Urteil des LSG Sachsen vom 17.07.2001

LSG Fss: diabetes mellitus, innere medizin, stationäre behandlung, erwerbsfähigkeit, arbeitsmarkt, rente, parese, toilette, wechsel, berufsunfähigkeit

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.07.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 17 RJ 1212/97
Sächsisches Landessozialgericht L 5 RJ 213/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Juni 2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am ... 1944 geborene Kläger erlernte in der Zeit von September 1958 bis 1961 den Beruf eines
Reparaturschlossers, erwarb nach eigenen Angaben das entsprechende Facharbeiterzeugnis und war in diesem
Berufsbereich bis zur betrieblichen Umsetzung wegen Stellenabbau am 07. Mai 1990 beschäftigt. Anschließend war
er bis zum 31. Oktober 1993 als Farbgeber tätig. Seitdem ist der Kläger arbeitslos und bezieht Leistungen der
Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld.
Den am 18. November 1996 gestellten Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise wegen
Invalidität, begründete er mit Beschwerden der Halswirbelsäule.
Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor:
- das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 05. Juli 1996 (als Schlosser für
absehbare Zeit weiter arbeitsunfähig), - der Befundbericht des Facharztes für Chirurgie S ... vom 10. Januar 1997
sowie - das Gutachten des Dr. Sch ... (Sozialmedizinischer Dienst) vom 12. Mai 1997, in welchem bei degenerativen
Veränderungen der Halswirbelsäule mit Einengung des Cervicalkanales ohne operative Notwendigkeit, statischer
Skoliose der Wirbelsäule mit leichten Funktionseinschränkungen, Hypertonie mittleren Grades und nicht ausreichend
kompensiertem Diabetes mellitus seit dem 11. März 1996 ein unter halbschichtiges Leistungsvermögen als
Reparaturschlosser und ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte
körperliche Arbeiten, im Wechsel zwischen Gehen und Stehen, unterbrochen durch Sitzpausen, ohne häufiges Heben,
Tragen oder Bewegen von Lasten von über 10 kg bescheinigt wurde.
Mit Bescheid vom 03. Juni 1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges
Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Den an 23. Juni 1997 eingegangenen Widerspruch, in
welchem der Kläger wegen starker Schmerzen sein Unvermögen zur Verrichtung körperlicher Arbeit bekundete, wies
die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 1997 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen
könne der Kläger nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nicht mehr in seinem zuletzt ausgeübten Beruf
als Farbgeber, welcher der Berufsgruppe des angelernten Arbeiters im unteren Bereich zuzuordnen sei, tätig sein. Er
sei jedoch in der Lage, ganztägig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Sitzen, Stehen
und Gehen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne Fein- und Präzisionsarbeiten, ohne
Zwangshaltungen im Schultergürtel (Überkopfarbeiten, Armvorhalte) und ohne Tätigkeiten, die überwiegend den
rechten Arm belasten, zu verrichten.
In der am 12. November 1997 bei dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus
dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Facharztes für
Neurologie/Psychiatrie Dr. G ... vom 26. Januar 1998, des Facharztes für Urologie Dr. G ... vom 03. Februar 1998,
des Facharztes für Innere Medizin Dr. T ... vom 02. Februar 1998, des Facharztes für Chirurgie Dr. S ... vom 08.
Dezember 1998, mit MRT-Befund des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. H ... vom 22. Dezember 1998
sowie des Chefarztes der Neurochirurgischen Klinik C ... Dr. Sch ... vom 02. Februar 1999 eingeholt und das
Gutachten des Arbeitsamtes C ... vom 24. November 1997 sowie Unterlagen aus der Patientenakte des Klinikums C
... beigezogen. Des Weiteren hat dem Sozialgericht der Bericht der Reha-Klinik D ... H ... vom 07. September 1998
über eine stationäre Behandlung vom 01. Juli bis zum vom Kläger selbst gewünschten Abbruch am 07. Juli 1998
vorgelegen. Eine Beurteilung des Leistungsvermögens war auf Grund des vorzeitigen Abbruchs nicht möglich; es
wurde Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Auf orthopädischem Gebiet hat das Sozialgericht ein Gutachten von Prof. Dr ...
S ... und auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet von Prof. Dr. B ... erstellen lassen.
Prof. Dr ... S ... gelangte in seinem Gutachten vom 28. Juni 1999 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am
selben Tag zu folgenden Feststellungen/Diagnosen:
- Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule mit mäßiger Funktionseinschränkung und ohne diesbezügliches
neurologisches Defizit, - Verdacht auf psychogene Parese des rechten Armes, - Adipositas universalis, - Hypertonie
und - Diabetes mellitus (insulinpflichtig)
Bei alleiniger Betrachtung der orthopädischen Ursachen für die Einschränkung des Leistungsvermögens
(Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule) seien dem Kläger leichte und mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt zuzumuten. Zur konkreten Einschätzung sei wegen der orthopädisch nicht zu erklärenden Parese des
rechten Armes eine psychiatrische Zusatzbegutachtung erforderlich.
Prof. Dr. B ... erhob nach ambulanter Untersuchung am 09. Februar 2000 in seinem Gutachten vom 03. April 2000 die
Diagnosen/Feststellungen:
auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet:
- Simulation
weitere Erkrankungen:
- arterielle Hypertonie - Diabetes mellitus Typ II b
Der Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Untersuchung im Rentenverfahren insofern verschlechtert, als die
Beleitsymptome im Rahmen der Zuckerkrankheit zugenommen hätten. So sei die geklagte relative Harninkontinenz
als diabetogene Nervenschädigung, das gelegentliche Morgentief als Befindlichkeitsstörung im Rahmen des Diabetes
aufzufassen. Die psychischen und psychopathologischen Auffälligkeiten hätten keinen sozialmedizinischen
Krankheitswert. Die vom Kläger geklagten Beschwerden seien einer Simulation zuzuordnen. Es handele sich hierbei
um ein motivationsgeleitetes, absichtliches Erzeugen falscher oder stark übertriebener körperlicher und psychischer
Symptome. Richtungsweisend für die Diagnose sei das Vorhandensein einer deutlichen Diskrepanz zwischen den von
dem Betroffenen geschilderten Beschwerden und den dargebotenen Behinderungen einerseits sowie den objektiven
Befunden andererseits. Differenzialdiagnostisch sei während der neurologischen Untersuchung sowohl im rechten als
auch im linken Arm ein deutlicher Muskeltonus zu spüren gewesen. Wie bereits in dem Gutachten der Klinik für
Orthopädie Leipzig dargestellt, lägen objektive Zeichen einer länger bestehenden Parese wie Seitendifferenz durch
Muskelatrophie oder die bei völligem Sensibilitätsverlust des rechten Armes hier zu erwartenden unbemerkten
Verletzungen nicht vor. Für die Parese des rechten Armes finde sich kein organisches Korrelat. Der Kläger könne auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten im Sitzen, in geschlossenen Räumen, mit stündlicher
Unterbrechung zum Aufsuchen einer Toilette, acht Stunden täglich verrichten. Vermieden werden sollte auf Grund der
relativen Harninkontinenz das Arbeiten an Maschinen und am Fließband. Die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft, eines
Mitarbeiters in der Poststelle oder eines Pförtners könne er noch vollschichtig ausführen.
Mit Urteil vom 19. Juni 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ausgehend von der Tätigkeit als Farbgeber
hat es den Kläger in die Gruppe der angelernten Arbeiter im unteren Bereich eingestuft und ein vollschichtiges
Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges
Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne Fein- und Präzisionsarbeiten, ohne Zwangshaltungen im
Schultergürtel sowie ohne Tätigkeiten, die überwiegend den rechten Arm belasten, festgestellt. Wegen des
insulinpflichtigen Diabetes sollten keine Tätigkeit mit besonderem Zeitdruck oder mit Absturzgefahr ausgeübt werden.
Auf Grund der Reizblase müsse es möglich sein, während der Arbeit eine Toilette aufsuchen zu können und es sollten
überwiegend nur Tätigkeiten in geschlossenen Räumen verrichtet werden. Beispielsweise könne der Kläger als
Mitarbeiter in einer Poststelle arbeiten.
Der Kläger macht mit der am 04. August 2000 bei dem Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung
geltend, auf Grund der täglich fünfmaligen Insulinspritzung sei ihm das Packen von Päckchen und Paketen sowie
deren Transport im Rahmen einer Tätigkeit als Mitarbeiter einer Poststelle nicht möglich. Zudem sei die
Harninkontinenz nicht geklärt.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Juni 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 03. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 1997 zu verurteilen, dem
Kläger eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Der Senat hat auf medizinischem Gebiet die Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. T ... vom 11.
Dezember 2000 (während eines achtstündigen Arbeitstages mindestens zweimal Insulinspritzung mit
Nahrungseinnahme erforderlich) und des Facharztes für Urologie Dr. G ... vom 18. Dezember 2000 (etwa
halbstündliches bis stündliches Aufsuchen einer Toilette erforderlich) eingeholt sowie ein urologisches Gutachten von
Dr. W ... erstellen lassen. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 04. Mai 2001 nach ambulanter
Untersuchung am 07. März 2001 zu folgenden Diagnosen/Feststellungen:
Verdacht auf neurogene Miktionsstörung
Die urologischen, durch weitere Behandlungen besserbaren Beschwerden führten zumindest in den Berufen
Bürohilfskraft, Mitarbeiter in der Poststelle und Pförtner nur zu einer leichten Beeinträchtigung. Vollschichtig könne
eine mittelschwere Arbeit mit wechselnder Haltung oder auch vorwiegend sitzend, unter klimatisch günstigen
Bedingungen, ohne Zeitdruck und ohne Zwangshaltungen verrichtet werden.
Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Leistungsakten der Beklagten sowie die
Gerichtsakten beider Instanzen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Chemnitz (SG) die Klage abgewiesen, weil dem Kläger ein Anspruch auf die
Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.
Der Kläger ist weder berufs-, noch erwerbsunfähig (§§ 43 Abs. 2 Satz 1, 44 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [a.F.]) und nicht invalide (Art. 2 § 7
Abs. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes RÜG -).
Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen
Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich, geistig oder seelisch
gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.
Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen
Verdienst er in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Gesundheitszustand und nach seinem bisherigen
Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246
RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es auf den
bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte
versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG
SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).
Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als Farbgeber. Diese hat der Kläger vollwertig, bewusst und
gewollt von Mai 1990 bis zum 31. Oktober 1993 zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger den Beruf als Farbgeber noch vollwertig verrichten kann. Denn Berufsunfähigkeit
liegt bei ihm nicht vor. Der Kläger ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen er mehr als die Hälfte
des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.
Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten ein leistungsgeminderter Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, hat
das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die
Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli
1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat das Bundessozialgericht zu diesen drei Gruppen noch
eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5
RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom
19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter
gliedert sich in einen oberen und in einen unteren Bereich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109, 132, 143). Dem
unteren Bereich unterfallen alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit
von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder
Anlernzeit von über zwölf Monaten bis zu vierundzwanzig Monaten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45). Jeder
Versicherte kann auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem
bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter im oberen
Bereich auf angelernte und ein solcher im unteren Bereich auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden (vgl. BSG
SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 m.w.N.).
In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist der Kläger allenfalls der Gruppe mit dem Leitberuf
des angelernten Arbeiters im unteren Bereich zuzuordnen. Dies ergibt sich den eigenen Darstellungen des Klägers im
Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren, wonach er für die Tätigkeit als Farbgeber weder eine
Ausbildung absolviert hat, noch angelernt worden ist. Auf die bis zum 07. Mai 1990 verrichtete Tätigkeit als
Modellschlosser kann nicht abgestellt werden. Denn dieser Beruf ist nach eigener Angabe des Klägers infolge eines
Stellenabbaues und damit nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben worden. Die Tätigkeit eines Farbgebers
(Spritzer) entspricht auch im Wesentlichen nicht dem Berufsbild eines Modellschlossers. Insofern ist der Kläger sozial
zumutbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass diese konkret benannt
werden müssten.
Für mindestens leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes besteht ein vollschichtiges
Leistungsvermögen. Nach Überprüfung schließt sich der Senat insoweit den Feststellungen des SG an und nimmt
unter Verweisung darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine andere Leistungsbeurteilung ergibt sich auch nicht nach
den im Berufungsverfahren erfolgten medizinischen Ermittlungen. Die von Dr. T ... mitgeteilte Notwendigkeit der
zweimaligen Insulinspritzung während eines achtstündigen Arbeitstages steht einer vollschichtigen Tätigkeit nicht
entgegen. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass das Testen des Blutzuckers und das Insulinspritzen regelmäßig
nicht mehr als fünf bis sieben Minuten in Anspruch nimmt. Nach § 4 des Arbeitszeitgesetzes vom 06. Juni 1994
(BGBl. I Seite 1170) ist die Arbeit bei täglicher Arbeitszeit von sechs bis zu neun Stunden durch im Voraus
feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zu unterbrechen. Dabei können die Ruhepausen in
Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden. Binnen dieser Zeit kann der Kläger sowohl die
Blutzuckertestung und Insulinspritzung, als auch jeweils eine Zwischenmalzeit einnehmen. Die vom Kläger
behauptete Notwendigkeit zum halbstündlichen Aufsuchen einer Toilette vermochten in dem urologischen Gutachten
des Dr. W ... vom 04. Mai 2001 bei einer Blasenkapazität von 350 ml urodynamisch nicht objektiviert zu werden, so
dass auch eine längere Zeit zwischen den Miktionen möglich ist. Betriebsunübliche Pausen (vgl. BSG, Urteil vom 30.
Mai 1984 5a RKn 18/83 SozR 2200 § 1247 RVO Nr. 43) muss der Kläger daher während der Arbeitszeit nicht
einhalten.
Der Umstand, dass es in einer Zeit angespannter Arbeitsmarktlage schwierig ist, einen passenden Arbeitsplatz zu
finden, und die Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu einer derartigen Vermittlung nicht in der Lage ist, ist kein Grund zur
Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Denn bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ist der Arbeitsmarkt der
gesamten Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, und es kommt auf die Zahl der vorhandenen, nicht auf die
Zahl der gerade freien Arbeitsplätze an (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -
BSGE 80,24 -).
Nachdem der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI (a.F.) ist, hat er erst recht keinen
Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den strengeren Vorschriften des § 44 SGB
VI (a.F.). Bei einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind
auch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen Invalidität gemäß Art. 2 § 7 des RÜG oder wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2001 BGBl.
2000, Teil I, Seite 1827) nicht erfüllt.
Die Anwendung der §§ 43, 44 SGB VI a.F. resultiert aus der Rentenantragstellung im November 1996 (§ 300 Abs. 2
SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG
nicht vorliegen.