Urteil des LSG Saarland vom 28.06.2004
LSG Saarbrücken: hauptsache, rente, erwerbsunfähigkeit, kopie, zivilprozessordnung, rechtsschutz, niedersachsen, erlass, kostendeckung, anforderung
LSG Saarbrücken Beschluß vom 28.6.2004, L 6 B 11/01 AL
sozialgerichtliches Verfahren - Beschwerde gegen PKH-Beschluss - Statthaftigkeit trotz
nicht statthafter Berufung in der Hauptsache - Unzulässigkeit mangels
Rechtsschutzbedürfnis - rechtskräftiger Abschluss des Rechtsstreits - keine rückwirkende
PKH-Bewilligung - Verzögerung aus vom Antragsteller zu vertretenden Gründen -
verspätete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Leitsätze
Eine Beschwerde gegen einen PKH versagenden Beschluss ist nicht deshalb unstatthaft,
weil in der Hauptsache die Berufung nicht statthaft wäre. Sie ist aber mangels
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn über den Antrag auf Bewilligung von PKH aus
vom Antragsteller zu vertretenden Gründen erst verzögert entschieden werden konnte, so
dass eine Einlegung der Beschwerde vor Abschluss der Instanz nicht möglich gewesen ist.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts für das
Saarland vom 30. November 2001 wird als unzulässig verworfen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Beschwerdeführer für die Durchführung des
Klageverfahrens vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) Prozesskostenhilfe (PKH) zu
bewilligen war.
In der Sache ging es um die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) aufgrund einer
fehlgeleiteten Überweisung. Die Beklagte versagte dem Beschwerdeführer mit Bescheid
vom 01. Juni 1999 wegen fehlender Mitwirkung die Bewilligung von Alg. Der Bescheid
wurde bestandskräftig. Mit Sonderzahlungsverfügung vom 10. Mai 2000 überwies die
Beklagte, nachdem sie eine falsche, nicht den Beschwerdeführer betreffende
Kundennummer eingegeben hatte, an diesen für den Leistungszeitraum vom 29. Juli bis
20. Oktober 1999 526,32 DM. Nachdem der Beschwerdeführer erfolglos zur Erstattung
des Betrages aufgefordert worden war, verlangte die Beklagte mit Bescheid vom 20.
September 2000 diesen Betrag aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten
Bereicherung von ihm zurück. Dagegen richtete sich der Widerspruch vom 25. September
2000, der erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2000). Mit seiner
Klage vom 19. Januar 2001, am selben Tag beim SG eingegangen, hat sich der
Beschwerdeführer gegen die Erstattung gewendet.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2001 hat der Beschwerdeführer die Bewilligung von PKH
beantragt und die Nachreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse angekündigt, diese aber bis zur mündlichen Verhandlung vom 20. September
2001 nicht vorgelegt.
Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Mit Schriftsatz vom 05. November 2001 hat der Beschwerdeführer an die Entscheidung
über seinen PKH-Antrag erinnert, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse jedoch immer noch nicht vorgelegt.
Mit Beschluss vom 30. November 2001, dem Beschwerdeführer am 13. Dezember 2001
zugegangen, hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgewiesen, da mangels
Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die
Bedürftigkeit nicht nachgewiesen sei.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2001 Beschwerde
eingelegt. Für Anträge und Gründe wurde ein nachzureichender Schriftsatz angekündigt.
Mit Verfügung vom 19. Dezember 2001 hat der Kammervorsitzende der Beschwerde nicht
abgeholfen und sie dem Landessozialgericht (LSG) für das Saarland zur Entscheidung
vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 02. Januar 2002 hat der Beschwerdeführer "im Nachgang zu seinem
Schriftsatz vom 17. Mai 2001" die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse vom 30. Dezember 2001 in Kopie vorgelegt. In einem handschriftlich
gefertigten Vermerk auf diesem Erklärungsvordruck hat der Beschwerdeführer mitgeteilt,
dass er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehe. Weitere Belege waren dieser Erklärung
nicht beigefügt. Eine sodann erbetene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse im Original, nunmehr datierend auf den 27. Januar 2002, wurde mit
Schriftsatz vom 28. Januar 2002 vorgelegt. Darin hat der Beschwerdeführer unter der
Rubrik "andere Einnahmen" angegeben, er erhalte 150,-- Euro brutto ("unregelmäßig
Träger"). Die ihm bereits mit Bescheid vom 11. Oktober 2000 bewilligte Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit hat er nicht mehr erwähnt. Der Beschwerdeführer meint, aus der
Klageabweisung in der Hauptsache zu folgern, der Antrag über Gewährung von PKH sei
abzulehnen, sei mit Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts für das Saarland vom
30. November 2001 aufzuheben und ihm, dem Beschwerdeführer, Prozesskostenhilfe zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist zwar statthaft gemäß § 172
Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dem steht vorliegend nämlich nicht entgegen, dass eine
Berufung in der Hauptsache wegen § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft gewesen wäre,
da der dort bezeichnete Grenzbetrag von 1.000,-- DM nicht erreicht wäre. Denn nach ganz
überwiegender Auffassung ist die Beschwerde nach § 172 SGG auch dann statthaft, wenn
die Berufung in der Hauptsache ausgeschlossen wäre (vgl. zur Problematik, Meyer-
Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl. 2002, § 172 SGG, Rdnr.2a und 4; LSG Berlin,
Breithaupt 1990, Seite 77).
Für diese Auffassung spricht nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, der eine solche
Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit nicht vorsieht. Das ergibt sich auch aus der
Entstehungsgeschichte. Der Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG-ÄndG) vom 04. Mai 2001 (BT-Drs 14/5943) sah vor, die
Beschwerde in Verfahren über PKH auszuschließen, wenn im Verfahren der Hauptsache die
Berufung der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf. Dieser Vorschlag ist aber in der
Anschlussberatung nicht übernommen worden (BT-Drs 14/6335).
Die Beschwerde, die vorliegend zwar form- und fristgerecht im Sinne des § 173 SGG
eingelegt worden ist, ist aber wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn
der Rechtsstreit, für den der Beschwerdeführer die Bewilligung von PKH wünscht, ist
rechtskräftig abgeschlossen, die Rechtshängigkeit ist also entfallen.
Es ist in der Rechtsprechung streitig, ob es möglich ist, PKH nach Abschluss der Instanz
rückwirkend zu bewilligen. Ganz überwiegend wird dazu die Auffassung vertreten, dass
dies nur ausnahmsweise dann möglich sei, wenn der entsprechende Antrag mit den
erforderlichen Unterlagen bereits während des Verfahrens gestellt, die Beschlussfassung
des Gerichts sich aber aus vom Antragsteller nicht zu vertretenden Gründen verzögert
habe oder so spät erfolgt sei, dass eine Beschwerdeeinlegung vor Abschluss der Instanz
nicht mehr möglich sei (vgl. zur Problematik: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 73a
SGG, Rdnr. 12b; LSG Berlin, Breithaupt 1986, Seite 180 f; LSG Hamburg, Die
Sozialversicherung 1983, Seite 216; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. August
1998, AZ: L 13 AL 1142/98 PKH/B; LSG Niedersachsen, Breithaupt 1995, Seite 735; a. A.
Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Der Rechtspfleger 1988, Seite 548).
So lag der vorliegende Fall aber nicht.
Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 19. Januar 2001 Klage erhoben und mit
Schriftsatz vom 17. Mai 2001 einen Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt. In diesem
Schriftsatz hat er auf die nachzureichende Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse hingewiesen, die nach § 73a SGG i.V.m. § 117 Abs. 2
Zivilprozessordnung dem Antrag beizufügen ist. Auch bis zur mündlichen Verhandlung vom
20. September 2001 hat der Beschwerdeführer die Erklärung nicht vorgelegt. Selbst
seinem Schriftsatz vom 05. November 2001, mit welchem er an die Entscheidung über
das PKH-Gesuch erinnert hat (nach Erlass des Urteils vom 20. September 2001), hat er
diese nicht beigefügt. Erst nach Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 30.
November 2001, nämlich mit Schriftsatz vom 02. Januar 2002, reicht er die Erklärung –
zunächst in Kopie - zu den Akten. Damit hat er selbst nicht Sorge dafür getragen, dass
eine Entscheidung über sein Gesuch vor Abschluss der Instanz möglich gewesen wäre. Sein
Einwand , in der mündlichen Verhandlung sei seine wirtschaftliche Situation, nämlich die
Arbeitslosigkeit, erörtert worden, sodass das Gericht über seine wirtschaftlichen und
persönlichen Verhältnisse informiert gewesen sei, geht fehl. Dies kann im vorliegenden Fall
die erforderliche Erklärung nicht ersetzen. Denn wie sich aus der Nachfrage des Senats
zum 21. Juli 2003 ergibt, bedurfte es aufgrund des handschriftlichen Eintrags des
Beschwerdeführers in der Erklärung vom 30. Dezember 2001, er beziehe eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit, der Anforderung weiterer Belege, vor allem des Bescheides
vom 11. Oktober 2000, mit welchem die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt
worden ist. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer in der später vorgelegten
Erklärung vom 27. Januar 2002 die bewilligte Rente nicht mehr erwähnt. Da der
Beschwerdeführer - trotz Ankündigung - selbst aber nicht alles Zumutbare getan hat, um
die Entscheidung über seinen Antrag herbeizuführen, ist es weder aus
Billigkeitserwägungen und noch mit Blick auf Art. 19 Abs.4 GG gerechtfertigt, die
Beschwerde im vorliegenden Fall als zulässig zu erachten. Der Antragsteller kann nicht im
Nachhinein, wobei die Verspätung alleine von ihm zu vertreten ist, Kostendeckung für die
Durchsetzung eines Begehrens verlangen, das rechtskräftig abgelehnt worden ist. Für
dieses an Mutwillen grenzende Verhalten ist Rechtsschutz zu versagen. Die Beschwerde ist
deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).