Urteil des LSG Saarland vom 14.01.2005
LSG Saarbrücken: anerkennung, arbeitsamt, anspruch auf bewilligung, verwaltungsakt, ausbildung, verfügung, wartefrist, universität, weiterbildungskosten, praktikum
LSG Saarbrücken Urteil vom 14.1.2005, L 8 AL 15/03
Anerkennung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme aufgrund der Antragstellung des
Teilnehmers - rechtzeitige Antragstellung - Beurteilung der Rechtslage bei Anfechtungs- und
Leistungsklage - allgemeine Information über Förderungsfähigkeit - Verwaltungsakt
Leitsätze
Hat ein Maßnahmeträger selbst keinen Antrag auf Anerkennung einer beruflichen
Weiterbildungsmaßnahme gestellt, muss sich ein Antragsteller mit seinem Antrag auf
Förderung der Teilnahme an dieser Weiterbildungsmaßnahme so rechtzeitig an die
zuständige Arbeitsargentur wenden, dass die nach § 86 I SGB III erforderlichen
Feststellungen noch rechtzeitig vor Maßnahmebeginn getroffen werden können. Dies ist
grundsätzlich nur der Fall. wenn der Förderungsantrag vor Beginn der 3 - Monats - Frist
des § 2 III 2 AFbW gestellt wird.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
06.09.2001 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Förderung eines Fernlehrgangs „C.T.".
Die 1967 geborene Klägerin sprach am 11.04.2000 bei der Beklagten vor und teilte mit,
dass sie beim Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung an der U.B. ein weiterbildendes
Fernstudium „C.T." absolvieren wolle und sich die Frage der Förderungsfähigkeit stelle.
Mit Schreiben vom 17.04.2000 teilte die Klägerin mit, dass sie sich zu dem Fernlehrgang
„C.T." angemeldet habe; sie habe den Vertrag vorbehaltlich der Zustimmung des
Arbeitsamtes zur Förderung geschlossen.
Mit Schreiben vom 15.05.2000 teilte der Bedienstete H. vom Arbeitsamt S. der Klägerin
mit, ihm sei von den zuständigen Mitarbeitern mitgeteilt worden, dass die Teilnahme an
dem Kurs nicht gefördert werden könne. Er bedauere dies und reiche die überlassenen
Unterlagen wieder zurück.
Gegen dieses Schreiben legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid
vom 18.10.2000 als unzulässig verworfen wurde. In den Gründen des
Widerspruchsbescheides wurde u. a. ausgeführt, dass nur ein Verwaltungsakt im Sinne des
§ 31 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs, Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz (SGB X) durch einen Widerspruch angefochten werden könne. Bei dem
Schreiben vom 15.05.2000 handele es sich aber nicht um einen Verwaltungsakt.
Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin Klage in dem Verfahren S 16 AL
144/01. Dieses Verfahren ist mit Beschluss vom 15.11.2001 bis zum Abschluss des
hiesigen Berufungsverfahrens zum Ruhen gebracht worden.
Am 18.09.2000 stellte die Klägerin mit Wirkung vom 11.04.2000 einen förmlichen Antrag
auf Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme für
Nichtleistungsempfänger mit dem Ziel der Förderung des Fernlehrgangs „C.T.", an dem sie
seit dem 01.05.2000 teilnahm.
Mit Bescheid vom 11.10.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihrem Antrag nicht
entsprochen werden könne. Die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen
Bildungsmaßnahme setze u. a. voraus, dass die Maßnahme nach Dauer, Gestaltung des
Lehrplanes, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der
Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lasse. Die zur Überprüfung dieser
Voraussetzungen erforderlichen Unterlagen habe der Maßnahmeträger nicht eingereicht.
Es handele sich um einen Fernlehrgang, der nicht als förderungsfähig anerkannt sei; er
befinde sich nicht im Verzeichnis der anerkannten Maßnahmen. Diese Entscheidung beruhe
auf § 86 des 3. Buches des Sozialgesetzbuchs, Arbeitsförderung (SGB III).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass die
Aufnahme in ein „Verzeichnis der anerkannten Maßnahmen" von § 86 SGB III nicht verlangt
werde. Es sei lediglich erforderlich, dass das Arbeitsamt die Erfüllung der in § 86 Abs. 1 Nr.
1 bis 8 SGB III genannten Voraussetzungen feststelle. Für den Fall, dass andere Stellen die
Erfüllung einzelner Voraussetzungen bereits festgestellt hätten, könne das Arbeitsamt von
eigenen Feststellungen absehen (§ 86 Abs. 2 SGB III). Hieraus werde ersichtlich, dass das
Arbeitsamt dann, wenn Feststellungen anderer Stellen i.S.d. § 86 Abs. 2 SGB III nicht
vorlägen, eigene Feststellungen treffen müsse. Das Gesetz verlange in diesem Falle eine
Einzelfallprüfung, ob die beabsichtigte Maßnahme die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Nr.
1 bis 8 SGB III erfülle. Die Klägerin habe dem Sachbearbeiter der Beklagten eine Vielzahl
von Informationen über das Fernstudium übergeben, die eine solche Überprüfung im
Einzelfall ermöglicht hätten. Die Tatsache, dass eine solche Einzelfallüberprüfung entgegen
der gesetzlichen Vorschrift unterblieben sei, dürfe sich nicht zu ihren Lasten auswirken.
Der eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2000 als
unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde u.a.
ausgeführt, dass vorliegend das Arbeitsamt vor Beginn der Maßnahme nicht festgestellt
habe, dass die Maßnahme anerkannt sei. Das Nähere hierzu regele die Anordnung des
Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über der Förderung der beruflichen
Weiterbildung (AFbW) in der jeweils gültigen Fassung. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 AFbW habe
der Bildungsträger die zur Prüfung notwendigen Unterlagen grundsätzlich 3 Monate vor
dem geplanten Beginn beim zuständigen Arbeitsamt einzureichen. Dies sei bei der
vorgenannten Maßnahme nicht geschehen, sodass sie nicht anerkannt und somit auch
nicht förderungsfähig sei.
Gegen den am 13.12.2000 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am
15.01.2001, einem Montag, Klage erhoben.
Zur Begründung der erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen die bereits im
Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente erneut vorgetragen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klägerin gemäß § 77 Abs. 1 SGB III
keinen Rechtsanspruch auf Übernahme der Weiterbildungskosten habe, wobei die
Anerkennung der Bildungsmaßnahme durch das Arbeitsamt gem. § 77 Abs. 1 Nr. 4 SGB III
zwingende Voraussetzung sei. Das Anerkennungsverfahren sei jedoch rein äußerlich von
individuellen Förderungsvoraussetzungen entkoppelt und in einem eigenen Unterabschnitt
des Gesetzes geregelt. Daraus folge, dass gegenüber dem Maßnahmeträger ein
eigenständiges Verfahren erforderlich sei, gegen dessen Ausgang der Klägerin keine
Rechtsbehelfsmöglichkeiten offenstünden. Eine ablehnende Entscheidung gegenüber dem
Maßnahmeträger stelle keinen Verwaltungsakt mit Drittwirkung dar. Weitere
Voraussetzung gem. § 86 Abs. 1 SGB III sei, dass die Maßnahme vor Beginn anerkannt
worden sei. Im vorliegenden Fall habe daher schon aus zeitlichen Gründen keine Möglichkeit
bestanden, ein Anerkennungsverfahren durchzuführen, nachdem sich die Klägerin am
10.04.2000 arbeitslos gemeldet, am 11.04.2000 ihr Interesse an der Maßnahme
bekundet und mit Schreiben vom 17.04.2000 eine vorbehaltliche Vertragsunterzeichnung
mitgeteilt, die Maßnahme jedoch schon am 01.05.2000 begonnen habe. Erschwerend
komme hinzu, dass es sich hier um eine Fernunterrichtsmaßnahme handele, über deren
Anerkennung gem. § 4 Abs. 5 AFbW die Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit
entscheide.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die Klage mit Urteil vom 06.09.2001
abgewiesen.
Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klage
nicht die Rechtshängigkeit in dem Verfahren S 16 AL 144/01 entgegenstehe. Der Bescheid
vom 11.10.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2000 sei nicht
Gegenstand des Verfahrens S 16 AL 144/01 geworden. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
komme hier nicht zur Anwendung. Als Verwaltungsakt in dem Verfahren S 16 AL 144/01
könnte allenfalls das Schreiben der Beklagten vom 15.05.2000 angesehen werden. Dieses
Schreiben stelle jedoch keinen Verwaltungsakt dar. Es liege keine der Klägerin gegenüber
vorgenommene Regelung eines Einzelfalles i.S.d. § 31 S. 1 SGB X vor. Das Schreiben sage
lediglich aus, dass die Teilnahme an dem Kurs nicht gefördert werden könne, und zwar
allgemein für alle Fälle, nicht nur auf den Fall der Klägerin bezogen. Dies decke sich auch
mit der Frage der Klägerin, wie sie im Beratungsvermerk niedergelegt sei; es gehe dabei
nämlich um die Frage der Förderungsfähigkeit. Diese (Frage) habe beantwortet werden
sollen; dem stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise eine
Entscheidung in Bezug auf ihre Person gewünscht habe; dies sei jedoch nicht niedergelegt
worden und auch in dem Schreiben vom 15.05.2000 nicht beantwortet.
Die Klage sei unbegründet. Nach § 77 Abs. 1 Nr. 4 SGB III könnten Arbeitnehmer bei (der)
Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung gefördert werden, wenn die
Maßnahme für die Weiterbildung durch das Arbeitsamt anerkannt sei. Die Anerkennung für
die Weiterbildungsförderung richte sich nach § 86 SGB III. Die Förderung einer Maßnahme
für die Weiterbildung setze voraus, dass das Arbeitsamt vor Beginn der Maßnahme die
Feststellungen nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 SGB III getroffen habe. Nicht verlangt werden
könne, dass der Maßnahmeträger die Anerkennung beantrage; auch der individuelle
Teilnehmer könne eine derartige Überprüfung verlangen. Es gälten dann die gleichen
Voraussetzungen wie bei einer Beantragung durch den Maßnahmeträger. Eine
Anerkennung vor Maßnahmebeginn sei erforderlich, sei im vorliegenden Fall aber weder
gegeben noch überhaupt möglich gewesen. Eine Anerkennung von der Bundesanstalt für
Arbeit habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen und habe auch vor Maßnahmebeginn nicht
erreicht werden können. Maßnahmebeginn sei der 01.05.2000 gewesen, die Klägerin habe
aber erst am 11.04.2000 vorgesprochen, und der Beklagten seien daher nur noch knapp
drei Wochen Zeit für eine Überprüfung geblieben. Dieser Zeitraum reiche angesichts der
Voraussetzungen, die § 86 Abs. 1 SGB III aufstelle, bei weitem nicht aus. Es wären hier
weitgehende Untersuchungen auch im Bereich des Maßnahmeträgers notwendig gewesen,
insbesondere was die Ziffer 4 des § 86 Abs. 1 SGB III betreffe. Es könne dahingestellt
bleiben, ob eine Frist von 3 Monaten, wie sie § 2 Abs. 3 Satz 2 AFbW vorsehe, verlangt
werden könne. Mangels Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen vor Beginn der
Maßnahme sei eine Anerkennung daher nicht möglich gewesen. Im übrigen dürfte der
Anerkennungsfähigkeit auch § 90 Satz 1 SGB III entgegenstehen, da ausweislich der von
der Klägerin vorgelegten Eckdaten Ort des Studiums U.B. und/oder Tagungsstätten in der
Umgebung B. seien und demnach ein Nahunterricht nicht vorgesehen sei.
Gegen das am 24.09.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.10.2001 bei Gericht
eingegangene Berufung.
Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie sich bei der Beklagten um
die Vermittlung einer Arbeitsstelle bemüht habe. Aus diesem Grund habe sie am
18.10.1999 den für sie zuständigen Sachbearbeiter, Herrn M., aufgesucht. Mit Herrn M.
habe sie ihre berufliche Situation und verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten erörtert.
Herr M. habe sie insbesondere auf ein von der Beklagten gefördertes
Weiterbildungsangebot „Event-Management" hingewiesen, welches von einem Träger in S.
durchgeführt worden sei. Sie habe sich bei dem Geschäftsführer dieses Trägers nach
Inhalten und Voraussetzungen der Teilnahme erkundigt und aufgrund dieses Gespräches
den Eindruck gewonnen, dass es sich nicht um ein Angebot handelte, welches die
Qualifikationen, die sie durch das von ihr absolvierte Hochschulstudium erworben habe,
berücksichtigen würde. Das Ergebnis dieses Gespräches habe sie Herrn M. mitgeteilt, der
ihr keine weiteren Weiterbildungsmaßnahmen habe nennen können. In der Wochenzeitung
„DIE ZEIT" habe sie dann einen Hinweis auf das Fernstudium „C.T." gelesen. Auf
Anforderung seien ihr entsprechende Unterlagen zur Verfügung gestellt worden. Sie habe
sich dann um einen Termin bei dem Mitarbeiter der Beklagten bemüht, der am
11.04.2000 stattgefunden habe. In diesem Zusammenhang sei auszuführen, dass ein
Termin zur Vorsprache bei den Mitarbeitern der Beklagten regelmäßig nur nach
Voranmeldung und längerer Wartefrist gewährt werde. Von dem Mitarbeiter der Beklagten
sei ihr sinngemäß mitgeteilt worden, dass ihm nicht bekannt sei, ob das Fernstudium
„C.T." in die „Liste aufgenommen" sei, sodass er ihr keine Zusage über die
Förderungsmöglichkeit geben könne, weil hierfür das Landesarbeitsamt zuständig sei. Die
Klägerin könne sich jedoch zu dem Fernstudium anmelden, weil die Zeit dränge und ihr
hierdurch keine Nachteile entstünden; sie solle die Anmeldung unter den Vorbehalt der
Zustimmung des Arbeitsamtes stellen. Der Tatbestand des Urteils des SG erwähne diese
Vorgeschichte nicht, sondern erwecke den Eindruck, dass die Klägerin erstmalig am 10.
oder 11.04.2000 bei der Beklagten aufgetaucht sei und diese mit ihrem Ansinnen
überrumpelt habe.
Sie habe das Fernstudium mittlerweile abgeschlossen. Im Rahmen des Studiums habe sie
ein fünfmonatiges Praktikum in der Abteilung Ö.S.S. absolviert und mittlerweile eine
befristete Anstellung in dieser Abteilung gefunden. Ihr sei nicht erklärlich, wieso sie erst seit
dem 10.04.2000 arbeitslos gemeldet sein solle; aus einem von ihr vorgelegten Schreiben
ergebe sich, dass sie zumindest für einen Zeitraum im Januar 2000 arbeitslos gemeldet
gewesen sei.
In dem Verfahren S 16 AL 144/01 habe die 16. Kammer des SG die Auffassung vertreten,
dass analog § 96 SGG eine Verfahrenskonzentration bei dieser Kammer vorzunehmen sei.
Diese Auffassung sei zutreffend, sodass der 13. Kammer eine Entscheidung in der Sache
verwehrt gewesen sei. Die 13. Kammer gehe in dem angefochtenen Urteil
fälschlicherweise davon aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 15.05.2001 nicht um
einen Verwaltungsakt handele.
Das Urteil des SG erweise sich auch in der Sache als fehlerhaft. Die Beklagte dürfe sich
entgegen der Auffassung des SG nicht darauf berufen, ihr habe zu wenig Zeit zur
Überprüfung zur Verfügung gestanden. Die Klägerin habe sich zu der Maßnahme unter
Vorbehalt der Anerkennung der Förderungsfähigkeit angemeldet. Eine spätere Berufung
der Beklagten auf die Notwendigkeit einer vorherigen Prüfung und Feststellung der
Förderungsfähigkeit erweise sich daher als treuwidrig.
Den Gesichtspunkt des angeblich fehlenden Nahunterrichts habe das SG in der mündlichen
Verhandlung thematisiert; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe erklärt, dass er
sich zu diesem Gesichtspunkt ohne Rücksprache mit der Klägerin nicht äußern könne. Die
Entscheidung erweise sich insoweit als Überraschungsentscheidung und verstoße gegen
den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die
Klägerin zwei mehrtägige Seminare besucht und dort insbesondere ihre Abschlussarbeit
zur Diskussion gestellt habe. Ferner habe sie die Gelegenheit gehabt, mit dem Leiter der
Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Staatskanzlei während ihres fünfmonatigen Praktikums
die Studieninhalte zu erörtern, sodass ein ausreichender Nahunterricht stattgefunden habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom 06.09.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des
Bescheides vom 11.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2000
zu verpflichten, das von der Klägerin betriebene Fernstudium „C.T." beim Institut für
Weiterbildung an der U.B. als förderungsfähig anzuerkennen,
hilfsweise, das Urteil des SG vom 06.09.2001 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 11.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.12.2000 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Senats über
den von der Klägerin gestellten Antrag auf Anerkennung der Förderungsfähigkeit des von
ihr betriebenen Fernstudiums „C.T." beim Institut für Weiterbildung an der U.B. neu zu
entscheiden,
weiter hilfsweise, das Urteil des SG vom 06.09.2001 aufzuheben und die Sache an die 16.
Kammer des SG wegen Zusammenhangs mit dem Verfahren S 16 AL 144/01
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
wobei sie zur Begründung im Wesentlichen vorträgt, dass die Teilnahme an Maßnahmen
i.S.d. § 90 SGG III i. V. m. § 4 Abs. 4 AFbW nur gefördert werden könne, wenn der
Antragsteller tatsächlich am obligatorischen Nahunterricht teilnehme und die regelmäßigen
Erfolgskontrollen absolviere. Ausnahmen seien nicht zulässig. Maßnahmen, bei denen der
Fernunterricht überwiege, fielen in die Zuständigkeit der Hauptstelle der Beklagten. Diese
veröffentliche - stets aktuell - eine Liste der anerkannten Maßnahmen und erstelle auch die
Maßnahmebögen, denen die individuellen Förderleistungen entnommen werden könnten.
Der von der Klägerin angestrebte und schließlich auch absolvierte Fernlehrgang „C.T." sei in
jenem Verzeichnis nicht enthalten und auch nicht enthalten gewesen. Dies sei der Klägerin
auch bekannt gewesen. Auf Anfrage vom 13.03.2003 hin habe die Hauptstelle der
Beklagten bei der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in K. Rücksprache
genommen und erfahren, dass von dort keine Zulassung für den Lehrgang „C.T." erfolgt
sei. Fernlehrgänge könnten jedoch regelmäßig nur dann für die Weiterbildungsförderung
nach dem SGB III anerkannt werden, wenn die ZFU die Zulassung nach dem
Fernunterrichtsschutzgesetz erteilt habe. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt.
Das in Rede stehende Fernstudium sei bei der zuständigen Sachbearbeitung nicht bekannt;
ein Verfahren zur Prüfung der Anerkennung für die Weiterbildungsförderung für diesen
Lehrgang sei nicht durchgeführt worden. Nach Meinung des Fachreferates der Hauptstelle
deuteten der Begriff „Fernstudium" und die Trägerschaft der Universität B. darauf hin, dass
es sich um einen berufsqualifizierenden Studiengang an Hochschulen i.S.d. § 87 Abs. 2 Nr.
1 SGB III handele. Eine Anerkennung für die Weiterbildungsförderung wäre dann ohnehin
ausgeschlossen. Dass ein Verfahren zur Prüfung der Anerkennung für die
Weiterbildungsförderung für den in Rede stehenden Lehrgang nicht durchgeführt worden
sei, sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der zuständige Träger eine solche
Anerkennung nicht beantragt habe. Selbst wenn die Klägerin am 11.04.2000
umfangreiches Material zu dem Fernstudium vorgelegt habe, so sei dies im Hinblick auf den
Lehrgangsbeginn 01.05.2000 und der in § 2 Abs. 3 AFbW genannten Frist von drei
Monaten keineswegs als ausreichende Prüffrist zu werten. Umfangreiches Material bedeute
nicht gleich vollständiges Prüfmaterial. Zudem wäre der Träger einzuschalten und eine
Vorlage der Unterlagen des Vorganges bei der ZFU erforderlich gewesen. Weiterhin
könnten die in der Berufungsschrift erwähnten beiden Seminare und das Praktikum nicht
als Nahunterricht eingeordnet werden, da diese nicht durch den Träger durchgeführt
worden seien.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren
Akteninhalt sowie auf die Leistungsakten der Beklagten (Stamm-Nr.: 67), die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die von der Klägerin eingelegte Berufung, gegen deren Zulässigkeit sich keine Bedenken
ergeben, ist nicht begründet.
Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Bewilligung von Förderungsleistungen für das
von ihr betriebene Fernstudium „C.T." zu.
Der Entscheidung durch das SG stand zunächst nicht eine anderweitige Rechtshängigkeit
infolge des Parallelverfahrens S 16 AL 144/01 entgegen. Zu Recht ist das SG insoweit
davon ausgegangen, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 15.05.2000 um
keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X handelt, der durch den im vorliegenden Verfahren
angefochtenen Verwaltungsakt vom 11.10.2000 gemäß § 96 SGG abgeändert oder
ersetzt worden wäre. Dieses Schreiben sollte nämlich nach der Absicht der Beklagten
lediglich eine allgemeine Information zur Förderungsfähigkeit der Maßnahme darstellen und
keine konkrete Ablehnung eines bestimmten Förderungsantrages darstellen; dies war nach
dem Inhalt des Schreibens von der Klägerin auch unschwer zu erkennen, sodass es an der
„Regelung eines Einzelfalls" i.S.d. § 31 SGB X fehlt.
In der Sache ist die Entscheidung der Beklagten, die Gewährung von Förderungsleistungen
für das von der Klägerin absolvierte Fernstudium abzulehnen, nicht zu beanstanden.
Maßgeblich für die Entscheidung des Rechtsstreits sind vorliegend nach wie vor die §§ 77ff
SGB III in der in den Jahren 2000 und 2001 geltenden Fassung (a.F.). Die Anwendung der
zwischenzeitlich, insbesondere mit Wirkung ab dem 01.01.2003, neu gefassten
Bestimmungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung lässt sich hierbei nicht mit der
allgemeinen Überlegung rechtfertigen, dass bei einer kombinierten Anfechtungs- und
Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) grundsätzlich auf die zum Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung geltende Rechtslage abzustellen sei (so aber Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 02.07.1997, Az.: 9 RVs 9/96). Denn ein derartiger
allgemeiner Grundsatz, wonach für die Beurteilung von Anfechtungsklagen die zum
Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung und für Verpflichtungsklagen die zum Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung geltende Rechtslage maßgebend sei, kann dem geltenden
Recht nicht entnommen werden. Es besteht zwar eine entsprechende Faustregel, die dann
zu praktisch einleuchtenden Ergebnissen führt, wenn Verwaltungsakte mit Dauerwirkung
im Streit sind, die laufende Leistungen betreffen und somit bei Bescheiderteilung in der
Zukunft liegende Bewilligungszeiträume erfassen (vgl. BSG-Urteil vom 13.03.1997, Az.: 11
RAr 51/96). Ein solcher Sachverhalt liegt indes nicht vor, denn der angefochtene Bescheid
vom 11.10.2000 betrifft ausschließlich einen bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der
erstinstanzlichen Entscheidung vollkommen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, da
das von der Klägerin betriebene Fernstudium bereits am 01.05.2000 begonnen und
ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen einen Zeitraum von zehn Monaten
umfasst hat. Bei einer solchen Sachlage erscheint es nicht sachgerecht, auf die erst am
01.01.2003 - und damit nach Einlegung der Berufung - in Kraft getretenen neuen
Förderungsvorschriften abzustellen (vgl. BSG a.a.O.). Dem steht nicht entgegen, dass in
der Übergangsvorschrift des § 434g SGB III keine Bestimmung zur Weitergeltung der §§
77ff SGB III a.F. enthalten ist. Denn in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen über
einen bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vollständig in der
Vergangenheit liegenden Sachverhalt zu befinden ist, erscheint es nicht sachgerecht, für
die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auf erst danach in Kraft
getretene Vorschriften abzustellen, da der Ausgang des Verfahrens damit u.U. auch von
der Verfahrensdauer abhängen würde. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich aus
den zwischenzeitlich geänderten Vorschriften der Wille des Gesetzgebers ableiten lässt,
dass die neuen Bestimmungen auch für in der Vergangenheit liegende Sachverhalte
Anwendung finden sollen. Hiervon ist indes für die vorliegend streitbefangenen Vorschriften
des SGB III nicht auszugehen.
Nach § 77 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. können Arbeitnehmer bei Teilnahme an Maßnahmen der
beruflichen Weiterbildung nur unter der Voraussetzung durch Übernahme der
Weiterbildungskosten und Leistung von Unterhaltsgeld gefördert werden, dass die
Maßnahme für die Weiterbildungsförderung durch das Arbeitsamt anerkannt ist.
Aus der Formulierung „können" in § 77 Abs. 1 SGB III a.F. folgt, dass die Bewilligung von
Förderungsleistungen im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht. Da die Gerichte
bei der Anwendung von Ermessensvorschriften grundsätzlich nicht befugt sind, den
Leistungsträger zur Gewährung von Leistungen auf der Grundlage eigener
Ermessenserwägungen zu verurteilen, kommt vorliegend eine Verpflichtung der Beklagten
zur Bewilligung von Förderungsleistungen, wie von der Klägerin in ihrem Hauptantrag
begehrt, von vornherein nicht in Betracht. Eine sog. „Ermessensreduzierung auf Null", bei
der ausnahmsweise eine Verurteilung zur Leistungsbewilligung in Betracht käme, ist
vorliegend ebenfalls zu verneinen.
Die Berufung ist auch hinsichtlich des von der Klägerin gestellten Hilfsantrages, die Beklagte
zur Neubescheidung zu verurteilen, unbegründet.
Gem. § 86 Abs. 1 SGB III a.F. setzt die Anerkennung einer Maßnahme für die
Weiterbildungsforderung voraus, dass das Arbeitsamt vor Beginn festgestellt hat, dass
1. die Maßnahme den Zielen der Weiterbildungsförderung entspricht,
2. die Dauer der Maßnahme angemessen ist,
3. der Träger der Maßnahme die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzt,
4. die Maßnahme nach
a) Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte und
b) Gestaltung des Lehrplans, Unterrichtsmethode und der Güte der zum Einsatz
vorgesehenen Lehr- und Lernmittel eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lässt,
5. die Maßnahme angemessene Teilnahmebedingungen bietet,
6. die Maßnahme mit einem Zeugnis abschließt, das Auskunft über den Inhalt des
vermittelten Lehrstoffs gibt,
7. die Maßnahme nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant
und durchgeführt wird und die Kosten angemessen sind und
8. die Maßnahme nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist.
Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass das Verwaltungsverfahren zur Anerkennung
einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung auch dadurch in Gang gesetzt werden kann,
dass ein Arbeitnehmer die Gewährung von Förderungsleistungen für die Teilnahme an einer
bisher nicht anerkannten Maßnahme beantragt; in diesem Fall ist im Rahmen der
Bewilligungsentscheidung grundsätzlich inzident die Anerkennung der betreffenden
Maßnahme zu prüfen (vgl. Niewald in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des
Arbeitsförderungsrechts, § 4 Randnr. 402f). Zu berücksichtigen ist aber, dass bereits nach
dem Wortlaut des § 86 Abs. 1 SGB III a.F. die Anerkennungsentscheidung zeitlich vor dem
Beginntermin der konkreten Maßnahme, deren Förderung begehrt wird, erfolgt sein muss.
Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sollen mit der vorherigen
Anerkennung nämlich Träger und Bildungsmaßnahmen von einer kostspieligen Förderung
ausgenommen werden, die keine geeignete Ausbildung erwarten lassen oder
unwirtschaftlich sind. Da die Förderung der beruflichen Weiterbildung hohe Aufwendungen
erfordert, liegt es im öffentlichen Interesse, alle Möglichkeiten zu nutzen, einen hohen
Standard hinsichtlich der Inhalte und der Durchführung von Bildungsmaßnahmen zu
gewährleisten (vgl. Olk in PK-SGB III § 84 Randnr. 8 unter Hinweis auf die
Gesetzesmaterialien). Um diesem Zweck der gesetzlichen Regelung gerecht zu werden, ist
es aber grundsätzlich erforderlich, dass die Anerkennungsentscheidung, die durch
Verwaltungsakt vorzunehmen ist (vgl. BSG-Urteil vom 05.06.2003, Az.: B 11 AL 59/02 R
= SozR 4-4300 § 86 Nr. 1), vor dem Beginntermin einer beantragten Bildungsmaßnahme
erlassen wird. Dies setzt wiederum in Fällen, in denen der Maßnahmeträger selbst keinen
Antrag auf Anerkennung gestellt hat, voraus, dass sich der Antragsteller mit seinem
Förderungsbegehren so rechtzeitig an die zuständige Arbeitsagentur gewandt hat, dass die
nach § 86 Abs. 1 SGB III a.F. erforderlichen Feststellungen noch rechtzeitig vor
Maßnahmebeginn getroffen werden können. Dies ist aber zu verneinen, wenn das
Förderungsbegehren wie im vorliegenden Fall erstmals 19 Tage vor Beginn der konkreten
Bildungsmaßnahme an die Beklagte herangetragen wird. Zu berücksichtigen ist in diesem
Zusammenhang nämlich, dass gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 der AFbW vom 23.10.1997 (Amtl.
Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit 1997, Seite 1687) der Bildungsträger die zur
Prüfung notwendigen Unterlagen grundsätzlich 3 Monate vor dem geplanten Beginn bei
zuständigen Arbeitsamt (jetzt: Arbeitsagentur) einzureichen hat. Im Hinblick auf die in § 86
SGB III a.F. aufgeführte Vielzahl von Kriterien, deren Prüfung vor Beginn der Maßnahme zu
erfolgen hat, hält der Senat die Einhaltung der 3-Monatsfrist des § 2 Abs. 3 Satz 2 AFbW
auch für erforderlich, um eine fundierte Überprüfung durch die Beklagte zu ermöglichen.
Die Einhaltung der 3-Monatsfrist ist daher grundsätzlich auch in Fällen zu fordern, in denen
ein mit dem Förderungsbegehren verbundener Prüfungsauftrag erstmals von einem
Teilnehmer der jeweiligen Bildungsmaßnahme eingereicht wird.
Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg vorbringen, sie habe bereits am 18.10.1999
ihre berufliche Situation mit einem Mitarbeiter der Beklagten erörtert. Denn die Klägerin
räumt selbst ein, dass Unterlagen über die konkrete Maßnahme „C.T." von ihr erstmals in
dem Termin am 11.04.2000 vorgelegt worden sind. Hierbei ist unerheblich, dass nach
dem Vortrag der Klägerin Termine bei Mitarbeitern der Beklagten regelmäßig nur nach
Voranmeldung und längerer Wartefrist gewährt werden.
Aufgrund der verspäteten Einreichung des Förderungsantrages scheidet eine Förderung der
Maßnahme für den von der Klägerin konkret begehrten Zeitraum folglich aus. Damit kann
dahingestellt bleiben, ob eine Förderung nicht auch schon deshalb ausgeschlossen ist, weil
es sich entgegen § 87 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. um eine Maßnahme handelt, die einem
berufsqualifizierenden Studiengang an einer Hochschule entspricht, worauf die Bezeichnung
„Fernstudium" und die Trägerschaft der Universität B. hindeuten. Weiter kann dahingestellt
bleiben, ob eine Förderung auch deswegen ausgeschlossen ist, weil im Rahmen der
Bildungsmaßnahme „C.T." nicht in ausreichendem Umfang Nahunterricht gem. § 90 SGB III
a.F. durchgeführt worden ist.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.