Urteil des LSG Saarland vom 25.03.2003

LSG Saarbrücken: arbeitslosenhilfe, verwertung, wirtschaftliche einheit, vorzeitige kündigung, bedürftigkeit, erwerb, entstehung, verfügung, rentenalter, form

LSG Saarbrücken Urteil vom 25.3.2003, L 6 AL 48/00
Arbeitslosenhilfe - Bedürftigkeitsprüfung - Vermögensverwertung - angemessene
Alterssicherung - Zweckbestimmung - Anlageform - mehrere Zweckbestimmungen -
Sachen und Rechte zur Erhaltung eines Hausgrundstücks - Darlehensablöse -
Berücksichtigung von Verbindlichkeiten
Leitsätze
Gibt der Arbeitslose an, sein vorhandenes Vermögen sei für den Fall, dass er seinen
Verpflichtungen aus bestehenden Darlehensverträgen nachkommen könne, zur
Alterssicherung bestimmt, scheidet eine Privilegierung des Vermögens gem § 6 III 2 Nr 3
Alhi-VO (Fassung 1998) aus. Denn nur hilfsweise neben in erster Linie angeführten
Zweckbestimmungen des Vermögens sind generell nicht geeignet, die Voraussetzungen
für einen der Privilegierungstatbestände des § 6 III 2 Alhi-VO zu erfüllen.
Eine Unzumutbarkeit der Verwertung vorhandenen Vermögens wg bestehender
Darlehensverbindlichkeiten gem § 6 III 1 Alhi-VO (Fassung 1998) kommt nur in Betracht,
wenn die vorhandenen Vermögensgegenstände und die Verbindlichkeiten nach Entstehung
und beabsichtigter Tilgung miteinander verknüpft sind; erforderlich ist insoweit ein zeitlicher
und ursächlicher Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, Vermögensbestandteil und
Verbindlichkeit würden eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Vermögensrückstellungen für vorgesehene Renovierungsarbeiten an vorhandenem
Wohneigentum können nur dann als privilegiert iSd § 6 III 2 Nr 7 Alhi-VO (Fassung 1998)
anerkannt werden, wenn der Zeitraum bis zur Durchführung der Renovierungsarbeiten
überschaubar ist. Hiervon kann regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn die
vorgesehenen Maßnahmen innerhalb eines Jahres nach der Entstehung des Alhi-Anspruchs
realisiert werden sollen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
25.05.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe an der
Anrechnung von Vermögenswerten scheitert.
Die ... 1945 geborene Klägerin war in der Zeit vom 08.10.1964 bis 31.12.1995 als
Werkstattschreiberin bei der K D M in N beschäftigt. Nach Auflösung dieses
Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung vom 12.06.1995 meldete sich die Klägerin am
18.12.1995 mit Wirkung zum 01.01.1996 arbeitslos und stellte einen Antrag auf
Bewilligung von Arbeitslosengeld, dem die Beklagte mit Bescheid vom 09.01.1996
stattgab.
Die Klägerin bezog in der Folge bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs am
05.06.1998 Arbeitslosengeld in Höhe von zuletzt 219,45 DM/Woche (Leistungsgruppe D/0;
Bemessungsentgelt 800,00 DM) und beantragte anschließend die Gewährung von
Arbeitslosenhilfe. Hierbei gab sie an, dass sie und ihr Ehegatte bei der Kreissparkasse St. W
(KSK) ein Bankguthaben in Höhe von 40.000,00 DM, einen Sparkassenbrief über
90.000,00 DM sowie eine Lebensversicherung über 10.000,00 DM, letztere fällig am
01.01.2007, hätten. Weiterhin gab die Klägerin an, dass sie und ihr Ehemann Eigentümer
eines bebauten und von ihnen selbst bewohnten Grundstücks seien (Grundstücksgröße
2.835 qm; Verkehrswert 200.000,00 DM; Wohnfläche 112 qm; Belastungen 110.000,00
DM). Zu dem Bankguthaben und dem Sparkassenbrief teilte die Klägerin mit, dass das
Geld die Abfindung ihres Mannes sei; es diene zur Absicherung des Lebensunterhalts bis
zur Erreichung des Rentenalters und zur monatlichen Rückzahlung des Baudarlehens.
Mit Bescheid vom 20.05.1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihrem Antrag nicht
entsprochen werden könne. Die Klägerin und ihr Ehegatte, von dem sie nicht dauernd
getrennt lebe, verfügten über ein Vermögen in Höhe von 130.000,00 DM, das verwertbar
und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung der Freigrenze von
16.000,00 DM verblieben 114.000,00 DM. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der
Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch
das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Arbeitslosenhilfe richte
(800,00 DM) ergebe sich, dass die Klägerin für einen Zeitraum von 142 Wochen nicht
bedürftig sei. Sie habe daher keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass das
auf den Sparkassenbriefen angelegte Geld zum jetzigen Zeitpunkt nicht verfügbar sei. Der
Sparvertrag über 40.000,00 DM sei frühestens im Februar 1999 und der Sparvertrag über
90.000,00 DM frühestens im Februar 2000 verfügbar. Insbesondere der Vertrag über
90.000,00 DM sei mit einer Kündigungssperrfrist von 33 Monaten versehen; danach
schließe sich eine weitere 3-monatige Kündigungsfrist an. Des Weiteren stehe dem
Vermögen in Höhe von 130.000,00 DM derzeit ein Darlehen in Höhe von 110.000,00 DM
gegenüber. Dieses Darlehen sei im Juni 1996 anlässlich eines Hauskaufs bzw. anlässlich der
Fertigstellung des Wohnhauses bei der KSK aufgenommen worden. Von einer Pfändung
der Sparkassenbriefe -- als zusätzliche Sicherheit zu der eingetragenen Grundschuld -- sei
damals nur deshalb abgesehen worden, weil sich die Sparguthaben bei der KSK, also dem
Darlehensgeber, befänden und somit jederzeit ein Zugriff möglich sei. Weiterhin sei zu
bedenken, dass die Sparkassenbriefe mit einer relativ langen Laufzeit angelegt worden
seien, die in etwa mit der Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehemannes der Klägerin
ende. Sollten die Klägerin und ihr Ehemann bis zum Erreichen des Rentenalters in der Lage
sein, ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Bank nachzukommen, sei Sinn und
Zweck des Darlehensvertrages die ausreichende Versorgung des Ehemannes im
Rentenalter. Ein aus Vorsorgegründen für das Rentenalter fest angelegter Sparbetrag sei
bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe jedoch nicht als Vermögen zu berücksichtigen.
Die Klägerin legte im Widerspruchsverfahren eine Bescheinigung der KSK vom 27.05.1998
vor, wonach die bei der KSK angelegten Guthaben gemäß mündlicher Absprache nach
Ablauf der Zinsfestschreibung des Darlehens am 30.05.2001 zu dessen Tilgung dienen
sollten. Laut einer weiteren Bescheinigung der KSK vom 20.07.1998 würden bei einer
Beleihung der bei ihr angelegten Guthaben (Sparkassenbrief über 90.000,00 DM und S-
Zertifikat über 40.000,00 DM) Zinsbeträge in Höhe von 7.150,00 DM und 1.087,22 DM
anfallen.
Die Widerspruchsstelle des Arbeitsamts N wies darauf hin, dass das zu berücksichtigende
Vermögen aus Abfindungen stamme, die sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann
anlässlich ihres Ausscheidens bei der K D GmbH erhalten hätten; der Begriff "Sozialleistung"
in § 7 Abs. 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) schließe auch
Entlassungsentschädigungen ein, sodass von dem Vermögen (zusätzlich) insgesamt
20.000,00 DM als nicht verwertbar anzusehen seien.
Mit Änderungsbescheid vom 04.12.1998 wurde der Klägerin daraufhin mitgeteilt, dass sie
und ihr Ehegatte über ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 94.000,00 DM
verfügten, sodass sie für einen Zeitraum von 117 Wochen nicht bedürftig sei. Sie habe
daher keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ab
dem 06.06.1998 für die Dauer von 117 Wochen nicht bedürftig sei und der Widerspruch
gegen den Bescheid vom 20.05.1998 in der Fassung des Bescheides vom 04.12.1998 als
unbegründet zurückgewiesen werde.
In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde u.a. ausgeführt, dass, auch wenn das
Vermögen der Klägerin und ihres Ehemannes tatsächlich längerfristig angelegt sei, es doch
verwertbar sei, weil es sich um Geldbeträge handele, die verbraucht bzw. übertragen oder
belastet werden könnten. Die Verwertung sei auch zumutbar, weil sie nicht offensichtlich
unwirtschaftlich i.S.d. § 6 Abs. 3 Alhi-VO sei. Offensichtlich unwirtschaftlich und damit
unzumutbar sei eine Verwertung dann, wenn zu erwarten sei, dass das Ergebnis der
Verwertung in einem außerordentlichen Missverhältnis zu dem wirklichen Wert des
Vermögensstandes stehen würde. Die Verwertung sei dagegen offensichtlich nicht
unwirtschaftlich, wenn das Ergebnis nur geringfügig unter dem wirklichen Wert liege. Bei
einer Beleihung des Festgeldes müsste die Klägerin weniger als 10% ihres Vermögens an
Zinsen aufwenden; Aufwendungen in dieser Höhe seien jedoch noch als geringfügig
anzusehen. Die Klägerin könne auch nicht glaubhaft darlegen, das Vermögen diene der
Sicherung ihres Darlehens bei der Kreissparkasse St. W. Denn laut vorliegendem
Darlehensantrag seien solche Vereinbarungen nicht getroffen worden. Die Form, in der das
Vermögen angelegt sei, spreche auch gegen die Angaben, das Vermögen diene der
Sicherung der Altersversorgung. Denn bei der gewählten Anlageform handele es sich
keinesfalls um eine einer Lebensversicherung vergleichbare Anlage.
Gegen den am 22.12.1998 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am
07.01.1999 Klage erhoben.
Im Klageverfahren hat sie u.a. vorgetragen, dass es infolge des im Juni 1996 getätigten
Hauskaufs zu massiven finanziellen Belastungen durch dringend erforderliche
Renovierungsarbeiten gekommen sei.
Die Beklagte hat u.a. vorgetragen, dass nur acht der von der Klägerin vorgelegten
Rechnungen zu durchgeführten Renovierungsarbeiten aus der Zeit nach dem 20.05.1998
datierten und einen Gesamtbetrag von 8.978,37 DM umfassten. Der zuletzt mit
Änderungsbescheid vom 04.12.1998 festgestellte Zeitraum von 117 Wochen fehlender
Bedürftigkeit würde sich damit nur unwesentlich verringern, wobei noch zweifelhaft sei, ob
überhaupt alle Ausgaben, z.B. für Markisen It. Rechnung vom 05.06.1999 über 3.880,00
DM, berücksichtigt werden könnten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) am
25.05.2000 hat die Klägerin erklärt, dass es sich bei dem mit dem Wohnhaus belegenen
Grundstück um ein Grundstück handele, das im rückwärtigen Bereich in die freie
Landschaft hineinrage. Im Anschluss gehe es in eine Hanglage über (Felsbruch). Das Haus
selbst liege an einer Straße und befinde sich in Fluchtlinie der angrenzenden Häuser. Der
rückwärtige Teil des insgesamt circa 3.000 qm großen Grundstücks sei daher nach ihrer
Meinung und auch nach Meinung der Bank nicht bebaubar. Eine teilweise Verwertung des
Gesamtgrundstücks sei ihrer Auffassung nach nicht möglich. Auf die Frage, warum das
Vermögen nur wenige Monate vor dem Hauskauf festgelegt worden sei, hat die Klägerin
erklärt, sie hätten zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gewusst, dass sie das Haus kaufen
würden. Es habe sich bei dem Hauskauf um eine einmalige Gelegenheit gehandelt. Sie
hätten das Haus von einem Verwandten ihres Mannes erwerben können, nachdem dieser
das Anwesen geerbt gehabt habe.
Das SG hat mit Urteil vom 25.05.2000 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die
Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 06.06.1998 Arbeitslosenhilfe nach den
gesetzlichen Bestimmungen unter Nichtanrechnung des vorhandenen Schonvermögens zu
gewähren.
Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin
bedürftig i.S.d. Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe sei. Zwar sei vom Wortlaut dieser
Bestimmungen her das vorhandene Vermögen nicht zum alsbaldigen Erwerb eines
Hausgrundstücks bestimmt, da die Klägerin und ihr Ehemann ein Haus bereits in der
Vergangenheit (Juni 1996) erworben hätten. Hierfür sei ein Darlehen in Höhe von
insgesamt 110.000,00 DM in Anspruch genommen worden. Bereits im Rahmen des
Widerspruchsverfahrens habe die KSK bescheinigt, es sei vereinbart, dass gemäß einer
mündlichen Absprache das vorhandene Vermögen nach Ablauf der Zinsfestschreibung zur
Tilgung des ebenfalls bei der KSK bestehenden Darlehens dienen solle. Deckten sich indes
Verbindlichkeiten für ein prinzipiell als Schonvermögen anzusehendes Hausgrundstück und
umgekehrt das vorhandene Vermögen und werde nachgewiesen, dass das vorhandene
Vermögen nach Ablauf der jeweiligen Zinsfestschreibungszeiten zur Darlehenstilgung
verwendet werden solle, so sei dieses Vermögen einem Vermögen gleichzusetzen, das
zum alsbaldigen Erwerb eines Hausgrundstücks bestimmt sei. Das vorhandene Vermögen
sei daher als Schonvermögen i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 Alhi-VO zu werten.
Gegen das ihr am 24.08.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.09.2000
Berufung eingelegt.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Klägerin könne sich nicht darauf
berufen, dass sie ihr Vermögen zur Alterssicherung bestimmt habe, denn sie behaupte,
dass dieses Vermögen zur Sicherung des Darlehens diene. Ein entsprechender Nachweis
sei von der Klägerin aber auch nicht erbracht worden. Zum Zeitpunkt des Vorliegens der
sonstigen Voraussetzungen für den Arbeitslosenhilfe-Anspruch am 06.06.1998 seien die
Klägerin und ihr Ehemann einerseits im Besitz eines Hauses gewesen, welches sie selbst
genutzt hätten. Im Zusammenhang mit der Immobilie hätten Darlehensverbindlichkeiten
bestanden, die durch Eintragung von Grundschulden in Höhe von 110.000,00 DM gesichert
gewesen seien. Andererseits habe verwertbares und infolge der Anlageform frei
verfügbares Guthaben im Rahmen eines Sparkassenbriefes und eines S-Zertifikates
existiert. Diese beiden Sachverhalte seien, bezogen auf den Zeitpunkt 06.06.1998,
getrennt zu würdigen. Die Verwertung der Immobilie sei nicht zumutbar gewesen, weil sie
nach den getroffenen Feststellungen von angemessener Größe gewesen sei: die Immobilie
sei damit privilegierter Vermögensgegenstand gewesen. Hinsichtlich der
Zweckbestimmung des vorhandenen Barvermögens könne zum Stichtag 06.06.1998 nicht
eingewandt werden, dass dieses Vermögen zum alsbaldigen Erwerb eines
Hausgrundstückes gedacht sei. Der Kauf sei bereits im Juni 1996 vollzogen worden; die
Finanzierung des Eigenheims sei durch die Eintragung der Grundschuld gesichert gewesen.
Es könne auch nicht eingewandt werden, dass das Vermögen der Alterssicherung habe
dienen sollen. Indizien, wonach das Vermögen für eine angemessene Alterssicherung
bestimmt sei, seien im Wesentlichen die Dauer der Kapitalbildung und das
anlagespezifische Risiko. Vorliegend könne nicht angenommen werden, dass das
Vermögen erst nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts habe
verwendet werden sollen, weil das Guthaben jederzeit verfügbar gewesen sei. Die von der
Klägerin vorgetragene Zweckbestimmung, wonach das Vermögen zur erweiterten und
über die Grundschuldabsicherung hinausreichenden Absicherung des Darlehens gedient
habe, vermöge ebenfalls keine andere Beurteilung herbeizuführen. Denn ein Absehen von
der Verwertung des Vermögens würde in diesem Fall nur der Wahrung des
Gläubigerinteresses an der Erfüllung dienen. Dies sei aber nicht Aufgabe der
bedürftigkeitsabhängigen Arbeitslosenhilfe.
Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Verwertung
von Vermögen, das dem Arbeitslosen ursprünglich darlehensweise zugeflossen sei und das
zur Rückzahlung von Vermögen bereit gehalten werde, dann nicht zumutbar, wenn und
soweit Vermögensteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als
Einheit anzusehen seien. Im vorliegenden Fall habe nach ihrer -- der Beklagten --
Überzeugung das Hausdarlehen unabhängig von dem fest angelegten Vermögen
zurückgezahlt werden sollen. Das Geld sei von Januar 1996 bis Dezember 2000 angelegt
worden. Der Hauskauf sei im Juni 1996 erfolgt. Es sei Ratentilgung in Höhe von monatlich
800,00 DM erfolgt, ohne dass hierbei das erworbene Guthaben verwandt worden sei.
Damit mangele es sowohl an der erforderlichen Verknüpfung zwischen Hausdarlehen und
Sparkassenbrief/-Zertifikat als auch am zeitlichen sowie ursächlichen Zusammenhang.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG vom 25.05.2000 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
wobei sie zur Begründung im Wesentlichen vorträgt, dass, wie von der KSK schriftlich
bestätigt worden sei, nach der getroffenen mündlichen Absprache das Guthaben nach
Ablauf der Zinsfestschreibung zur Tilgung des Darlehens dienen solle. Auch mündliche
Absprachen seien bekanntermaßen Verträge, an die sich beide Seiten zu halten hätten.
Wie erstinstanzlich bereits dargestellt, müsse der "Erwerb eines Hausgrundstücks" zeitlich
gestreckt betrachtet werden. Die Anschaffung des Hausgrundstücks selbst sei ein
Gelegenheitskauf zu einem Preis von nur 30.000,00 DM gewesen, wobei daran allerdings
die Verpflichtung zur Gräberpflege geknüpft gewesen sei. Die unumgänglich notwendige
Renovierung des Hauses ziehe sich bis heute hin. Insgesamt seien bisher 220.000,00 DM
an Renovierungskosten angefallen. Die vorläufig letzte Maßnahme werde die Erneuerung
des Außenputzes sein, für die ein Kostenvoranschlag von rund 20.000,00 DM vorliege. Die
monatlichen Raten für das Darlehen an die KSK betrügen 800,00 DM. Ihr Ehemann habe
ein monatliches Einkommen von circa 1.800,00 DM an Berufsunfähigkeitsrente. Das
Darlehen der KSK sei im Mai 2001 abzulösen oder ein neues Darlehen aufzunehmen. Das
vormalige festverzinsliche Guthaben von 140.000,00 DM sei durch die
Renovierungsarbeiten aktuell auf 81.675,00 DM geschrumpft. Demgegenüber betrage die
aktuelle Darlehensrestschuld (zum 05.03.2001) noch 97.530,49 DM. Aus ihrer -- der
Klägerin -- Sicht sei der Differenzbetrag genau das, was ihr die Arbeitsverwaltung an
Arbeitslosenhilfe schulde. Der Bezugszeitpunkt für die Vermögensfeststellung sei der erste
Tag, für den Arbeitslosenhilfe beantragt werde. Das Vermögen, welches an diesem Tag
vorhanden gewesen sei, sei ausschließlich für die Herstellung des renovierungsbedürftigen
Hauses zweckbestimmt gewesen. Auch wenn die Verwertung zeitlich gestreckt gewesen
sei, so sei zu diesem Zeitpunkt bereits feststellbar gewesen, dass jede Mark des
Vermögens sich irgendwann in einen Teil des Hausgrundstücks verwandeln würde.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren
Akteninhalt sowie auf die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr.: 248495), die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist zulässig.
Gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der zum Zeitpunkt der
Berufungseinlegung geltenden und damit für das vorliegende Verfahren nach wie vor
maßgeblichen Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts
oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des
Beschwerdegegenstandes
1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1.000,00 DM oder
2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,00 DM
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende
Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin vor der Erschöpfung des Leistungsanspruchs am
05.06.1998 Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines gerundeten Bemessungsentgelts
von 800,00 DM bezogen. Die nach diesem Bemessungsentgelt in der Leistungsgruppe D/0
ab dem 06.06.1998 zu gewährende Arbeitslosenhilfe hätte sich nach der Verordnung über
die Leistungsentgelte für das Arbeitslosengeld, das Teilarbeitslosengeld, das Unterhaltsgeld,
die Arbeitslosenhilfe, das Altersübergangsgeld sowie die pauschalierten
Nettoarbeitsentgelte für das Kurzarbeitergeld und das Winterausfallgeld für das Jahr 1998
(SGB III-Leistungsentgeltverordnung 1998) vom 22.12.1997 (BGBl I Seite 3349) auf
193,83 DM/Woche belaufen. Die 1.000,00-DM-Grenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG
wäre damit bereits bei einem etwas mehr als 5-wöchigen Leistungsbezug überschritten
worden, während der von der Beklagten festgestellte Ruhenszeitraum sich auf 117
Wochen beläuft.
Die Berufung ist auch in der gesetzlich vorgesehenen Form und Frist (§ 151 SGG) eingelegt
worden.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da das SG die angefochtenen Bescheide zu
Unrecht aufgehoben hat.
Denn der Klägerin stand ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit
für einen Zeitraum von 117 Wochen nicht zu.
Gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 des 3. Buches des Sozialgesetzbuches, Arbeitsförderung (SGB
III) ist eine der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe die
Bedürftigkeit des Arbeitslosen.
Gemäß § 193 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt
nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das
zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht. Anhaltspunkte dafür,
dass die Klägerin selbst in dem streitbefangenen Zeitraum über zu berücksichtigendes
Einkommen im Sinne des § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III verfügt hat, sind nicht gegeben.
Ob und inwieweit das Einkommen ihres Ehegatten (damals Arbeitslosengeld) im Rahmen
der Bedürftigkeitsprüfung gem. § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III zu berücksichtigen
gewesen wäre, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da die Bedürftigkeit der Klägerin
schon aufgrund der Berücksichtigung ihres Vermögens bzw. des Vermögens ihres
Ehegatten zu verneinen war.
Gemäß § 193 Abs. 2 SGB III in der im Jahr 1998 geltenden Fassung ist der Arbeitslose aber
nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht
dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem
Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht
gerechtfertigt ist.
Gemäß § 6 Abs. 1 Alhi-VO vom 07.08.1974 (BGBl I S. 1929) in der 1998 geltenden
Fassung ist Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden
Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und
der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000,00 DM
übersteigt.
Gemäß § 6 Abs. 2 Alhi-VO a.F. ist Vermögen insbesondere verwertbar, soweit seine
Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht
verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die
Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann.
Gemäß § 6 Abs. 3 Alhi-VO a.F. ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich
unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen
Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet
werden kann. Nicht zumutbar ist hierbei insbesondere die Verwertung
...
3. von Vermögen, das für eine alsbaldige Berufsausbildung, zum Aufbau oder
zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung
einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist,
...
7. eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der Eigentümer
bewohnt, oder einer entsprechenden Eigentumswohnung oder eines
Vermögens, das nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines solchen
Hausgrundstückes oder einer solchen Eigentumswohnung bestimmt ist.
Gem. § 8 Alhi-VO a.F. ist das Vermögen ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften
mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist hierbei der Zeitpunkt
maßgebend, in dem der Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt wird, bei späterem Erwerb von
Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Änderungen des Verkehrswertes sind nur zu
berücksichtigen, wenn sie erheblich sind.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 02.11.2000, Az.: B 11 AL 35/00 R)
entspricht die auf einen bestimmten Stichtag bezogene Prüfung der
Vermögensverhältnisse der Systematik der §§ 6 - 9 Alhi-VO a.F. Maßgebender Stichtag ist
hierbei grundsätzlich der erste Tag, für welchen Arbeitslosenhilfe beantragt ist und an dem
die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
Im vorliegenden Fall ist maßgebender Stichtag der 06.06.1998, nachdem der Anspruch
der Klägerin auf Arbeitslosengeld mit dem 05.06.1998 erloschen war. An diesem Stichtag
verfügten die Klägerin und ihr Ehemann über ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe
von mindestens 130.000,00 DM, das zu einem Teilbetrag von 90.000,00 DM in einem
Sparkassenbrief und zu einem Teilbetrag von 40.000,00 DM in einem S-Zertifikat angelegt
war. Die Lebensversicherung der Klägerin über 10.000,00 DM hat die Beklagte im Rahmen
der Bedürftigkeitsprüfung zu Recht nicht berücksichtigt, weil es sich insoweit um gem. § 6
Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alhi-VO a.F. privilegiertes Vermögen handelte. Gleiches gilt für das von
der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnte Hausgrundstück gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7
Alhi-VO a.F. Die Verwertung der auf dem Sparkassenbrief sowie dem S-Zertifikat
angelegten Guthabenbeträge war demgegenüber, wie die Beklagte zu Recht festgestellt
hat, für die Klägerin grundsätzlich zumutbar, wobei lediglich der in § 6 Abs. 1 Alhi-VO a.F.
festgelegte allgemeine Freibetrag von 2 mal 8.000,00 = 16.000,00 DM sowie ein weiterer
Freibetrag von 2 mal 10.000,00 DM = 20.000,00 DM gem. § 7 Abs. 1 Alhi-VO a.F. zu
berücksichtigen waren, weil die bei der KSK angelegten Beträge aus einmaligen
Sozialleistungen, nämlich zweier anlässlich des Ausscheidens der Klägerin und ihres
Ehemannes aus dem Arbeitsverhältnis gewährten Sozialplan-Abfindungen stammten. Der
sich nach Abzug der Freibeträge ergebende Restbetrag von 94.000,00 DM war im
Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen.
Aus den Regelungen zur Bedürftigkeit in § 193 SGB III i.V.m. §§ 6ff Alhi-VO a.F. ergibt sich,
dass Arbeitslosenhilfe generell nur subsidiär zu gewähren ist, was bedeutet, dass der
Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens für seinen Lebensunterhalt
zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Anspruch nimmt. Allerdings
soll der Verbrauch eigenen Vermögens nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der
vorhandenen Lebensgrundlagen, einem wirtschaftlichen Ausverkauf oder einer nachhaltigen
sozialen Herabstufung führen (vgl. BSG-Urteil vom 29.01.1997, Az.: 11 RAr 21/96 = SozR
3-4220 § 6 Nr. 4). Die Zumutbarkeit der Verwertung von Vermögen kann daher nach den
Umständen des Einzelfalles schon nach dem Grundtatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-
VO a.F. ausgeschlossen sein. Die Grenzen einer zumutbaren Vermögensverwertung
erschließen sich jedoch im Allgemeinen leichter über die negativen Regelbeispiele des § 6
Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 7 Alhi-VO a.F., in denen der Verordnungsgeber typische Fälle einer
unzumutbaren Vermögensverwertung geregelt hat (vgl. BSG a.a.O.). Denn grundsätzlich
wären mit der Subsidiarität der Arbeitslosenhilfe Rückstellungen für künftige Bedarfslagen,
die über die geregelten Fälle des Schonvermögens hinausgehen, nicht zu vereinbaren (vgl.
BSG-Urteil vom 29.01.1997, Az.: 11 RAr 63/96).
Die Klägerin hat vorgetragen, dass die bei der KSK angelegten Beträge für den Fall, dass
sie und ihr Ehemann den gegenüber der KSK bestehenden Verpflichtungen aus dem
Darlehensvertrag nachkommen könnten, für die Versorgung des Ehemannes im
Rentenalter bestimmt seien. Hieraus lässt sich eine Privilegierung nach § 6 Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 Alhi-VO a.F. aber nicht ableiten.
Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 22.10.1998, Az.: B 7 AL 118/97 R =
BSGE 83, 88 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 6; Urteil vom 29.01.1997, Az.: 11 RAr 63/96; Urteil
vom 17.10.1996, Az.: 7 RAr 2/96 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 7) lässt sich die Frage, unter
welchen Voraussetzungen die Zweckbestimmungen "Aufbau oder Sicherung einer
angemessenen Lebensgrundlage" und "Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung" zu bejahen sind, nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der
Besonderheiten des Einzelfalles sowie von Sinn und Zweck der Arbeitslosenhilfe-
Bestimmungen beantworten. Ausgangspunkt der Prüfung hat hierbei die von dem
Arbeitslosen subjektiv getroffene Zweckbestimmung zu sein. Im Anschluss daran ist zu
prüfen, ob diese subjektive Zweckbestimmung mit den objektiven Begleitumständen (z.B.
Vertragsgestaltung, Alter des Versicherten, Familienverhältnisse) in Einklang steht, weil die
behauptete Zweckbestimmung nur dann auch glaubhaft ist. Schließlich erfolgt in einem
letzten Schritt die Prüfung, ob das für den "Aufbau oder die Sicherung der
Lebensgrundlage" bzw. die "Altersvorsorge" bestimmte Vermögen auch "angemessen" ist,
wodurch ausgeschlossen werden soll, dass eine unverhältnismäßige Zweckbestimmung
zum Tragen kommt.
Insoweit hat der Senat in zwei Entscheidungen vom 14.08.2001 (Az.: L 6 AL 40/00) und
vom 11.12.2001 (Az.: L 6 AL 42/00) bereits entschieden, dass Vermögen, das auf einem
sog. "Rendite-Sparbuch" angelegt ist, generell nicht geeignet ist, die von dem
Leistungsbezieher behauptete Zweckbestimmung der "Altersvorsorge" objektiv zu belegen.
Denn bei dieser Anlageform ist jederzeit eine vorzeitige Kündigung des Sparguthabens
möglich, wobei der Anleger lediglich auf die erst künftig anfallenden (höheren) Zinsen
verzichtet, und über das Sparguthaben kann nach erfolgter Kündigung frei verfügt werden.
Im Unterschied zu der Anlage in Form eines Rendite-Sparbuches waren im vorliegenden Fall
die Gelder auf einem Sparkassenbrief sowie in einem S-Zertifikat angelegt, wobei eine
verlustfreie Verfügung über die Guthabenbeträge erst am 01.02.1999 bzw. 01.02.2000
möglich war. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, dass die
Laufzeit der Verträge in etwa auf die Vollendung des 60. Lebensjahres ihres Ehemannes
abgestimmt worden sei, erscheint fraglich, ob ein derartiger Zusammenhang angesichts
der erst ....2001 eintretenden Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehemannes bejaht
werden kann. Eine Berücksichtigung im Rahmen des Privilegierungstatbestandes nach § 6
Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alhi-VO a.F. scheidet aber vorliegend schon deswegen aus, weil die von
der Klägerin angeführte Zweckbestimmung "Alterssicherung" nur hilfsweise neben der an
erster Stelle angegebenen Zweckbestimmungen "Renovierungsrücklage" und
"Hausfinanzierung" angeführt worden ist. Denn derartige nur hilfsweise neben einer
hauptsächlich und in erster Linie angegebenen Zweckbestimmung angeführte Gründe sind
nach Ansicht des Senats generell nicht geeignet, die Voraussetzungen für einen der
Privilegierungstatbestände des § 6 Abs. 3 Satz 2 Alhi-VO a.F. zu erfüllen. Denn wie bereits
dargelegt kann eine von dem Arbeitslosen hinsichtlich seines vorhandenen Vermögens
getroffene subjektive Zweckbestimmung nur dann berücksichtigt werden, wenn objektive
Begleitumstände vorliegen, die die subjektive Zweckbestimmung nachvollziehbar und
glaubhaft erscheinen lassen. Eine derartige Nachvollziehbarkeit und Glaubhaftmachung
muss aber im Falle von nur hilfsweise vorgebrachten Zweckbestimmungen generell
verneint werden, da andernfalls den Manipulationsmöglichkeiten im Rahmen der
Anwendung der Privilegierungstatbestände nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Alhi-VO a.F. Tür und Tor
geöffnet würde. Eine Privilegierung von vorhandenem Vermögen nach dieser Vorschrift
kommt daher nur in Betracht, wenn das Vermögen unbedingt und in jedem Fall für einen
der aufgeführten Zwecke zu dienen bestimmt ist. Für den Privilegierungstatbestand nach §
6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alhi-VO a.F. ist dies zu verneinen, wenn -- wie im vorliegenden Fall --
das Vermögen nur unter der Voraussetzung zur Alterssicherung bestimmt ist, dass es
nicht zuvor für Finanzierungszwecke eingesetzt worden ist.
Eine Privilegierung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 Alhi-VO a.F. (Vermögen, das zum Erwerb
eines Hausgrundstückes bestimmt ist) wegen der angeführten Zweckbestimmung
"Finanzierungsrücklage zur Darlehensablösung" scheidet ebenfalls aus. Zwar sind nach § 1
Abs. 3 Ziff. 5 Alhi-VO in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung als Vermögen auch nicht zu
berücksichtigen Sachen und Rechte, die nachweislich alsbald zur Erhaltung eines selbst
bewohnten Hausgrundstücks von angemessener Größe verwendet werden sollen; von
dieser Bestimmung werden nach Auffassung des Senats auch Ersparnisse erfasst, die zur
Ablösung eines bestehenden Darlehens zur Hausfinanzierung eingesetzt werden. Dieser
Passus war in § 6 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 8 Alhi-VO a.F. zwar noch nicht enthalten; eine
Erstreckung dieser Privilegierungsregelung auf Altfälle erscheint im Hinblick auf die
Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 3 Alhi-VO a.F.
(Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage) aber geboten. Eine Privilegierung nach §
6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO a.F. i.V.m. § 1 Abs. 3 Ziff. 5 Alhi-VO n.F. kommt im vorliegenden
Fall aber gleichwohl nicht in Betracht. Denn nach der im Berufungsverfahren vorgelegten
Bescheinigung der KSK vom 26.09.2002 erfolgte nach Ablauf der Zinsbindung des zur
Hausfinanzierung aufgenommenen Darlehens am 19.03.2001 lediglich eine Sondertilgung
in Höhe von 5.000,00 DM; am 24.06.2002 erfolgte aus einer "fälligen Geldanlage" -- wobei
zu bezweifeln ist, ob es sich bei dieser "fälligen Geldanlage" überhaupt um die bei der
Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigten Guthabenkonten gehandelt hat -- eine nochmalige
Sondertilgung in Höhe von 5.000,00 Euro, während ein Betrag von 7.500,00 Euro
nochmals auf einem Zuwachssparkonto angelegt wurde. Damit ist nicht belegt, dass die
vorhandenen Guthaben, die sich laut Bescheinigung der KSK vom 05.03.2001 an diesem
Tag auf noch 81.675,00 DM beliefen, in nennenswerter Weise zur Darlehensablösung
eingesetzt worden sind; es fehlt damit an der -- nach den obigen Ausführungen
erforderlichen -- objektiven Bestätigung für die angeführte subjektive Zweckbestimmung
"Darlehensablösung".
Eine Privilegierung des vorhandenen Guthabens war auch nicht unter dem Gesichtspunkt
zu bejahen, dass den Guthabenbeträgen eine Darlehensschuld bei der KSK in
vergleichbarer Höhe gegenübergestanden hat. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl.
Urteil vom 02.11.2000, Az.: B 11 AL 35/00 R = BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 8)
sind zwar darlehensweise zufließende Geldmittel, die von Anfang an mit einer
entsprechenden Rückzahlungspflicht verbunden sind, vom Einkommensbegriff
ausgenommen, weil sie dem Arbeitslosen nicht endgültig zur Verwendung zur Verfügung
stehen und deshalb nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes herangezogen werden
können. Nicht als Darlehen zugeflossene Vermögensbeträge sind aber zu berücksichtigen,
weil als Vermögen i.S.d. der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe grundsätzlich die
Summe der gesamten aktiven Vermögenswerte anzusehen ist; der Abzug von
Verbindlichkeiten bereits auf der Stufe der Feststellung der vorhandenen
Vermögensgegenstände kommt hierbei nur in Betracht, soweit diese Verbindlichkeiten
unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lasten. Sofern dies -- wie auch
vorliegend -- nicht der Fall ist, ermöglicht es die in § 6 Abs. 3 Alhi-VO a.F. vorgesehene
Billigkeitsprüfung zwar im Grundsatz, bestimmten Vermögensgegenständen
Verbindlichkeiten zuzuordnen und auch dann in Ansatz zu bringen, wenn ein Abzug dieser
Verbindlichkeiten bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich
ist, weil der insoweit erforderliche unmittelbare Zusammenhang nicht besteht. Eine
Unzumutbarkeit der Verwertung i.S.d. § 6 Abs. 3 Alhi-VO a.F. ist hierbei aber nur unter der
Voraussetzung zu bejahen, dass die vorhandenen Vermögensgegenstände und die
Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als eine Einheit anzusehen sind
(vgl. BSG a.a.O.). Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die
Vermögensbestandteile und die Verbindlichkeiten nach Entstehung und beabsichtigter
Tilgung miteinander verknüpft sind; erforderlich ist insoweit jeweils ein zeitlicher und
ursächlicher Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, Vermögensbestandteil und
Verbindlichkeit würden eine wirtschaftliche Einheit bilden. Von einem solchen zeitlichen und
ursächlichen Zusammenhang kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ausgegangen
werden, weil -- wie bereits gesehen -- die vorhandenen Guthabenbeträge nach Ablauf der
Festlegungsfrist allenfalls zu einem geringfügigen Teil zur Darlehenstilgung eingesetzt
worden sind.
Soweit die Klägerin weiter vorgetragen hat, dass das vorhandene Vermögen zu einem
Großteil für anfallende Renovierungsarbeiten verbraucht worden bzw. nach wie vor
bestimmt sei, führt dies ebenfalls nicht zur Annahme einer Privilegierung nach § 6 Abs. 3
Alhi-VO a.F. Zu der angeführten Zweckbestimmung "Renovierungskosten" hat der Senat
bereits in zwei Urteilen vom 14.08.2001 (Az.: L 6 AL 40/00) und vom 11.12.2001 (Az.: L
6 AL 42/00) ausgeführt, dass als unzumutbar i.S.d. Ziff. 7 des § 6 Abs. 3 Satz 2 Alhi-VO
a.F. nicht nur die Verwertung von Vermögen anzusehen ist, das unmittelbar der
Anschaffung eines Hausgrundstückes oder einer Eigentumswohnung dient, sondern auch
Vermögen, dessen Zweckbestimmung in der Erhaltung und Sicherung von bereits
angeschafftem und selbst genutztem Wohneigentum liegt. Insoweit können
Vermögensrückstellungen für vorgesehene Sanierungsmaßnahmen allerdings nur dann als
privilegiertes Vermögen anerkannt werden, wenn der Zeitraum bis zur Realisierung dieser
Maßnahmen überschaubar ist. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn die
Maßnahmen innerhalb eines Jahres nach der Entstehung des Arbeitslosenhilfe-Anspruchs
umgesetzt werden sollen. Dies hat die Klägerin im vorliegenden Fall aber nicht
nachgewiesen.
Insoweit hat die Beklagte im Klageverfahren zu Recht darauf hingewiesen, dass von den in
erster Instanz vorgelegten Rechnungen lediglich 8 über eine Gesamtsumme von 8.113,18
DM (wobei es sich ausweislich der auf den Rechnungen angebrachten handschriftlichen
Vermerke um die von der Klägerin und ihrem Ehemann bezahlten Beträge handelt) aus der
Zeit nach dem 05.06.1998 stammen; eine Berücksichtigung dieser Kosten scheidet aber
schon deshalb aus, weil die Rechnungen nicht aus den angelegten Guthaben beglichen
worden sind, deren Festlegungsfrist erst später endete. Im Berufungsverfahren hat die
Klägerin dann 3 Rechnungen vom 10.04.2000, 15.01.2001 und 10.04.2000 über einen
Gesamtbetrag von 19.599,46 + 360,46 + 2.972,11 = 22.932,03 DM vorgelegt; insoweit
ist nicht belegt und nachvollziehbar, wieso das ursprüngliche Guthaben von 140.000,00
DM auf 81.675,00 DM geschrumpft sein soll. Eine Berücksichtigung der im
Berufungsverfahren vorgelegten Rechnungen über Renovierungskosten kommt aber schon
deswegen nicht in Betracht, weil -- wie bereits ausgeführt -- die Unverwertbarkeit von
Vermögen aufgrund durchzuführender Renovierungsarbeiten nur unter der Voraussetzung
zu bejahen ist, dass diese Arbeiten innerhalb eines Jahres nach der Entstehung des
Arbeitslosenhilfe-Anspruchs (hier also bis spätestens 05.06.1999) umgesetzt werden.
Letztlich scheitert eine Verwertung des am Stichtag 06.06.1998 vorhandenen Vermögens
auch nicht daran, dass die Guthabenbeträge bis zum 30.01.1999 bzw. 30.01.2000
festgelegt waren. Denn die Klägerin konnte über diese Guthabenbeträge durchaus
verfügen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 Alhi-VO a.F.) wenn auch nur unter Inkaufnahme der
Zahlung von Vorschusszinsen in Höhe von 7.150,00 DM (bei dem Guthabenbetrag von
90.000,00 DM) bzw. von 1.087,22 DM (bei dem Guthabenbetrag von 40.000,00 DM). Die
Inkaufnahme derartiger Zinsverluste war für sie aber zumutbar; von einer "offensichtlichen
Unwirtschaftlichkeit" der Verwertung gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO a.F. kann nämlich nur
dann ausgegangen werden, wenn der durch die Verwertung des Vermögens erlangte bzw.
zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des
verwerteten oder zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde
(vgl. BSG-Urteil v. 17.10.1990, Az.: 11 RAr 133/88). Insoweit ist der Beklagten
beizupflichten, die von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung erst bei
Zinsverlusten von mindestens 10% der Guthabenbeträge ausgegangen ist. Im
vorliegenden Fall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die von der KSK mitgeteilten
Zinsbeträge auch nur in dem Fall angefallen wären, dass die Klägerin die vorhandenen
Guthaben zur Gänze gekündigt hätten, was aber zur Sicherung des Lebensunterhalts gar
nicht notwendig gewesen wäre; ausreichend wäre vielmehr gewesen, wenn die Klägerin
lediglich Teilbeträge der vorhandenen Guthaben nach und nach gekündigt hätte, wodurch
sich bei einer Beleihung anfallenden Zinsen noch erheblich verringert hätten.
Die Bedürftigkeit der Klägerin war damit gem. § 9 Alhi-VO a.F. für die Zahl voller Wochen zu
verneinen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das
Arbeitsentgelt ergab, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe der Klägerin gerichtet hätte;
mithin ergab sich ein Zeitraum fehlender Bedürftigkeit von insgesamt 94.000 durch 800 =
117,5, gerundet also 117 Wochen.
Auf die Berufung der Beklagten waren das erstinstanzliche Urteil folglich aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.