Urteil des LSG Sachsen vom 27.09.2001

LSG Fss: verteilung der beweislast, unterbrechung, versicherungsträger, versicherungsschutz, unfallversicherung, arbeitsunfall, post, verwertung, brief, blutalkoholkonzentration

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.09.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 7 KN 190/98 U
Sächsisches Landessozialgericht L 6 KN 36/00 U
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. Juli 2000 sowie der Bescheid der
Beklagten vom 09.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1998 aufgehoben und die
Beklagte verpflichtet, an die Klägerin wegen des Arbeitsunfalls vom 19.06.1996 Hinterbliebenenleistungen zu
erbringen. II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu
erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin ist die Witwe des am ... geborenen und am ... gestorbenen H ...-J ... M ... (M.). Dieser war als
Betriebsschlosser und Schweißer bei der B ... S ... GmbH beschäftigt. Am 19.06.1996 begann er um 13.30 Uhr seine
Arbeit mit seiner Schweißerkolonne im Rahmen von Abrissarbeiten in einem Betriebsgebäude des Kraftwerkes L ...
Es handelte sich dabei um eine Brikettfabrik. Seine Aufgabe bestand darin, im Rahmen der Entkernung des Objekts
eisenhaltige Gegenstände mit dem Schweißbrenner zu lösen, um diese zum Zwecke der Verwertung vor dem Abriss
des Gebäudes zu bergen. Vom Arbeitsplan her war vorgesehen, an diesem Tag nur die "Siebtische" in der Siebetage
"abzubrennen", also mit dem Schneidbrenner zu lösen. Da die Arbeitskolonne aber gut in der Zeit lag, hatte sich der
Kläger vorgenommen, auch noch einen an der Decke befindlichen schweren Kranträger, an dem über eine Laufkatze
ein Handkran mit einem so genannten Luxemburger bewegt werden konnte, herauszutrennen. Dies erfolgte
zweckmäßigerweise vor dem Abbrennen der Siebtische, da sich der Laufkatzträger in der ca. 3,20 m hohen Siebetage
unmittelbar unter der Decke befand und leicht zu erreichen war, wenn man auf die ca. 1,40 m hohen Siebtische stieg.
Die "Standfläche" dieser Siebtische war an den Seiten leicht geneigt. Nachdem es dem Kläger gelungen war, den
Laufkatzträger mit dem Schneidbrenner zu zertrennen, übergab er den Brennschneider an den Arbeitskollegen M ...
Dabei trat er einen Schritt nach vorn und rutschte auf den Schweißperlen aus. Er stürzte von dem 1,40 m hohen Tisch
herunter und fiel durch einen Deckendurchbruch hinab in das darunter befindliche 4,00 m hohe Stockwerk
(Hammermühlenetage), wo er auf dem Boden aufschlug. Nach notärztlicher Versorgung wurde er in das Klinikum H ...
eingeliefert, wo er um 20.04 Uhr noch am selben Tag an den Folgen seiner multiplen Verletzungen (Schädelbruch mit
Hirnprellungen, instabiler Thorax rechts - mehrfacher Bruch der rechten 1. bis 11. und linken 1. bis 8. Rippen - mit
massiver Blutung in das Körperinnere, Trümmerfraktur des Beckens, Leberruptur) verstarb. Nach der Venenblutprobe
vom 21.06.1996 bestand zum Zeitpunkt des Todes ein Ethanolgehalt von 1,18 Promille; nach einer weiteren Blutprobe
des Klinikums H ... wurde vor Eintritt des Todes eine mittlere Alkoholeinwirkung von 1,37 Promille festgestellt.
Nachdem die Beklagte zunächst einen Arbeitsunfall bejaht und mit Bescheid vom 17.10.1996 einen Vorschuss auf die
Witwenrente - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - bewilligt hatte, revidierte sie ihre Auffassung aus dem Grunde,
weil Arbeitskollegen des M., die zunächst die Demontage der Kranbahn als zum Arbeitsplan gehörig bezeichnet
hatten, vor der Staatsanwaltschaft diese Aussage widerrufen und angegeben hatten, in erster Linie habe M. den
Träger für einen privaten Garagenbau nutzen wollen; es habe die Möglichkeit bestanden, von der Firma Schrottteile
käuflich zu erwerben.
Mit Bescheid vom 09.01.1998 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Hinterbliebenenleistungen ab: Das Ereignis vom
19.06.1996 sei kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung, da M. zum Unfallzeitpunkt mit
Arbeiten für persönliche Zwecke beschäftigt gewesen sei. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid
vom 24.03.1998 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Chemnitz Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen
M ..., D ..., W ... und H ... Diese gaben an, am Unfalltag habe lediglich die Anweisung bestanden, die Siebtische
abzubrennen, wie an den Vortagen.
Das Sozialgericht hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 12.07.2000 abgewiesen: Der Vollbeweis, dass sich der Unfall
bei einer versicherten Tätigkeit ereignet habe, sei der Klägerin nicht gelungen. Es stehe auch nach der
Zeugenvernehmung nicht zur Überzeugung der Kammer sicher fest, dass M. zum Unfallzeitpunkt eine Tätigkeit
ausgeübt habe, die in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Schweißer und Kolonnenführer
gestanden habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin; sie weist darauf hin, dass sich die Zeugen mehrfach widersprochen
hätten. In der Gesamtschau spreche alles dafür, dass die unmittelbar nach dem Unfall getätigten Aussagen, wonach
das Abbrennen des Kranträgers sehr wohl auf dem Arbeitsplan gestanden habe, die zutreffenden seien, und die
Zeugen hinterher gelogen hätten, um disziplinarrechtliche oder eventuell sogar strafrechtliche Folgen für sie zu
verhindern.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12.07.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.01.1998 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
wegen des Arbeitsunfalls vom 19.06.1996 Hinterbliebenenleistungen zu erbringen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12.07.2000 zurückzuweisen.
Dem Senat haben neben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten und die
Ermittlungsakte des Bergamts Hoyerswerda vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch begründet. Der Tod ihres Ehemannes ist Folge eines Arbeitsunfalles.
Nach der im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Vorschrift des § 548 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung
(RVO - vgl. §§ 212 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter
bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet. M. stand gemäß § 539 Abs. 1
Ziff. 1 RVO in einem Arbeitsverhältnis und war somit durch die gesetzliche Unfallversicherung unfallversichert. Dies
war im vorliegenden Verfahren auch nicht streitig, streitig war vielmehr, ob er den Unfall "bei" einer versicherten
Tätigkeit erlitten hat. Dies ist nicht mehr durch bloße Subsumtion zu entscheiden, sondern verlangt eine Wertung, ob
das Handeln der betreffenden Person zur versicherten Tätigkeit gehört (vgl. Sprang BG 89, 144). Es ist also eine
wesentliche sachliche Verbindung der Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit erforderlich (BSGE 58, 77). Bereits
auf der ersten Ebene ist also zu entscheiden, ob eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten
Tätigkeit besteht (der so genannte innere Zusammenhang), nicht etwa genügt auf der ersten Ebene ein zeitlicher und
örtlicher Zusammenhang; der Gedanke des Betriebsbannes ist der allgemeinen gesetzlichen Unfallversicherung fremd
(vgl. BSG, Urt. v. 15.12.1982 - 2 RU 29/81 - USK 82228; Urt. v. 25.05.1961 = BSGE 14, 197). Bereits auf dieser
Ebene kommt der finalen Handlungstendenz - die allerdings aufgrund objektiver Kriterien ermittelt werden muss - eine
zentrale Bedeutung zu (vgl. Hessisches LSG, Urt. v. 10.11.1999 HVBG Info 2000, 1185, 1187; KassKomm Ricke vor
§§ 548 bis 522 Rn. 4).
Das Verhältnis von Tätigkeit "im Rahmen" eines versicherten Arbeitsverhältnisses zu der einen Versicherungsschutz
ausschließenden längeren Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch rein eigennützige Unternehmungen
entspricht also nicht dem Verhältnis von Anspruchsnorm zu Gegennorm mit der Folge, dass der Versicherte lediglich
die objektive Beweislast für das Arbeitsverhältnis hätte und der Versicherungsträger nachweisen müsste, dass zum
Zeitpunkt des Unfalls aufgrund einer entgegenstehenden Handlungstendenz des Versicherten Versicherungsschutz
nicht bestand. Beim Unfallversicherungsträger liegt nach herrschender Meinung die Beweislast nur hinsichtlich
strafbarer Handlungen des Versicherten nach § 554 RVO und des Vorsatzes von Angehörigen nach § 553 Satz 2
RVO (vgl. KassKomm vor §§ 548 bis 552 RVO Rn. 13). Diese Auffassung war in der Vergangenheit nicht
unumstritten. So fand eine Entscheidung des 5a-Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.08.1987 (Az.: 5a
RKnU 1/86 = BSGE 62, 100) Widerspruch in der Literatur (Ricke, BG 88, 799; Bonvie, BG 88, 459). In der genannten
Entscheidung hatte das BSG angenommen, dass der Versicherungsträger dafür die objektive Beweislast habe, dass
eine Unterbrechung des geschützten Arbeitsweges mehr als zwei Stunden gedauert habe. Dieser Auffassung ist auch
Schulin (Unfallversicherungsrecht § 32 Nr. 10) entgegengetreten mit der Begründung, der Umstand der kürzeren als
zweistündigen Unterbrechung sei eine "anspruchsbegründende Tatsache". Im Ergebnis dürfte dem zuzustimmen sein,
denn nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses (vgl. KassKomm Ricke vor §§ 548 bis 522 RVO Rn. 9) ist zu
trennen zwischen anspruchsbegründender Norm (Beweislast des Anspruchstellers), rechtvernichtender Einrede -
Gegennorm - (Beweislast des Anspruchsgegners) und Gegennorm zur Gegennorm, also so genannter rechterhaltender
Einrede (Beweislast wiederum des Anspruchstellers). Nach dieser Systematik obläge für die Behauptung, der
Versicherte habe den Weg zur Arbeit unterbrochen, die objektive Beweislast dem Versicherungsträger; der
Versicherte hätte allerdings zu beweisen, dass diese Unterbrechung weniger als zwei Stunden gedauert hat. Dieser
Systematik folgend hat das LSG Neubrandenburg die Beweislast für die Unterbrechung des Arbeitsweges kurzerhand
dem Versicherungsträger aufgebürdet (vgl. Breith. 2000, 51 bis 63). Man könnte nun daran denken, diese Auffassung
auch für den Fall der Unterbrechung der eigentlichen versicherten Tätigkeit durch betriebsfremde Arbeiten während der
vertraglichen Arbeitszeit anzuwenden. Geht es dabei lediglich um den subjektiven Tatbestand des Versicherten, so
liegt dieser Gedanke nahe, da der Nachweis des Nichtvorliegens einer bestimmten subjektiven Handlungstendenz,
zumal wenn - wie im vorliegenden Fall - der einzige, der hierüber Aussagen machen könnte, verstorben ist, als Beweis
einer negativen Tatsache durch die Hinterbliebenen kaum zu erbringen sein dürfte (vgl. hierzu: Schulin a.a.O. § 8 Nr.
41, Nr. 44). Um subjektive Tatbestände geht es auch bei der Selbsttötungsabsicht; auch hier wird die Ansicht
vertreten, dass die Beweislast für die Selbstmordabsicht beim Versicherungsträger liegen müsse (vgl. Bonvie BG 88,
459, 464), schließlich dürfe die Grundregel, dass durch absichtliches Handeln schon begrifflich ein Arbeitsunfall
ausgeschlossen sei (vgl. § 553 Satz 1 RVO) nicht dazu führen, dass bereits bei merkwürdigen und
unwahrscheinlichen Unfallverläufen den Angehörigen Hinterbliebenenleistungen versagt werden müssten, wenn sie
das Handeln ohne Selbstmordabsicht nicht nachweisen könnten.
Die Rechtsprechung des BSG (BSGE 30, 278; 58, 76) geht auch in diesen Fällen von einer einstufigen Prüfung aus;
es wird also nicht nach dem Prinzip "Norm und Gegennorm" abgewogen, sondern einheitlich festgestellt, ob ein
innerer Zusammenhang vorliegt und diese Frage verneint, wenn - so wörtlich - "besondere Umstände eine
Selbstschädigung ebenso nahe legen (BSGE 58, 76, 79).
Im Zivilprozess gilt der Grundsatz, dass die Beweislastverteilung generalisierenden Risikozuweisungen folgt. Sie darf
daher nicht vom richterlichen Ermessen oder im Einzelfall gegebenen Wahrscheinlichkeiten abhängig gemacht werden
(MK - Pütting § 386 Rnrn. 88, 103, 116), die Verteilung der Beweislast bedarf vielmehr normativer Regelung, die auch
durch Einzelfall bezogene Billigkeitserwägungen nicht überspielt werden darf (vgl. Zöller-Greger vor § 384 Rn. 17 BGH
VersR 97, 878).
Bei einer Entscheidung für eine einheitliche Anspruchsprüfung, wie sie vom BSG vorgenommen wurde, und wie der
Senat sie teilt, darf daher der Gedanke der generalisierenden Risikozuweisung nicht übergangen werden. Bei einer
einheitlichen Anspruchsprüfung ist also sehr sorgfältig nachzuvollziehen, welchen Regeln die richterliche
Überzeugungsbildung folgt und durch welche Einwände sie hinlänglich erschüttert werden kann. Mit an Gewissheit
grenzender Wahrscheinlichkeit steht ein Sachverhalt auch dann fest, wenn die theoretisch möglichen Einwände als
spekulativ bezeichnet werden müssen. Spekulativ wäre im vorliegenden Fall die Auffassung, M. habe den
Laufkatzenträger mit einer ausschließlich eigennützigen finalen Handlungstendenz bearbeitet.
Der Fall hat die Besonderheit, dass von Unfallversicherungsträger, Staatsanwaltschaft und Bergamt Hoyerswerda die
Umstände des Unfalles sehr penibel und durch die mehrfache Befragung aller zur Verfügung stehenden Zeugen bis
ins Einzelne aufgeklärt wurden. Auch das Sozialgericht hat noch einmal die Zeugen vernommen. Vor diesem
Hintergrund überrascht daher die erstinstanzliche non liquet-Entscheidung. Beweislastregeln sind erst nach
erschöpfender, aber ergebnisloser Beweiserhebung und -würdigung anzuwenden (BSGE 30, 121, 123). Die näheren
Umstände des Unfalles sind nun allerdings in tatsächlicher Hinsicht in allen Einzelheiten aufgeklärt: M. war mit den
ausgeführten Brennarbeiten fertig und übergab den Brennschneider dem Arbeitskollegen M ... Danach trat er einen
Schritt nach vorn und rutschte dabei auf den Schweißperlen (an anderer Stelle ist von Schlacke die Rede, ohne dass
damit etwas anderes gemeint wäre) aus. Die Frage, die sich nun stellt, ob nämlich das Übergeben des
Schweißbrenners eine versicherte Tätigkeit war, kann jedenfalls nicht mit der Begründung verneint werden, der
Sachverhalt habe sich nicht bis ins Letzte aufklären lassen. Vielmehr handelt es sich bei dieser Frage um eine
Rechtsfrage. Als erwiesen sieht der Senat an, dass das Herausbrennen des Laufkatzenträger ursprünglich nicht auf
dem Arbeitsplan gestanden hatte und auch nicht vorgesehen war. Allerdings ist davon auszugehen, dass dem M. als
Kolonnenführer eine gewisse Selbständigkeit zugebilligt war, im Übrigen schlösse selbst verbotswidriges Handeln die
Annahme eines Arbeitsunfalls nicht aus (§ 548 Abs. 3 RVO). Die Klage konnte also nicht mit der Begründung
abgewiesen werden, ein Arbeitsauftrag, die Träger der Kranbahn durch die Kolonne des M. abzubauen, sei nicht
sicher feststellbar.
M. führte mit dem Abbrennen des Laufkatzenträgers eine so genannte gemischte Tätigkeit aus. Solche gemischten
Tätigkeiten sind versichert, wenn sie nach Inhalt und Bedeutung wesentlich auch versicherten Zwecken dienen sollen,
und nicht erst, wenn sie dies überwiegend tun (BSGE 20, 215, 217). Der Zeuge Zillig hat gegenüber der KPI Bautzen
am 29.08.1996 ausgesagt, dass es nicht unüblich war, aufgrund einer Bestellung Material aus dem Betrieb zu
erwerben. Dies galt insbesondere auch für alle Metallteilte, die ohnehin nur deswegen aus dem Abrissgebäude entfernt
wurden, um sie der Altmetallverwertung zuzuführen. Dem Betrieb dienende gewinnbringende Verwertung ist auch der
Erwerb eines solchen Teils durch einen Betriebsangehörigen. Vom "technologischen Standpunkt aus" (vgl.
Zeugenaussage D ... vor dem SG) bestand nicht die Notwendigkeit, den Laufkatzenträger aus dem Gebäude zu
entfernen; dies heißt nun aber nicht, dass das Heraustrennen keine dem Betrieb nützende Tätigkeit gewesen wäre.
Vom technologischen Standpunkt aus war nämlich auch das Entfernen der Siebtische nicht erforderlich, die
Abrissbirne wäre auch mit diesen Sachen fertig geworden; tatsächlich unterblieb dann ja auch nach dem Unfall das
weitere Heraustrennen der Siebtische, welches an und für sich noch vorgesehen gewesen war. Es bestand auch nicht
das Übereinkommen bzw. die Praxis, Träger jeglicher Art im Gegensatz zu den Siebtischen im Gebäude zu belassen,
im Gegenteil, die Beweisaufnahme hat erbracht, dass in der Vergangenheit auch zahlreiche T-Träger aus dem
Gebäude entfernt worden waren. Diese Entfernung war wie gesagt nicht aus abrisstechnischen Gründen erforderlich,
sondern der Sinn war, den verwertbaren Metallschrott nicht unerheblichen Gewichtes nicht erst aus dem Schutthaufen
nach dem Abriss bergen zu müssen, sondern ihn getrennt der Altmetallverwertung zuführen zu können.
Die Auffassung der Beklagten (vgl. Aktenvermerk Beklagtenakte S. 43), wonach der betriebliche Zweck nur
"gelegentlich" der auf jeden Fall und besonders zu diesem Zeitpunkt aus privaten Gründen vorgenommenen Handlung
mit erledigt wurde, wird daher den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Das Schulbeispiel für eine gemischte
Tätigkeit, bei welcher der betriebliche Zweck nur gelegentlich der aus privaten Handlungen vorgenommenen Tätigkeit
mit erledigt wurde, ist Folgendes: Eine Beschäftigte, die ihre Tagesarbeit beendet hat und zur Post gehen will, um
eigene Postsendungen aufzugeben, sieht vor Verlassen ihres Betriebes, dass ein Geschäftsbrief fertig zur Aufgabe
bei der Post am nächsten Tag vorliegt, und sie nimmt diesen Brief deshalb schon jetzt mit. Dann ist ihr Weg zur Post,
den sie allein wegen des Geschäftsbriefes nicht unternommen hätte, wesentlich allein dadurch bestimmt, ihren
persönlichen Interessen zu dienen. Nur gelegentlich dieser wesentlich allein den persönlichen Interessen zu dienen
bestimmten Tätigkeit nimmt sie unwesentlich die Interessen des Betriebes wahr und steckt den Brief ein (Beispiel
nach Krasney in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts Band 2 § 8 Rn. 51).
Die Tätigkeit des M. lässt sich auch nicht in zwei Teile zerlegen. Etwa wie in dem Fall, bei dem ein KFZ-Mechaniker
zwischen zwei Kundenaufträgen an seinem Privatwagen Reparaturarbeiten vornimmt (vgl. Schulin a.a.O. § 30 Rn. 28).
Vielmehr hat M. in - für den Versicherungsschutz unschädlicher - Abweichung von dem konkreten Arbeitsauftrag, aber
durchaus im Rahmen und im Geiste des Großauftrages "Entkernung" eine zusätzliche Arbeit vorgenommen, weil die
Kolonne gut im Zeitplan lag, von welcher er sich auch einen privaten Vorteil versprach. In dieser Tätigkeit war er
versichert.
Schon aus diesem Grund lag daher auch eine den Versicherungsschutz ausschließende selbst geschaffene
Gefahrenlage nicht vor, schließlich lag das Motiv für das Verhalten des M. noch in der versicherten Tätigkeit. Darüber
hinaus handelte er auch nicht in hohem Maße vernunftswidrig und gefährlich (vgl. BSGE 64, 159, 161), wenn er zu
Schweißarbeiten, die für einen 1,64 m großen Mann von einem Metalltisch aus über Kopf leicht zu erledigen sind,
diesen Metalltisch bestieg, selbst wenn der Tisch an den Seiten leicht abgeschrägt war.
Was die Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille angeht, so hat sich bereits die Beklagte auf den Standpunkt
gestellt, dass hierdurch ein Versicherungsfall nicht ausgeschlossen ist. In der Tat war M. nicht etwa so betrunken,
dass er zu einer dem Unternehmen förderlichen Tätigkeit nicht mehr in der Lage gewesen wäre (BSG, Urteil vom
25.11.1977 = BSGE 45, 176, 178; BSG NZA 1992, 93). Auch war der Alkohol nicht die rechtlich allein wesentliche
Ursache (vgl. BSGE 48, 224, 226). Das Ausrutschen auf den Schweißperlen war nicht allein auf den alkoholbedingten
Leistungsabfall zurückzuführen (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.1994 - 2 RU 34/93 - HVBG Info 1994, 2377 bis 2382),
wenngleich sicherlich die Blutalkoholkonzentration eine Rolle gespielt haben mag; bei dem Ausrutschen handelte es
sich jedoch um ein Versehen, welches jedem hätte passieren können.
Die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen (§§ 589 ff. RVO) sind unproblematisch
gegeben und wurden von der Beklagten auch nicht bestritten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.