Urteil des LSG Sachsen vom 21.09.2006

LSG Fss: freibetrag, stiftung, besondere härte, inhaber, haftentschädigung, verwertung, ausbildung, bedürftigkeit, verfügung, lebensversicherung

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 21.09.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 12 AL 1946/04
Sächsisches Landessozialgericht L 3 AL 96/06
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. März 2006 aufgehoben und die
Klage abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit ab dem 07. August 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi)bis zum 31.
Dezember 2004 zusteht.
Der am ... 1955 geborene Kläger bezog zuletzt vom 13. März 2004 bis 06. August 2004 (Erschöpfung des Anspruchs)
Arbeitslosengeld (Alg) nach einem wöchentlich gerundeten Bemessungsentgelt (BE) von 420,00 EUR in
Leistungsgruppe A, erhöhter Leistungssatz (letzter Leistungsbetrag: 181,02 EUR).
Am 20. Juli 2004 beantragte er Anschluss-Alhi. Hierbei machte er gesundheitliche Einschränkungen geltend und wies
darauf hin, sein Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt worden sei. Aus diesem Grunde sei derzeit ein
Klageverfahren beim Sozialgericht Chemnitz anhängig. Das jüngste Kind des geschiedenen Klägers ist am ... 1994
geboren. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers war zu Jahresbeginn 2004 die Steuerklasse I eingetragen.
Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gab er an, auf Girokonten hätte er ein Guthaben 342,26 EUR.
Weiter habe er auch noch drei Inhaber-Schuldverschreibungen mit Werten von 5.043,00 und 5.192,00 bzw. 24.867,50
EUR. Der Erwerb dieser Inhaber-Schuldverschreibungen sei in Höhe von 1.050,00 DM aus einer Nachzahlung
Haftentschädigung, ausgezahlt im Jahr 2000, weiteren Entschädigungen nach dem SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz
in Höhe von 7.725,87 DM und 5.153,36 EUR sowie weiteren Zahlungen aus der Stiftung ehemaliger politischer
Häftlinge in Höhe von 7.900,00 DM (März 1999), 4.100,00 DM (Juli 2000) und 1.200,00 EUR, ausgezahlt Juli 2004,
finanziert worden.
Hieraus seien im letzten Jahr 210,00 EUR; 235,00 EUR und weitere 775,00 EUR Zinsen geflossen. Weiter verfüge er
über eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 7.174,30 EUR, in die bisher 6.135,50 EUR
eingezahlt worden seien, sowie eine weitere Lebens-versicherung, auf die bisher 200,00 EUR eingezahlt worden seien.
Er bewohne eine Eigentumswohnung mit 35 m². Das gesamte Haus habe eine Wohnfläche von 80 m², wovon 50 m²
der weitere Eigentümer des Hauses, der Bruder des Klägers, mit seiner Familie be-wohne. Weiter verfüge er über ein
unbebautes 500 m² großes Wiesengrundstück. Die Haft-entschädigung in Höhe von 11.550,00 DM, die er 1994
ausgezahlt bekommen habe, habe er in eine Rentenversicherung eingezahlt.
In ihrem Prüfbogen zum Vermögen nach § 1 Abs. 2 Alhi-VO ermittelte die Beklagte einen Freibetrag von 200,00 EUR
x 49 (vollendete Lebensjahre) in Höhe von 9.800,00 EUR. Demgegenüber setzte sie das vorhandene Vermögen wie
folgt ein: Girokonto 342,26 EUR, Sparbriefe, bzw. sonstige Anlagen in Höhe von 5.043,00 EUR, 5.192,00 EUR und
24.867,50 EUR sowie eine Lebensversicherung mit 7.174,30 EUR. Für das Grünland wurden 160,00 EUR (500 m² x
0,32 EUR) angesetzt. Insgesamt ergab sich so Vermögen von 42.779,06 EUR, nach Abzug des Freibetrages
verblieben danach 32.979,06 EUR.
Mit Bescheid vom 26. August 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Alhi ab, weil der Kläger unter
Berücksichtigung des eben genannten Vermögens nicht be-dürftig sei.
Am 31. August 2004 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er habe als ehemalig politisch Verfolgter in der DDR
verschiedene finanzielle Leistungen vom Staat erhalten, die er bereits nachgewiesen habe. Diese Gelder habe er
ausschließlich für seine Altersvorsorge angespart, zuzüglich der angefallenen Zinsen. Diese seien nicht als
verwertbares Vermögen anzusehen.
Der Kläger legte das Schreiben des Landratsamts A ... über eine Ausgleichsleistung nach § 8 des Gesetzes über den
Ausgleich beruflicher Benachteiligung für politisch Ver-folgte im Beitrittsgebiet (BerRehaG) vom 02. August 2004 vor,
wonach er ab April 1999 monatlich 49,04 DM, von Juli bis September 1999 135,04 DM, von November bis Dezem-ber
1999 135,04 DM, im Januar 2000 95,97 DM, im Februar und März 2000 253,79 DM, von April 2000 bis Dezember
2001 300,00 DM, von Januar 2002 bis Dezember 2003 153,39 EUR und ab Januar 2004 bis einschließlich August
2004 jeweils 184,00 EUR monatlich erhalten habe. Weiter legte er einen Nachzahlungsbescheid der
Entschädigungsstelle des Generalstaatsanwalts des Freistaates Sachsen vom 15. Mai 2000 vor, wonach die Kapital-
entschädigung auf insgesamt 12.600,00 DM festzusetzen gewesen sei sowie ein Schreiben der Stiftung für ehemalige
politische Häftlinge vom 27. Juli 2004, wonach der Kläger am 25. März 1999 7.900,00 DM, am 27. Juli 2000 4.100,00
DM und am 08. Juli 2004 1.200,00 EUR von dieser Stiftung erhalten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Vermögen sei im
Ausgangsbescheid zutreffend berücksichtigt worden. Soziale Ausgleichsleistungen sowie Unterstützungen aus
öffentlichen Mitteln, wie sie der Kläger erhalten habe, stellten kein privilegiertes Vermögen nach § 193 Abs. 2 Drittes
Buch Sozi-algesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 der Alhi-VO dar. Das zu berücksichtigende
Vermögen übersteige den Freibetrag von 9.800,00 EUR. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf Alhi.
Auf die hiergegen am 10. Dezember 2004 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobene Klage hat dieses mit Urteil vom
28. März 2003 den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
30. November 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger dem Grunde nach Alhi ohne Anrech-nung von
Vermögen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Unrecht das Vermögen aus Inha-
ber-Schuldverschreibungen, welches letztlich auf Zahlungen auf Grund strafrechtlicher bzw. verwaltungsrechtlicher
Rehabilitierung aus der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge der DDR stamme, angerechnet. Die Leistungen, die
der Kläger erhalten habe, und die in die Inhaber-Schuldverschreibungen geflossen seien, könne man ohne weiteres als
eine Art Schmerzensgeld ansehen. Wenn der Kläger eine höhere Schädigung erlitten hätte, wäre wohl auch eine
Rente in Betracht gekommen. Stattdessen habe er Abfindungen als Einmalzahlungen erhalten. Diese dem Kläger zu
gewährende Rente wäre ? entspre-chend einer Kriegsopferrente ? als Grundrente anrechnungsfrei geblieben. Auch
hätte die Beklagte das Urteil des BSG vom 25. Mai 2005 – B 11 a/11 AL 51/04 R – zu beachten gehabt. Danach sei
die Alhi-VO 2002 nicht ermächtigungskonform, soweit sie keine allgemeine Härteklausel enthalten habe. Das BSG
habe in dieser Entscheidung auch auf § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II abgestellt. In dieser Norm befinde sich eine all-
gemeine Härteklausel, nach der als Vermögen nicht zu berücksichtigen seien "Sachen oder Rechte, soweit ihre
Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde". Der
Rückgriff auf diese Regelung sei grundsätzlich zulässig. Insoweit habe die Entscheidung auch maßgeblichen
Charakter für die wohl noch ausstehende Entscheidung der zuständigen ARGE. Soweit der Kläger vorgetragen habe,
das Vermögen habe er zur Alterssicherung angelegt, sei auch dem zu folgen, denn die vom Kläger subjektiv
angenommene Zweckbestimmung lasse sich objektiv nachvollziehen, weil dem Kläger durch die erlittene Haft
insbesondere berufliche Nachteile entstanden seien, welche zu einem Nachteil in der Rentenversicherung führten, so
dass zur Aufsto-ckung seiner Rente auch die Entschädigungsbeiträge entsprechend angelegt hätten werden dürfen.
Gegen das am 18. April 2006 der Beklagten zugestellte Urteil richtet sich deren am 15. Mai 2006 beim Sächsischen
Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die Beklagte meint, objektive Begleitumstände der subjektiven
Zweckbestimmung Alterssicherung lä-gen nicht vor. Weiter mangele es auch an Feststellung, dass tatsächlich
erhebliche Lücken in der Altersversorgung bestünden, die einen Härtefall begründeten. Nach der Rechtspre-chung des
BSG zur Alhi-VO 2002 seien zumindest die Standards des § 12 SGB II als Kriterien für die Vermögensanrechnung bei
der Alhi heranzuziehen. Deshalb könne neben dem allgemeinen Freibetrag von 200,00 EUR ein weiterer Freibetrag
von 200,00 EUR je Lebens-jahr gewährt werden, wenn das Vermögen nach der subjektiven Zweckbestimmung der
Altersvorsorge diene und dies durch objektive Begleitumstände belegt sei. Hierzu seien u.a. der Beginn des
Vertragsverhältnisses, die Vertragsgestaltung und das voraussichtliche Vertragsende, das in etwa im
Renteneintrittsalter liegen solle, gegebenenfalls auch die An-lagenform zu prüfen. Dies gelte sowohl für die Inhaber-
Schuldverschreibungen als auch für den privaten Rentenversicherungsvertrag.
Vermögensrückstellungen zur Altersvorsorge über den allgemeinen Freibetrag von 200,00 EUR hinaus habe das BSG
jenen zugestanden, deren Altersvorsorge-Biografie auf Grund eines atypischen Verlaufs des Erwerbslebens erhebliche
Lücken aufweise, wobei diese Alterssicherung dann in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Alhi-VO auf
den generellen Freibetrag anzurechnen sei. Feststellungen zur Berufs-Biografie, zur Höhe der zu erwartenden
monatlichen Rentenleistung aus der privaten Rentenversicherung des Klägers und zum Wert seiner gesetzlichen
Rentenanwartschaft fehlten ganz. Es sei lediglich pauschal ausgeführt worden, dem Kläger seien durch die erlittene
Haft insbeson-dere berufliche Nachteile entstanden, welche zu einem Nachteil in der Rentenversicherung geführt
hätten. Das SG habe jedoch verkannt, dass die rentenversicherungsrechtlichen Nachteile, die dem Kläger
möglicherweise entstanden seien, bereits durch andere Versor-gungssysteme ausgeglichen würden. Zum einen
begründe das strafrechtliche Rehabilitie-rungsgesetz neben der Kapitalentschädigung auch Ansprüche auf
Anrechnung der Haftzeit in der Rentenversicherung. Zum anderen erhielten die Opfer von politischer Verfolgung im
Beruf oder berufsbezogenen Ausbildung (wozu der Kläger ausweislich des Bescheides des Landratsamtes
Aue/Schwarzenberg zähle) nach dem BerRehaG auch ein Nachteilsaus-gleich auch in der Rente. Die im
Zusammenhang mit dem Rehabilitierungsverfahren maß-gebenden rentenrechtlichen Regelungen des § 10 bis 16
BerRehaG ergänzten zu Gunsten der Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften. So werde u.a. im Wege
von Vergleichsrentenberechnungen geprüft, ob die unter Berücksichtigung der Verfolgungszeit ermittelte Rente
günstiger als die nach den allgemein anzuwendenden Vorschriften be-rechnete Rente sei. Rentenrechtlich würden die
Verfolgten so gestellt, als habe der rechts-staatwidrige Eingriff in die berufliche Stellung oder das berufliche
Fortkommen nicht stattgefunden. Angesichts von durchschnittlich 45 anrechnungsfähigen Rentenversiche-rungsjahren
und demgegenüber einer Haftzeit von 21 Monaten die als Anrechnungszeit gelte und angesichts des über das
berufliche Rehabilitationsgesetz gewährten Nachteils-ausgleichs bei der Rente liege entgegen der Auffassung der
Vorinstanz bereits dem Grunde nach kein atypischer Versicherungsverlauf vor, der eine zusätzliche Alterssicherung
über die Freibeträge hinaus rechtfertige. Eine zusätzliche Vermögensprivilegierung könne der Kläger daher allenfalls
beanspru-chen, wenn bei ihm ein Härtefall vorliege. Gefolgt werde der Auffassung des SG, dass sich ein Härtegrund
auch aus der Herkunft des Vermögens ergeben könne. Insoweit bleibe fest-zustellen, dass das Gesamtvermögen von
42.276,80 EUR lediglich in Höhe von 22.881,31 EUR aus Rehabilitationsleistungen stamme. Allerdings sei weder die
Herkunft des Vermögens allein ein Indiz für die Anwendung der Härteregelung noch liege eine solche vor, wenn der
Einsatz des Vermögens von dem Betroffenen als hart empfunden werde. Vielmehr müsse objektiv eine Härte
bestehen, was nicht der Fall sei, wenn die Leistung, aus der das Ver-mögen stamme, dem Lebensunterhalt zu dienen
bestimmt gewesen sei (BSG, Urteil vom 17.10.1990 – 11 RAr 133/88). Die Verwertung des aus der Haftentschädigung
stammenden Vermögens dürfte daher eine Härte darstellen, da damit vor allem das Anliegen verfolgt werde, vorrangig
Genugtuung und einen gewissen Ausgleich für das erlittene Unrecht zu geben. Die Leistungen der Stif-tung für
politisch Verfolgte und aus dem BerRehaG seien von ihrer Zweckbestimmung her demgegenüber nicht mit denen des
strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes vergleichbar. Im Unterschied hierzu sollten die monatlichen
Ausgleichszahlungen nach § 8 BerRehaG die materiellen Nachteile desjenigen Verfolgten ausgleichen, der auf Grund
früherer beruf-licher Benachteiligung noch heute in seiner wirtschaftlichen Erwerbslage besonders beein-trächtigt sei.
Deshalb seien die Ausgleichsleistungen auch an bestimmte Einkommensgren-zen (Bedürftigkeit) gekoppelt und
würden monatlich gezahlt. Eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens wirke sich oft gerade in der Weise
aus, dass diesem zur Lebens-haltung weniger an Mitteln zur Verfügung stehe, als ohne die berufliche Benachteiligung
zur Verfügung gestanden hätte.
Die Ausgleichszahlung nach § 8 BerRehaG diene im Ergebnis dem selben Zweck wie auch die Alhi, nämlich den
Lebensunterhalt sicher zu stellen, soweit er nicht auf andere Weise bestritten werden könne. Wegen ihrer
Zweckbestimmung, Nachteile für den Erwerb und das Fortkommen und damit für den Lebensunterhalt auszugleichen,
sei dem Arbeitslosen grundsätzlich eine Verwertung dieser Ausgleichszahlungen zumutbar. Daran ändere sich auch
dadurch nichts, dass der Kläger diese Zahlungen nicht im Sinne ihrer Zweckbestimmung zum laufenden
Lebensunterhalt verbraucht, sondern vielmehr zur Kapitalbildung eine Form von Inhaber-Schuldverschreibung
verwendet habe mit der Folge, dass ihm der Ausgleichsbetrag wirtschaftlich nach wie vor ungeschmälert zur
Verfügung stehe. Auch dann könne von ihm billigerweise erwartet werden, dass er den entsprechen-den Geldbetrag
zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes verwende.
Diese Grundsätze dürften auch für die Unterstützungsleistungen der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge gelten,
denn Leistungsvoraussetzung sei auch hier, dass sich der An-tragsteller verfolgungsbedingt in einer wirtschaftlich
schwierigen Lage befinde. Wesentli-ches Kriterium für die Entscheidung über den Antrag auf eine finanzielle
Unterstützung sei das aktuelle Netto-Einkommen des Antragstellers bzw. seiner Familie. Darüber hinaus
entscheidend seien aber auch die übrigen Umstände der Verfolgung bzw. der momentanen Lebenssituation des
Betroffenen, wie Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten oder berufliche Nachteile. Auf Grund der Anknüpfung an
das Netto-Einkommen dürfte es sich aber auch hier um Leistungen zum Lebensunterhalt handeln. Damit sei das
Vermögen des Klägers in Höhe von 36.336,78 EUR verwertbar (42.779,06 Vermögen abzüglich 6.442,28 EUR
Haftentschädigung). Hiervon in Abzug zu bringen seien der allgemeine Freibetrag von 9.800,00 EUR und
gegebenenfalls nach Prüfung der Zweckbestimmung noch ein weiterer Al-tersvorsorgefreibetrag von 9.800,00 EUR, so
dass im Ergebnis selbst dann zumindest 16.736,78 EUR Vermögen verblieben, was die Bedürftigkeit ausschließe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. März 2006 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Kläger hätten Schonbeträge von 9.800,00 EUR und 750 EUR sowie auch ein weiterer Schonbetrag von 9.800,00
EUR für Altersvorsorge zugestanden. Unter Berücksichtigung die-ser Freibeträge ergebe sich kein verwertbares
Vermögen. Die Zahlung der Stiftung für e-hemalige politische Häftlinge und die Zahlung nach dem BerRehaG seien
nicht als Ver-mögen zu berücksichtigen. Diese Leistungen seien wegen der niedrigen Einkommenssitua-tion des
Klägers erfolgt, noch bevor der Kläger Alhi beantragt habe. Diesen Betrag nun-mehr bei der Alhi anzurechnen,
widerspreche dem Sinn und Zweck der Leistungen. Die monatliche Ausgleichsleistung sei erforderlich gewesen, weil
seine wirtschaftlichen Ver-mögensverhältnisse dies notwendig gemacht hätten. Er habe diesen Ausgleichsbetrag nicht
ausgegeben, sondern seine persönlichen Ausgaben so weit reduziert, um diesen Betrag ansparen zu können. Gemäß
§ 9 BerRehaG würden Ausgleichszahlungen bei Sozialleis-tungen deren Gewährung von Einkommen abhängig sei,
nicht als Einkommen gerechnet. Dies sei in Bezug auf die streitgegenständliche Alhi ebenfalls so zu handhaben. Aus
dem Gesetz ergebe sich nicht, dass die Anrechnungsfreiheit nur gelte, soweit es um die monat-liche Zahlung gehe,
hingegen angesparte Zahlungen aus der Vergangenheit als Vermögen gegensätzlich berücksichtigt werden sollten.
Im Übrigen sei der Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß § 9 Abs. 2 BerRehaG un-pfändbar. Gepfändet werden
könne nicht nur das monatliche Einkommen, sondern auch das angesparte Vermögen. Hieraus ergebe sich, dass die
Ausgleichsleistungen auch in an-gesparter Version unpfändbar seien. Der Schutz der Ausgleichsleistung nach dem
BerRe-haG sei damit noch höher als der von Schmerzensgeldzahlungen. Aus § 16 Abs. 4 strafrechtliches RehaG
ergebe sich Gleiches auch für die von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge gezahlten Beträge. Insgesamt
seien die 22.881,31 EUR bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe nicht als Vermögen anzurechnen.
Über den Grundfreibetrag hinaus stünde ihm auch Altersvorsorgevermögen zu. Der Kläger habe einen Großteil seines
Vermögens als Alterssicherung gedacht und entsprechend ange-legt, habe jedoch zwischenzeitlich, da der
streitgegenständliche Antrag abgelehnt worden sei, und auch der Folgeantrag auf Alg II negativ beschieden worden
sei, sein angespartes Vermögen angreifen müssen, so dass er gegenwärtig (Juli 2006) nur noch über ca. 20.000,00
EUR verfüge. Seit August 2004 beziehe der Kläger als Einkommen lediglich die 184,00 EUR nach dem BerRehaG, so
dass er seine Ersparnisse habe verwerten müssen. Daneben habe er monatliche Aufwendungen für Kranken- und
Pflegeversicherung in Höhe von 124,00 EUR. Die Inhaber-Schuldverschreibung bzw. die private Rentenversicherung
habe der Kläger unter Inkaufnahme von entsprechenden finanziellen Verlusten auflösen bzw. angreifen müssen.
Subjektiv seien diese Gelder jedoch für die Altersabsicherung angelegt worden. Hätte die Beklagte den Antrag nicht
zurückgewiesen, würde er sie nicht verwertet haben. Im Übrigen gehe der Kläger davon aus, dass ihm ein
zusätzlicher Freibetrag für die Altersabsicherung zustehe. Der Kläger habe mit 16 Jahren die POS mit der 10. Klasse
be-endet. Mit dieser schulischen Ausbildung würde er ohne weiteres studiert haben können, was er auch gewollt habe.
Er habe jedoch aus Gewissensgründen an der vormilitärischen Ausbildung nicht teilgenommen, so dass bereits der
abgeschlossene Lehrvertrag für null und nichtig erklärt worden sei. Ein Studium sei ihm verwehrt worden. Vielmehr sei
er an einer Drehmaschine eingesetzt worden. Tatsächlich hätte er jedoch Geologie bzw. Archäo-logie studieren
wollen. Die Tätigkeit als Dreher hätte er aus Gesundheitsgründen nicht ausüben können, so dass er ab 1977 wieder
als Hilfsarbeiter eingesetzt worden sei. Die berufliche Diskriminierung auf Grund der Verfolgung habe sich fortgesetzt,
so dass auch das BerRehaG nach dem 02.12.1990 keinen Ausgleich vorsehe. Der Kläger komme er 2020 ins
gesetzliche Rentenalter.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die
Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statt-haft, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des
§ 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet.
Gem. § 190 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung
besteht Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für denjenigen, der 1. arbeitslos ist, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos
gemeldet hat, 3. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) nicht hat, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, 4. in
der Vorfrist Alg bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperr-zeiten mit einer Dauer von
insgesamt 24 Wochen erloschen ist und 5. bedürftig ist. Die vorgenannten Voraussetzungen zu 1. bis 4. sind
zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, da diese ersichtlich vorliegen.
Der Kläger ist jedoch im Streitzeitraum nicht als bedürftig anzusehen.
Gemäß § 193 Abs. 1 SGB III liegt Bedürftigkeit vor, soweit der Arbeitslose seinen Le-bensunterhalt nicht auf andere
Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht.
§ 193 Abs. 2 SGB III bestimmt darüber hinaus, dass ein Arbeitsloser nicht bedürftig ist, solange mit Rücksicht auf
sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Diese Bestimmung wird für den vorliegend streitigen
Zeitraum durch die AlhiV 2002 i. d. F. des Art. 86 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) konkretisiert. Nach § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung ist
das gesamte verwertbare Vermögen des Klägers zu berücksichtigen, so weit der Wert dieses Vermögens den
Freibetrag übersteigt. Der Freibetrag beträgt je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen 200 EUR. Die
Übergangsvorschriften des § 4 AlhiV 2002 greifen nicht ein, da der Kläger keine Fort-zahlung von Alhi, sondern deren
Gewährung aus einem neuen ? aus dem zuvor bezogenen Alg herrührenden ? Stammrecht geltend macht. Da der
Kläger am 7. August 2004 das 49. Lebensjahr vollendet hatte, ist zunächst von ei-nem Freibetrag von 9.800 EUR
auszugehen.
Nach der überzeugenden neueren Rechtsprechung des BSG (u. a. Urteile vom 27.01.2005 – B 7/7a AL 34/04 R ,
25.05.2005 – B 11/11a AL 51/04 R, 14. 09. 2005- B 11/11a AL 71/04 R und) , der der Senat nach eigener Prüfung
folgt, stehen die Vorschriften der AlhiV 2002 insofern nicht mit § 206 Nr. 1 SGB III i. V. m. § 193 Abs. 2 SGB III in
Einklang, als die AlhiV 2002 keine allgemeine Härteklausel enthält.
Die aus § 193 Abs. 2 SGB III abzuleitende Härtefallregelung greift insbesondere ein, wenn die seit 01. Januar 2005 in
§ 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vorgesehenen Voraussetzungen vor-liegen. Danach sind vom Vermögen geldwerte
Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, abzusetzen, so weit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand
aufgrund einer ver-traglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 EUR je
vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht übersteigt. Dieser Altersvorsorgefreibetrag tritt
selbstständig neben den generellen Grundfreibetrag in gleicher Höhe nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Zweites Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) und darf nach der Rechtsprechung des BSG auch Alhi-Empfängern für die Zeit vor dem 1.
Januar 2005 nicht verschlossen sein. Vor dem 1. Januar 2005 konnten Versicherungsnehmer die Voraussetzungen
des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II üblicherweise von vornherein nicht erfüllen, da das Versicherungsver-tragsgesetz im
Hinblick auf diese Vorschrift erst angepasst wurde. Es müssen daher die Alhi-Vorschriften bei der Berücksichtigung
von Vermögen den Standard gewähren, den das SGB II ab 1. Januar 2005 zugesteht, was bei einer entsprechenden
Anwendung von § 12 Abs. 2 SGB II in der Zeit vor dem 1. Januar 2005 für die Härtefallprüfung nach § 193 Abs. 2
SGB III dazu führt, auf die Voraussetzungen einer vertraglichen Vereinbarung über die Verfügbarkeit jedenfalls für die
von § 165 Abs. 1 und 2 VVG betroffenen Lebensversi-cherungsverträge zu verzichten. Es ist deswegen lediglich zu
prüfen, ob die vorhandenen Lebensversicherungsverträge nach subjektiver Zweckbestimmung der Altersvorsorge
dien-ten. Dabei genügt es für die Alhi, wenn die Fälligkeit der Verträge auf die Zeiten der Vollendung des 60. bis 65.
Lebensjahres datiert ist. Ist dies der Fall, ist bei diesen Verträ-gen vom Eingreifen der Rechtsfolge des § 12 Abs. 2
Nr. 3 SGB II auszugehen.
Dies dürfte zwar nur dann gelten, wenn auch die Voraussetzungen eines Härtefalles vorlie-gen, wofür insbesondere
rentenbiografische Problematiken sprechen könnten. Angesichts der – der von der Beklagten zutreffend
vorgetragenen ? Ausgleiche der verfolgungsbeding-ten Nachteile in der späteren Rentenberechnung des Klägers
könnten hier zwar Zweifel bestehen; im Folgenden kann aber zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass ein entspre-
chender Härtefall vorliegt und damit ein weiterer Freibetrag von 9.800 EUR zu berücksichtigen ist.
Sein verwertbares Vermögen liegt insgesamt bei 42.276,80 EUR. Die Verwertung der bereits längere Zeit bestehenden
Lebensversicherung kann bei einem Rückkaufswert, der über den eingezahlten Beiträgen liegt, grundsätzlich verlangt
werden; die zuletzt abgeschlossene Lebensversicherung hingegen, die einen Wert von 200 EUR aufweist, kann wegen
Unwirt-schaftlichkeit nicht verwertet werden. Weiter sind unberücksichtigt geblieben das Wiesengrundstück (insoweit
ist die Verwert-barkeit fraglich) und 342,96 EUR Girokontoguthaben.
Von diesem Vermögen sind jedenfalls über die allgemeine Härteklausel von der Verwert-barkeit auszuschließen die
Beträge, die aus der Haftentschädigung und den Leistungen der Stiftung ehemaliger politischer Häftlinge stammen.
Diese Leistungen, die auf §§ 17 und 18 StrRehaG beruhen, sollen die höchstpersönlichen Nachteile entschädigen, die
der durch Unrechtsmaßnahmen Betroffene hinnehmen musste (Peifer in Herzler u.a., Rehabilitie-rung, Komm. zu
StrRehaG, VerwRehag und BerRehaG, Rdnr. 2 zu § 16 StrRehag). Sie dienen also einem anderen Zweck als die Alhi
und in Anbetracht dieses Zweckes erschiene es unbillig hart, wenn der Kläger gezwungen wäre, diese Leistungen an
Stelle von Alhi zu seinem Lebensunterhalt einzusetzen.
Insoweit bleiben außer Berücksichtigung: 1.050 DM Nachzahlung, 11.550 DM Haftent-schädigung, 12.000 DM
Leistungen der Stiftung sowie weitere 1.200 EUR Leistungen der Stiftung, insgesamt 13.752,22 EUR. Wenn man zu
Gunsten des Klägers unterstellen würde, auch die hieraus erzielten und weiter angesparten Zinsen seien abzusetzen
(vgl. zu Schmerzensgeld insoweit bei der Sozialhilfe LSG Nds.-Bremen, Urt. v. 20.04.2006 – L 8 SO 50/05 – JURIS),
würden etwa seit 2000 etwa 2.600 EUR (5% des vorgenannten Betrages x 3,75 Jahre ) insoweit aufgelaufen sein,
sodass insgesamt 16.352,22 EUR von vornherein nicht angerechnet werden könnten.
Die aus den Leistungen, die dem Kläger nach Maßgabe des § 8 BerRehaG zugeflossen sind, angesparten Beträge
(nach Rechnung des Klägers 7.725,87 DM und 5.153,36 EUR) sind nicht wegen Annahme einer besonderen Härte bei
der Bedürftigkeitsprüfung als nicht ein-setzbar zu behandeln. Diese Ausgleichsleistungen stellen keine pauschalierte
Kapitalent-schädigung wie die Leistungen nach dem StrRehaG dar. Sie sind vielmehr zum Bestreiten der notwendigen
Ausgaben des täglichen Lebens bestimmt und sollen verfolgungsbedingt geringe Einkünfte aufstocken, die nicht
ausreichen, den notwendigen Lebensunterhalt des § 12 BSHG abzudecken (Peifer, aaO., Rdnr 1, 8, 9 zu § 8
BerRehaG). Sie dienen also dem gleichen Zweck wie die Sozialhilfe oder Alhi, nämlich dem Einsatz zum Bestreiten
des Lebensunterhalts. Eine besondere Zweckbestimmung, die darüber hinausgehen würde, fehlt (vgl. zu einer
ähnlichen Fallgestaltung - dem Einsparen von Barbeträgen aus der So-zialhilfe Nds. OVG, Beschl. v. 28.04.2004 – 4
LA 595/02- JURIS m. w. N.). Es erscheint nicht unbillig hart, angesparte Leistungen, die dem Bestreiten des
Lebensunterhaltes die-nen sollten, diesem Zweck dadurch zuzuführen, dass sie nunmehr als Vermögen den Bezug
anderer Leistungen, die diesem Zweck dienen, ausschließen. Die Tatsache, dass diese ? schließlich angesparten ?
Leistungen nach § 9 nicht als Ein-kommen angerechnet werden, und dieser Anspruch unpfändbar ist, ändert hieran
nichts. Denn diese Bestimmung lässt sich nur vor dem Hintergrund verstehen, dass die laufende Zahlung dem als
bedürftig angesehenen ehemaligen Verfolgten ohne Anrechnungs- oder Zugriffsrechte Dritter zufließen soll. Wenn
diese Zahlungen jedoch letztlich zweckwidrig verwendet werden, indem sie angespart werden, ist dieser Schutz nicht
(mehr) erforderlich.
Eine zusätzliche Berücksichtigung der privaten Rentenversicherung über den weiteren Freibetrag von 9.800 EUR
und/oder die aus Härtegründen nicht zu berücksichtigenden weite-ren 16.352,22 EUR hinaus kann nicht erfolgen, da in
die Rentenversicherung zum einen Bei-träge aus den aus Härtegründen nicht zu berücksichtigenden Leistungen
eingezahlt wurden und zum anderen diese ? als Altersvorsorge ? bereits in dem zusätzlichen Freibetrag von 9.800
EUR enthalten ist.
Zusammen mit dem allgemeinen Freibetrag von 9.800 EUR ergibt sich nach den vorstehenden Ausführungen ein nicht
zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 35.952,22 EUR. Das vorhandene Vermögen von 42.276,80 EUR
übersteigt diesen Betrag um 6.324,58 EUR.
Dass dieser Betrag bis zum Ablauf bis 30. Dezember 2004 verbraucht worden wäre, ist weder vorgetragen, noch
sonst ersichtlich. Für den Streitzeitraum ergibt sich mithin kein zahlbarer Anspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen angesichts dessen, dass es sich um die
Auslegung ausgelaufenen Rechts handelt, nicht vor.