Urteil des LSG Sachsen vom 18.01.2001

LSG Fss: abgabe, entlassung, beendigung, unternehmen, anfang, allgemeines verwaltungsrecht, unbestimmter rechtsbegriff, landwirtschaft, thüringen, kausalität

Sächsisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.01.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 2 LW 6/98
Sächsisches Landessozialgericht L 6 LW 1/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 01. Dezember 1999 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision
wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausgleichsgeld für die Zeit ab dem 01.01.1997.
Der am ... geborene Kläger war in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum 31.12.1990 als Werkstattmeister bei der
Landesproduktionsgenossenschaft "Wilhelm P ..." in M ... tätig. Anschließend arbeitete er in gleicher Tätigkeit bei
dem Agrarbetrieb M ... e. G. Dort war er mit der Wartung, Pflege und Instandhaltung der Stallanlagen betraut. Der
Agrarbetrieb kündigte das Beschäftigungserhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 01.07.1996 zum 31.12.1996.
Mit Antrag vom 02.07.1996 begehrte der Kläger die Gewährung von Ausgleichsgeld.
In der Arbeitgeberbescheinigung zum Antrag auf Ausgleichsgeld bestätigte der Agrarbetrieb, das
Beschäftigungsverhältnis als Werkstattmeister sei wegen Stilllegung von Ackerflächen im Umfang von 61,1 ha bei
einer Gesamtfläche von 1.162,28 ha unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.12.1996 beendet
worden.
Der frühere Arbeitgeber des Klägers nahm in der Zeit von 1993 bis 1997 an der konjunkturellen Flächenstilllegung
nach der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 teil. Die Größen der Gesamtfläche und der jeweiligen Stilllegungsfläche
(Angaben jeweils in ha) entwickelten sich wie folgt:
Jahr Gesamtfläche Still. Fläche 1993 1.200,66 83,97 1994 1.184,51 80,64 1995 1.173,21 85,02 1996 1.161,23 61,01
1997 1.156,63 35,82
Zum 15.12.1992 beschäftigte der Agrarbetrieb 78 Mitarbeiter. Im Jahr 1993 entließ das Unternehmen einen
Mitarbeiter, im Jahr 1994 drei Mitarbeiter, im Jahr 1995 sechs Mitarbeiter und im Jahr 1996 fünf Mitarbeiter unter dem
Hinweis auf Flächenstilllegungsmaßnahmen. Die Beklagte bewilligte in 12 Fällen die Anträge auf Ausgleichsgeld, drei
Anträge, darunter den des Klägers, lehnte sie hingegen ab.
Der Agrarbetrieb nahm zu den Gründen für die Kündigung wie folgt Stellung: Das Unternehmen bewirtschafte einen
intensiven Tierproduktionsbetrieb bei einer relativ geringen Flächenausstattung. Durch die Flächenstilllegungen
arbeitsintensiver Futterkulturen seien erheblich weniger Arbeitskräfte im Bereich der Pflanzenproduktion benötigt
worden. In diesem Bereich seien sieben Mitarbeiter freigesetzt worden. Im Übrigen habe das Unternehmen den
Viehbestand um über 1.200 Stück innerhalb von zwei Jahren reduziert. Dadurch seien acht weitere Arbeitskräfte
entlassen worden.
Mit Bescheid vom 20.10.1997 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Ausgleichsgeld zurück.
Es könne von keiner Entlassung auf Grund einer Flächenstilllegung ausgegangen werden. Der zeitliche
Zusammenhang zwischen dem Beginn der maßgeblichen Stilllegung zum 15.01.1995 und der Entlassung zum
31.12.1996 sei nicht erfüllt.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 09.11.1997 Widerspruch ein. Er habe - auch wegen der langen
Bearbeitungszeit - darauf vertraut, dass in seinem Fall ebenso das Ausgleichsgeld bewilligt werde, wie auch bei
seinen ehemaligen Kollegen. Deshalb sei er finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Auf Grund seines Alters und der
Arbeitsmarktlage habe er kaum eine Chance, eine neue Arbeit zu finden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.1998 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück und bestätigte
ihren Bescheid vom 20.10.1997. Auch das Vorbringen während des Widerspruchsverfahrens lasse eine andere
Beurteilung nicht zu. Hinsichtlich der 1992/1993 begonnenen Stilllegung könne bei bis zu sechs bis 15.07.1993
beendeten Arbeitsverhältnissen vermutet werden, dass dies durch die Stilllegung verursacht worden sei. Wegen der
Erhöhung der Stilllegungsfläche im Jahr 1995 gelte dies entsprechend für eine weitere Kündigung. Tatsächlich seien
1995 aber acht Arbeitsverhältnisse beendet worden. Damit sei keine weitere den Anspruch auf Gewährung von
Ausgleichsgeld rechtfertigende Quote vorhanden. Ferner fehle es am zeitlichen Zusammenhang.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner am 20.02.1998 beim Sozialgericht Dresden (SG) eingegangenen Klage
vom 18.02.1998. Das Gesetz fordere keinen zeitlichen Zusammenhang. Der Kausalitätsnachweis werde durch eine
Bestätigung des Arbeitgebers erbracht. Mehrfache plausible Erklärungen durch den Arbeitgeber des Klägers seien von
der Beklagten nicht ausreichend gewürdigt worden. Da aus dem Unternehmen, in dem der Kläger gearbeitet habe,
bereits 12 Arbeitnehmern Ausgleichsgeld gezahlt werde, sollte dies auch dem Kläger gewährt werden.
Das SG holte weitere Stellungnahmen bei dem früheren Arbeitgeber ein. Der Agrarbetrieb führte mit Schreiben vom
30.11.1998 aus: Wegen EU-Regelungen habe der Betrieb Futterflächen stillgelegt und den Tierbestand vermindert. Der
Mastrinderbestand sei in den Jahren 1994 bis 1997 wegen des geringeren Futteraufkommens von ca. 3.000
Mastrindern auf 300 Stück reduziert worden. Der verzögerte Abbau des Tierbestandes hätte zur Folge gehabt, dass
auch die Kündigung des Klägers als Werkstattmeister erst nach Auslaufen der Produktion möglich gewesen sei.
In einem Parallelverfahren überreichte das Staatliche Amt für Landwirtschaft eine Aufstellung zu den Tierbeständen
des Agrarbetriebes in den Jahren 1993 bis 1998. Danach belief sich der Rinderbestand
1993 auf 3.790 Tiere 1994 auf 3.399 Tiere 1995 auf 3.433 Tiere 1996 auf 3.656 Tiere 1997 auf 2.899 Tiere und 1998
auf 1.620 Tiere.
In der mündlichen Verhandlung am 01.12.1999 hörte das SG den Vorstandsvorsitzenden des Agrarbetriebes, Herrn N
..., als Zeugen. Herr N ... gab an, dass die Flächenstilllegungen für alle Kündigungen ausschlaggebend gewesen
seien. Wegen des flächenstilllegungsbedingt verringerten Futteraufkommens sei der Viehbestand um ein Drittel,
nämlich ca. 1000 Rinder, abgebaut worden. In der Folge sei auch der Arbeitsplatz des Klägers als Werkstattmeister
weggefallen.
Durch Urteil vom 01.12.1999 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der erforderliche Kausalitätsnachweis zwischen der
maßgeblichen Flächenstilllegung im Jahr 1995 und der Entlassung des Klägers zum 31.12.1996 sei nicht erbracht.
Gegen das am 13.12.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07.01.2000, beim SG Dresden
eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. In der Begründung vom 03.04.2000 verweist der Vertreter des
Klägers darauf, dass entgegen der Auffassung des SG von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der 1995
erfolgten Flächenstilllegung und der Entlassung zum 31.12.1996 auszugehen sei. Hinsichtlich der Stilllegung im Jahr
1995 könne als Beginn nicht der 15.01.1995 angenommen werden. Der Arbeitgeber könne nämlich erst bei Vorliegen
des rechtskräftigen Bescheides des Amtes für Landwirtschaft über die Genehmigung des Antrages zur
Flächenstilllegung auf deren Bestand vertrauen und die sich daraus ergebenden innerbetrieblichen Maßnahmen wie
die Entlassung von Arbeitnehmern treffen. Der entsprechende Bescheid habe hier erst im September 1995
vorgelegen. Die zeitliche Verzögerung zur Entlassung des Klägers zum 31.12.1996 habe im Zusammenhang mit
seiner konkreten Tätigkeit als Werkstattmeister gestanden. Die Reduzierung des Tierbestandes infolge der
Flächenstilllegung 1995 habe sich bis Ende 1996 hingezogen. Der Bestand an Mastrindern habe sich seit 1994 wie
folgt entwickelt:
Jahr Anzahl 1994 2.694 Tiere 1995 2.702 Tiere 1996 3.091 Tiere 1997 2.339 Tiere
In den Jahren 1994 und 1995 sei der Tierbestand auf Grund von Tierseuchen eingetretener Verluste weit unter den
Soll-Tierbestand abgesunken. Es sei davon auszugehen, dass ohne die zusätzliche Flächenstilllegung 1995 der
Arbeitsplatz des Klägers erhalten geblieben wäre. Der Umstand, dass möglicherweise zu vielen Arbeitnehmern aus
dem ehemaligen Betrieb Ausgleichsgeld bewilligt worden sei, dürfe dem Kläger beim Vorliegen aller sonstigen
gesetzlichen Voraussetzungen nicht zum Nachteil gereichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 01.12.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.10.1997 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab
dem 01.01.1997 Ausgleichsgeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Ausführungen des Klägers seien nicht geeignet, das im Ergebnis zutreffende Urteil des SG zu widerlegen.
Dem Senat liegen die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsgeld ab 01.12.1997 gemäß § 9 Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs.
1 Nr. 6 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) vom 21.
Februar 1989 (BGBl. I Seite 233), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I, Seite 3843) zu.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FELEG erhalten Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung tätig sind, ein
Ausgleichsgeld, wenn 1. ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 des
Gesetzes über die Altersicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stilllegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und
2. sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate im Unternehmen der
Landwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stilllegung oder
Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich
tätig gewesen sind. Satz 2 Nr. 1 verlangt darüber hinaus, dass das 55. Lebensjahr vor dem 01. Januar 1997 vollendet
wurde.
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6 FELEG gelten die §§ 9 bis 12 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung
in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe sonstiger EWG-rechtlicher
Vorschriften hinsichtlich einer Stilllegung oder Extensivierung landwirtschaftlicher Nutzfläche endet.
1. § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG setzt mit den Worten "auf Grund" einen Ursachenzusammenhang zwischen der
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einerseits und der Flächenstilllegung oder der Abgabe von Flächen
andererseits voraus. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei diesen Worten aus dogmatischer Sicht um einen
unbestimmten Rechtsbegriff handelt (so LSG Thüringen, Urteil vom 26. März 1998, Az. L 2 LW 397/97), weil das
Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage in jedem Fall voller richterlicher Überprüfung
zugänglich ist und § 9 Abs. 1 Nr. 1 FELEG der Verwaltung ohnehin kein - nur eingeschränkt überprüfbares - Ermessen
eröffnet. Zu beachten ist insoweit, dass jeder in einer Rechtsnorm verwendete Begriff in seinem Sinngehalt
mehrdeutig und somit unbestimmt ist (vgl. Achterberg, Norbert, Allgemeines Verwaltungsrecht. Ein Lehrbuch, 2.
Auflage, 1986, § 18, Rdnr. 39, S. 341: Der Ausdruck "unbestimmter Rechtsbegriff" sei ein Pleonasmus). Deshalb
bedürfen auch die Worte "auf Grund" - wie jedes Tatbestandsmerkmal - der Auslegung (siehe Achterberg, a. a. O., S.
341 ff.; vgl. ferner Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgmeiner Teil, 10. Auflage 1973, § 5,
S. 86: "Die Handhabung rein empirischer Begriffe ist ... Auslegung".) Für die Ermittlung eines Kausalzusammenhangs
ist insbesondere im Recht der Sozialversicherung die Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung entwickelt
worden, welcher sich auch der erkennende Senat anschließt. Im Gegensatz zu der Äquivalenztheorie - wonach alle
Ursachen als gleichwertig angesehen werden (sog. conditio sine qua non-Formel) - nimmt die Lehre von der rechtlich
wesentlichen Bedingung eine Bewertung der Ursachen vor und gewichtet sie entsprechend. Damit steht sie der
ebenfalls wertenden, im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie nahe. Anders als diese ist sie aber nicht generalisierend
und abstrahierend, sondern vielmehr individualisierend und konkretisierend. Sie ermöglicht mithin anhand einer an den
Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Wertung eine am Gesetzeszweck orientierte Bestimmung und Begrenzung
der Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers (vgl. zum Ganzen: Schulin, Bertram, Sozialrecht. Ein Studienbuch, 5.
Auflage, 1993, Rdnr. 337 ff.) Im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FELEG sind bei der Beurteilung der
Kausalitätsfrage regelmäßig folgende Kriterien zu berücksichtigen:
a) innerer Zusammenhang zwischen Ende der Beschäftigung und Stilllegung/Abgabe
Hiermit ist der sachliche Grund, also das Motiv für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses angesprochen
(siehe LSG Thüringen, a. a. O., und LSG Sachsen- Anhalt, Urteil vom 20. Mai 1998, Az. L 3 LW 2/97).
Stilllegung/Abgabe
Dieses Kriterium meint die zeitliche Komponente: Der zeitliche Zusammenhang kann nur bejaht werden, wenn die
Flächenstilllegung/Abgabe und das Ende der Beschäftigung nicht zu weit auseinander liegen (siehe LSG Thüringen
und LSG Sachsen-Anhalt, jeweils a. a. O.). Wann dies der Fall ist, wird unterschiedlich eingeschätzt: Der
Gesetzgeber hielt die grundsätzliche Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten in
einem Gesamtzeitraum von zwölf Monaten - Beendigung der Beschäftigung sechs Monate vor und sechs Monate
nach der (Teil-) Flächenstilllegung - für plausibel (siehe BT-Drucks 13/391, Seite 7). Ausnahmsweise könne jedoch
auch außerhalb dieses Zeitrahmens der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs bei Arbeitsplatzverlusten
geführt werden (siehe BT-Drucks., a. a. O.). Die Landessozialgerichte Thüringen und Sachsen-Anhalt verneinen den
zeitlichen Zusammenhang, sobald zwischen Stilllegung/Abgabe und Ende des Beschäftigungsverhältnisses ein
Zeitraum von ca. zwei Jahren liegt (siehe jeweils a. a. O.). Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Prüfung des
zeitlichen Zusammenhangs stets der Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und nicht derjenige
der Kündigung maßgeblich.
c) Proportionalität zwischen dem Verhältnis der durch die Stilllegung/Abgabe freigesetzten Arbeitnehmer zur
Gesamtzahl der Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Unternehmen und dem Verhältnis der in die Stilllegung/Abgabe
einbezogenen Fläche zur Gesamtfläche des Unternehmes (siehe Rombach, Wolfgang, Altersicherung der Landwirte,
Das neue Recht nach dem Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung, 1995, Seite 299, sowie LSG Thüringen, a.
a. O.)
Das Verhältnis zwischen Flächenstilllegung und Personalbestand ist für jedes Jahr neu zu bestimmen, in dem die
Stilllegungsfläche erhöht wurde. Maßgeblich ist insoweit dann nur die zusätzlich stillgelegte Fläche. Die Praxis der
Beklagten, von der Anzahl der Arbeitnehmer vor der ersten Entlassung abzüglich der errechneten Quote vom Vorjahr
auszugehen, verkennt, dass Arbeitnehmer regelmäßig nicht nur auf Grund von Flächenstilllegungen entlassen werden.
Die von der Beklagten zu Grunde gelegte Fiktion wird somit den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Lehnt man
diesen Berechnungsweg jedoch ab, so kann konsequenterweise für die der ersten Stilllegung folgenden Jahre auch
nicht auf die ursprüngliche Gesamtbetriebsfläche abgestellt werden. Denn dies macht nur Sinn, wenn die
Verhältnismäßigkeit zwischen Fläche und Personal ausschließlich durch Stilllegungen definiert würde. Will man den
tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden, so ist grundsätzlich für jedes Jahr mit zusätzlicher Flächenstilllegung die
jeweils aktuelle Gesamtbetriebsfläche zu berücksichtigen.
Sofern in einem Jahr weniger Arbeitnehmer entlassen wurden, als es unter Proportionalitätsgesichtspunkten der
stillgelegten Fläche entsprach, ist eine pauschale Quotenübertragung auf die Folgejahre nicht möglich. Denn es bedarf
stets auch des inneren Zusammenhangs zwischen Stilllegung/Abgabe und konkretem Arbeitsplatzverlust (Kriterium
unter a).
d) tatsächlicher Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes (siehe LSG Thüringen, a. a. O., und LSG Brandenburg, Urteil
vom 17. März 1999, Az. L 4 LW 1/98)
Vom Gesetzeszweck her dient das Ausgleichsgeld als Ausgleich dafür, dass wegen der Flächenstilllegung/Abgabe
der Arbeitsplatz tatsächlich entfällt.
Stilllegung/Abgabe
Hierbei wird die zu prüfende Kausalität bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Flächenbezug (z.B. Tätigkeit im Feldbau)
eher zu bejahen sein als bei einer Tätigkeit ohne unmittelbaren Flächenbezug (z.B. Tätigkeit in der Verwaltung oder
der Viehproduktion).
Insgesamt gilt, dass nur eine wertende Zusammenschau sämtlicher aufgeführter Kriterien eine dem jeweiligen
Einzelfall gerecht werdende Entscheidung ermöglicht (vgl. BT-Drucks 13/391, Seite 7):
Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber der Ursächlichkeit zwischend der Stilllegung/Abgabe auf der einen Seite
und der Beendigung der Beschäftigung auf der anderen Seite erhebliches Gewicht beigemessen hat (siehe BT-Drucks
11/2972, Seiten 11 ff., 16). Dies ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass der Vorschlag der SPD-Fraktion, auf
das Kausalitätserfordernis bei Arbeitnehmern vollständig zu verzichten, vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen wurde
(siehe BT-Drucks 11/3859, Seiten 21 ff., und 11/7233, Seiten 11 und 13). Vor diesem Hintergrund erscheint die
Auffassung fragwürdig, es dürften keine strengen Anforderungen an die Kausalität gestellt werden, vielmehr genüge
Mitursächlichkeit (so aber Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen [Hrsg.], Stellungnahme zum FELEG,
2. Auflage, 1993, Seiten 172 und 207).
Ebenso wenig vermag die Meinung zu überzeugen, der Kausalitätsnachweis sei bereits erbracht, wenn der
Unternehmer bestätige, der Verlust des Arbeitsplatzes sei auf die Stilllegung/Abgabe zurückzuführen, es sei denn es
lägen konkrete Erkenntnisse darüber vor, dass die Angabe nicht der Realität entspreche (so jedoch Gesamtverband
der landwirtschaftlichen Alterskassen, a. a. O., Seite 207).
Weiterhin ist die Gesamtbetrachtung stets so vorzunehmen, dass besonders schwerwiegende sonstige Umstände
eine Ausnahmeentscheidung zulassen (vgl. BT-Drucks 13/391, Seiten 7 ff.; zum Fall der Zusicherung der Gewährung
von Ausgleichsgeld seitens der Verwaltung siehe Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Januar 2000, Az. L 4 LW 20/99).
2. Im vorliegenden Fall führt die Anwendung dieser Kriterien zu folgenden Ergebnissen:
a) Der innere Zusammenhang zwischen der Kündigung des Klägers zum 31.12.1996 und der Flächenstilllegung im
Jahr 1995 ist nicht nachgewiesen. Ein Zusammenhang zwischen Stilllegung und Entlassung könnte nur dann bejaht
werden, wenn der Agrarbetrieb die Kündigung aussprach, weil sich der Viehbestand wegen der Reduzierung der
Futterfläche so weit reduziert hatte, dass die Arbeitskraft des Klägers, der für die Wartung, Pflege und Instandhaltung
der Stallanlagen zuständig gewesen ist, überflüssig wurde. Der Senat legt bei der Beurteilung dieser Frage die Zahlen
zum Tierbestand zugrunde, die das Staatliche Amt für Landwirtschaft Niesky mitteilte. Danach umfasste der
Rinderbestand Anfang des Jahres 1993 insgesamt 3.790 Tiere. Die Zahl reduzierte sich auf 3.399 Tiere Anfang 1994
bzw. 3433 Tiere Anfang 1995, bevor sie Anfang 1996 wieder auf 3.656 Tiere anstieg. Einen erneuter Rückgang war
Anfang 1997 zu verzeichnen, als der Rinderbestand auf 2.899 Tiere sank. Der Agrarbetrieb beteiligte sich erstmals
Anfang 1993 mit 83,97 ha an der konjunkturellen Flächenstilllegung. Laut Aussage des Vorstandsvorsitzenden N ...
wirkte sich das verringerte Futteraufkommen mit einer zeitlichen Verzögerung von zwei Jahren aus. Hiermit
korrespondiert der geringere Rinderbestand Anfang 1995. 1995 erhöhte der Agrarbetrieb die Stilllegungsfläche
gegenüber 1993 lediglich um 1,05 ha. Ein verzögerter Abbau des Rinderbestandes auf 2.899 Tiere Anfang 1997 läßt
sich mit dieser geringen Erhöhung nicht erklären. Die Schließung von Stallanlagen und damit der Wegfall des mit
deren Wartung, Pflege und Instandhaltung betrauten Klägers können deshalb nicht auf die Erhöhung der
Stilllegungsfläche im Jahr 1995 zurückgeführt werden.
b) Hinsichtlich der erstmaligen Stilllegung Anfang 1993 ist die zeitliche Differenz zur Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.12.1996 zu lang, als dass hier noch ein Kausalzusammenhang
angenommen werden könnte. Ob der zeitliche Zusammenhang zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und
Beginn der Maßnahme 1995 hier als gegeben anzusehen ist, kann offenbleiben. Denn insoweit fehlt es bereits an dem
inneren Zusammenhang.
c) Unter Proportionalitätsgesichtspunkten kann für die Beendigung von sechs Beschäftigungsverhältnissen ein
Zusammenhang mit der Stilllegung 1993 vermutet werden. Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Stilllegungsfläche
1995 ist dies für weniger als 0,1 Beschäftigungsverhältnisse möglich.
d) Der Arbeitsplatz des Klägers ist weggefallen.
e) Bei der Tätigkeit eines Werkstattmeisters ist ein unmittelbarer Flächenbezug zu verneinen.
Unter Würdigung der arbeitgeberseitigen Informationen ist zusammenfassend festzustellen, dass ein
Kausalzusammenhang zwischen den Flächenstilllegungen und der Entlassung des Klägers nicht besteht. Hinsichtlich
der erstmaligen Flächenstilllegung 1993 ist die Kausalität wegen der zeitlichen Differenz von ca. vier Jahren bis zur
Entlassung des Klägers zu verneinen. Die Kündigung des Klägers läßt sich auch nicht damit erklären, dass der
Rinderbestand wegen der Erhöhung der Stilllegungsfläche 1995 weiter reduziert werden musste und seine Arbeitskraft
deshalb eingespart werden konnte. Die Erhöhung um 1,05 ha rechtfertigt einen derartigen Tierbestandsabbau nicht.
Eine Verringerung des Tierbestandes ohne Bezug auf eine stillgelegte Futterfläche kann keinen
Kausalzusammenhang zwischen Entlassung und Stilllegung herstellen. Die Art der Tätigkeit des Klägers als
Werkstattmeister - eine Tätigkeit ohne unmittelbaren Flächenbezug - und Proportionalitätsgesichtspunkte führen zu
keiner andereren Einschätzung. Rechnerisch wären mit den erfolgten Stilllegungsmaßnahmen maximal 7
Entlassungen zu begründen gewesen. Tatsächlich hat die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers jedoch im
Zusammenhang mit den Flächenstilllegungen 15 Kündigungen ausgesprochen, davon allein 6 im Jahr 1995 und 5 im
Jahr 1996. Die tatsächlichen Entlassungen stehen damit nicht nur in einem Mißverhältnis zu der zeitlich
korrespondierenden letztmaligen Stilllegungserhöhung 1995, sondern übersteigen auch den insgesamt rechnerisch mit
den Stilllegungsmaßnahmen zu rechtfertigenden Personalabbau.
Besondere Gründe, die hier ausnahmsweise doch zur Kausalität führen, liegen nicht vor. Wollte man jegliche
Mitursächlichkeit ausreichen lassen, gäbe man de facto die im Sozialrecht geltende Kausalitätstheorie von der
wesentlichen Bedingung auf. Alle Ursachen wären dann wie bei der Äquivalenztheorie gleichwertig und eine wertende
Betrachtung ausgeschlossen. Dies aber würde dem Gesetzeszweck des FELEG zuwiderlaufen. Andernfalls müsste
jeder noch so vage Zusammenhang zwischen Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses und Flächenstilllegung
zur Bejahung der Kausalität führen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Kausalitätsfrage im Rahmen von § 9 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 FELEG grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist.