Urteil des LSG Saarland vom 16.02.2005

LSG Saarbrücken: berufliche tätigkeit, freier mitarbeiter, vergütung, verwaltungsakt, dienstwagen, verfügung, ingenieurbüro, arbeitslosenversicherung, abrede, arbeitskraft

LSG Saarbrücken Urteil vom 16.2.2005, L 2 KR 15/02
Versicherungspflicht - Renten- und Arbeitslosenversicherung - Architekturbüro - Architekt -
Abgrenzung - abhängiges Beschäftigungsverhältnis - selbstständige Tätigkeit -
Beitragsforderung - Verjährung
Leitsätze
Zur Frage eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen einem
Architekturbüro und einem für ein konkretes Projekt zuständigen Architekten. Zur
Verjährung der Beitragsforderung.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 18.04.2002 abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 06.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
11.05.2001 wird aufgehoben, soweit er die Beiträge für die Zeit vom 15.12.1994 bis
November 1996 betrifft. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) haben als Gesamtschuldner 2/3 der
außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu erstatten. Die Klägerin hat
dem Beigeladenen zu 1) 1/3 seiner außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu
erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1), der als Architekt für die Klägerin
vom 15.12.1994 bis 31.3.1998 tätig war, für die Zeit seiner Tätigkeit in einem
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und daher die Klägerin an die
Beklagte entsprechende Beiträge abzuführen hatte.
Der Beigeladene zu 1) schloss mit der Klägerin am 9.12.1994 eine "Vereinbarung". In
dieser ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1) ab 15.12.1994 als
freischaffender Ingenieur für das Ingenieurbüro der Klägerin tätig werde. Die Einstellung
erfolge unter der Bedingung, dass die Klägerin mit dem Bauvorhaben D. an der Autobahn
A. beauftragt werde und ende mit der vollständigen Abwicklung dieser Maßnahme. Die
Fortsetzung der Zusammenarbeit sei nach vorheriger Absprache beabsichtigt. Während
dieser Zeit sei der Beigeladene zu 1) ausschließlich für das Ingenieurbüro der Klägerin tätig
und dürfe keine weiteren Aufträge entgegennehmen. Der Beigeladene zu 1) sei
verpflichtet, das Zustandekommen der Vereinbarung zu fördern und nicht zu gefährden;
diesbezüglich fänden u. a. die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften Anwendung. Zu
den Aufgaben des Beigeladenen zu 1) gehöre unter anderem die örtliche Bauüberwachung
nach § 57 Abs. 1. Die Rechte und Pflichten während seiner Tätigkeit seien denen eines
Arbeitnehmers ähnlich. Er sei z. B. weisungsgebunden und verpflichtet, alle ihm
übertragenen Arbeiten sorgfältig und termingerecht auszuführen. Die regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit betrage derzeit durchschnittlich 42 Stunden. Überstunden seien
möglichst zu vermeiden und würden durch Freizeitausgleich abgegolten. Die Anzahl der
Überstunden sei zum Monatsende schriftlich anzuzeigen. Er erhalte eine Vergütung in Höhe
von monatlich 9.000 DM zzgl. MwSt. Überstunden würden bis zu zwölf Stunden monatlich
nicht vergütet. Sollte ein Freizeitausgleich nicht möglich sein, würden die verbleibenden
Überstunden nach vorheriger Absprache abgegolten. Eine hiervon abweichende Regelung
bedürfe grundsätzlich der Schriftform. Die Zahlung der Vergütung erfolge nach
Rechnungsstellung. Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses stelle das Ingenieurbüro ein
möbliertes Appartement zur Verfügung oder zahle einen Mietzuschuss zu einer selbst
angemieteten Räumlichkeit. Das Ingenieurbüro gewähre Familienheimfahrten zweimal pro
Monat und erstatte die notwendigen Reisekosten. Dem Beigeladenen zu 1) stehe ein
Dienstwagen zur Verfügung. Er erhalte für 25 Tage pro Jahr bezahlten Urlaub. Der Urlaub
werde gemeinsam mit dem Vertragspartner abgestimmt. Im Falle der Erkrankung oder
Arbeitsverhinderung sei der Beigeladene zu 1) verpflichtet, dies unverzüglich mitzuteilen
und bis zum Ablauf des dritten Tages ein ärztliches Attest einzureichen. Während der
Erkrankung erhalte der Beigeladene zu 1) einen Anspruch auf Weiterzahlung seines
Honorars für maximal zehn Kalendertage pro Jahr. Mündliche Abreden seien nicht
getroffen. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürften der Schriftform.
Eine Zusatzvereinbarung vom 9.1.1995 zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu
1) hatte zum Inhalt, dass der Beigeladene zu 1) immer monatlich 21 Arbeitstage mit 8,4
Stunden zu Grunde lege. Zwölf Überstunden würden hinzugerechnet, die im
Pauschalhonorar enthalten seien. Mit Schreiben vom 8.6.1995 und 14.6.1995 führte die
Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) zunächst aus, über eine Gehaltserhöhung sei
noch keine Vereinbarung getroffen worden, man beabsichtige aber, über eine
angemessene Erhöhung zu verhandeln. Kurz darauf teilte die Klägerin dem Beigeladenen
zu 1) mit, ab Juni 1995 würde das Gehalt um 500 DM erhöht und am Ende des Jahres
könne man eventuell eine Erfolgsprämie zahlen.
In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Saarbrücken zwischen dem Beigeladenen zu
1) und der Klägerin über die Zahlung von Überstunden schlossen diese Beteiligten am
4.9.1998 einen Vergleich. Die Klägerin verpflichtete sich, dem Beigeladenen zu 1) für 220
Überstunden je 66 DM brutto, zusammen 14.520 DM zu zahlen. Damit seien alle
wechselseitigen Forderungen dieser Beteiligten aus dem zum 31.3.1998 beendeten
Arbeitsverhältnis abgegolten.
Durch Schreiben vom 4.1.1999 informierte das Arbeitsamt Saarbrücken die Beklagte über
ein Widerspruchsverfahren des Beigeladenen zu 1) gegen einen Bescheid des Arbeitsamts
vom 4.6.1998, mit dem Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)
abgelehnt wurden. Das Arbeitsamt bat die Beklagte um Stellungnahme, ob der
Beigeladene zu 1) aus Sicht der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei.
Nachdem die Beklagte dies bejaht hatte, hob das Arbeitsamt Saarbrücken am 22.3.1999
den angefochtenen Bescheid auf und zahlte entsprechende Leistungen nach. Die
Beigeladene zu 2) bat die Beklagte mit Schreiben vom 25.3.1999 ebenfalls gem. § 28 h
Abs. 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) um Entscheidung darüber, ob der
privat krankenversicherte Beigeladene zu 1) sozialversicherungspflichtig ist oder nicht.
Im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Verwaltungsverfahrens äußerte sich die
Klägerin unter dem 29.7.1999 dahingehend, dass ein Dienstvertrag geschlossen worden
sei. Der Beigeladene zu 1) habe sich ausdrücklich für die Übernahme einer freiberuflichen
Tätigkeit beworben. Anders als im Vertrag geregelt sei der Beigeladene zu 1) keinen
Weisungen unterworfen gewesen und habe die Entscheidungen in eigener Verantwortung
treffen können. Er habe die Arbeitszeit selbst bestimmt und gegenüber dem Auftraggeber
der Klägerin, der Fa. D., Verhandlungen in eigener Regie geführt. Auch habe er Rechnungen
gegenüber ihr, der Klägerin, erstellt und MwSt. bezahlt. Hätte sie den Beigeladenen zu 1)
als Arbeitnehmer einstellen wollen, wäre die Vergütung erheblich geringer vereinbart
worden. Vor Abschluss der Vereinbarung vom 9.12.1994 habe der Beigeladene zu 1) unter
Zeugen zugesagt, alle Sozialversicherungsabgaben selbst zu leisten.
Nachdem die Beklagte die Klägerin durch Schreiben vom 17.8.1999 davon unterrichtet
hatte, sie teile deren Auffassung nicht, verweise auf den Vertrag und insbesondere darauf,
es sei nicht üblich, einem freien Mitarbeiter ein möbliertes Appartement zur Verfügung zu
stellen oder einen Mietzuschuss zu zahlen, einen Dienstwagen zu stellen, monatliche
Heimfahrten zu erstatten und diesem einen Urlaubsanspruch zu gewähren, daher habe der
Beigeladene zu 1) keine selbständige Tätigkeit ausgeübt, teilte sie der Klägerin mit
Schreiben vom 27.12.2000, am selben Tag der Klägerin persönlich ausgehändigt, mit, der
Beigeladene zu 1) habe nach den vorliegenden Unterlagen vom 15.12.1994 bis 31.3.1998
in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die Klägerin
habe keine Anmeldung und entsprechende Beitragsnachweise eingereicht. Man bitte um
Übersendung der Unterlagen.
Mit Schreiben vom 7.2.2001 setzte die Beklagte der Klägerin eine Frist bis zum
28.2.2001.
Mit Schreiben vom 1.3.2001 verwies die Klägerin auf die bereits vorgetragene
Rechtsauffassung und übersandte eine Berechnung für die Renten- und
Arbeitslosenversicherung des Beigeladenen zu 1) für den gesamten Zeitraum des
Beschäftigungsverhältnisses. Dies geschehe aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht
und man erhebe vorsorglich die Einrede der Verjährung. Man bitte um eine
rechtsmittelfähige Entscheidung.
Die Beklagte erließ eine solche unter dem Datum des 6.3.2001. Man habe die Beiträge zur
Rentenversicherung der Angestellten und zur Arbeitslosenversicherung berechnet und
fordere (nach Darlegung der einzelnen Beiträge für die jeweiligen Beschäftigungsjahre)
insgesamt 82.397,20 DM, die innerhalb von zwei Wochen zu zahlen seien. Dem Schreiben
ist eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt.
Auf den Widerspruch der Klägerin vom 13.3.2001 erging am 11.5.2001 ein
Widerspruchsbescheid. Die Beklagte führte im Wesentlichen aus, auf der Grundlage von § 7
Abs. 1 SGB IV sei typisches Merkmal eines Abhängigkeitsverhältnisses die umfassende
Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers. Im konkreten Fall überwögen die Umstände,
die für eine abhängige Stellung des Beigeladenen zu 1) sprächen. Die Ansprüche seien auch
nicht verjährt. Nach § 25 SGB IV verjährten Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des
Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Ein Beitragsbescheid wie derjenige vom
17.8.1999 unterbreche die Verjährung. Die Beiträge vom 1.12.1994 bis Jahresende 1996
seien daher nicht verjährt.
Das anschließende Klageverfahren, in dem sich die Klägerin im Wesentlichen auf die bereits
vorgebrachten Argumente bezog, endete mit Gerichtsbescheid vom 18.4.2002. Das
Sozialgericht für das Saarland (SG) wies die Klage unter Hinweis auf den zwischen den
Beteiligten geschlossenen Vertrag vom 9.12.1994 ab. Dem Beigeladenen zu 1) sei es
versagt gewesen, Nebentätigkeiten ausüben. Auch die übrigen Klauseln in diesem Vertrag
sprächen eindeutig für ein abhängiges Arbeitsverhältnis. Dass der Beigeladene zu 1) seine
Tätigkeit im Wesentlichen frei habe gestalten können, sei unbeachtlich, weil die Klägerin
übergeordnet gewesen sei und seinen Arbeitseinsatz gesteuert habe. Ansprüche der
Beklagten seien auch nicht verjährt. Insoweit verweise das SG auf den angefochtenen
Widerspruchsbescheid.
Gegen den am 25.4.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24.5.2002
Berufung eingelegt.
Das SG habe – so die Klägerin - außer Acht gelassen, dass einzelne Vereinbarungen im
Vertrag vom Dezember 1994 von einem normalen Arbeitsvertrag abwichen und die
wirkliche Tätigkeit nicht die typischen Merkmale eines abhängigen Arbeitnehmers
aufgewiesen habe. Die Abrede, dass er keine weiteren Aufträge habe entgegennehmen
dürfen, sei so auszulegen gewesen, dass dies nur weitere Aufträge der Fa. D., des
Auftraggebers der Klägerin, betroffen habe. Der Beigeladene zu 1) habe verbindlich
zugesichert, seine Beiträge selbst und ordnungsgemäß abzuführen. Der zeitliche Einsatz
des Beigeladenen zu 1) sei bedarfsabhängig und variabel gewesen. Ein Dienstwagen habe
ihm nicht zur Verfügung gestanden, sondern nur ein Baustellenfahrzeug in Form eines
Geländewagens. Eine Weisungsabhängigkeit habe nicht bestanden, weil der
Geschäftsführer der Klägerin nur ein einziges Mal an der Baustelle gewesen sei. Der
Beigeladene zu 1) habe auch wie jeder freischaffende Architekt eine Haftpflichtversicherung
abgeschlossen. Man habe auch kein Arbeitsentgelt, sondern ein Honorar nebst MwSt.
vereinbart. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht Oberbauleiter gewesen und habe sich bei
der zuständigen Berufsgenossenschaft angemeldet.
Bezüglich der Verjährung führt die Klägerin aus, das Schreiben der Beklagten vom
17.8.1999 sei kein Verwaltungsakt, weil es keine abschließende Regelung enthalte. Damit
könne es die Verjährung nicht unterbrechen. Ein Bescheid sei erst am 6.3.2001 ergangen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 18.4.2002 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 6.3.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
11.5.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) sind der Meinung, ein Bauleiter sei auch dann nicht
selbständig, wenn er notwendige Entscheidungen vor Ort eigenständig treffe. Entscheidend
sei die Eingliederung in einen übergeordneten Organismus und die Tätigkeit für fremde
Interessen. Eine solche Eingliederung habe vorgelegen, weil er keine weiteren Aufträge
habe entgegennehmen dürfen. Im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses habe ein
umfassendes Verbot zur Annahme zusätzlicher Aufträge bestanden. Die Regelungen über
eine Vergütung, über die Arbeitszeit, den Urlaub und die Fortzahlung der Bezüge seien
Belege für die Abhängigkeit. Die Bezeichnung als Freischaffender habe nur eine
untergeordnete Bedeutung. Der Beigeladene zu 1) habe kein Unternehmerrisiko getragen
und keine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Auch habe eine
Weisungsabhängigkeit vorgelegen, obwohl der Geschäftsführer der Klägerin nur dreimal im
Baubüro an der Autobahn erschienen sei. Allerdings habe er häufig zum Auftraggeber der
Klägerin, der Fa. D., fahren müssen. Bezüglich der Verjährung ist die Beklagte der Ansicht,
das Schreiben vom 17.8.1999 sei ein Verwaltungsakt, der die Verjährung unterbrochen
habe. Dieses Schreiben enthalte die verbindliche Feststellung eines
sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses mit der zwingenden Folge der
Pflicht zur Beitragszahlung. Dieser Bescheid sei sogar bestandskräftig geworden.
Spätestens das Schreiben vom 27.12.2000 sei jedoch ein Verwaltungsakt, weshalb
allenfalls die Beitragsansprüche aus den Jahren 1994 und 1995 als verjährt angesehen
werden könnten.
Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter des Senats hat am 27.9.2004 einen Erörterungstermin durchgeführt,
in dem die Hauptbeteiligten und der Beigeladene zu 1) befragt wurden.
Wegen des Inhalts der Anhörung wird auf das entsprechende Protokoll vom 27.9.2004
verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie
der beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Im Gegensatz
zur Auffassung der Klägerin bestand zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1) ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV mit
entsprechenden Verpflichtungen zur Beitragsleistung an die Beigeladenen zu 2) und zu 3).
Allerdings sind die Beitragsansprüche bis einschließlich November 1996 verjährt, sodass nur
noch Beiträge für die Zeit vom 1.12.1996 bis zur Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses am 31.3.1998 zu zahlen waren.
In den Jahren 1994 bis 1998 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt
waren, in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unabhängig von der Höhe des Entgelts
der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs
Sozialgesetzbuchs - SGB VI; § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -,
ab 1.1.1998 §§ 24, 25 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB III). Beurteilungsmaßstab
für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV in seiner bis zum
31. Dezember 1998 geltenden Fassung (aF; jetzt § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach § 7
Abs. 1 SGB IV aF ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich
abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der
Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der
Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies -
vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur funktionsgerechten
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer
eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im
Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von
den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom
25.01.2001, B 12 KR 17/00 R mwN.).
Legt man diese Kriterien zu Grunde, war ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen
der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) gegeben. Bezogen auf die Tätigkeit eines
Architekten ist dabei zu beachten, dass diese Tätigkeit sowohl in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis als auch als freier Mitarbeiter möglich ist. Vor allem ist der am
9.12.1994 zwischen diesen Beteiligten geschlossene Vertrag von Bedeutung. Die Tätigkeit
des Beigeladenen zu 1) weist weit überwiegend typische Merkmale eines
Beschäftigungsverhältnisses, kaum solche einer selbständigen Tätigkeit auf. Das
Gesamtbild der Arbeitsleistung ist eindeutig als unselbständige, abhängige Tätigkeit mit der
Folge der Sozialversicherungspflicht anzusehen.
In diesem Vertrag, der ausschließlich zur Betreuung und Abwicklung einer Baumaßnahme
auf Autobahnen in den neuen Bundesländern geschlossen wurde und der dem
Beigeladenen zu 1) die Bauüberwachung diesbezüglich übertrug, wurden klare
Einzelregelungen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses vereinbart: der Beigeladene zu 1)
war weisungsgebunden, ausschließlich für die Klägerin tätig, durfte keine weiteren Aufträge
entgegennehmen und hatte eine konkrete wöchentliche Arbeitszeit zu leisten. Er erhielt
eine feste Vergütung im Monat, konnte Überstunden ausgleichen, hatte einen
Urlaubsanspruch in Höhe von 25 Tagen und erhielt im Krankheitsfall seine Vergütung für
zehn Kalendertagen pro Jahr weiter. Aufgrund dieser vertraglichen Vereinbarung, die
zwischen den genannten Beteiligten erhebliches Gewicht hatte, denn unter Nr. 13 ist im
Vertrag ausdrücklich ausgeführt, dass mündliche Nebenabreden nicht getroffen werden
und Änderungen sowie Ergänzungen der Schriftform bedürfen, werden fast sämtliche
Elemente einer selbstständigen beziehungsweise freiberuflichen Tätigkeit des Beigeladenen
zu 1) ausgeschlossen. Er trug weder ein eigenes Unternehmensrisiko in Form des
Einsatzes von Eigenkapital oder eigener Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes
(BSG aaO.), weil er unabhängig von der konkreten Leistung feste monatliche Bezüge ohne
Abzug für eine eventuelle Schlechtleistung erhielt, noch konnte er seine Arbeitsleistung frei
gestalten oder verfügte über eine eigene Betriebsstätte. Davon hätte bei der Tätigkeit des
Beigeladenen zu 1) nur gesprochen werden können, wenn er seine Arbeitsleistung so frei
gestalten konnte, dass daneben eine Tätigkeit als freiberuflicher Architekt möglich war.
Dieser Schluss lässt sich nicht ziehen. Die im Januar 1995 vertraglich festgelegte,
gegenüber dem Ausgangsvertrag noch höhere Arbeitsverpflichtung von 176,4 Stunden im
Monat spricht trotz frei zu gestaltender Arbeitszeit dagegen (BSG aaO.). Der Beigeladene
zu 1) hatte einzig und allein ein konkretes Projekt zu betreuen, das seine volle Arbeitskraft
erforderte und neben dem weitere freiberufliche Tätigkeiten eines Architekten rechtlich und
aufgrund der zeitlichen Belastung auch faktisch nicht möglich waren.
Die Argumente, die die Klägerin gegen diese Einschätzung vorbringt, können nicht
überzeugen. Dass der Beigeladene zu 1) als Bauleiter über die Einzelheiten der
Baumaßnahme im Wesentlichen frei entscheiden konnte, spricht nicht gegen seine
persönliche Abhängigkeit von der Klägerin. Bei Dienstleistungen höherer Art (z. B. eines
leitenden Angestellten) besteht in aller Regel das Weisungs- oder Direktionsrecht faktisch
nur in begrenztem Rahmen (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 2.3.2000, L 1 KR 38/97),
insbesondere, wenn dem Arbeitgeber eine Einflussnahme auf die Art der Ausführung einer
Tätigkeit rechtlich versagt oder aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. In diesen Fällen
ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers erheblich eingeschränkt, so dass von einer
Weisungsfreiheit nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden kann.
Ob der Beigeladene zu 1) konkrete Weisungen erhalten hat, ist ebenso ohne Bedeutung,
weil eindeutig das Recht vereinbart wurde, Weisungen zu erteilen. Im vorliegenden Fall
wurde zwar faktisch das Weisungsrecht nur in geringem Umfang durch die Klägerin selbst
ausgeübt, was aber darin begründet lag, dass die Klägerin zum einen ihren Betriebssitz
weit ab vom Einsatzort des Beigeladenen zu 1) hatte, und dass zum andern der
Beigeladene zu 1) durch seine berufliche Tätigkeit ein großes Maß an Eigenständigkeit in
der Ausführung seiner konkreten Aufgabe hatte. Hinzu kommt, dass mit dem
Vertragspartner der Klägerin, der Fa. D., vor Ort ein Weisungsgeber vorhanden war, der in
die vertragliche Gestaltung zwischen den genannten Beteiligten eingebunden war und zu
dem der Beigeladene zu 1) häufiger Kontakt hatte. Eine Weisungsunabhängigkeit war
daher nicht gegeben.
Weder in den Schriftsätzen noch im Erörterungstermin haben die Beteiligten geltend
gemacht, dass der geschlossene Vertrag in wesentlichen Punkten mit den tatsächlichen
Verhältnissen nichts gemein habe. Die vorgetragenen und teils bestrittenen Abweichungen
bezüglich Dienstwagen und Mietzuschuss können den Gesamtcharakter des Vertrags als
Arbeitsvertrag nicht in Frage stellen. Auch ist ohne Belang, ob die Vereinbarung, der
Beigeladene zu 1) dürfe keine Nebentätigkeiten ausüben, nur auf solche für die Firma D. zu
beschränken war, solange - wie es hier der Fall war - sich der Kläger an diese wörtlich
vereinbarte Abrede hielt und von der Bindungswirkung dieser Abrede ausging.
Von lediglich untergeordneter Bedeutung ist die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) für
sein Honorar Rechnungen erstellte sowie Umsatzsteuer auswies und nach eigenen
Angaben auch abführte. Die Erstellung einer Rechnung war reine Formalie, denn der
Beigeladene zu 1) hatte nach der vertraglichen Ausgestaltung keinen Spielraum hinsichtlich
der Höhe seiner Vergütung. Die Vereinbarung über die Versteuerung des Honorars durch
den Beigeladenen zu 1) bringt nur die Vorstellung der Vertragsparteien zum Ausdruck, eine
selbständige Tätigkeit zu begründen (vgl. BSG aaO. unter Verweis auf BSG, Urteil vom
14.05.1981, 12 RK 11/80). Sie könnte allenfalls Bedeutung erlangen, wenn die
tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen des Beigeladenen zu 1) zur Klägerin
gleichermaßen für Selbständigkeit und eine abhängige Beschäftigung spricht (BSG aaO.).
Davon kann jedoch nach den o.a. Feststellungen keine Rede sein.
Ob der Beigeladene zu 1) eine berufliche Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, ist
ebenfalls nicht entscheidend. Zum einen hat er einen solchen Abschluss bestritten und zum
andern ist auch in der Vereinbarung hiervon keine Rede. Im Übrigen sind auch
Arbeitnehmer nicht vollständig von einer Haftung gegen beruflich verursachte Schäden
ausgeschlossen, weshalb auch von diesen berufliche Haftpflichtversicherungen
abgeschlossen werden (BSG aaO.).
Schließlich kann es dahinstehen, ob die genannten Beteiligten verabredet hatten, dass der
Beigeladene zu 1) seine Sozialabgaben selbst zu tragen habe. Zum einen ist
Entsprechendes im geschlossenen Vertrag vom Dezember 1994 nicht geregelt und zum
andern folgt eine Herauslösung des Arbeitgebers aus der Anmelde- und Beitragspflicht zur
Sozialversicherung nicht daraus, dass die Parteien eines Arbeitsvertrages abweichend von
gesetzlichen Regelungen Entsprechendes vereinbaren und der Arbeitnehmer ein höheres
Gehalt erhält, um diese Beiträge selbst leisten zu können. Wenn - wie hier - ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis besteht, ergeben sich die Rechte und Pflichten der Parteien eines
Arbeitsvertrages unmittelbar aus dem Sozialgesetzbuch und sind nicht abdingbar. Ob auf
Grund der Rechtslage die Geschäftsgrundlage für das vereinbarte Einkommen wegfallen
kann, ist keine sozialrechtliche, sondern eine arbeitsrechtliche Frage, die hier nicht von
Bedeutung ist.
Bei dieser Sachlage steht der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
nicht entgegen, dass die Mitarbeit des Beigeladenen zu 1) formal als freies
Mitarbeiterverhältnis geführt wurde (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.
November 1997 - 5 AZR 21/97 - = NZA 1998, S. 595 (596)). Der äußeren Form des
Vertragsverhältnisses kommt lediglich Indizwirkung zu, die an Bedeutung zurücktritt, wenn
die tatsächlichen Umstände der Durchführung des Vertragsverhältnisses dem
widersprechen (LSG Berlin, Urteil vom 4.4.2003, L 10 AL 20/02), wie es hier mit den
konkreten inhaltlichen Regelungen im Vertrag der Fall war.
Bei wertender Gesamtbetrachtung überwiegen damit die für eine unselbständige Tätigkeit
sprechenden Merkmale deutlich, wobei insbesondere dem fehlenden Unternehmerrisiko
besondere Bedeutung beizumessen ist.
Die Berechnung der streitigen Beiträge hat die Klägerin nicht angefochten; Anhaltspunkte
für eine fehlerhafte Berechnung sind auch nicht ersichtlich. Die Verpflichtung der Klägerin
zur Zahlung der geforderten Beiträge ergibt sich aus § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV.
Allerdings sind die von der Beklagten geforderten Beiträge bis November 1996 gem. §§ 25
Abs. 1 SGB IV, 52 Abs. 2 SGB X verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche
auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des
Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. § 52 Abs. 1 SGB X in der hier
maßgeblichen, bis 31.12.2001 geltenden Fassung besagt, dass ein Verwaltungsakt, der
zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird,
die Verjährung dieses Anspruchs unterbricht.
Im vorliegenden Fall waren die laufenden Beiträge gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV am 15.
des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der
das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist. Eine dreißigjährige Verjährungsfrist
kann nicht angenommen werden, weil die Klägerin die Beiträge nicht vorsätzlich
vorenthalten hat. Bei der vorliegenden, recht schwierig zu beurteilen Rechtslage kann der
Klägerin nicht der Vorwurf eines bedingten Vorsatzes (siehe dazu BSG, Urteil vom
30.3.2000, B 12 KR 14/99 R; das BSG nennt in dieser Entscheidung als typische
Vorsatzfälle solche der Schwarzarbeit oder der verbreiteten Nebenleistungen) gemacht
werden, da sie sich in einem Irrtum befand, der allenfalls auf Fahrlässigkeit beruhte, zumal
auch die Arbeitsverwaltung zunächst der Auffassung war, es habe keine abhängige
Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bestanden.
Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten war weder das Schreiben vom 17.8.1999 noch
dasjenige vom 27.12.2000 geeignet, die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 SGB
IV zu unterbrechen. Bei beiden Schreiben handelt es sich nicht um Verwaltungsakte i. S.
des § 52 Abs. 1 SGB X alter Fassung. Während das Schreiben vom 17.8.1999 lediglich
eine unverbindliche Rechtsauffassung der Beklagten darlegte, keine konkreten Rechtsfolgen
setzte und es damit, vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet, an einer
unmittelbaren Rechtswirkung nach außen fehlt, kommt auch dem Schreiben vom
27.12.2000 kein entsprechender Regelungscharakter zu. Auch hier wird im Rahmen der
zwischen der Klägerin und der Beklagten erfolgten und nach außen hin noch nicht
abgeschlossenen Korrespondenz mit der Darlegung unterschiedlicher Rechtsauffassungen
lediglich eine Ansicht dargestellt und von der Klägerin eine Anmeldung erbeten. Eine
konkrete Rechtsfolge als Schlusspunkt des Austausches unterschiedlicher Auffassungen mit
unmittelbaren negativen Folgen für die Klägerin, die in der Folge eine rechtsverbindliche
Entscheidung angemahnt und auch erst daraufhin erhalten hat, wird auch hier nicht
gesetzt. Indiz hierfür ist auch, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlt. Somit ist der erste
der Klägerin gegenüber erlassene Verwaltungsakt im Bescheid vom 6.3.2001 zu sehen.
Erst dieser hat die Verjährung unterbrochen. Damit sind durch die erstmals von der
Klägerin im April 2001 geltend gemachte Verjährung gem. § 25 Abs. 1 SGB IV die Beiträge
für 1994, für 1995 und bis einschließlich November 1996 (weil – wie erwähnt – der Beitrag
für Dezember 1996 erst am 15.01.1997 gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV fällig wurde)
verjährt. Die Beklagte kann daher lediglich die Beiträge für Dezember 1996, 1997 und die
ersten drei Monate des Jahres 1998 verlangen.
Damit hat die Berufung zum Teil Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 194 SGG (in der bis 01.01.2002 gültigen
Fassung).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).