Utensilien zur Blutzuckerbestimmung.
Die Verpflegung sei ebenfalls mangelhaft. Speisen und Getränke stünden nicht in ausreichender Menge zur
Verfügung.
Die Einrichtung sei überbelegt. Über die im Versorgungsvertrag vereinbarte Platzkapazität (11 Betten) würden in 2-
Bett-Zimmern drei Personen untergebracht.
Für in der Kurzzeitpflege untergebrachte Pflegebedürftige würden Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet.
Zur Aufklärung des Sachverhalts werde um Stellungnahme gebeten. Ferner wurde auf den Wortlaut von § 74 Abs. 1
und Abs. 2 SGB XI hingewiesen, wonach ein Versorgungsvertrag mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden
könne, wenn die zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend eine der Voraussetzungen des § 72 Abs. 3
Satz 1 SGB XI nicht mehr erfülle sowie der Versorgungsvertrag auch ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt
werden könne, wenn die Einrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den
Pflegebedürftigen oder ihren Kostenträgern derart gröblich verletze, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht
zumutbar sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn Pflegebedürftige infolge der Pflichtverletzung zu Schaden
gekommen oder die Einrichtung nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abrechne.
Mit Schreiben vom 19.03.1998 hat die anwaltlich vertretene Klägerin mitgeteilt, die im Schreiben vom 05.03.1998
erhobenen Vorwürfe seien unbegründet. Die Heimaufsicht habe bei den regelmäßig durchgeführten, auch
unangemeldeten, Besichtigungen keine Beanstandungen festgestellt. Die Pflege werde im Zweischichtbetrieb
gewährleistet. In jeder Schicht sei mindestens eine qualifizierte Krankenschwester tätig. Die Behauptung zur Übung
von Spritzen sei falsch. Auch würden Pflegebedürftige nicht außerhalb der Kurzzeitpflegeeinrichtung untergebracht.
Lediglich während einer Überbelegung während der Sommerferien im Jahr 1997 sei ein Patient im A ...weg
untergebracht worden. Nach einem akuten Schwächeanfall sei er in ambulante Behandlung überführt worden.
Zutreffend sei, dass eine Patientin in der Küche mit arbeite. Dies erfolge auf deren ausdrücklichen Wunsch
unentgeltlich.
Sterbefälle wegen unzulänglicher Pflege seien nicht eingetreten. Sowohl die sachliche Ausstattung als auch die
Verpflegung seien ausreichend. Eine Überbelegung liege nicht vor. In der Kurzzeitpflegeeinrichtung würden auch keine
Leistungen für ambulante Pflege abgerechnet. Offensichtlich würden Kurzzeitpflegeeinrichtung und die ebenfalls im
gleichen Hause untergebrachte Station für betreutes Wohnen verwechselt.
Mit den Schreiben vom 26.06.1998, ebenfalls mit Briefkopf des Arbeitskreises der Verbände der gesetzlichen
Pflegekassen im Freistaat Sachsen, wurden für die Versorgungsverträge der Kurzzeitpflegeeinrichtung und der
häuslichen Pflege fristlose Kündigungen gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI ausgesprochen. In der Kurzzeitpflege sei in
verschiedenen Fällen nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden, z.B. für verstorbene Patienten. In weiteren
Fällen seien die leistungsrechtlichen Höchstgrenzen der jeweiligen Pflegestufe überschritten worden. Auch seien in
der Kurzzeitpflegeeinrichtung Leistungen der ambulanten Pflege sowie behandlungspflegerische Leistungen für
Versicherte auch dann als ambulante Leistungen gemäß den SGB V abgerechnet worden, wenn diese zu dem
Versorgungsauftrag der Kurzzeitpflegeeinrichtung gehörten.
Die fristlose Kündigung werde weiterhin auf die im Anhörungsschreiben genannten pflegerischen Defiziten gestützt.
Diese Sachverhalte seien auf die Stellungnahme zum Anhörungsschreiben nicht überzeugend widerlegt worden.
Hinsichtlich der Verdachtsmomente, die auf eine mögliche Schädigung von Pflegebedürftigen hinwiesen, würden
weitere Ermittlungen erfolgen.
Zur Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege wurde ausgeführt, es seien Leistungen für Zeiten
abgerechnet worden, obwohl der Pflegebedürftige bereits verstorben war. Auch während eines
Krankenhausaufenthaltes eines Versicherten seien Leistungen abgerechnet worden. Leistungen der ambulanten
Pflege seien auch während der Unterbringung von Pflegebedürftigen in der Kurzzeitpflegeeinrichtung in Rechnung
gestellt worden. Von Pflegebedürftigen in häuslicher Umgebung seien Blanko- Leistungsnachweise unterschrieben
worden. Eine Rückforderung unzulässig abgerechneter Leistungen sei bereits am 26.09.1996 erfolgt. Hier sei bei
wiederholten Vertragsverstößen auf eine zu erwartende fristlose Kündigung hingewiesen worden.
Gegen die am 03.07.1998 zugestellten Kündigungen richtete sich die am 03.08.1998 beim Sozialgericht erhobene
Klage. Die Kündigungen seien unwirksam. Genaue Beispiele und Vorwürfe zu den angeblichen Unzulänglichkeiten
seien nicht gemacht worden.
Die Kündigungen seien im Übrigen bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht durch die Beklagten selbst, sondern
durch den Arbeitskreis der Landesverbände erfolgt seien. Eine etwaige Bevollmächtigung sei nicht ersichtlich, auch
nicht ein Handeln im Namen der Beklagten.
Darüber hinaus liege auch ein wichtiger Grund für die Kündigungen nicht vor. Die behaupteten Pflichtverletzungen
seien nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es handele sich um pauschale Behauptungen.
Auch fehle es an einer Abmahnung. Das durch die Versorgungsverträge begründete Dauerschuldverhältnis verpflichte
die Beteiligten, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Fortsetzung der bestehenden Verträge möglich und zumutbar
machten.
Die Beklagten haben erwidert, bei dem von der Klägerin angegebenen betreuten Wohnen handele es sich nach
Ansicht des Regierungspräsidiums D ... in seiner Stellungnahme vom 12.05.1998 um einen sog. verdeckten
Heimbetrieb.
Bereits vor Abschluss des Versorgungsvertrages für die Kurzzeitpflege sei eine Qualitätsprüfung durch dem MDK
gemäß § 80 SGB XI erfolgt. In einem Telefonat vom 29.06.1996 und in der schriftlichen Beschwerde von C ... R1 ...
vom 13.06.1996 als auch in einem Telefonat mit dem Gesundheitsamt der Stadt D ... vom 02.07.1997 seien auf
bestehende Mängel hingewiesen worden. Im Ergebnis der Begutachtung durch den MDK unter Beteiligung des
Hygienischen Dienstes des Gesundheitsamtes vom 11.09.1996 sei festgestellt worden, dass die für einen
Versorgungsvertrag erforderlichen Voraussetzungen nur zum Teil erfüllt gewesen wären. Nachdem von der Klägerin
die bestehenden Mängel (Einbau eines Treppenliftes, Nachtbeleuchtung, Rufanlange etc). beseitigt worden seien, sei
der Versorgungsvertrag abgeschlossen worden.
Aufgrund der Beschwerde einer Person, dessen Angehöriger wegen Fehlverhaltens der Pflegepersonen in der
Einrichtung verstorben sein soll, sei am 04.09.1997 eine erneute Qualitätsprüfung durchgeführt worden, in deren
Ergebnis keine gravierenden Mängel festgestellt worden seien.
Am 12.09.1997 seien drei ehemalige Angestellte der Klägerin mit schriftlich verfassten Stellungnahmen über
Missstände in der Einrichtung an die AOK Sachsen herangetreten. Zwei der Angestellten hätten nach vorheriger
Terminabsprache weitere Aussagen zu der Pflegesituation in der Einrichtung gemacht. Aufgrund dieser Umstände sei
die Einrichtung verstärkt beobachtet und weitere Ermittlungen vorgenommen worden. Wegen der Einzelheiten der
schriftlichen Angaben der Beschäftigten wird auf deren Stellungnahme vom 12.09.1997 sowie der von der Beklagten
gefertigten Protokolle vom 23.12.1997 verwiesen.
Die Kontrolle der Heimaufsicht am 27.01.1998 habe hingegen keine weiteren Anhaltspunkte für grobe Pflichtverstöße
gebracht.
Weitere Anhaltspunkte, insbesondere zu Falschabrechnungen, hätte erst das Gespräch mit Dr. W1 ... am 02.03.1998
ergeben. Die weiteren Nachprüfungen hätten ergeben, dass die Klägerin bereits bei einer Aussprache am 26.09.1996
darauf hingewiesen worden sei, dass Leistungen der ambulanten Pflege sowohl nach dem SGB V als auch dem SGB
XI nicht abgerechnet werden können, wenn sich der Versicherte in einer stationären Einrichtung befinde und bei
wiederholten Vertragsverstößen eine fristlose Kündigung in Betracht komme. Auch Dr. U1 ..., die bis Dezember 1996
die Einrichtung medizinisch betreut hätte, habe in einem Telefongespräch am 03.03.1998 über erhebliche Mängel
berichtet.
Am 06.04.1996 hätten Mitarbeiter der AOK Sachen in der Einrichtung der Klägerin untergebrachte Versicherte
besucht, die in ihren schriftlichen Angaben ebenfalls erhebliche Missstände berichtet hätten. Frau W2 ... habe
angegeben, dass die Hunde der Klägerin frei herumgelaufen seien und überall Haufen" hingemacht hätten. Die
Versicherte K1 ... habe angegeben, dass während ihres sechswöchigen Aufenthaltes die Bettwäsche nicht
gewechselt worden sei, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit schon von der Vorgängerin benutzt worden sei. Auch
Frau W2 ... habe angeben, dass die Bettwäsche oft vor Dreck gestunken" habe. Lediglich vor Kontrollen hätten die
Schwestern die ganze Nacht putzen müssen.
Die AOK Sachsen habe schließlich im April 1998 Strafanzeige bei der Staatsanwalt gestellt. Das eingeleitete
Ermittlungsverfahren sei jedoch im Juli 1998 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden. Gleichwohl
hätten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft die Sachverhalte des Spritzensetzens an lebenden und verstorbenen
Personen zu Übungszwecken und auch hygienische Defizite bestätigt.
Im Ergebnis dieser Nachforschungen würden der Klägerin folgende Verstöße vorgehalten: - mangelhafte
Arbeitskräftsituation; i.m.-Spritzen seien durch Hilfskräfte ohne Spritzenerlaubnis gesetzt worden. Dies gelte
insbesondere für die gelernte Hauswirtschafterin N ... F1 ... - Die Verabreichung von Spritzen sei mit Kochsalzlösung
an dem Heimbewohner G1 ... wie auch an der verstorbenen Pflegebedürftigen V1 ...geübt worden. - Die
Pflegebedürftige F2 ... sei als alleinige Arbeitskraft in der Küche eingesetzt worden. - Die Verpflegungssituation sei
qualitativ unzureichend gewesen. Der beauftragte Essensdienst habe weniger Portionen als Bewohner geliefert. - Es
habe am notwendigen Verbands- und Desinfektionsmitteln gefehlt. Die drei in der Einrichtung frei herumlaufenden
Hunde hätte Verunreinigungen verursacht und die Bewohner belästigt. - Die Einrichtung sei überbelegt gewesen. Der
Großteil der Zimmer sei für drei Pflegebedürftige genutzt worden. - Die Pflegedokumentationen seien unvollständig
gewesen. - Zur Erreichung von höheren Pflegestufen seien die Versicherten durch die Angestellten beeinflusst
worden.
Die weiteren Recherchen hätten unberechtigte Abrechnungen ergeben. Bei dem Versicherten H ... K2 ... seien
Leistungen während der Zeit in der Einrichtung auch als ambulante Leistungen abgerechnet worden.
Bei den Versicherten A ... R1 ..., H ... H1 ... und M ... S1 ... seien nicht genehmigte bzw. noch nicht einmal
beantragte Leistungen abgerechnet worden.
Bei der Versicherten J ... S2 ... sei eine Doppelabrechnung der Leistungen vorgenommen worden. Leistungen seien
auch für den bereits verstorbenen G ... Z1 ... abgerechnet worden. Bei dem Versicherten H ... Z2 ... seien Leistungen
abgerechnet worden, obwohl es sich im Krankenhaus befunden habe.
Bei der Versicherten L ... P1 ... sei für die kleine Morgen- und Abendtoilette durchgängig ein um 10 DM zu hoher Preis
angesetzt worden.
Im Ergebnis dieser Feststellungen seien die fristlosen Kündigungen ausgesprochen worden. Die Kündigungen seien
von den Beklagten als den zuständigen Vertragspartnern erfolgt. Die Beklagte zu 1. habe für sich und in Vertretung für
die übrigen Beklagten gehandelt. Deren schriftliche Vollmachten hätten vorgelegen. Das Einvernehmen sei sowohl mit
dem Landeswohlfahrtsverband Sachsen als auch der Landeshauptstadt Dresden hergestellt gewesen. Die
Kündigungen seien ausdrücklich von den Landesverbänden der sächsischen Pflegekassen ausgesprochen worden.
Die Mitglieder des Arbeitskreises seien in den Schreiben ausdrücklich genannt. Den Kündigungen sei eine Anhörung
der Klägerin vorausgegangen. Soweit eine Abmahnung für erforderlich angesehen werde, liege diese zugleich in der
Anhörung. Auch sei die Klägerin bereits am 26.09.1996 abgemahnt worden. Insbesondere unter Berücksichtigung der
mangelnden Einsichtsfähigkeit der Klägerin sei eine Abmahnung ohnehin nicht als notwendig zu erachten. Durch die
wiederholt angefallenen Abrechnungsmanipulationen sei das Vertrauensverhältnis schwerwiegend gestört. Ein
weiteres Festhalten am Vertrag für die Dauer eines Jahres sei in Verantwortung für die Versicherten sowie zur
Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und menschenwürdigen Versorgung nicht zumutbar gewesen.
Mit Schriftsatz vom 04.08.1999 haben die Beklagten ergänzt, eine Falschabrechnung habe auch in den Fällen
vorgelegen, in denen die Versicherten (z.B. I ... B1 ..., M ... G2 ..., E ... H2 ..., E ... S4 ...) in den sog. Einrichtung
des betreuten Wohnens der Klägerin aufgehalten hätten. Zur Abrechnung ambulanter Pflegeleistungen habe es an
einem eigenen Haushalt des Versicherten im Sinne von § 36 SGB XI gefehlt. Die Einstellung des Strafverfahrens zu
den Tatbeständen einer fahrlässigen Tötung sowie zu Körperverletzungen stehe dem Fehlverhalten wegen der
Übungen zum Spritzensetzen nicht entgegen.
Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass den Beklagten nur ein begrenztes Instrumentarium zur Qualitätskontrolle
zur Verfügung stehe. Für eine Überprüfung nach § 80 SGB XI sei eine vorherige Anmeldung der Prüfung notwendig.
Mangels regelmäßiger Kontrollen müssten erst Anhaltspunkte für Mängel bestehen, um eine Prüfung vornehmen zu
können. Zeitliche Verzögerungen seien daher systemimmanent. Gerade in Anbetracht der schwerwiegenden Vorwürfe
sei eine gründliche Recherche notwendig erschienen. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des Charakters
einer Kündigung als ultima ratio. Schließlich führe auch die notwendigen Absprache unter den Pflegekassen sowie die
Herstellung des Einvernehmens der zuständigen Sozialhilfeträger zu Verzögerungen. Abrechnungsfehler könnten
zudem erst nach Einreichung der entsprechenden Unterlagen entdeckt werden. Darüber hinaus habe die Klägerin auch
noch in jüngster Vergangenheit unter dem 09.11.1998 eine falsche Abrechnung für den Versicherten P1 ...
vorgenommen. Hier seien nicht genehmigte Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet worden. Für den
Versicherten N1 ... habe die Klägerin unter dem 06.06.1999 für den Zeitraum vom 20.04.1998 bis 10.06.1998
Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet, obwohl sich dieser in der Kurzzeitpflegeeinrichtung befunden habe.
Wegen der von den Beklagten zum Zustand der Einrichtung vorgelegten Photos wird verwiesen.
Zur Bestätigung ihres Vortrages haben die Beklagten weiterhin die staatsanwaltschaftlichen Zeugenaussagen
vorgelegt.
Zur Abrechnung bei dem Versicherten Z2 ... haben die Beklagten nochmals vorgetragen, dass mit der Rechnung vom
05.12.1997 grundpflegerische Leistungen in Höhe von 3.000 DM abgerechnet worden seien. Der Leistungsnachweis
für den Monat Oktober 1997 sei von einer Frau S3 ... i.V. unterzeichnet. Für den Zeitraum vom 10.08.1997 bis
26.08.1997 seien Leistungen abgerechnet worden, obwohl sich der Versicherte wegen einer Oberschenkelhalsfraktur
in stationärer Behandlung im Krankenhaus D ...-F ... befunden habe, wo er am 26.08.1997 verstorben sei. Leistungen
seien in Höhe von 378,30 DM zu viel berechnet worden.
Mit Rechnung vom 14.02.1997 habe die Klägerin Leistungen für die Versicherte M ... S1 ... in Höhe von insgesamt
10.345,23 DM geltend gemacht. Die Versicherte habe im ersten Quartal 1996 Pflegegeld bezogen. Gleichwohl habe
die Klägerin Sachleistungen abgerechnet. Es seien 4.500 DM zu viel berechnet worden.
Mit der Rechnung vom 17.02.1997 sei für den Versicherten Z1 ... die Erbringung von Leistungen für den Zeitraum vom
19.02.1997 bis 31.03.1997 in Höhe von 1.660,50 DM abgerechnet worden. Der Leistungsnachweis sei auch mit dem
Namen des Versicherten abgezeichnet. Der Versicherte sei bereits am 03.03.1997 verstorben, so dass 1.134,00 DM
zu viel abgerechnet worden seien.
Bei der Versicherten P1 ... habe die Klägerin unter dem 10.04.1997 für den Zeitraum vom Juli bis Dezember 1996
insgesamt 7.985,25 DM berechnet. Für den von der Klägerin angesetzten Leistungskomplex kleine Morgen- und
Abendtoilette", für die ein Einzelpreis nach der Vergütungsvereinbarung von 15,75 DM gegolten habe, habe die
Klägerin den Preis für die große Wäsche von 25,20 DM angesetzt. Die durchgehende Abrechnung des zu hohen
Preises spreche gegen eine versehentliche Falschabrechnung. Insgesamt seien 2.145,35 DM zu viel abgerechnet
worden.
Mit der am 19.02.1998 eingegangenen Rechnung vom 05.12.1997 für die Versicherte G2 ... sei für die Erbringung von
Pflegesachleistungen für die Monate Dezember bis Januar 1998 ein Betrag in Höhe von 1.500 DM gefordert worden.
Während dieser Zeit habe sich die Versicherte jedoch in der Kurzzeitpflegeeinrichtung befunden. Auch hier könne eine
versehentliche Falschabrechnung nicht angenommen werden, weil der Klägerin diese Umstände bekannt gewesen
seien.
In den Fällen R1 ... und W3 ... habe die Klägerin jeweils eine zu hohe Pflegestufe abgerechnet.
Bei der Versicherten S5 ...habe die Klägerin mit Rechnung vom 16.07.1997 insgesamt 3.000 DM eingefordert. In der
Zeit vom 01.07. bis 17.08.1997 habe sich die Versicherte jedoch in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgehalten, so
dass Sachleistungen nicht abrechenbar gewesen seien.
Für den Ausspruch der Kündigungen seien jedoch in erster Linie die pflegerischen und hygienischen Defizite bei der
Leistungserbringung maßgeblich gewesen.
Die Klägerin hat in ihren Stellungnahmen die von den Beklagten jeweils erhobenen Vorwürfe bestritten. Bei dem
betreuten Wohnen habe es sich nicht um einen verdeckten Heimbetrieb gehandelt. Einen Nachweis hierfür hätten die
Beklagten nicht erbracht. Auf etwaige unzureichende hygienische Verhältnisse im Jahre 1996 könnten die
Kündigungen nicht gestützt werden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versorgungsvertrages über die
Kurzzeitpflege seien bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten alle Mängel abgestellt gewesen.
Auch habe die Klägerin im Jahre 1996 Leistungen nicht unberechtigt abgerechnet. Schon wegen des langen
Zeitablaufes in den Jahren 1996 und 1997 könnten etwaige Verstöße eine außerordentliche Kündigung nicht
rechtfertigen.
Insbesondere auch mit der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung sei bewiesen,
dass die erhobenen Vorwürfe unberechtigt seien. Es treffe auch nicht zu, dass an den Versicherten G1 ... und V1 ...
das Setzen von Spritzen geübt worden sei.
Die Versorgung mit Essen sei in Abstimmung mit der Regierungspräsidium D ... erfolgt. Die Hunde der Klägerin hätten
sich, wenn überhaupt, nur in den Büroräumen oder im Keller aufgehalten. Leistungen seien nicht unberechtigt
abgerechnet worden, auch nicht über den Tod der Versicherten hinaus.
Überdies werde von den Beklagten übersehen, dass die Klägerin von ihr erbrachte Leistungen auch abrechnen könne.
Wenn die Beklagte eine Kostenzusage nicht erteilt habe, ändere dies nichts an den erbrachten Leistungen. Die
Verträge über die Pflegeleistungen seien mit den Patienten direkt abgeschlossen worden. Wenn die Beklagten für
diese Leistungen nicht einstehen wollten, stelle dies selbstverständlich keine Abrechnungsmanipulation der Klägerin
dar. Die Klägerin habe auch nie behauptet, dass die Beklagten für die abgerechneten Leistungen einzustehen hätten.
Eine Vergütung der Pflegeleistungen der Klägerin sei auch in den Fällen, in denen der Todesfall eingetreten sei, für
den gesamten Monat erfolgt. Eine etwaige Abmahnung im Jahr 1996 rechtfertige eine fristlose Kündigung in 1998
nicht.
Die vorgelegten Photos seien zum Beweis ebenfalls ungeeignet. Diese seien zu einem Zeitpunkt aufgenommen
worden, als die Klägerin das betreute Wohnen nicht mehr geführt habe.
Mit Urteil vom 02.11.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die auf die Nichtigkeit der
Kündigungserklärungen, kombiniert mit einem Leistungsbegehren, gerichteten Anträge seien zulässig. Bei der
Kündigung eines Versorgungsvertrages handele es sich um einen Verwaltungsakt. Dies ergebe sich aus § 74 Abs. 3
Satz 2 SGB XI i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI.
Die Anträge seien jedoch unbegründet. Gründe, die gemäß § 40 Abs. 1 SGB X die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes
begründeten, lägen nicht vor. Dies gelte insbesondere, soweit die Klägerin wegen der mit den Schreiben verwendeten
Briefköpfe des Arbeitskreises der Landesverbände einen Erlass durch die unzuständige Behörde geltend gemacht
habe. Ausdrücklich heiße es in beiden Kündigungen, dass die Versorgungsverträge von den Landesverbänden der
Sächsischen Pflegekassen gekündigt werden. Bei der Verwendung des Briefkopfes des Arbeitskreises handele es
sich insofern um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 38 Satz 1 SGB X.
Hinsichtlich des Hilfsantrages handele es sich um eine zulässige Anfechtungsklage. Eines Vorverfahrens habe es
nach § 74 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI nicht bedurft. Die Kündigungen seien auch rechtmäßig.
Die Klägerin habe mehrfach nicht erbrachte Leistungen gegenüber den Kostenträgern abgerechnet. Diese rechtfertige
eine außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege. Gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI
liege eine grobe zur außerordentlichen Kündigung berechtigende, Pflichtverletzung insbesondere bei der Abrechnung
nicht erbrachter Leistungen vor. Hierbei müsse es sich zwar in Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes um
eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschabrechnung handeln. In einem derartigen Fall reiche aber dann auch der
einmalige Verstoß aus.
Dies treffe auf die Abrechnung der Klägerin zu. Sie habe für den verstorbenen Versicherten Z1 ... Leistungen
abgerechnet. Auch für den Versicherten Z2 ... seien Leistungen abgerechnet worden, obwohl er sich für den
abgerechneten Zeitraum im Krankenhaus befunden habe. Bei den Versicherten S5 ... und N1 ... habe die Klägerin
Leistungen der ambulanten Pflege abgerechnet, obwohl diese Versicherten in der Kurzzeitpflegeeinrichtung
aufgenommen worden seien. Damit lägen gröbliche Pflichtverletzungen vor, die eine außerordentliche Kündigung
rechtfertigten.
Gleiches gelte für die Kündigung des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflege. Gerade in den letzten beiden
Fälle bestehe ein Zusammenhang der Falschabrechnungen mit der Kurzzeitpflegeeinrichtung. Ob weitere Mängel zur
Kündigung berechtigt hätten, könne dahintehen.
Gegen das am 20.12.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, den 22.01.2001 eingelegte Berufung der
Klägerin. Nach dem Vergleichsverhandlungen nach Mitteilung des Prozessbevollmächtigten erfolglos geblieben sind,
hat die Klägerin die Berufung unter Heranziehung der Grundsätze des Urteils des SG Chemnitz vom 02.12.1999 (S 15
P 96/98) wie folgt begründet:
Die vom Sozialgericht vorgenommene Charakterisierung der Kündigungen als Verwaltungsakte sei nicht zwingend.
Diese würden auch als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen beurteilt. (Krauskopf, Sozial
Pflegeversicherung, § 74 Rndr. 15) Der jeweils vorgenommenen Qualifizierung entsprechend müssten auch die in den
verschiedenen Rechtsgebieten entwickelten Grundsätze, wie z.B. eine Abmahnung, Anwendung finden.
Auch bei einer Bewertung als Verwaltungsakt würden die Kündigungen nicht den dafür maßgeblichen
Rechtsgrundsätzen entsprechen.
Den Kündigungsschreiben sei nicht zu entnehmen, dass sie von den Landesverbänden der Pflegekassen
ausgesprochen worden seien. Ihre Erklärung hätten sie nur unterschriftlich zum Ausdruck bringen können. Auch
entsprechende Vollmachten der anderen Kassen seien nicht vorgelegt worden.
Das nach § 74 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB XI erforderliche Einvernehmen mit dem zuständigen Träger
der Sozialhilfe sei nicht hergestellt worden. Eine nachträgliche Zustimmung heile den Mangel nicht.
Die durchgeführte Anhörung habe nicht den Anforderungen des § 24 SGB X entsprochen. In dem Anhörungsschreiben
seien nur allgemeine Ausführungen getätigt worden. Ein konkreter Bezug auf Einzelfälle sei nicht vorhanden. Auch
gehe nicht hervor, ob überhaupt eine behördliche Entscheidung getroffen und auf welche beabsichtigte Entscheidung
sich die Anhörung beziehen solle.
Die außerordentlichen Kündigungen seien auch in der Sache nicht rechtmäßig. Außerordentliche Kündigungen dürften
nicht der Bestrafung dienen. Aufgrund des bestehenden Sachverhalts müsse vielmehr eine Zukunftsprognose
getroffen werden. Die im Juni 1998 ausgesprochenen Kündigungen für Verhaltensweisen im Frühjahr 1997 sowie
August 1997 seien aufgrund des Zeitablaufes verwirkt. Vielmehr hätte eine positive Zukunftsprognose gestellt werden
müssen. Die vom Sozialgericht herangezogenen Pflichtverletzungen in Form von Falschabrechnungen seien zudem in
nur geringem Ausmaß und in einem nur kurzen Zeitraum erfolgt. Darüber hinaus sei für die Versicherte S5 ... ein
längerer Abrechnungszeitraum genehmigt worden. Von einem verfestigen Fehlverhalten der Klägerin könne nicht
ausgegangen werden.
Auch hätte es nach Feststellung von Pflichtverletzungen unter Beachtung der Grundsätze der Angemessenheit und
der Verhältnismäßigkeit die Klägerin zunächst aufgefordert werden müssen, das pflichtwidrige Verhalten einzustellen.
Auch ließen die Kündigungen nicht erkennen, dass sich die Beklagten ihres Ermessensspielraumes bewusst gewesen
seien.
Wegen des Inhalts der von der Klägerin vorgelegten Photos zur Einrichtung der Kurzzeitpflege wird verwiesen.
Die Klägerin beantragt festzustellen,
1. dass die außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages für die Kurzzeitpflegeeinrichtung der Klägerin
gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI der Beklagten vom 26.06.1998 unwirksam ist, 2. dass die außerordentliche Kündigung für
die häusliche Krankenpflege der Klägerin gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI der Beklagten vom 26.06.1998 unwirksam ist
und 3. die Beklagten zu verurteilen, die Versorgungsverträge für die Kurzzeitpflegeeinrichtung und die häusliche
Krankenpflege der Klägerin ordnungsgemäß zu erfüllen.
hilfsweise,
den Bescheid vom 26.06.1998 über die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflege sowie
den Bescheid vom 26.06.1998 über die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege
aufzuheben.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Kündigungen von Versorgungsverträgen seien nach der Rechtsprechung des BSG als Verwaltungsakte zu
qualifizieren. Einer Abmahnung habe es daher nicht bedurft. Eine solche sei im übrigen auch wegen der
schwerwiegenden Verstöße der Klägerin entbehrlich gewesen. Die Kündigungen seien von den zuständigen
Verwaltungsträgern ausgesprochen worden. Das erforderliche Einvernehmen mit den Trägern der Sozialhilfe habe
vorgelegen. Der Landeswohlfahrtsverband habe als überörtlicher Sozialhilfeträger mit Schreiben vom 16.06.1998
zugestimmt. Für die Kündigung des Versorgungsvertrages über die ambulante Pflege habe die Landeshauptstadt
Dresden als örtlicher Sozialhilfeträger mit Schreiben vom 17.06.1998 ihr Einverständnis erklärt.
Die durchgeführte Anhörung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Ein ausreichender Bezug zu Einzelfällen liege vor.
Die beabsichtigte Verwaltungsentscheidung sei mit der Darlegung der Pflichtverstöße und der gesetzlichen Norm des
§ 74 SGB XI erkennbar.
Eine gesonderte Ermessensausübung habe es nicht bedurft. Bei § 74 Abs. 2 SGB XI handele es sich um eine Norm
mit intendiertem Ermessen. Für den Regelfall werde von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne,
nämlich der außerordentlichen Kündigung ausgegangen. Außergewöhnliche Umstände, die im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes eine andere Entscheidung ermöglicht hätten, seien nicht zu
erkennen gewesen. Dass die Klägerin durch die Kündigungen von einem Bereich der Versorgung ausgeschlossen
werde und dies Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb habe, liege in der Natur der Kündigungen und werde daher
gerade vom gesetzlichen Regelfall umfasst.
Die Kündigungen seien auch materiell rechtmäßig. Falschabrechnungen berührten entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht lediglich die Vergütungsebene. Gerade die Regelung in § 74 Abs. 2 SGB XI mache deutlich, dass die
Abrechnung nicht erbrachter Leistungen eine gröbliche Pflichtverletzung darstelle.
Die Falschabrechnungen wie auch die hygienischen und pflegerischen Missstände, wie sie erstinstanzlich vorgetragen
worden seien, hätten ein weiteres Festhalten an den Verträgen unzumutbar gemacht. Bei der Beurteilung der
Zumutbarkeit am Festhalten der Verträge seien Art, Gewicht, und Häufigkeit der begangenen Pflichtverletzungen zu
würdigen. Vorliegend seien die verschiedensten Pflichtverletzungen mehrfach erfolgt. Diese hätten auch ein
erhebliches Gefährdungspotential zu Lasten der Versicherten beinhaltet. Darüber belegten gerade die auch nach
Ausspruch der Kündigungen noch falsch eingereichten Rechnungen vom Juni 1998 und November 1998 die
Verfestigung des Verhaltens der Klägerin.
Im Übrigen stehe der zeitliche Zusammenhang zwischen Pflichtverletzungen und Kündigungen einer fristlosen
Kündigung nicht entgegen. Erste Vorwürfe seien erst im letzten Quartal 1997 zur Kenntnis gelangt, auf die auch
entsprechende Ermittlungen eingeleitet worden seien.
Der Senat hat die Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums D ... betreffend die Kurzzeitpflegeeinrichtung sowie
die Akte der Staatsanwaltschaft D ... ( ...) beigezogen.
Die Staatsanwaltschaft D ... hat auf die Strafanzeige der Beklagten zu 1. vom 20.04.1998 die ehemaligen
Beschäftigten der Klägerin zu 1. N ... F1 ... S ... S6 ... und K ... M1 ... sowie die Angestellte der Beklagten zu 1. Frau
E1 ... unter dem 08.06.1998 sowie unter dem 03.07.1998 Dr. W1 ... vernommen.
Die Zeugin F1 ... hat ausgesagt, bei der Klägerin vom 02.09.1996 bis 16.12.1996 beschäftigt gewesen zu sein. Sie sei
gelernte Hauswirtschafterin. Nach zwei Wochen Arbeit in der Einrichtung, habe ihr die Mutter der Klägerin das
Blutdruckmessen, das Verabreichen von ärztlich verschriebenen Medikamenten gezeigt. Am 06.09.1996 habe ihr die
Klägerin gesagt, dass sie nun auch im Außendienst (= ambulante Pflege) spritzen müsste. Sie habe bei dem
Patienten Z1 ... im Heim in der K ...straße Faxiporin in die Bauchdecke gespritzt. Sie habe die Klägerin aufgefordert,
ihr eine Spritzenerlaubnis zu besorgen. Die Klägerin habe ihr gesagt, eine solche werde für Insulin nicht benötigt. Dr.
U1 ... habe für die Schwester C ... S3 ... eine Spritzenerlaubnis ausgestellt. Dies für sie aber abgelehnt, weil sie sie
nicht kennen würde. Sie habe nachher nur noch Insulin gespritzt. Im September 1996 habe sie aber entgegen ihrer
ursprünglichen Absicht doch bei dem Patienten H3 ... im Außendienst Faxiporin gespritzt. Nach ihrer zweiten
Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin ihr gekündigt. Beim Abholen bzw. Abgeben der Patientenschlüssel in der K
...straße sei ihr von den Beschäftigten M1 ... und S6 ... erzählt worden, dass Frau M1 ... auf Drängen der Klägerin an
der verstorbenen Patientin V1 ... zum Üben eine Kochsalzlösung gespritzt habe. Auch dem Patienten G1 ... sei von
der Schwester C ...S3 ... zur Übung eine Kochsalzlösung gespritzt worden.
Die Zeugin S6 ... hat bekundet, den Beruf der Krankenschwester zwei Jahre erlernt zu haben, allerdings ohne
Abschluss. Sie habe praktisch alle Tätigkeiten verrichtet, auch intramuskuläre und subkutane Spriten gesetzt. Vor
dem Spritzen von Faxiporin in die Bauchdecke habe sie Angst gehabt, weil mehr verletzt werden könne. Letztlich
habe sie dies immer dem Spätdienst überlassen. Lediglich Schwester C ...S3 ... habe eine Spritzenerlaubnis gehabt.
Während ihrer Tätigkeit habe es einen "unnatürlichen Tod" gegeben. Sie habe bei der Patientin L1 ... den Blutzucker
um 6.30 mit 3,0 festgestellt gehabt. Nach dem Telefonat mit Dr. W1 ... sollte sie der Versicherten Tee mit
Traubenzucker geben, was sie getan habe. Bei der nächsten Messung gegen 10.00 Uhr habe sie die Patientin L1 ...
tot vorgefunden. Dr. W1 ... sei sofort gekommen und habe nach einer Untersuchung einen unnatürlichen Tod
angegeben. Zu der von Dr. W1 ... beabsichtigten Obduktion sei es nicht gekommen. Die am Nachmittag eintreffende
Kriminalpolizei habe viele Fragen gestellt. Mehr wisse sie hierzu nicht. Die Beschäftigte M1 ... habe an der
verstorbenen Patientin V1 ... das Spritzensetzen üben müssen. Diese habe eine Kochsalzlösung bekommen, die sie
intravenös spritzen sollte. Unter Weinen und dem Eindruck einer sonst drohenden Kündigung habe Frau M1 ... die
Spritze gesetzt. Auch habe die Klägerin, nachdem sich eine Patientin über Schwester S3 ... beschwert habe,
angeordnet, dass an Herrn G1 ... das Spritzen mit einer Kochsalzlösung geübt werden solle. Dies habe die Schwester
S3 ... getan.
Die Zeugin M1 ... hat angegeben, als examinierte Krankenschwester im betreuten Wohnen in F ... und in der K
...straße vom 18.05.1997 bis 17.07.1997 beschäftigt gewesen zu sein. Als examinierte Altenpflegerin sei sie befugt,
wenn der Arzt eine Genehmigung erteilt habe, intramuskulär und subkutan und Insulin zu spritzen. Der Vorfall, bei
dem sie unter Anwesenheit anderer Mitarbeiter bei der "noch warmen" verstorbenen V ... das Spritzensetzen habe
demonstrieren müssen, mache ihr noch heute zu schaffen. Unter Weinen sei sie der Aufforderung der Klägerin
nachgekommen. Auch habe sie 14 Tage lang bei einem Patienten ein morphiumhaltiges Mittel gespritzt, wobei sie
stets ein schlechtes Gewissen gehabt habe. Aufgrund eines Vorfalls am 17.07.1997 mit dem Patienten E2 ... sei sie
gekündigt worden. Er habe sich einen Katheter herausgerissen, worauf sie sofort einen Arzt gerufen habe. Sie sei
hoffnungslos überfordert gewesen.
Dr. W1 ... hat angegeben, in ihrer Funktion als Ärztin in der Einrichtung tätig gewesen zu sein. Bei der Neuaufnahme
eines Patienten sei sie in der Regel gerufen worden. Die Klägerin habe einmal in ihrer Praxis Blut abgenommen. Das
habe sie tadellos gemacht. Auf Befragen zur Schädlichkeit von gespritzten Kochsalzlösungen hat sie angegeben, bei
Verwendung von sterilen Ampullen und einer physiologischen Lösung, sei keine Schädlichkeit gegeben. Bei einer
großen Menge könnten lokale Rötungen oder Schwellungen auftreten. Normales Wasser dürfe nicht gespritzt werden.
Auch "Luft spritzen" sei gefährlich. Luft in der Vene führe zu einer Lungenembolie. Werde Luft bei subkutanen
Spritzen injiziert, könnten Entzündungen auftreten. Zum Vorfall mit der Patientin S7 ... könne sie nur berichten, sie
am 30.10.1997 untersucht zu haben. Sie sei am 20.12.1997 mit dem Notarzt in das Krankenhaus eingeliefert worden.
Beim Betten oder sonstwie sei bei Schwester I1 ... der Nierenkatheter herausgegangen. Die Schwester habe dann
wohl versucht, den unsterilen Katheter wieder an seine alte Stelle zu stecken. Sie hätte wissen müssen, dass sie
schon den Versuch, den Katheter wieder an seine alte Stelle zu setzen, nicht hätte unternehmen dürfen. Die Patientin
sei später verstorben. Weitere derartige Vorkommnisse seien ihr nicht bekannt.
Wegen der weiteren Angaben der Zeugen wird auf die staatsanwaltschaftlichen Protokolle verwiesen.
Mit Verfügung vom 06.07.1998 hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
fahrlässigen Tötung u.a. gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt. Nach den angestellten Ermittlungen
seien weder eine fahrlässige Tötung noch andere Straftaten nachzuweisen. Soweit die Beschäftigen übereinstimmend
bekundet hätten, gegen ihren Willen subkutane Spritzen setzen zu müssen, liege eine Nötigung im Sinne von § 240
StGB nicht vor. Sanktionen für den Fall der Weigerung habe die Klägerin nicht ausgesprochen.
Das Setzen von Spritzen mit Kochsalzlösungen habe straflos zu bleiben. Das Spritzensetzen an einer toten Person,
zu der die Klägerin als Anstifterin in Betracht komme, werde nicht vom Straftatbestand der Störung der Totenruhe
nach § 168 StGB erfasst. Für einem mögliche Körperverletzung zum Nachteil des Herrn G1 ... fehle es an dem
erforderlichen Strafantrag. Zudem sei nach Aussage von Dr. W1 ... das Spritzen einer physiologischen
Kochsalzlösung ohne jede Nebenwirkung.
Auch eine fahrlässige Tötung zum Nachteil der Frau L ... S7 ... könne nicht festgestellt werden. Aus der Aussage von
Dr. W1 ... ergäben sich für ein Fehlverhalten der Klägerin keine Anhaltspunkte. Soweit von den Zeuginnen,
insbesondere wegen der frei herumlaufenden Hunde, mangelnde hygienische Zustände beschrieben worden seien,
ergebe sich hieraus kein strafrechtlich relevantes Verhalten. Insoweit obliege es der Anzeigenerstatterin, die
erforderlichen Schritte einzuleiten.
Auf das Schreiben der Klägerin vom 31.08.1998 über die noch in der Einrichtung befindlichen Versicherten, die von ihr
weiterhin versorgt würden, wurde von den Beklagten eine Verlegung in andere Einrichtungen am 22.09.1998
abgeschlossen.
Nachdem im Rahmen einer unangemeldenten Kontrolle der Hauses in der K ...straße in D ... am 26.11.1998 die
Aufgabe der Kurzeitpflegeeinrichtung festgestellt wurde (keine Bewohner, keine Gardinen, beräumte Zimmer), hat das
Regierungspräsidium D ... unter dem 13.04.1999 gegen die Klägerin wegen Verletzung mehrerer Anzeigenpflichten
(u.a. in Bezug auf die nicht erfolgten Mitteilungen über die Kündigung des Versorgungsvertrages wie auch der
Einstellung des Heimbetriebes) ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 4.000 DM festgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen
sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, des Regierungspräsidiums D ... sowie der
Staatsanwaltschaft D ..., deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die von den Beklagten ausgesprochenen
außerordentlichen Kündigungen über die Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung und die ambulante
Pflege sind wegen eines Anhörungsmangels rechtwidrig.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen
gerichteten Hauptanträge nicht als zulässig zu bewerten. Vielmehr stellt allein die mit dem Hilfsantrag erhobene
Anfechtungsklage die richtige Klageart dar. Die Kündigungen über die Versorgungsverträge stellen Verwaltungsakte
dar. Insoweit ist auch die vom Sozialgericht erwogene Auslegung der Hauptanträge als Nichtigkeitsfeststellungklagen
im Sinne vom § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG nicht zulässig. Dem steht die Subsidarität dieser Klageart entgegen. Zwar
spricht § 55 SGG anders als § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht ausdrücklich aus, dass eine Feststellung
nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann.
Dieser Grundsatz gilt indes auch für das sozialgerichtliche Verfahren (allgemeine Meinung, vgl. Meyer-Ladewig, SGG,
7. Aufl., § 55 Rdnr. 19 m.w.Nachw.). Überdies besteht für die Auslegung der Anträge zu 1. und 2. als
Nichtigkeitsfeststellungsklagen im Sinne von § 55 SGG schon deshalb kein Raum, weil die Klägerin diese Anträge
gerade mit Blick auf den von ihr verneinten Verwaltungsaktcharakter der Kündigungen gestellt hat. Die dem
Verwaltungsaktcharakter der Kündigungen Rechnung tragende Hilfsantrag der Klägerin ist demnach allein zulässig. Er
erweist sich als begründet.
Die Kündigungen der Beklagten über die Versorgungsverträge stellen nach der gefestigten Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts Verwaltungsakte dar. Pflegeeinrichtungen werden gemäß § 72 Abs. 4 SGB XI durch den
Abschluss des Versorgungsvertrages mit den Landesverbänden der Pflegekassen für die Dauer des Vertrages zur
pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen. Gleichzeitig wird die Pflegeeinrichtung durch die Zulassung
zur pflegerischen Versorgung der Versicherten der sozialen Pflegeversicherung verpflichtet. Für die einzelnen
Pflegekassen entsteht durch die Zulassung eine Vergütungspflicht (§ 72 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB XI). Die
statusbegründende Funktion des Versorgungsvertrages liegt in seiner Verbindlichkeit für die Vertragsbeteiligten (§ 72
Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Die Regelungen entsprechen denjenigen über die Zulassung von Krankenhäusern oder
Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nach §§ 109 Abs. 4, 111 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).
Hierzu hat das BSG die Ablehnung der Versicherungsträger, ein Krankenhaus durch Versorgungsvertrag zuzulassen
wie auch die Kündigung eines Versorgungsvertrages wegen der hierin enthaltenen Aufhebung der Zulassung als
Verwaltungsakt angesehen (BSGE 78, 233, 235 = SozR 3-2500 § 109 Nr. 1); ebenso hat das BSG die Ablehnung, mit
einem Heimträger einen Versorgungsvertrag abzuschließen, als Verwaltungsakt gewertet (BSG, Urteil vom
06.08.1998, B 3 P 5/97 R). Insbesondere in seiner Entscheidung vom 29.05.1996 (BSGE a.a.O) hat das
Bundessozialgericht den Rechtscharakter von Kündigungen über Versorgungsverträge nach dem SGB V unter
Heranziehung der im SGB XI getroffenen Regelungen begründet. Es hat ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei den
Regelungen zum Versorgungsvertrag bei stationären Pflegeeinrichtungen deutlich zu erkennen gegeben habe, dass er
die Ablehnung eines Versorgungsvertrages als Verwaltungsakt ansehe. Die Regelungen in § 73 Abs. 2 Satz 2 SGB XI
zur Klage gegen die Ablehnung eines Versorgungsvertrages, wonach ein Vorverfahren nicht stattfinde und der Klage
keine aufschiebende Wirkung zukomme, hätte es ansonsten nicht bedurft. Auch habe der Gesetzgeber mit den
Regelungen im SGB XI gezeigt, dass er die Auffassung, die Ablehnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sei
stets nur ein schlicht hoheitliches Handeln und kein Verwaltungsakt nicht gefolgt sei. Mit Blick auf die in § 74 Abs. 3
Satz 2 SGB XI für die Kündigung von Versorgungsverträgen angeordnete entsprechende Geltung von § 73 Abs. 2
Satz 2 SGB XI, aus der sich zugleich die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens ergibt, ist mithin von einem
Verwaltungsaktcharakter der Kündigungen auszugehen.
Die Kündigungen haben sich auch nicht dadurch erledigt, dass die Klägerin die Kurzzeitpflegeeinrichtung und den
ambulanten Pflegedienst spätestes Ende September 1998 eingestellt hat. Bis der zu diesem Zeitpunkt
vorgenommenen Verlegung der Patienten aus der Einrichtung der Klägerin sowie der Übernahme der Versicherten
durch andere ambulante Pflegedienste hat die Klägerin die Versicherten weiterhin versorgt. Für den Fall der
Aufhebung der Kündigungen wären die Beklagten zur Vergütung der Leistungen der Klägerin bis zur
Betriebseinstellung weiterhin verpflichtet. Mithin hat sich durch eine Betriebseinstellung die Kündigungen der
Versorgungsverträge nicht erledigt.
Die Anfechtungsklage ist indes begründet. Die von den Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen
der Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung und des ambulanten Pflegedienstes sind rechtswidrig und
verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Die Entscheidungen über die Kündigungen der Versorgungsverträge unterliegen nicht schon deshalb der Aufhebung,
weil sie von einer unzuständigen Behörde getroffen worden sind. Für die Kündigung von Versorgungsverträgen sind
wie für deren Abschluss die Landesverbände der Pflegekassen zuständig. In Streitigkeiten, denen es um Aufgaben
der Landesverbände der Pflegekassen geht, sind die Landesverbände der Krankenkassen passivlegitimiert. Das SGB
XI erwähnt allerdings die Landesverbände der Pflegekassen und weist ihnen u.a. in §§ 72, 74 SGB XI, zahlreiche
Aufgaben zu. Das SGB XI enthält allerdings keine dem § 207 SGB V entsprechende Vorschrift, die die Einrichtung
der Landesverbänden der Pflegekassen regelt. § 52 SGB XI ordnet lediglich an, dass die Landesverbände der Orts-,
Betriebs- und Innungskrankenkassen, die als Landesverbände tätigen landwirtschaftlichen Krankenkassen sowie die
Verbände der Ersatzkassen die Aufgaben der Landesverbände der Pflegekassen wahrnehmen. Die Ersatzkassen und
ihre Verbände habe für alle auf der Landesebene abzuschließenden Verträge einen Bevollmächtigten zu benennen
(Verweisung auf § 212 Abs. 5 Satz 4 SGB V). Zwar lässt der Wortlaut von § 52 SGB XI nicht ohne weiteres erkennen,
ob der Gesetzgeber von einer Bildung von Landesverbänden der Pflegekassen durch das Gesetz selbst ausgegangen
ist und die Landesverbände der Krankenkassen lediglich aufgrund eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses handeln
oder ob die Regelung ausdrücken soll, dass die Landesverbände der Krankenkassen bei den nach § 52 Abs. 2 SGB
XI zugewiesenen Aufgaben kraft Gesetzes als Landesverbände der Pflegekassen handeln. Aus den
Gesetzesmaterialien ergibt sich indes die Zuständigkeit der Landesverbände der Krankenkassen, in denen es um
Aufgaben der Landesverbände der Pflegekassen geht (BSG, Urteil vom 06.08.1998, B 3 P 8/97 R = SozR 3-3300 § 73
Nr. 1). In der Begründung zum Regierungsentwurf ist davon ausgegangen worden, dass die Pflegekassen keine
eigenen rechtsfähigen Verbände erhalten, sondern sich auf Verbandsebene ganz unter dem Dach der gesetzlichen
Krankenversicherung befinden. Dies spricht, wie das BSG (a.a.O) hervorgehoben hat, dafür, dass auch der
Gesetzgeber § 52 SGB XI so versteht, dass die Landesverbände der Krankenkassen hinsichtlich der im SGB XI den
Landesverbänden der Pflegekassen zugewiesenen Aufgaben lediglich unter einer anderen Bezeichnung, nämlich als
Landesverbände der Pflegekassen, handeln, es sich hierbei aber um identische juristische Personen handelt. Eine
vergleichbare Konstellation besteht im Falle der Existenz nur einer Krankenkassen auf Landesebene, wie es sich hier
für die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 3. verhält (§ 207 Abs. 4 SGB V) bzw. der Vereinigung aller Mitglieder eines
Landesverbandes der Krankenkassen zu einer Krankenkasse. § 207 Abs. 4 SGB V bestimmt für diesen Fall, dass die
einzige Krankenkasse zugleich die Aufgaben eines Landesverbandes wahrnimmt. Satz 2 des § 207 Abs. 4 SGB V
stellt hier zudem ausdrücklich klar, dass die einzige Krankenkasse insoweit die Rechtsstellung eines
Landesverbandes hat. Die Gesetzesmaterialien belegen, dass der Gesetzgeber zur Verwaltungsvereinfachung hier
dieselbe Regelung schaffen und den Landesverbänden der Krankenkassen im Hinblick auf die den Landesverbänden
zugewiesenen Aufgaben die Rechtsstellung von Landesverbänden der Pflegekassen einräumen wollte, weil die
Gründe, die auf lokaler Ebene für die rechtlich selbständige Einrichtung von Pflegekassen gesprochen haben,
insbesondere die getrennte Haushaltsführung, auf Verbandsebene nicht von Bedeutung sind (BSG, Urteil vom
06.08.1998, B 3 P 8/97 R = SozR 3-3300 § 73 Nr. 1).
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Kündigungen der Versorgungsverträge auch von den am
Vertragsschluss beteiligten Landesverbänden ausgesprochen worden. Soweit die Kündigungen mit dem Briefkopf des
Arbeitskreises der Landesverbände der Pflegekassen im Freistaat Sachsen versehen sind, ist dies unschädlich. In
den beiden Schreiben vom 26.06.1998 heißt es im deutlich hervorgehobenen Tenor ausdrücklich, dass der jeweilige
Versorgungsvertrag von den Landesverbänden der sächsischen Pflegekassen" gekündigt wird. Insoweit bestehen für
eine Zurechnung der Kündigungen auf den Arbeitskreis der Landesverbände keine durchgreifenden Anhaltspunkte.
Der Wirksamkeit der Kündigungen steht auch nicht entgegen, dass sie lediglich von einem Vorstandsmitglied der
Beklagten zu 1. (Verhees) unterzeichnet sind, hingegen nicht von den anderen Landesverbänden. Die Beklagte zu 1.
hat die Beklagten zu 2. bis 6. wirksam vertreten. Der Beklagte zu 2. hat der Beklagten zu 1. unter dem 10.06.1998,
der Beklagte zu 3. unter dem 11.06.1998, die Beklagten zu 4. Und 5 unter dem 10.06.1998 sowie die Beklagte zu 6.
unter dem 11.06.1998 schriftliche Vollmachten für die Kündigungen der Versorgungsverträge über die
Kurzzeitpflegeeinrichtung und des ambulanten Pflegedienstes erteilt.
Soweit die Kündigungen nicht unter Beteiligung der Sächsischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse und der
Krankenkasse für den Gartenbau ausgesprochen worden sind, führt dies ebenfalls nicht zu einem Erlass durch eine
unzuständige Behörde. Die Gartenbau- Krankenkasse kann die Aufgaben eines Landesverbandes der Krankenkassen
nur aufgrund einer Vereinbarung mit den in einem Land ansässigen landwirtschaftlichen Krankenkassen wahrnehmen
(BSG, Urteil vom 20.11.1996, 3 RK 7/96). Eine solche Vereinbarung besteht indes für den Bereich des Freistaates
Sachsen nicht. Soweit der Sächsischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse nach § 52 SGB XI i.V.m. § 36 KVLG die
Wahrnehmung der Aufgaben eines Landesverbandes obliegt, steht dies ihrer unterlassenen Beteiligung im Rahmen
der Kündigungen der hier streitigen Versorgungsverträge nicht entgegen. Die Sächsischen Landwirtschaftliche
Krankenkasse war ausweislich der vorgelegten Versorgungsverträge schon bei der Begründung der
Versorgungsverträge nicht beteiligt, so dass ihr auch im Rahmen der Kündigung dieser Verträge keine
Beteiligtenfähigkeit zukommen kann.
Von der Beklagten wurde auch das nach § 74 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB XI erforderliche Einvernehmen
für die Kündigungen hergestellt. Danach haben die Landesverbände der Pflegekassen auch vor einer fristlosen
Kündigung das Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe herzustellen. Zuständiger Träger der
Sozialhilfe ist nach § 72 Abs. 2 Satz 1 SGB XI der überörtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht nach Landesrecht
der örtliche Träger für die jeweilige Pflegeeinrichtung zuständig ist. Nach § 2 Sächsischen Ausführungsgesetz zum
Bundessozialhilfegesetz (SächsAGBSHG) ist im Freistaat Sachsen überörtlicher Träger der Sozialhilfe der
Landeswohlfahrtsverband. Örtliche Träger der Sozialhilfe sind dagegen die kreisfreien Städte und die Landkreise (§ 96
Abs. 1 Satz 1 BSHG). Vorliegend haben sowohl der Landeswohlfahrtsverband Sachsen mit am 22.06.1998
eingegangenem Schreiben und die Landeshauptstadt Dresden mit am 24.06.1998 eingegangenen Schreiben den
ausgesprochenen Kündigungen der Versorgungsverträge ausdrücklich zugestimmt. Dem Einvernehmenserfordernis ist
damit Rechnung getragen. Dies ist in den beiden Kündigungsschreiben entgegen der Auffassung der Klägerin auch
mitgeteilt.
Die Bescheide der Beklagten vom 26.06.1998 sind indes wegen Anhörungsfehler rechtswidrig und verletzten die
Klägerin in ihren Rechten (§ 54 SGG).
Die Beklagten haben entgegen § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Klägerin vor Erlass der Bescheide
vom 26.06.1998 über die außerordentliche Kündigungen der Versorgungsverträge über die Kurzzeitpflegeeinrichtung
und den ambulanten Pflegedienst nicht in dem erforderlichen Maße angehört. Die unterlassene Verfahrenshandlung
konnte auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr mit heilender Wirkung nachgeholt worden. Die von den
Beklagten erlassenen Bescheide vom 26.06.1998 sind schon deshalb aufzuheben (§ 42 Satz 2 SGB X).
Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten sind unter Verletzung rechtlichen Gehörs erlassen worden und
damit rechtswidrig. Dies ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BSG SozR 3-1300 § 24 Nr. 4
m.w.Nachw.)
Nach § 42 Sätze 1 und 2 SGB X kann derjenige, demgegenüber ein Verwaltungsakt erlassen worden ist, der in seine
Rechte eingreift, dessen Aufhebung beanspruchen, sofern die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung unterblieben
und oder nicht wirksam nachgeholt worden ist. Die Beklagten haben durch die Bescheide vom 26.06.1998 in die
Rechte der Klägerin eingegriffen, indem sie die mit ihr abgeschlossenen Versorgungsverträge außerordentlich
gekündigt haben. Mit den Kündigungen wird der Status als zugelassener Leistungserbringer beseitigt. Sie greifen
damit in die durch Versorgungsvertrag begründete Rechtsstellung der Klägerin ein.
Die außerordentlichen Kündigungen sind rechtswidrig, weil sie ohne eine den gesetzlichen Anforderungen des § 24
SGB X entsprechende Anhörung ausgesprochen worden sind. § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet die Behörde, vor Erlass
der angefochtenen Bescheide dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen
Tatsachen zu äußern.
§ 24 SGB X dient sowohl der Wahrung der Rechte und Belange des Betroffenen als auch der Vermeidung von Fehlern
der Verwaltung bei der Tatsachenermittlung. Einerseits soll durch die Vorschrift sichergestellt werden, dass der
Betroffene aktiv auf das Verfahren der Verwaltung und deren Entscheidung Einfluss nehmen kann; der Bürger soll vor
Überraschungsentscheidungen und vor vorschnellen Eingriffen geschützt werden; darüber hinaus soll durch diese
Verfahrensweise das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung gestärkt werden. Andererseits soll die
Verwaltung vor Erlass der Verwaltungsaktes anhand der Stellungnahme des Betroffenen prüfen können, ob diese
Veranlassung gibt, von dem Verwaltungsakt abzusehen oder ihn erst nach weiteren Ermittlungen, in anderer Form
oder zu einem späteren Zeitpunkt zu erlassen.
Eine hierzu rechtserhebliche Äußerung des Betroffenen setzt jedoch voraus, dass ihm die für die Entscheidung
erheblichen Tatsachen in einer Weise unterbreitet werden, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen
sachgerecht äußern kann. Dies erfordert eine hinreichende Information durch die Verwaltung. Was unter einer
rechtserheblichen Tatsache im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X zu verstehen ist, richtet sich nach Art und Inhalt des
Verwaltungsaktes, dessen Erlass beabsichtigt ist sowie nach den Umständen des Einzelfalles und den jeweils
anzuwendenden Vorschriften (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 25.03.1999 B 9 SB 14/97 R, Urteil vom 28.04.1999 B
9 SB 5/98 R, Urteil vom 19.09.2000 B 9 SB 1/00 R).
Im vorliegenden Fall hat eine diesen Maßstäben gerecht werdende Anhörung nicht stattgefunden, weil die Beklagten
der Klägerin schon nicht hinreichend deutlich gemacht haben, welche Maßnahmen beabsichtigt waren. Zwar wurde der
Klägerin das Schreiben vom 05.03.1998 zugeleitet, dass mit "Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X" überschrieben
ist. Auch sind hierin verschiedene, wie es die Beklagten in diesem Schreiben genannt haben, "Defizite" in der
Versorgung beschrieben worden. Aus diesem Schreiben geht indes nicht hervor, welche Verwaltungsmaßnahmen in
Bezug auf welchen Vertragsgegenstand beabsichtigt sind. Dass aufgrund der dargestellten "Mängel" sowohl eine
außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages über die Kurzzeitpflegeeinrichtung als auch des ambulanten
Pflegedienstes erfolgen sollte, ist nicht ausgeführt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Wiedergabe des
Wortlauts der Regelungen in § 74 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XI nicht ausreichend. Zwar kann daraus noch geschlossen
werden, dass unter den im Gesetz näher beschriebenen Voraussetzungen eine Kündigung des Versorgungsvertrages
erfolgen kann. Die Anhörungspflicht bezieht sich indes auf die das Verfahren abschließende Entscheidung. Die
Behörde muss daher, damit die Anhörung als ordnungsgemäß im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X angesehen werden
kann, den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung, Duldung oder
Unterlassung so konkret umschreiben, dass für den Beteiligten hinreichend klar und erkennbar ist, weshalb und wozu
er sich äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung und zu welchem ungefähren Zeitpunkt er in
etwa zu rechnen hat (Bonk, in Stelkens, Bonk, Sachs, VwVfG, § 28 Rdnr. 34). Die Beklagten haben die
Versorgungsverträge unter Heranziehung von § 74 Abs. 2 SGB XI außerordentlich gekündigt. Für eine
ordnungsgemäße Anhörung setzt dies voraus, dass die Sachverhalte zur Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher
Pflichten bezeichnet werden und die Bewertung, welcher der Verstöße als derart gröblich angesehen wird, dass ein
Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Vorliegend bleibt auch bei verständiger Würdigung schon die
beabsichtigte Maßnahme der Beklagten inhaltlich unbestimmt. Ob eine Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI mit
Geltung der Jahresfrist oder von der nach § 74 Abs. 2 SGB XI bestehenden Möglichkeit der außerordentlichen
Kündigung Gebrauch gemacht werden sollte, ggf. für welchen Vertrag, ist nicht zu ersehen. Eine konkrete
Bezeichnung der beabsichtigten Maßnahme in Bezug auf den konkreten (Vertrags-)Gegenstand war vorliegend auch
mit Blick auf die unterschiedlichen Auswirkungen der Rechtsfolgen der Kündigungen nach § 74 Abs. 1 SGB XI oder §
74 Abs. 2 SGB XI unabdingbar. Bei einer Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI bleibt dem Leistungserbringer wegen
der geltenden Jahresfrist die Möglichkeit, seinen Betrieb weiterzuführen und für eine ordnungsgemäße Abwicklung
Sorge zu tragen. Gleichzeitig ist ihm damit auch eine Bewährungszeit eingeräumt, in der er seine Verlässlichkeit als
Vertragspartner unter Beweis stellen kann und gibt ihm bei ordnungsgemäßen Verhalten damit auch die Möglichkeit,
die Voraussetzungen für den Abschluss eines weiteren Versorgungsvertrages zu schaffen. Die Auswirkungen einer
Kündigung nach § 74 Abs. 2 SGB XI sind demgegenüber wegen daraus folgenden sofortigen Beendigung des
Versorgungsvertrages erheblich schwerwiegender, zumal wegen der Regelung in § 74 Abs. 3 i.V.m. § 73 Abs. 2 SGB
XI der Klage, als anders als bei Zulassungsentziehungen im Vertragsarztsachen (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 und 4 SGG a.F.),
keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die mit einer außerordentlichen Kündigung verbundenen Auswirkungen der
Zulassungsentziehung als Eingriff in die gemäß Art. 12 Grundgesetz (GG) geschützte Freiheit der Berufsausübung
sind wegen deren unmittelbar eintretenden Wirkung damit gegenüber einen Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI in
ihrem Umfang wesentlich verschieden. Auch ist eine gewerbliche Pflegeeinrichtung ohne die Zulassung nach § 72
SGB XI zur Versorgung der Versicherten auf Dauer, wie auch der vorliegende Sachverhalt belegt, kaum lebensfähig,
weil etwa 90 v.H. der Bevölkerung sozialversichert und damit auch sozial pflegeversichert sind. Wenn, wie im
vorliegenden Fall, mehrere behördlichen Entscheidungen möglich sind, die in ihren unmittelbaren Auswirkungen
verschiedenen sind, ist es unabdingbar, im Rahmen einer Anhörung darauf hinzuweisen, welche konkrete Maßnahme
hinsichtlich welchen Gegenstandes beabsichtigt ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, so dass die
Bescheide vom 26.06.1998 wegen Verletzung des Anhörungsgebotes als rechtswidrig zu erachten sind.
Eine ordnungsgemäße Anhörung in Bezug auf die außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages über die
ambulante Pflege steht darüber hinaus entgegen, dass die von der Beklagten in der Kündigung vom 26.06.1998 als
maßgeblich erachteten Gründe selbst im Anhörungsschreiben vom 05.03.1998 nicht benannt wurden. Die Beklagten
haben die Kündigung insoweit ausschließlich auf Abrechnungsverstöße gestützt, weil die Klägerin Leistungen
abgerechnet habe, obwohl der Versicherte bereits verstorben war oder sich im Krankenhaus aufgehalten habe und
ambulante Pflegeleistungen während der Unterbringung in der Kurzzeitpflegeeinrichtung abgerechnet worden seien.
Diese Sachverhalte sind aber im "Anhörungsschreiben" vom 05.03.1998 schon nicht mitgeteilt.
Auch eine Umdeutung der auf § 74 Abs. 2 SGB XI gestützten Kündigungen in ordentliche" Kündigungen im Sinne von
§ 74 Abs. 1 SGB XI kommt nicht in Betracht (vgl. hierzu auch SG Chemnitz, Urteil vom 02.12.1999, S 15 P 96/98),
weil auch zur Umdeutungsabsicht der Behörde eine Anhörung zu erfolgen hat. Insoweit bestimmt § 43 Abs. 4 SGB X
ausdrücklich die entsprechende Anwendung von § 24 SGB X. Insoweit haben die Beklagten eine fristgebundene
Kündigung schon nicht geltend gemacht. Soweit man mit der herrschenden Meinung auch eine Umdeutung im Wege
eines richterlichen Erkenntnisaktes als zulässig erachtet (Steinwedel in KassKomm, SGB XI, § 43 Rdnr. 8), scheidet
eine Umdeutung gleichwohl aus. Die Umdeutung wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen
Verwaltungsaktes zurück und muss ebenso den erforderlichen Form- und Verfahrenerfordernissen genügen. Wegen
der zu etwaigen Rechtsfolgen bestehenden inhaltlichen Unbestimmtheit des Schreibens vom 05.03.1998 liegt
demgemäß auch die zu einer Kündigung nach § 74 Abs. 1 SGB XI erforderliche Anhörung nicht vor.
Wegen des Verfahrensfehlers der erforderlichen, aber unterbliebenen Anhörung kommt auch eine Aussetzung des
Rechtsstreits zur Nachholung im Gerichtsverfahren nicht in Betracht.
§ 114 Abs. 2 Satz 2 SGG, der durch Art. 21 des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie
zur Änderung anderer Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (4. Euro- Einführungsgesetz, BGBl. I S. 1983) eingefügt
und am 01.01.2001 in Kraft getreten ist, kann keine Anwendung finden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf
Antrag das Verfahren zur Heilung u.a. von Verfahrensfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der
Verfahrenskonzentration sachdienlich ist. Auch ist durch Art. 10 Nr. 5 des 4. Euro-Einführungsgesetzes § 41 Abs. 2
SGB X geändert und mit Wirkung ab 01.01.2001 geregelt worden, dass die Nachholung der Handlungen nach § 41
Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 (die Anhörung betrifft Nr. 3) nicht mehr wie bisher nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens, oder
falls ein Vorverfahren nicht stattgefunden hat bis zur Erhebung der Klage möglich ist, sondern auch noch im
anschließenden Gerichtsverfahren bis hin zur letzten Tatsacheninstanz. Gleichwohl kommt eine Aussetzung des
Verfahrens hier nicht in Betracht.
Unter Berücksichtigung des intertemporalen Verfahrensrechts kann § 41 Abs. 2 SGB X n.F. vorliegend keine
Anwendung finden, obwohl von einer Änderung des Prozessrechts grundsätzlich alle im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens
anhängigen Verfahren erfasst werden, sofern Übergangsvorschriften nicht etwas anderes vorschreiben. Auch ist das
Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen im allgemeinen weniger geschützt als das Vertrauen
in die Aufrechterhaltung materiell-rechtlicher Rechtspositionen. Enthält das Verfahrensrecht jedoch nicht nur bloße
ordnungsrechtliche technische Prozessführungsregeln, sondern wirkt es sich auf eine bislang gegebene
verfahrensrechtliche Lage ein, in der sich ein Prozessbeteiligter befindet, so sind die Grundsätze der Rechtssicherheit
und des Vertrauensschutzes Prüfungsmaßstab. In diesem Fall haben Änderungen von Verfahrensvorschriften, keine
rückbezügliche Wirkung", wenn sie eine Partei belasten. Um eine derartige Änderung einer verfahrensrechtlichen
Rechtsposition würde es sich handeln, wenn die Regelung in § 41 Abs. 2 SGB X n.F. in Verbindung mit § 114 Abs. 2
Satz 2 SGG n.F. hier zur Anwendung kommen könnte. Denn dann würde - abstrakt rückwirkend in die Rechtsposition
desjenigen eingegriffen, der wegen des Verfahrensfehlers nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht mit
Abschluss des Verwaltungsverfahrens im Gerichtsverfahren bereits wegen des Verfahrensfehlers einen Anspruch auf
Aufhebung dieses Verwaltungsaktes gehabt hätte. Denn die verwaltungsverfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von
Verwaltungsakten beurteilt sich im Gerichtsverfahren zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, also
nach der Rechtslage, wie sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 26.06.1998 bestanden hat. Zu diesem
Zeitpunkt war eine Heilung von Verfahrens- und Formfehlern nur bis zur Klageerhebung möglich (§ 41 Abs. 2 SGB X
aF). Infolgedessen stellt der im Verwaltungsverfahren unterlaufene Fehler jedenfalls bis zum 31.12.2000 einen
Aufhebungsgrund dar. Diese die Klägerin begünstigende Rechtsposition würde verlorengehen, wenn der
Aufhebungsgrund abgeschnitten würde (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 12.06.2001 B 4 RA 37/00 R, Urteil vom
24.07.2001 B 4 RA 27/01 R).
Bei alledem hatte die Berufung Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGGÄndG am
02.01.2002 geltenden Fassung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). -