Urteil des LSG Sachsen vom 02.01.2009

LSG Fss: bedürftigkeit, zivilprozessordnung, terminologie, mutwilligkeit, zuschuss, vergleich, krankenversicherung

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 02.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Chemnitz S 20 AS 3817/07 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 2 B 641/08 AS-PKH
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 11.08.2008 wird
verworfen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes. Darin war die Höhe der den Antragstellern (Ast.) vorläufig zustehenden Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes endete durch den am 20.11.2007 geschlossenen Vergleich, wonach
sich die Beteiligte verpflichtete, an den Ast. zu 3) einen monatlichen Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von
40,00 EUR ab dem 08.10.2007 für die Dauer eines halben Jahres zu gewähren. Zudem trug die Beteiligte die Hälfte
der außergerichtlichen Kosten des Ast. zu 3).
Das Sozialgericht Chemnitz (SG) hat mit Beschluss vom 01.07.2008 der Ast. zu 1) für das Verfahren vor dem SG
PKH bewilligt und Rechtsanwalt beigeordnet.
Mit weiterem Beschluss vom 11.08.2008 hat es die Bewilligung von PKH für die Ast. zu 2) und 3) abgelehnt. Nach §
73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sei in dem
Antrag auf Bewilligung von PKH eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie
entsprechende Belege beizufügen. Für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei
hierbei gemäß § 117 Abs. 3 ZPO i.V.m. der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) das dafür vorgesehene
amtliche Formular zu verwenden. Erst dann könne überhaupt geprüft werden, ob PKH zu bewilligen sei, so dass bis
zur Vorlage einer solchen formgerechten Erklärung nebst Belegen noch kein ordnungsgemäßer Antrag auf PKH
vorliege (Sächsisches LSG, Beschluss vom 15.12.2005 – L 6 B 10/05 R KN-PKH -, zitiert nach Juris, Rn. 11-15).
Wenn der Ast. innerhalb der von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet habe, lehne das
Gericht gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO den Antrag auf Bewilligung von PKH ab.
Das sei hier der Fall, weil ein ausgefüllter und unterschriebener Erklärungsvordruck für die Ast. zu 2) und 3) trotz des
Hinweises des Gerichts nicht beim SG eingegangen sei. Die Beschwerde sei zulässig, da sich die Ablehnung nicht
auf das Fehlen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, sondern auf das Fehlen des Antrags auf PKH
stütze.
Gegen den den Prozessbevollmächtigten der Ast. zu 2) und 3) am 13.08.2008 zugestellten Beschluss haben diese
am 27.08.2008 beim SG Beschwerde eingelegt, die am 15.09.2008 beim Sächsischen LSG eingegangen ist. Die
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ast. zu 2) und 3) habe nachgereicht werden
können und sei kurzzeitig nach dem vom Gericht genannten Termin am 12.12.2007 übersandt worden. Zum Zeitpunkt
des Beschlusses des SG am 11.08.2008 hätten sich die entsprechenden Unterlagen beim SG befunden.
Der Beschwerdegegner (Bg.) erachtet die Beschwerde für nicht statthaft wegen des mit Wirkung zum 01.04.2008
geänderten § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (Sächsisches LSG, Beschluss vom 22.07.2008 – L 3 B 407/08 AS-PKH -).
Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen vor. Ihr Inhalt war Gegenstand der
Entscheidungsfindung.
II.
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3
Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Beschwerde ist nicht zulässig. Daher war sie zu verwerfen.
Die Beschwerde ist nicht statthaft. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde gegen
die Ablehnung von PKH seit 01.04.2008 ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint.
Der 3. Senat des Sächsischen LSG hat mit Beschluss vom 22.07.2008 – L 3 B 407/08 AS-PKH – entschieden:
Tenor:
"Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG umfasst auch den Fall, in dem der
Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt worden ist, weil nach Auffassung des Sozialgerichts der nach § 73a Abs. 1 Satz
1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. der
Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3001) in der Fassung des Artikel
36 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) erforderliche Vordruck nicht vorgelegt worden ist. Denn
der Gesetzgeber fordert in § 114 Abs. 1 ZPO, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwei Voraussetzungen
erfüllt sein müssen: Die Bedürftigkeit des Antragstellers nach dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
einerseits und die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und die fehlende
Mutwilligkeit andererseits. Die Terminologie aus § 114 Abs. 1 ZPO findet sich in anderen Regelungen zum
Prozesskostenhilferecht wieder, z.B. in § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder § 127 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 ZPO.
In diesem zweigeteilten System gehören die genannten Regelungen zu Formerfordernissen ebenso wie z.B. die
Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen (§ 115 ZPO) oder die Festsetzung von Zahlungen (§
120 ZPO) zu dem Teil, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft. Demzufolge gilt die Regelung
des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG über den Beschwerdeausschluss gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe
verneint, erst Recht für den Unterfall, dass das Sozialgericht die prozesskostenhilferechtliche Bedürftigkeit wegen
eines seiner Auffassung nach fehlenden Vordrucks zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse meint nicht prüfen zu können."
Dieser Auffassung schließt sich die Einzelrichterin des 2. Senats nach eigener Prüfung an.
Nach alledem war die Beschwerde zu verwerfen.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.