Urteil des LSG Sachsen vom 18.07.2001

LSG Fss: psychotherapeutische behandlung, psychiatrisches gutachten, psychische störung, arbeitsmarkt, chronifizierung, rente, fachgutachten, anhörung, beitrag, ausbildung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 18.07.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 2 RA 595/97
Sächsisches Landessozialgericht L 4 RA 191/99
Die Kosten des nach § 109 SGG vom Sachverständigen Dr. St ... am 05.02.2001 erstatteten Gutachtens sind auf die
Staatskasse zu übernehmen.
Gründe:
I.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens war ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit.
Die am ...1943 geborene Klägerin absolvierte von 1958 bis 1960 eine Ausbildung zum Textilfacharbeiter und war vom
01.03.1960 bis 17.08.1969 sowie vom 04.09.1972 bis 15.08.1973 als Weberin tätig. Anschließend arbeitete sie bis
31.12.1991 als Sachbearbeiterin/Materialbuchhaltung. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 31.12.1991 aus
betriebsbedingten Gründen. Einer Mitteilung des Betriebes vom 30.01.1991 zufolge wurde die Tätigkeit der Klägerin
als Sachbearbeiterin in die Gehaltsgruppe IV des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Sächsischen Metall-
und Elektroindustrie eingestuft. Für die Einstufung war maßgebend, dass die Klägerin zur selbständigen Ausführung
von Abrechnungsarbeiten für Lohn und Gehalt, von Sekretariatsarbeiten und zur Durchführung und Überwachung von
Zahlungsvorgängen in der Lage war. In der Zeit vom 01.01.1992 bis 31.08.1992 stand sie in Kurzarbeit-Null. Daran
anschließend war sie arbeitslos und nahm vom 07.12.1992 bis 07.12.1993 an einer vom Arbeitsamt geförderten
Umschulung zur Bürokauffrau teil, die mit einem Zertifikat endete. Ab 08.12.1992 war sie weiterhin arbeitslos und
bezog Arbeitslosengeld, unterbrochen von mehreren Krankengeldzahlungen. Seit 30.11.1994 bestand durchgehend
Arbeitsunfähigkeit und seit 11.01.1995 bezog die Klägerin bis zur Aussteuerung Krankengeld.
Vom 27.04.1995 bis 25.05.1995 hielt sich die Klägerin zu einer stationären Behandlung in der Reha-Fachklinik N ...
auf. Dem Entlassungsbericht vom 14.06.1995 sind als Diagnosen "Hypertonus, Adipositas, Cervicalsyndrom sowie
depressive Reaktion nach Arbeitsplatzverlust" zu entnehmen. Für ihre letzte Tätigkeit als Sekretärin sei sie
vollschichtig ohne Einschränkungen einsatzfähig.
Vom 22.01.1996 bis 08.03.1996 hielt sich die Klägerin wegen eines anhaltenden depressiven Syndroms in der
psychiatrischen Klinik des Städtischen Klinikums G ... auf. Nach dem Entlassungsbericht vom 13.03.1996 wurde als
Ursache für die depressive Episode von einem nichtverkrafteten Verlust des Arbeitsplatzes und einer jahrelang
andauernden familiären Konfliktsituation ausgegangen.
Am 24.06.1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder
Berufsunfähigkeit.
Die Beklagte holte neben Befundberichten des Hausarztes und der Neurologin ein neurologisch-psychiatrisches
Gutachten, erstattet am 28.11.1996 von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie MR Dr. G ..., ein. Die
Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, dass allein aufgrund der neurotischen Depression und der
Persönlichkeitsbesonderheiten bei Fehlen objektivierter hirnorganischer Einschränkungen der Konzentration und des
Merkvermögens, die Erwerbsfähigkeit noch nicht so herabgesetzt sei, dass eine völlige Herausnahme aus dem
Berufsprozess zwingend notwendig sei. Nach psychotherapeutischer Stabilisierung könne die Klägerin unter
vollschichtig eine Sachbearbeitertätigkeit, ähnlich der bisherigen, ohne Überanstrengung des Schultergürtels und bei
Wechsel zwischen Sitzen und Gehen durchführen.
Nach Auswertung des Gutachtens und weiterer Befunde durch den medizinischen Dienst lehnte die Beklagte die
Gewährung einer Rente mit Bescheid vom 11.02.1997 ab. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin eine neue
Begutachtung begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.1997 zurück.
Nach Klageerhebung am 17.07.1997 zog auch das Sozialgericht Dresden Befundberichte des Hausarztes und
Allgemeinmediziners Dipl.-Med. B ..., der Neurologin Dr. L ..., des Dipl.-Psych. F ..., des Internisten MR Dr. S ... und
des Orthopäden Dipl.-Med. K ... bei. Ferner holte es ein orthopädisches Fachgutachten, erstattet am 10.09.1998 von
Prof. Dr. F ..., sowie ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten, erstattet am 18.12.1998 von Oberarzt Dr. G ...,
ein.
In seinem Gutachten vom 10.09.1998 stellte Prof. Dr. F ... folgende Diagnosen: - Pseudoradikuläres
Schmerzsyndrom der HWS bei degenerativen Veränderungen C 5/6, - Lokales Schmerzsyndrom der LWS bei
degenerativen Veränderungen der unteren LWS, - Übergewicht. Nach der Bewertung des Sachverständigen könne die
Klägerin schwere und mittelschwere Arbeiten nicht verrichten; leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in
wechselnder Körperhaltung ohne überwiegendes Stehen, ohne häufiges Bücken, ohne Tragen von Lasten über 10 kg
seien ihr jedoch zumutbar. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten könne sie wegen des HWS-Schmerzsyndroms und der
Schwindelattacken nicht ausführen. Sie sei aber wegen der Kombination des pseudoradikulären Schmerzsyndroms
der HWS mit den diagnostisch noch ungeklärten Schwindelanfällen auch nicht für Arbeiten an (Büro-)Maschinen oder
am Bildschirm einsatzfähig.
Nach dem neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten von Dr. G ... vom 18.12.1998 leide die Klägerin an einer
neurasthenischen Neurose. Als wichtige Bedingung für die Entstehung der Symptomatik seien die
Langzeitarbeitslosigkeit und eine chronische Konfliktsituation mit der Mutter sowie die akzentuierten
Persönlichkeitszüge der Klägerin festzustellen. Die psychische Störung sei nicht so erheblich, dass sie den
Tagesablauf in nicht zu überwindender Weise hemmte. Die Steuerung sei offensichtlich nicht der Eigenkontrolle
entglitten. Es gebe keine Hinweise auf hirnorganische Beeinträchtigungen, Sucht oder psychotische Zustände.
Vielmehr sehe die Klägerin im sozialen Rückzug eine Lösungsmöglichkeit für ihre Probleme. Aus neurologisch-
psychiatrischer Sicht seien keine Hinweise ersichtlich, die einer Änderung der Haltung und Einstellung unüberbrückbar
entgegenstünden. Die psychisch bedingten Störungen seien durch Willensentschlüsse der Klägerin - zumindest
soweit sie eine Arbeitsaufnahme behinderten - behebbar. Die seit einigen Jahren laufende nervenärztliche und
psychologisch-psychotherapeutische Behandlung müsse fortgesetzt werden. Die neurotische Störung liege im
jetzigen Ausprägungsgrad seit 1994 vor. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die Klägerin aber bei
zumutbarer Willensanstrengung leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an geistige und psychische Belastbarkeit,
ohne Zeitdruck und ohne Schichtarbeit vollschichtig ausüben. Einer vollschichtigen körperlich leichten Arbeit
vorwiegend im Sitzen stünden auch die auf orthopädischem Fachgebiet festgestellten Leistungseinschränkung nicht
entgegen.
Das Sozialgericht wies nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.06.1999 ab. Die
Klägerin sei bereits nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Sie sei
vom 16.08.1973 bis 31.12.1991 als Sachbearbeiterin tätig gewesen. Eine Ausbildung für diesem Beruf sei nicht
erfolgt. Die Tätigkeit könne aber in dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehr-Stufen-Schema dem angelernten
oberen Bereich zugeordnet werden. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin zwar nicht mehr die
Tätigkeit einer Sachbearbeiterin vollschichtig ausüben könne. Sie sei aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vollschichtig einsetzbar. Dies ergebe sich aus den Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. F
... und Oberarzt Dr. G ..., deren Schlussfolgerungen sich das Sozialgericht anschloss. Mit dem danach noch
anzunehmenden Leistungsvermögen sei der Klägerin eine vollschichtige Tätigkeit als Pförtnerin zumutbar. Zu deren
Aufgabengebiet gehöre der Empfang der Besucher, das Erteilen von Auskünften, gegebenenfalls das Prüfen der
Legitimation, das Ausstellen von Besucherscheinen, Anmelden der Besucher, gegebenenfalls auch das Bedienen der
Telefonanlage. Es handele sich hierbei um eine körperlich leichte Arbeit, die in geschlossenen Räumen im Wechsel
der Körperhaltung ausgeführt werde. Besonderer Zeitdruck falle in der Regel nicht an. Diese Tätigkeit sei der Klägerin
auch sozial zumutbar. Nach den getroffenen medizinischen Feststellungen sei die Klägerin daher nicht berufsunfähig
im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI und erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 SGB VI. Es bestehe auch
keine Invalidität i.S.d. Artikel 2 § 7 Abs. 3 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG).
Mit der Berufung machte die Klägerin eine Verschlechterung ihrer Beschwerden auf orthopädischem und psychischem
Gebiet geltend.
Der Senat hatte zur medizinischen Sachaufklärung Befundberichte des Hausarztes Dipl.-Med. B ... vom 28.05.2000,
der Neurologin Dr. L ... vom 05.06.2000, des Dipl.-Psych. F ... vom 13.06.2000 und des Orthopäden Dipl.-Med. K ...
vom 30.05.2000 eingeholt. Der Hausarzt Dr. B ... teilte mit, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei eine
vollschichtige Tätigkeit auszuüben. Er begründet dies mit den rezidivierenden depressiven Verstimmungen und der
Angststörung sowie dem Schwindel mit Fallneigung. Auch die Neurologin teilte mit, dass die Belastbarkeit der
Klägerin aufgrund der bestehenden Psychopathologie/massiven Ängste und der körperlichen funktionellen Störungen
so eingeschränkt sei, dass eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis
mittelschwere Arbeiten im Büro nicht für möglich gehalten werde. Aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs und der
ausgeprägten Chronifizierung ohne Besserungstendenz sei in den nächsten 2 bis 3 Jahren mit einer durchgreifenden
Änderung im Befinden nicht zu rechnen. Auch nach dem Befundbericht des Dipl.-Psych. F ... habe die Behandlung in
Einzelgesprächen nur zeitweise eine Stabilisierung gebracht und es seien nur diskrete Behandlungsfortschritte
gelungen. Aufgrund der Chronifizierung der rezidivierenden depressiven Störung erscheine eine halbtägliche Büroarbeit
möglich.
Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein neurologisch-psychiatrisches
Gutachten, erstattet am 05.02.2001 vom Neurologen und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapie
Dr. St ..., nach ambulanter Untersuchung am 22.09.2000 eingeholt. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht
bestehe bei der Klägerin ein neurasthenisches Syndrom bei neurotischer Fehlentwicklung und fixierter
Krankheitshaltung. Im Rahmen einer chronifizierten Angstneurose, die seit längerer Zeit bestehe und zumindest initial
nicht adäquat behandelt worden sei, habe sich ein Fehlverhalten verfestigt, welches aktuell durch depressive
Verstimmung das psychische Zustandsbild der Klägerin dominiere und durch schmerzverstärkenden Einfluss mit den
orthopädischen Beschwerden interferiere. Fachfremd bestehen ein Schmerzsyndrom des Bewegungsapparates (siehe
orthopädisches Gutachten von Herrn Prof. Dr. F ..., eine arterielle Hypertonie sowie eine Adipositas. Die psychischen-
psychopathologischen Auffälligkeiten der Klägerin besitzen sozialmedizinischen Krankheitswert, insbesondere indem
sie das orthopädische Beschwerdebild aufrechterhalten und subjektiv überhöht wahrgenommene
Schmerzkonsequenzen stabilisieren. Vor diesem Hintergrund würden die quantitativen und qualitativen
Funktionseinschränkungen im konkreten Berufsfeld und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch auch durch die
orthopädischen Grunderkrankungen bedingt. Die Klägerin sei für leichte körperliche Arbeiten ohne erhöhte
Anforderungen an das psycho-physische Leistungsvermögen einsetzbar. Auszuschließen seien Überkopfarbeiten,
schweres Heben und Tragen, Arbeiten im Akkord, mit Absturzgefahr und an bewegten Maschinen. Geeignet erscheine
eine abwechslungsreiche Beschäftigung teils sitzend, teils stehend und gehend ohne anhaltende statische Momente
sowie der Möglichkeit zusätzlicher Pausen (ca. 10 Minuten alle zwei Stunden). Zu vermeiden seien Exposition von
Lärm, Staub, Gasen, Dämpfen sowie Nässe, Zugluft und ausgeprägten Temperaturschwankungen. Eine leichte
Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - z.B. als Sachbearbeiterin oder Bürokauffrau - erscheine unter Beachtung
des negativen Leistungsbildes halb- bis unter vollschichtig an Werktagen zumutbar. Aufgrund der krankheitsbedingten
Besonderheiten (erniedrigtes energetisches Niveau, psychovegetative Labilität, fixierte Krankheitshaltung, vorzeitige
Erschöpfbarkeit, Chronifizierung des Störungsbildes) erscheine eine vollschichtige Arbeitstätigkeit - auch für leichte
Arbeiten - nicht realistisch, da die Klägerin recht bald an die Grenzen ihrer psychophysischen Belastbarkeit stoßen
würde. Diese Bewertung resultiere insbesondere aus den psychopathologischen Einschränkungen der Klägerin. Bei
zumutbarer Willensanstrengung sei der bestehende sekundäre Krankheitsgewinn überwindbar, zumal die Klägerin
intellektuell nicht soweit unterdurchschnittlich ausgestattet sei, dass sie nicht erkennen könne, bis zu welchem Grade
ihr Auflehnen gegen Entscheidungen von gesellschaftlichen Institutionen (z.B. Rentenversicherungen etc.) Sinn
mache. Sie sei auch in der Lage, durch Willensanstrengung ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Dies wäre -
qualifizierte psychotherapeutische Behandlung und hinreichende Motivation der Probandin vorausgesetzt - aufgrund
krankheitsbedingter Besonderheiten sowie der eingetretenen Chronifizierung und vorliegender Komorbidität jedoch in
frühestens einem Jahr zu erwarten. In Würdigung von Vorgeschichte, bisherigem Verlauf und aktuellen Befunden sei
diesbezüglich jedoch eine eher ungünstige Prognose zu stellen.
Nach Auswertung des von Dr. St ... erstatteten Gutachtens und der vom Senat eingeholten Befundbereichte erkannte
die Beklagte letztlich mit Schreiben vom 23.05.2001 im Wege eines Teilanerkenntnis einen Anspruch auf Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 01.12.2000 bis 30.11.2003 auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom
28.05.2000 nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht an. Aufgrund des Gutachtens von Dr. St ... vom
05.02.2001 und des Befundberichtes von Dipl.-Med. B ... lasse sich eine Leidensverschlechterung seit dem
28.05.2000 feststellen. Das psychische Störungsbild habe sich mittlerweile chronifiziert.
Die Klägerin nahm das Anerkenntnis mit Schreiben vom 05.06.2001 an. Damit war der Rechtsstreit nach § 101 Abs. 2
SGG erledigt.
Am 06.06.2001 beantragte die Klägerin,
die Kosten der Anhörung des nach § 109 SGG benannten Sachverständigen Dr. med. St ...auf die Staatskasse zu
übernehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die bei der Beklagten geführte
Verwaltungsakten der Klägerin sowie auf die Akten beider Rechtszüge, die dem Senat vorlagen.
II.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Übernahme der anlässlich des Gutachtens von Dr. St ... vom 05.02.2001
entstandenen Kosten und Auslagen auf die Staatskasse zu.
Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten
Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen
Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung steht es im Ermessen des
Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Antragsteller endgültig auferlegt.
Die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens sind nur dann auf die Staatskasse zu übernommen, wenn
dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die
Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht und diese somit objektiv gefördert hat (so auch Meyer-Ladewig,
SGG, 6. Aufl. 1998, § 109 Rdnr. 16a). Zwar kann nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Sachaufklärung
gesehen werden. Es muss sich vielmehr, gemessen an dem Prozessziel der Klägerin, um einen wesentlichen Beitrag
gehandelt haben. Dies bedeutet aber weder, dass nur Gutachten, welche ein für den Kläger günstiges Ergebnis haben,
hierunter fallen können, noch, dass für den Kläger günstige Gutachten stets von der Staatskasse zu übernehmen
sind. Durch die Anbindung an das Prozessziel des Klägers wird lediglich verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine
für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109
SGG vorangetrieben worden ist.
Unter Heranziehung dieser Kriterien sind die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten und Auslagen des von
Dr. St ... erstatteten Gutachtens auf die Staatskasse hier erfüllt. Das Gutachten hat einen wesentlichen Beitrag zur
Sachaufklärung geleistet. Bei der prozessualen Konstellation im Berufungsverfahrenen, wonach die Klägerin eine
weitere Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes auf orthopädischem und psychischem Gebiet geltend
machte, war der Senat von Amts wegen gehalten, den Sachverhalt medizinisch aufzuklären. Auch wenn die vom
Senat beigezogenen Befundberichte des Hausarztes Dipl.-Med. B ... vom 28.05.2000, der Neurologin Dr. L ... vom
05.06.2000, des Dipl.-Psych. F ... vom 13.06.2000 und des Orthopäden Dipl.-Med. K ... vom 30.05.2000 bereits
bestätigen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, war im Verhältnis zu
den im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten zu klären, ab welchem Zeitpunkt ein weiteres Absinken der
Leistungsfähigkeit medizinisch begründet war. In diesem Sinne hat das von Dr. St ... erstattete Gutachten wesentlich
zur medizinischen Sachaufklärung beigetragen, denn es hat eine Chronofizierung des Störungsbildes belegt und
zugleich dargestellt, dass bei weiterer fachgerechter medizinischer Behandlung eine Besserung des
Beschwerdebildes nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Der Senat hätte sich ohne die Einholung des von der
Klägerin beantragten Gutachtens von Amts wegen zur weiteren medizinischen Sachaufklärung gedrängt fühlen
müssen. Insoweit hat das nach § 109 SGG von Dr. St ... erstattete Gutachten letztlich auch zur Beendigung des
Rechtsstreits durch Annahme des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses geführt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage sind die im Zusammenhang mit dem Gutachten von Dr. St ... angefallenen Kosten
und Auslagen auf die Staatskasse zu übernehmen.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.